Lovis Corinth: Ursachen und Auswirkungen seines Schlaganfalls

Lovis Corinth, geboren am 21. Juli 1858 in Tapiau, Ostpreußen, gestorben am 17. Juli 1925 in Zandvoort, war ein bedeutender deutscher Maler und Grafiker des Impressionismus und Expressionismus. Sein Leben und Werk waren von zahlreichen Ereignissen geprägt, darunter ein schwerer Schlaganfall im Jahr 1911, der seine künstlerische Entwicklung nachhaltig beeinflusste. Dieser Artikel beleuchtet die möglichen Ursachen für Corinths Schlaganfall und dessen Auswirkungen auf sein Leben und Schaffen.

Frühes Leben und künstlerische Ausbildung

Corinth wuchs in Tapiau auf und zog später mit seiner Familie nach Königsberg. Seine frühe künstlerische Ausbildung begann an der Königsberger Akademie, wo er das Zeichnen nach dem lebenden Modell erlernte. Anschließend setzte er sein Studium an der Münchner Akademie fort, wo er unter anderem den Naturalismus von Wilhelm Leibl und Max Liebermann kennenlernte. Studienaufenthalte in Antwerpen und Paris prägten seinen Stil zusätzlich.

Künstlerischer Werdegang bis 1911

Vor seinem Schlaganfall war Corinth bereits ein etablierter Künstler. Er malte Historienbilder, Porträts und Landschaften und experimentierte mit verschiedenen Stilen. Seine Werke zeichneten sich durch eine kraftvolle Farbigkeit und einen expressiven Pinselstrich aus. Corinth war Mitglied der Berliner Secession und wurde 1911 sogar deren Präsident.

Der Schlaganfall von 1911: Ein Wendepunkt

Im Dezember 1911 erlitt Lovis Corinth im Alter von 53 Jahren einen schweren Schlaganfall. In seinen Aufzeichnungen beschrieb er den Anfall als ein einschneidendes Erlebnis, das ihn dem Tode nahe brachte. Er berichtete von nächtlichen Visionen seiner Verstorbenen und einem Gefühl der Ohnmacht.

Mögliche Ursachen für den Schlaganfall

Die genauen Ursachen für Corinths Schlaganfall sind nicht eindeutig belegt. Allerdings gibt es einige Faktoren, die möglicherweise eine Rolle gespielt haben:

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  • Lebensstil: Corinth führte ein intensives Künstlerleben mit zahlreichen gesellschaftlichen Verpflichtungen und einem hohen Alkoholkonsum. Seine Autobiografie zeugt von ausschweifenden Nächten während seiner Studienjahre in München und Paris sowie später in Berlin. Fulminante Feiern und Alkoholexzesse waren aus Corinths Künstler-Dasein nicht wegzudenken.
  • Stress: Als Maler, Lehrer, Aussteller, Autor und Mitglied verschiedener Vereinigungen für Kunstschaffende stand Corinth unter großem Druck. Er pflegte ein ausgezeichnetes Netzwerk an Kontakten, das ihm zwar zahlreiche Aufträge sicherte, aber auch mit einem hohen Maß an Anspannung verbunden war.
  • Ehrgeiz: Corinth selbst beschrieb sich als einen Menschen mit brennendem Ehrgeiz, der stets nach Anerkennung strebte. Dieser Ehrgeiz könnte ebenfalls zu seinem Stresslevel beigetragen haben.

Medizinische Aspekte

Aus neurologischer Sicht wird vermutet, dass Corinth einen rechtshemisphärischen Schlaganfall erlitten hat. Dies könnte zu einem linksseitigen Neglect geführt haben, einer neuropsychologischen Störung, bei der die Betroffenen die linke Seite ihrer Umgebung nicht oder nur eingeschränkt wahrnehmen.

