Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederholte Anfälle gekennzeichnet ist. Diese Anfälle entstehen durch abnorme, synchronisierte Entladungen von Nervenzellen im Gehirn. Während die Ursachen für Epilepsie vielfältig sind, rückt der Einfluss von Mikronährstoffen, insbesondere Magnesium, zunehmend in den Fokus.
Die Rolle von Magnesium im Gehirn
Magnesium ist ein essenzielles Mineral, das eine entscheidende Rolle bei zahlreichen Körperfunktionen spielt, darunter die neuromuskuläre Signalübertragung, die Regulierung des Blutdrucks und die Aufrechterhaltung der Knochengesundheit. Im Gehirn wirkt Magnesium als natürlicher Blocker des NMDA-Rezeptors, einem wichtigen exzitatorischen Rezeptor. Dieser Rezeptor spielt eine zentrale Rolle bei der neuronalen Erregbarkeit. Wenn Magnesium fehlt, wird der NMDA-Rezeptor enthemmt, was zu einer erhöhten Erregbarkeit der Nervenzellen und potenziell zu epileptischen Anfällen führen kann.
Ein Fallbericht verdeutlicht diesen Zusammenhang: Ein 57-jähriger Patient erlitt einen generalisierten tonisch-klonischen Anfall ohne erkennbare Ursache. Die übliche Diagnostik blieb unauffällig. Eine Laboruntersuchung ergab jedoch einen deutlichen Magnesiummangel (0,29 mmol/l, Normalwert: 0,7-1,0 mmol/l). Dies führte zur Diagnose eines akut-symptomatischen Anfalls aufgrund des Magnesiummangels. Die Behandlung bestand in der Behebung des Magnesiummangels, was das Fahrverbot auf drei Monate verkürzte.
Magnesiummangel als Ursache und Folge von Epilepsie
Ein Magnesiummangel kann also bei Menschen ohne Epilepsie einen Anfall auslösen. In solchen Fällen spricht man von einem akut-symptomatischen Anfall. Es ist jedoch auch wichtig zu beachten, dass bei Epilepsiepatienten ein Mangel an Mikronährstoffen sehr häufig vorkommt. Epilepsiemedikamente können nämlich die Aufnahme und Verwertung von Mikronährstoffen beeinträchtigen und somit einen Mangelzustand verstärken oder verursachen. Ein solcher Mangel kann wiederum die Entstehung von Anfällen fördern.
Mikronährstoffmängel bei Epilepsiepatienten
Epilepsiemedikamente, auch bekannt als anfallssuppressive Medikamente (ASM), gehören zu den Arzneimitteln, die am häufigsten zu Mikronährstoffmängeln führen. Dies dürfte auch ein Hauptgrund für die hohe Nebenwirkungsrate dieser Medikamente sein. Zu den häufigsten Mängeln gehören Vitamin D, B-Vitamine, Folsäure, Biotin, Zink und Selen.
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Vitamin D
Vitamin D3 hat eine wichtige Bedeutung im Hirnstoffwechsel und beeinflusst über Vitamin-D-Rezeptoren verschiedene Hirnfunktionen. Studien haben gezeigt, dass Epilepsiepatienten bereits vor Beginn einer Behandlung niedrigere Vitamin-D3-Spiegel aufweisen als gesunde Kontrollpersonen. Durch die Einnahme von ASMs können erhebliche Vitamin-D3-Defizite auftreten, wobei die Abnahme des 25-(OH)-D3-Spiegels mit der Zeitdauer der Medikation korreliert. Ein Mangel an Vitamin D kann zu einer verminderten Knochendichte führen und kognitive Störungen verstärken. Chinesische Wissenschaftler publizierten 2024, dass verminderte Konzentrationen von Vitamin D mit kognitiven Störungen bei Epilepsie-Patienten assoziiert waren. Laut einer indonesischen Studie hatten Kinder mit Epilepsie bei der Einnahme von einem oder mehreren Epilepsiemedikamenten niedrigere 25 (OH)D Spiegel als altersgemäß erwartet. Am niedrigsten waren die Vitamin-D-Spiegel bei der Einnahme mehrerer ASMs. Forscher aus China fanden bei Kindern mit Epilepsie auch eine Assoziation zwischen verminderten Vitamin-D-Spiegeln und einer Störung der exekutiven Funktionen.
