Melatonin, oft als das "Schlafhormon" bezeichnet, spielt eine zentrale Rolle bei der Regulierung des Schlaf-Wach-Rhythmus und hat weitreichende Auswirkungen auf das Gehirn und den gesamten Körper. Dieser Artikel beleuchtet die vielfältigen Wirkungen von Melatonin, seine Bedeutung für den zirkadianen Rhythmus, mögliche Anwendungen bei Schlafstörungen und weitere gesundheitliche Aspekte.
Die Rolle von Melatonin im Gehirn
Melatonin wird hauptsächlich im Gehirn, insbesondere in der Zirbeldrüse (Epiphyse), produziert. Die Zirbeldrüse ist eine kleine, aber wichtige endokrine Drüse im Zwischenhirn, die mit der Netzhaut verbunden ist und lichtabhängig arbeitet. Bei Dunkelheit wandelt die Zirbeldrüse das "Glückshormon" Serotonin in Melatonin um, wodurch der Melatoninspiegel im Körper ansteigt.
Der zirkadiane Rhythmus: Melatonin steuert den Tag-Nacht-Rhythmus, auch zirkadianer Rhythmus genannt, indem es physiologische Prozesse mit dem Tag-Nacht-Zyklus synchronisiert. Während Cortisol uns tagsüber wach hält, leitet Melatonin ein langsames Herunterfahren ein, sobald es dunkel wird. Dieser Rhythmus beeinflusst nicht nur den Schlaf, sondern auch andere Körperfunktionen wie die Körpertemperatur.
Melatoninproduktion: Die Melatoninproduktion wird durch eine innere Uhr im Hypothalamus gesteuert und erfolgt ausgehend von Serotonin, dessen Vorläufer die essentielle Aminosäure Tryptophan ist. Im Schnitt dauert die Melatoninproduktion von 22 bis 7 Uhr, wobei die maximale Konzentration in der Regel gegen 3 - 4 Uhr morgens erreicht wird. Danach sinkt sie und ist im Laufe des Tages fast nicht nachweisbar.
Einfluss von Licht: Dunkelheit fördert die Bildung von Melatonin, während Licht die Bildung hemmt. Künstliches Licht am Abend, wie von Straßenlaternen, Bildschirmen und anderen Quellen, kann die Melatoninproduktion unterdrücken und den Schlaf-Wach-Rhythmus stören. Dies ist besonders relevant in der modernen Gesellschaft, in der wir ständig von künstlichem Licht umgeben sind.
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Wie Melatonin den Schlaf beeinflusst
Melatonin hat einen direkten Einfluss auf verschiedene Aspekte des Schlafs:
- Müdigkeit: Ein erhöhter Melatoninspiegel fördert Müdigkeit und Entspannung. Gleichzeitig senkt es die Körpertemperatur, was die Müdigkeit weiter verstärkt.
- Tiefschlaf: Je höher der Melatoninspiegel, desto tiefer der Schlaf. Die höchste Konzentration wird in der Regel zwischen Mitternacht und 2 Uhr morgens erreicht.
- Aufwachen: Nach seiner Hochphase sinkt der Melatoninspiegel kontinuierlich und liegt im Normalfall am Morgen so niedrig, dass wir aufwachen.
Melatonin als Nahrungsergänzungsmittel
Aufgrund seiner schlaffördernden Wirkung greifen immer mehr Menschen zu frei verkäuflichen Melatonin-Produkten wie Kapseln, Pillen, Sprays und Tees. Diese Produkte versprechen ein schnelles Einschlafen und erholsamen Schlaf.
Wirksamkeit: Melatonin-Produkte können bei Personen helfen, die aufgrund von Melatoninmangel unter Einschlafstörungen leiden. Sie gleichen den Mangel aus und fördern die Müdigkeit. Allerdings ist die benötigte Melatoninmenge individuell verschieden.
Freiverkäufliche vs. verschreibungspflichtige Produkte: In Deutschland ist nur ein Melatonin-Präparat als verschreibungspflichtiges Medikament zugelassen. Es soll ausschließlich Menschen ab 55 Jahren mit Schlafproblemen verordnet werden, da die körpereigene Melatonin-Produktion mit zunehmendem Alter abnimmt. Dieses Medikament wirkt in Etappen, da es sich um eine Retardformulierung handelt, die den Wirkstoff über einen längeren Zeitraum langsam abgibt.
