MGFA-Klassifikation der Myasthenia Gravis: Ein umfassender Überblick

Die Myasthenia gravis (MG), eine seltene neurologische Autoimmunerkrankung, die durch eine gestörte Reizübertragung vom Nerv auf den Muskel gekennzeichnet ist, manifestiert sich als belastungsabhängige Muskelschwäche. In den vergangenen Jahren gab es in der Behandlung der Myasthenia gravis bedeutsame Entwicklungen. Deswegen informierten Dr. Jana Zschüntzsch und Prof. Andreas Meisel am 10. März 2023 Patientinnen und Patienten. Das Ziel der Behandlung ist die bestmögliche Krankheitskontrolle unter Wiederherstellung der Lebensqualität der Patientinnen und Patienten. Die Beurteilung des Erkrankungsverlaufs gewinnt zunehmend an Bedeutung für die Therapie. Dabei orientiert sich die Beurteilung neben der Myasthenia Gravis Foundation of America (MGFA)-Klassifikation an der (aktuellen) Erkrankungsschwere, die eine milde/moderate versus eine (hoch-)aktive Erkrankung unterscheidet.

Grundlagen der Myasthenia Gravis

Bei der Myasthenia gravis (MG) handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung mit Störung der Signalübertragung an der Synapse zwischen Neuron und Muskel (an der sog. motorischen Endplatte). Hierbei werden die Rezeptoren für Acetylcholin auf der postsynaptischen Seite von Antikörpern blockiert und auch langfristig zerstört, sodass bei wiederholter Reizung die Reizantwort stetig kleiner ausfällt (sog. Dekrement). Das führt bei den Erkrankten zu einer unnatürlichen Ermüdbarkeit der Muskulatur, welche sich erst nach Schonung wieder erholt.

Epidemiologie

Die Inzidenz der Myasthenia gravis liegt bei 0,25-3,0 Fällen/100.000 Einwohner:innen pro Jahr, die Prävalenz bei etwa 15/100.000 Einwohner:innen. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Es gibt verschiedene Altersgruppen, in denen die Erkrankung häufiger auftritt:

  • Alter <50 Jahre: ca. 20% der Fälle
  • Alter ≥50 Jahre: ca. 45% der Fälle
  • Präpubertäre (Alter <11 Jahren) vs. pubertäre Form (11-16 Jahre): ca. 10% der Fälle
  • Häufig jüngeres Erkrankungsalter: ca. 5% der Fälle
  • Jedes Lebensalter: ca. 15% der Fälle

Pathophysiologie

Neben dem 1974 erstmals beschriebenen Antikörper gegen den AChR wurden inzwischen Antikörper gegen den muskelspezifischen Tyrosinkinaserezeptor (MuSk) und das Low-density lipoprotein receptor-related protein (LRP) 4 identifiziert. Nunmehr gelten weniger als 5 % der Patienten mit myasthener Symptomatik als seronegativ. Bei allen seropositiven Formen konnte die myasthene Symptomatik durch Injektion von Seren Erkrankter im Tiermodell hervorgerufen werden.

Bei der klassischen Form der Myasthenie induzieren die Immunglobulin-G(IgG)-Antikörper unter Komplementverbrauch in erster Linie den beschleunigten Abbau der AChR. Der daraus entstehende Mangel sowohl an postsynaptischen AChR als auch an Natriumkanälen führt zu einem deutlich geringeren Miniaturendplattenpotenzial. Somit kann der nötige Schwellenwert zur Auslösung eines Aktionspotenzials nicht erreicht werden (Abb. 1).

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MuSK ist Bestandteil des postulierten Agrinrezeptors der neuromuskulären Endplatte, der nach Bindung an den Korezeptor LRP4 die Expression und Aggregation der AChR unter Einbindung von Dok7, der AChR-β-Subunit und Rapsyn vermittelt.

Assoziation mit anderen Erkrankungen

I.d.R. Assoziation mit Autoimmunerkrankungen: Insb. Auftreten nach Stammzelltransplantation: In Einzelfällen als Graft-versus-Host-Krankheit nach hämatoonkologischen Transplantationen von Stammzellen. Die Häufigkeit einer zweiten Autoimmunerkrankung bei MG Patienten beträgt 13-22 %, wobei Patienten mit Frühmanifestation einer MG deutlich häufiger betroffen sind. Dabei scheint eine gewisse HLA-B8-DR3-Prädisposition für die die erhöhte Assoziation von MG Patienten mit Myositiden, systemischem Lupus erythematodes und Morbus Addison verantwortlich zu sein.