B-Vitamine und Folsäure
ASMs können verschiedene Mängel im Bereich der B-Vitamine auslösen. Eine höhere Aufnahme von Vitamin B1 war mit einem niedrigeren Epilepsierisiko assoziiert. Im Vergleich zu der Normalbevölkerung zeigten Epilepsiepatienten unter anderem auch eine niedrigere Aufnahme von Vitamin B1 und B6. Über die Hälfte der mit ASMs behandelten Patienten zeigten Störungen in der Folsäureversorgung. Allerdings ist zu beachten, dass eine hoch dosierte Folsäuresupplementierung (über ein Milligramm pro Tag) z.B.
Homocystein
Die Einnahme von ASMs vermag auch eine Hyperhomocysteinämie auszulösen, so dass sich bei Epilepsiepatienten auf jeden Fall die Kontrolle des Homocysteinspiegels empfiehlt. Homocystein ist ein Risikofaktor für Gefäßerkrankungen und besitzt bekanntlich ein beträchtliches neurotoxisches Potential. Homocystein ist auch an der Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen und kognitiver Störungen beteiligt.
Vitamin B6
Viele Patienten mit Epilepsie haben auch einen Vitamin-B6-Mangel. Es gibt auch eine seltene Stoffwechselerkrankung, die durch epileptische Anfälle bei neugeborenen Kindern in Erscheinung tritt, die so genannte pyridoxiabhängige Epilepsie. Das häufig verwendete Epilepsie-Medikament Levetiracetam macht häufig neuropsychiatrische Symptome, die durch die Einnahme von Vitamin B6 gebessert werden können.
Biotin
Bei langer Therapie mit ASMs kann auch ein Biotinmangel auftreten, weil verschiedene ASMs den Biotinabbau beschleunigen können.
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Zink und Selen
Zink ist für die Funktionsfähigkeit verschiedener Neurotransmittersysteme erforderlich. Bei Kindern mit Fieberkrämpfen wurden Zinkmängel nachgewiesen. Sowohl niedrige wie auch hohe Zink-Konzentrationen im Gehirn können das Epilepsierisiko erhöhen. Zink hat dann einen antiepileptischen Effekt, wenn die Zink-Homöostase aufrechterhalten wird. Selen ist ein wichtiges antioxidatives Spurenelement und generell von großer Bedeutung für den antioxidativen Schutz des Gehirns.
Oxidativer Stress und Epilepsie
Oxidativer Stress kann mit einer ganzen Reihe von gesundheitlichen Störungen in Verbindung gebracht werden, z.B. Das Gehirn ist wegen seines hohen Sauerstoffbedarfs besonders anfällig für oxidativen Stress. Die Epilepisien sind durch eine neuronale Übererregbarkeit charakterisiert, was einen vermehrten Energieverbrauch der Nervenzellen bewirkt. Dies führt zu einem erhöhten oxidativen Stress als Folge der Erkrankung. Epilepsie kann aber auch das Resultat von oxidativem Stress sein, z.B. Bei Epilepsiepatienten bestehen also eine erhöhte Bildung von ROS und eine ausgeprägte antioxidative Imbalance. Die Antiepileptika der älteren Generation rufen oxidativen Stress hervor und beeinträchtigen im Vergleich zu den neueren Epilepsiemedikamenten die Lebensqualität von Epilepsiepatienten. Allerdings sprechen rund 30 Prozent der Patienten auf die neueren Antiepileptika nicht an, was wahrscheinlich darauf zurückzuführen ist, dass die Medikamente zu einer verstärkten Bildung von Transportern führen, die dann die Ausschleusung der Medikamente beschleunigen. Dadurch wird natürlich die Wirksamkeit der antiepileptischen Therapie stark beeinträchtigt. Forscher aus Japan empfehlen die Bestimmung von reaktiven Sauerstoffmetaboliten, um die Sicherheit und Effektivität der Neuronen zu überprüfen. Forscher aus Indien publizierten 2014, dass Epilepsiepatienten im Vergleich zu entsprechenden Kontrollpersonen signifikant niedrigere Spiegel von Antioxidantien aufwiesen.
Antioxidantien und Epilepsie
Wissenschaftler aus Polen beschäftigten sich in einem Fachartikel mit der Frage, inwieweit Vitamin C bei der antiepileptischen Therapie eine Rolle spielen könnte. Vitamin C ist ein neuroprotektiver Faktor, der Zellmembranen stabilisiert und die Lipidperoxidation vermindern kann. In einem Fachartikel, publiziert 2021, wird die Bedeutung neurodegenerativer Prozesse bei der Epilepsieentstehung erörtert. Für die Autoren des Fachartikels ist Vitamin E aufgrund seiner antioxidativen, antientzündlichen und neuroprotektiven Eigenschaften ein nützlicher therapeutischer Ansatz zur Behandlung der Epilepsie. Ein Übersichtsartikel polnischer Wissenschaftler beschäftigte sich mit Störungen endogener und exogener Antioxidantien bei neurologischen Erkrankungen.