Dosierung und Nebenwirkungen: Da der Körper Melatonin sehr schnell abbaut, sind die Gefahren einer Überdosierung mit freiverkäuflichen Mitteln eher gering. Das verschreibungspflichtige Melatonin-Präparat sollte man jedoch nur so einnehmen, wie es der Arzt verordnet hat. Zu den möglichen Nebenwirkungen von Melatonin gehören Kopfschmerzen, leichtes Fieber, Unwohlsein und Übelkeit. Studien über Langzeitfolgen gibt es bisher nicht, aber nach Beobachtungen von Anwendern kann eine zu lange Einnahme zu Alpträumen, verstärkter Nervosität und Reizbarkeit führen.
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Anwendungsgebiete: Melatonin wird zur Behandlung von Schlafstörungen (Insomnie) bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 2 bis 18 Jahren mit Autismus-Spektrum-Störung (ASS) und/oder neurogenetischen Störungen eingesetzt, wenn Schlafhygienemaßnahmen unzureichend waren. Es wird auch zur kurzzeitigen Behandlung des Jetlags bei Erwachsenen und der primären Insomnie bei Patienten ab 55 Jahren verwendet.
Weitere Wirkungen von Melatonin
Neben seiner Rolle bei der Schlafregulierung hat Melatonin noch weitere wichtige Funktionen im Körper:
- Antioxidative Wirkung: Melatonin schützt Zellen vor freien Radikalen und oxidativem Stress, insbesondere in den Mitochondrien, den Energiekraftwerken unserer Zellen.
- Neuroprotektive Wirkung: Melatonin schützt das Gehirn vor Schädigungen durch Schwermetalle, altersbedingte Degeneration, Entzündungen, Infektionen oder Schlaganfälle.
- Stimmungsaufhellende Wirkung: Melatonin beeinflusst die Stimmung und kann bei Depressionen und Stimmungsschwankungen helfen.
- Immunmodulation: Melatonin steht mit der Bildung von Abwehrstoffen in Zusammenhang und gilt als ein Faktor in der Aktivität der Sexualorgane.
Natürliche Wege zur Erhöhung des Melatoninspiegels
Es gibt verschiedene natürliche Maßnahmen, um den Melatoninspiegel im Körper zu erhöhen:
- Dunkelheit: Sorgen Sie für absolute Dunkelheit im Schlafzimmer, indem Sie Lichtquellen wie Straßenlaternen oder elektronische Geräte vermeiden.
- Lichtexposition: Setzen Sie sich tagsüber ausreichend Sonnenlicht aus, um die Melatoninproduktion in der Nacht zu fördern.
- Ernährung: Essen Sie melatoninhaltige Lebensmittel wie Cranberries, Pilze, Mais, Reis und Tomaten. Auch tryptophanreiche Lebensmittel wie Käse, Hülsenfrüchte, Getreide, Nüsse, Eier, Fisch und Fleisch können die Melatoninproduktion unterstützen.
- Schlafhygiene: Gehen Sie immer zur selben Zeit ins Bett und stehen Sie zur selben Zeit auf, vermeiden Sie koffeinhaltige Getränke und Alkohol vor dem Schlafengehen, treiben Sie regelmäßig Sport und führen Sie entspannungsfördernde Einschlafrituale ein.
- Stressmanagement: Reduzieren Sie Stress durch Entspannungstechniken wie Meditation, Yoga oder Atemübungen.
Kritik und Vorsichtsmaßnahmen
Obwohl Melatonin viele positive Auswirkungen hat, gibt es auch Kritik und Vorsichtsmaßnahmen zu beachten:
- Überdosierung: Eine Überdosierung von Melatonin kann den Schlafrhythmus durcheinanderbringen und zu Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Müdigkeit und Reizbarkeit führen.
- Wechselwirkungen: Melatonin kann Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten wie Anti-Rheuma-Mitteln und Blutdrucksenkern haben.
- Nicht für jeden geeignet: Melatonin ist nicht für jeden geeignet. Schwangere, Stillende, Kinder und Jugendliche sowie Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen sollten vor der Einnahme von Melatonin einen Arzt konsultieren.
- Kein Wundermittel: Melatonin ist kein Allheilmittel für Schlafstörungen. Es ist wichtig, die Ursachen von Schlafproblemen zu klären und gegebenenfalls weitere Maßnahmen zu ergreifen.
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