Malignes Neuroleptisches Syndrom: Ursachen, Symptome und Behandlung

Das maligne Neuroleptische Syndrom (MNS) ist eine seltene, aber potenziell lebensbedrohliche Komplikation, die im Zusammenhang mit der Einnahme von Neuroleptika (auch Antipsychotika genannt) oder dem abrupten Absetzen von Dopaminagonisten auftreten kann. Es ist ein medizinischer Notfall, der eine sofortige Diagnose und Behandlung erfordert. Das Syndrom kann sich schnell entwickeln und zu schwerwiegenden Komplikationen führen, weshalb ein rasches Handeln entscheidend ist.

Definition

Das maligne Neuroleptische Syndrom (MNS) ist ein seltenes, aber lebensbedrohliches Krankheitsbild, das bei der Anwendung von Neuroleptika auftreten kann. Diese Medikamente werden zur Behandlung verschiedener psychischer Erkrankungen eingesetzt, darunter:

  • Schizophrene Psychosen
  • Depressionen
  • Bipolare Störungen (Manie und Depression im Wechsel)
  • Unruhe- und Erregungszustände
  • Bestimmte Verhaltensstörungen (z. B. bei Demenz)
  • Organische Psychosen (Wesensveränderungen aufgrund von körperlichen Gehirnveränderungen z. B. durch Alkohol, Infektionen)
  • Ticstörungen und Tourette-Syndrom
  • Zwangsstörungen

Ursachen

Das MNS kann durch verschiedene Mechanismen ausgelöst werden, wobei ein akuter Dopaminmangel eine zentrale Rolle spielt. Die Erkrankung kann von allen Arten von Antipsychotika hervorgerufen werden, insbesondere solchen, die in den Dopaminstoffwechsel eingreifen, indem sie bestimmte Dopamin-Rezeptoren blockieren. Durch die Blockierung steht den Nervenzellen im Gehirn weniger Dopamin zur Verfügung. Dies soll den vorhandenen Überschuss ausgleichen, da man z. B. bei einer Schizophrenie davon ausgeht, dass eine Überaktivität von Dopamin die Ursache für die Erkrankung ist. Am häufigsten tritt ein MNS bei der Einnahme sogenannter klassischer hoch- oder niedrigpotenter Neuroleptika (z. B. Haloperidol, Pipamperon) auf.

Ein MNS kann auch durch das plötzliche Absetzen von Medikamenten hervorgerufen werden, die zur Behandlung von Parkinson eingenommen werden (sog. Dopaminagonisten); das sind Medikamente, die dafür sorgen, dass dem Körper mehr Dopamin zur Verfügung steht.

Zusammenfassend scheint ein MNS also Folge eines akuten Dopaminmangels zu sein.

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Es gibt zusätzliche Faktoren, die das Risiko eines malignen neuroleptischen Syndroms erhöhen können, darunter:

  • Austrocknung des Körpers
  • Vorgeschädigtes Gehirn, z. B. nach Schlaganfall
  • Fieber
  • Neuroleptika, die in den Muskel gespritzt oder als Langzeitspritze gegeben werden
  • Kürzlich begonnene Einnahme von Antipsychotika und/oder schnelle Erhöhung der Dosis
  • Bestimmte psychiatrische Erkrankungen wie z. B. Depression, Manie, bipolare Störung (Manie und Depression im phasenweisen Wechsel)
  • Eisenmangel

Es wird auch eine zentrale dopaminhemmende Wirkung der Triggersubstanzen im Bereich der Basalganglien und des Hypothalamus sowie peripher eine Hemmung der Kalziumaufnahme in das sarkoplasmatische Retikulum der quer gestreiften Muskelzellen vermutet. Der Pathomechanismus beruht auf einer Steigerung der aeroben und anaeroben Stoffwechselprozesse mit nachfolgender Rhabdomyolyse.

Symptome

Häufig treten die Symptome kurz nach Einnahmebeginn entsprechender Antipsychotika auf, gewöhnlich innerhalb der ersten zwei Wochen. Die Symptomatik setzt Tage oder Wochen nach Ansetzen der neuroleptischen Medikation ein und entwickelt sich bis zum Vollbild innerhalb 24-72 h. Zu den typischen Symptomen zählen:

  • Fieber höher als 38 °C ohne erkennbaren Infekt
  • Starkes Schwitzen (Diaphorese)
  • Muskelsteifigkeit der Skelettmuskulatur (Rigor)
  • Zittern
  • Störungen des Bewusstseins (Verwirrtheit, Sprech- und Schluckstörungen bis zum Koma)
  • Schwankungen von Herzschlag (schnell) und Blutdruck (hoch)
  • Unwillkürliche Muskelzuckungen in Armen und Beinen
  • Extrapyramidale Störungen
  • Opisthotonus
  • Wechselnde Bewusstseinsstörungen (fluktuierendes Koma)
  • Agitation

Diese Symptome können sich schnell entwickeln und zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen.

Diagnostik

Die Diagnose des MNS basiert auf der Anamnese, der klinischen Untersuchung und den Ergebnissen von Labortests. Es ist wichtig, andere mögliche Ursachen für die Symptome auszuschließen.