Die Bedeutung der Magnesiumversorgung bei Epilepsiepatienten
Angesichts der potenziellen Auswirkungen von Magnesiummangel und anderen Mikronährstoffdefiziten auf die Entstehung und den Verlauf von Epilepsie ist es wichtig, bei Epilepsiepatienten auf eine ausreichende Mikronährstoffversorgung zu achten. Eine ausgewogene Ernährung mit viel Vollkorn, Gemüse und Nüssen ist entscheidend, um den Magnesiumbedarf zu decken. Bei einseitiger Ernährung oder einem erhöhten Bedarf, z.B.
Magnesium als Nahrungsergänzungsmittel
Magnesium wird häufig als Nahrungsergänzungsmittel eingenommen, um einen Mangel auszugleichen oder die Magnesiumversorgung zu optimieren. Es gibt verschiedene Formen von Magnesium, die sich in ihrer Bioverfügbarkeit und Verträglichkeit unterscheiden. Zu den gängigsten Formen gehören Magnesiumoxid, Magnesiumcitrat, Magnesiumglycinat, Magnesiummalat, Magnesiumthreonat, Magnesiumchlorid und Magnesiumtaurat. Magnesiumcitrat hat eine bessere Bioverfügbarkeit als Magnesiumoxid und wird daher leichter vom Körper aufgenommen. Magnesiumglycinat ist gut bioverfügbar und wird gut vertragen. Es kann dazu beitragen, die Entspannung von Muskeln und Nerven zu fördern. Magnesiumthreonat hat eine hervorragende Gehirnverträglichkeit und soll die Konzentration von Magnesium im Gehirn effektiv erhöhen können. Magnesiumchlorid wird meist in flüssiger Form verwendet und kann sowohl oral als auch auf die Haut aufgetragen werden. Magnesiumtaurat ist eine spezielle Form von Magnesium, bei der das Mineral Magnesium mit der Aminosäure Taurin verbunden ist. Diese Verbindung macht es zu einer einzigartigen Magnesiumquelle.
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Vorsicht bei der Einnahme von Magnesium
Obwohl Magnesium im Allgemeinen als sicher gilt, ist es wichtig, die empfohlene Tagesdosis nicht zu überschreiten. Eine Überdosierung kann zu Nebenwirkungen wie Durchfall, Übelkeit und Bauchkrämpfen führen. In seltenen Fällen kann eine Überdosierung auch schwerwiegendere Folgen haben, insbesondere bei Menschen mit eingeschränkter Nierenfunktion. Eine Überdosierung kann Herz-Kreislauf-Symptome wie Blutdruckschwankungen, Herzrasen und innere Unruhe verursachen. Die Tagesdosis sollte 300 mg nicht überschreiten. Eine dauerhafte Einnahme von Magnesium ist bei einer gesunden Ernährung nicht erforderlich. Sollten Nebenwirkungen unter Magnesium auftreten, dann verschwinden diese in der Regel innerhalb von Tagen.
Es ist ratsam, vor der Einnahme von Magnesium als Nahrungsergänzungsmittel einen Arzt oder Apotheker zu konsultieren, insbesondere wenn man bereits Medikamente einnimmt oder an Vorerkrankungen leidet.
Magnesium und Herz-Kreislauf-System
Studien belegen, dass eine ausreichende Magnesiumzufuhr den Blutdruck positiv beeinflussen und das Risiko für Bluthochdruck senken kann. Ein Magnesiummangel kann dagegen den Gefäßtonus und damit den Blutdruck erhöhen. Magnesium wirkt dem entgegen, indem es die intrazelluläre Calciumkonzentration senkt. Sinkt der Blutdruck unter den Sollwertbereich im Regelkreissystem, dann droht Kreislauf-Stress mit Benommenheit, Schwindel oder gar Ohnmacht. Der Körper muss dann gegenregulieren, damit Sie nicht das Bewusstsein verlieren und sich Verletzung zuziehen. Durch den Anstieg der Katecholamine können dann Symptome, wie schneller und kräftiger Herzschlag, Blutdruckschwankungen, innere Unruhe bis hin zu Panikattacken ausgelöst werden.
Magnesium ist der optimale Ko-Faktor des Enzyms Catechol-O-Methyltransferase (COMT), welches die Neurotransmitter Dopamin, Noradrenalin und Adrenalin abbaut. Magnesium ist daher besonders sinnvoll für stressanfällige Menschen.