Auswirkungen des Schlaganfalls auf Corinths Leben und Werk

Der Schlaganfall hatte tiefgreifende Auswirkungen auf Corinths Leben und Werk. Obwohl er körperlich beeinträchtigt war, kehrte er relativ schnell zur Malerei zurück. Allerdings veränderte sich sein Stil deutlich:

  • Expressiverer Stil: Corinths Pinselstrich wurde dynamischer und expressiver. Seine Werke wirkten nun noch kraftvoller und unmittelbarer.
  • Reduzierte Formensprache: Seine Bilder wurden direkter und reduzierter. Er konzentrierte sich auf das Wesentliche und verzichtete auf detaillierte Ausarbeitungen.
  • Thematische Veränderungen: Nach dem Schlaganfall setzte sich Corinth verstärkt mit den Themen Tod, Vergänglichkeit und Leid auseinander. Seine Selbstbildnisse wurden schonungsloser und zeigten ihn als einen gezeichneten Mann.
  • Veränderte Wahrnehmung: Neurologen vermuten, dass der Schlaganfall zu einer veränderten Wahrnehmung führte, die sich in Corinths Werken widerspiegelte. So könnte der linksseitige Neglect dazu beigetragen haben, dass er bestimmte Bildbereiche weniger stark betonte oder sogar ausließ.

Corinths Umgang mit der Krankheit

Trotz seiner körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen ließ sich Corinth nicht entmutigen. Er nutzte die Malerei als Ventil, um seine Erfahrungen und Gefühle zu verarbeiten. Seine Werke nach dem Schlaganfall zeugen von einer großen inneren Stärke und einem unbändigen Lebenswillen.

Corinths Spätwerk: Ein Zeugnis von Schaffenskraft und Verwirrung

Corinths Spätwerk gilt als besonders bedeutend. In dieser Phase schuf er einige seiner bekanntesten Werke, darunter zahlreiche Selbstbildnisse, Landschaften und Stillleben. Seine Bilder aus dieser Zeit zeichnen sich durch eine große Intensität und eine verwirrende Ambiguität aus.

Selbstbildnisse als Spiegel der Seele

Die Selbstbildnisse, die Corinth nach seinem Schlaganfall schuf, sind ein eindrucksvolles Zeugnis seiner Auseinandersetzung mit der Krankheit und dem Alter. Sie zeigen ihn als einen Mann, der den Tod vor Augen hat und dennoch voller Schaffenskraft ist. Die Konturen seines Gesichts verwischen, die Farben fließen ineinander, und der Blick ist oft fragend und zurückhaltend.

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Landschaften als Ausdruck innerer Zustände

Auch Corinths Landschaften aus der Zeit nach 1911 spiegeln seine inneren Zustände wider. Der Walchensee, den er seit 1918 regelmäßig besuchte, wurde zu einem wichtigen Motiv in seinem Werk. Seine Darstellungen des Sees sind oft düster und melancholisch, aber auch von einer tiefen Schönheit geprägt.

Corinths künstlerisches Credo: „Die wahre Kunst ist Unwirklichkeit üben“

Lovis Corinth hinterließ der Nachwelt das Credo „Die wahre Kunst ist Unwirklichkeit üben“. Dieser Satz könnte als Ausdruck seiner Erkenntnis interpretiert werden, dass die Kunst nicht die Realität abbilden, sondern vielmehr eine eigene Wirklichkeit schaffen soll. Nach seinem Schlaganfall schien er sich noch stärker auf diese Idee zu konzentrieren und seine eigenen, subjektiven Erfahrungen in seinen Werken zum Ausdruck zu bringen.

Corinths Vermächtnis

Lovis Corinth starb am 17. Juli 1925 im Alter von 66 Jahren in Zandvoort an einer Lungenentzündung. Sein Werk hat bis heute nichts von seiner Strahlkraft verloren und inspiriert weiterhin Künstler und Kunstinteressierte auf der ganzen Welt. Corinth gilt als einer der wichtigsten Vertreter des deutschen Impressionismus und Expressionismus und als ein Künstler, der sich von Schicksalsschlägen nicht unterkriegen ließ.

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