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Wenn Sie vor kurzem eine Behandlung mit Antipsychotika begonnen haben und oben genannte, zeitnah einsetzende Symptome (innerhalb von 24-72 Stunden) bemerken, können Hausärzt*innen den Verdacht auf ein malignes Neuroleptika Syndrom stellen. Um andere Ursachen (z. B. eine Entzündung, eine Vergiftung oder eine Schilddrüsenerkrankung) ausschließen zu können, folgt eine ausführliche körperliche Untersuchung und die Messung Ihrer Körpertemperatur.

Weitere Untersuchungen in der Hausarztpraxis:

  • Messung des Blutdrucks
  • EKG
  • Bestimmte Blutuntersuchungen (z. B. Blutzucker, Leberwerte, Entzündungswerte und die sog. Creatinkinase (CK), die bei der Zerstörung von Muskelzellen erhöht ist)
  • Urinuntersuchung

Falls sich der Verdacht auf ein schweres MNS (z. B. mit Ausfallserscheinungen des Nervensystems, Bewusstseinsstörungen, neu aufgetretenen psychotischen Symptomen) erhärtet, werden Hausärzt*innen Betroffene sofort in ein Krankenhaus mit akutmedizinischer Versorgung für weitere Untersuchungen überweisen.

Differenzialdiagnostisch müssen andere Erkrankungen ausgeschlossen werden, wie z.B.:

  • Maligne Hyperthermie
  • Akute febrile (letale) Katatonie
  • Serotonin-Syndrom
  • Enzephalitis
  • Meningitis
  • Thyreotoxische Krise
  • Hitzschlag

Behandlung

Die wichtigsten Ziele der Behandlung eines malignen Neuroleptika-Syndroms bestehen darin, die regulären Körperfunktionen zu erhalten und die Symptome zu lindern. Von entscheidender Bedeutung für die Prognose sind eine frühzeitige Diagnose und das sofortige Absetzen des auslösenden Medikaments.

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Allgemeine Maßnahmen

Bei einem malignen Neuroleptika-Syndrom ist die bedeutsamste Maßnahme, sofort alle Antipsychotika abzusetzen. Wenn die Symptome auf das plötzliche Absetzen von Dopaminagonisten zurückzuführen sind, ist diese Behandlung wieder aufzunehmen. Die Behandlung kann durch Flüssigkeitszufuhr (Infusionen), fiebersenkende Maßnahmen (Kühlung) und ggf. eine Magensonde bei Schluckbeschwerden unterstützt werden. Ggf. Physikalisch (z. B. mit kühlenden Umschlägen oder Eiswasser).

Medikamente

Falls oben genannte Maßnahmen bei einem schweren Krankheitsbild nicht ausreichen, können Ärzt*innen im Krankenhaus unter sorgfältiger Abwägung von Nutzen und Risiko bzw. Nebenwirkungen bestimmte Medikamente einsetzen, wie z. B.:

  • Benzodiazepine (z. B. Lorazepam) bei Unruhe und bei katatonen Symptomen (u. a. stark eingeschränkte Beweglichkeit, Unfähigkeit zu Sprechen, Abbruch von Handlungen)
  • Dopaminagonisten (Amantadin, Bromocriptin)
  • Medikamente zur Muskelentspannung (z.B. Dantrolen)

Weitere Behandlungsmöglichkeiten

Falls oben genannte Behandlungen zu keiner Besserung führen, gibt es nach sorgfältiger Abwägung die Möglichkeit, die sog. Elektrokrampftherapie (EKT) anzuwenden. Dabei wird unter Kurznarkose künstlich ein Krampfanfall hervorgerufen.

Falls notwendig, ist es ratsam, frühestens 2 Wochen, nachdem die Symptome abgeklungen sind, vorsichtig mit anderen Antipsychotika zu beginnen.

Wichtige Hinweise für Patienten

  • Erhöhen Sie nicht eigenmächtig die Dosis Ihrer Antipsychotika, sondern folgen Sie genau den Anweisungen Ihrer Ärzt*innen, und nehmen Sie Kontrolltermine regelmäßig wahr.
  • Falls Sie Nebenwirkungen bei sich bemerken, suchen Sie zeitnah Ihre Hausarztpraxis auf, um ggf. die Dosis anzupassen.
  • Setzen Sie Dopaminagonisten nicht ohne Rücksprache mit Ihren behandelnden Ärzt*innen ab!

Häufigkeit

Schätzungsweise sind etwa 0,02-0,04 % der mit Antipsychotika behandelten Personen von einem malignen neuroleptischen Syndrom betroffen, 70-80 % der betroffenen Personen sind jünger als 40-50 Jahre. Bei ca. 0,07-2,2 % der chronischen neuroleptischen Medikationen.

Prognose

Treten keine schwerwiegenden Komplikationen auf, ist die Prognose gut und die erkrankten Personen erholen sich je nach Medikament meist 7-21 Tage nach Absetzen der Antipsychotika.

Dennoch gibt es immer wieder schwerwiegende Verläufe der Erkrankung: 7-15 % der Betroffenen sterben an einem MNS, Risikofaktoren sind vor allem hohes Alter, sehr hohes Fieber, bereits früher stattgefundene Schädigungen das Gehirns und eine Behandlung mit sog. klassischen Antipsychotika. In ca. 1/3 der Fälle kommt es nach durchgemachter Erkrankung erneut zum Auftreten eines MNS.

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