Individuelle Faktoren berücksichtigen
Es ist wichtig zu beachten, dass der Magnesiumbedarf individuell variieren kann. Faktoren wie Alter, Geschlecht, körperliche Aktivität, Ernährungsgewohnheiten und Medikamenteneinnahme können den Bedarf beeinflussen. Eine Messung des Magnesiumspiegels im Blutserum kann helfen, einen Mangel festzustellen. Da Magnesium aber hauptsächlich in den Zellen und nur zu einem geringen Teil im Blut vorkommt, ist ein Mangel im Blut nicht immer nachweisbar. Ergänzend kann daher auch der Magnesiumgehalt in den roten Blutkörperchen oder im 24h-Sammelurin bestimmt werden. Diese Werte geben Hinweise auf den Magnesiumstatus des Gesamtkörpers.
Weitere wichtige Aspekte bei Epilepsie
Neben der Magnesiumversorgung gibt es weitere wichtige Aspekte, die bei der Behandlung von Epilepsie berücksichtigt werden sollten:
Anfallstrigger: Epileptische Anfälle können durch verschiedene Faktoren ausgelöst werden, sogenannte Trigger. Zu den häufigsten Triggern gehören Schlafentzug, Stress, Fieber, Alkoholkonsum und bestimmte Medikamente. Es ist wichtig, diese Trigger zu identifizieren und nach Möglichkeit zu vermeiden. Bei genetisch generalisierten Epilepsien ist Schlafentzug einer der wichtigsten Faktoren, die das Auftreten eines Anfalls wahrscheinlicher machen. Fieber stellt einen weiteren relevanten Triggerfaktor dar.
Antiepileptische Therapie: Die medikamentöse Behandlung mit Antiepileptika ist ein wichtiger Bestandteil der Epilepsiebehandlung. Es gibt verschiedene Antiepileptika, die auf unterschiedliche Weise wirken. Die Auswahl des geeigneten Medikaments hängt von der Art der Epilepsie, dem Alter des Patienten und anderen individuellen Faktoren ab.
Epilepsiechirurgie: Bei manchen Patienten mit pharmakoresistenter Epilepsie kann eine Operation in Erwägung gezogen werden. Ziel der Operation ist es, den Anfallsfokus im Gehirn zu entfernen oder zu isolieren. Viele Studien zur Prognose nach Epilepsiechirurgie zeigen, dass die Identifikation einer potenziell epileptogenen Läsion im MRT die Wahrscheinlichkeit auf post-operative Anfallsfreiheit signifikant erhöht.
Lebensqualität: Epilepsie kann die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Es ist wichtig, die psychischen und sozialen Auswirkungen der Erkrankung zu berücksichtigen und den Patienten Unterstützung anzubieten.
Fallbeispiele
Die folgenden Fallbeispiele illustrieren die Komplexität der Epilepsiebehandlung und die Bedeutung einer individuellen Betreuung:
Antiepileptikum nach erstem Anfall? Ein 73-jähriger Patient erlitt einen ersten unprovozierten tonisch-klonisch generalisierten epileptischen Anfall. Obwohl kein erhöhtes Rezidivrisiko bestand, bat der Patient um ein Antiepileptikum. Nach der Einnahme von Lamotrigin verspürte er zunehmend Schwankschwindel und setzte das Medikament selbständig ab. Dieser Fall zeigt, dass die Entscheidung für oder gegen eine antiepileptische Therapie individuell abgewogen werden muss.
Mehr Lebensqualität mit weniger Antiepileptika: Eine 33-jährige Patientin mit Intelligenzminderung litt seit früher Kindheit an Epilepsie und wurde mit drei verschiedenen Antiepileptika behandelt. Unter der Annahme, dass die Beschwerden Folge der antiepileptischen Medikation sind, wurde eines der Medikamente schrittweise abgesetzt. Dieser Fall illustriert, dass drei parallel gegebene Antiepileptika nicht wirksamer sind als zwei, dass aber die Häufigkeit und Schwere von unerwünschten Arzneimittelwirkungen unter drei Antiepileptika deutlich höher sind.
Jugendlicher mit frühen Absencen: Ein 14-jähriger Jugendlicher litt seit dem 6. Lebensjahr unter Absencen. Im Alter von 14 Jahren wurde das Antiepileptikum ausgeschlichen und abgesetzt. In einer Video-EEG-Langzeit-Untersuchung wurden weder klinisch manifeste Absencen noch elektrophysiologisch die charakteristischen epilepsietypischen Potenziale beobachtet. Diese Kasuistik zeigt den oftmals gutartigen Verlauf von kindlichen Absence-Epilepsien, die in der Regel altersabhängig selbstlimitierend sind.
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