Rolle des Thymus

Der Thymus gilt als primäres lymphatisches Organ. Proliferation und Reifung der T-Lymphozyten durch Expression antigenspezifischer T-Zell-Rezeptoren und Eliminierung autoreaktiver Zellen zielen auf eine Selektion „immuntoleranter“ T-Lymphozyten ab. Bei der klassischen AChR-Antikörper-positiven MG wird angenommen, dass Myoidzellen und medulläre Thymuszellen antigene Epitope tragen, die den Untereinheiten des AChR ähneln. Diese determinieren die pathogene Antikörperinduktion in plasmazellreichen hyperplastischen Lymphfollikeln, die sich im Thymusmark eines weitgehend normal strukturierten Thymusgewebes entwickeln. Bei ca. 80 % der Patienten mit generalisierter klassischer AChR-Antikörper-positiver MG sind diese als „lymphofollikuläre Hyperplasie des Thymus“ (LFH, synonym „chronische Thymitis“) bezeichneten Veränderungen nachzuweisen. Autoreaktive CD4-positive T-Zellen verlassen nach „fehlprogrammierter“ Sensibilisierung den Thymus und stimulieren hochspezifisch weiterhin die periphere B-Zell Antwort. Nach der Thymektomie sinkt - korrelierend zur Höhe der im Thymus nachgewiesenen B-Zellen - mehrheitlich der Titer der AChR-Antikörper.

Bei etwa 20 % der Patienten ist die MG als paraneoplastisches Syndrom eines Thymoms (häufig den WHO-Kriterien Typ B entsprechend) zurückzuführen. Dabei exprimieren die neoplastischen Epithelzellen im Thymus sowohl muskelspezifische antigene Epitope wie Untereinheiten des AChR als auch Titin. Wie auch bei der Spätmanifestation der Myasthenie fehlen hier myoide Zellen.

Symptomatik

Charakteristisch ist eine vorzeitige unter Belastung zunehmende und im Tagesverlauf fluktuierende Ermüdung der Muskulatur, die sowohl okuläre Symptome (Ptosis, Doppelbilder), oropharyngeale Muskelgruppen (mimische Schwäche, Dysphagie, Dysarthrophonie), Kopfhaltung, aber auch eine Belastungsintoleranz der Extremitäten umfassen kann. Eine Besserung der Symptomatik nach längeren Ruhephasen ist charakteristisch. Mitunter besteht eine permanente durch Belastung intensivierte Muskelschwäche.

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  • Okuläre Muskulatur: Ein- oder beidseitige Ptosis, Diplopie, wechselnde Augenmuskelparesen. Bei 75 % der Patienten bestehen initial okuläre Symptome durch Beteiligung der äußeren Augenmuskeln und des M. levator palpebrae. Es besteht eine ein- oder doppelseitige belastungsabhängige Ptosis, die in 90 % der Fälle von einer Ophthalmoparese begleitet ist. Bei 25 % der Patienten tritt eine zusätzliche Schwäche des M. orbicularis oculi auf. Die Symptomatik nimmt meist im Tagesverlauf und bei besonderer Anstrengung wie Fernsehen oder Autofahren zu und bessert sich unter Erholung (Augenschluss). Doppelbilder können transient sein und im Tagesverlauf fluktuieren. Der Patient wird aufgefordert, 60 s nach oben zu blicken - bei myasthener Symptomatik stellen sich Ptosis und/oder Doppelbilder ein (Abb. 2). Die Ptosis bessert sich zumindest kurzzeitig nach mindestens 10 s anhaltendem Lidschluss. Beim Cogan-Lidschlagzeichen kommt es nach kurzer Entlastung des M. levator palpebrae (Blick nach unten) und anschließend erneut aufgenommener horizontaler Bulbusposition zu einer überschießenden Retraktion des Lides mit nachfolgendem Absinken.
  • Bulbäre Muskulatur: Dysarthrie, Dysphagie und schlaffe Gesichtszüge. Zeichen der Generalisierung sind die Ausbreitung der häufig isolierten okulären Symptomatik auf weitere Muskelgruppen wie die proximalen Extremitäten und axialen Muskeln, aber auch oropharyngeale Funktionen (verwaschene kloßig näselnde Sprache, erschwerte Nahrungspassage beim Schlucken, Kauschwäche, Dysarthrophonie bis Aphonie bei Beteiligung der Larynxmuskulatur). Typische Beschwerden sind erschwerte Überkopfarbeit, Kopfhalteschwäche, Hypomimie, aber auch Schmerzen aufgrund der paresebedingten Kompensation. Besonders problematisch sind Aspirationsneigung und Dyspnoe durch Beteiligung der bulbären und diaphragmalen Muskeln.
  • Muskulatur der Extremitäten und des Stammes: Belastungsabhängige proximal-betonte Schwäche der Extremitäten, v.a. nach längeren Ruhephasen.

Diagnostik

Bei klinisch objektivierbarer belastungsabhängiger Muskelschwäche sollte die Diagnose einer Myasthenia gravis durch pharmakologische Testung, Autoantikörperdiagnostik oder Elektrophysiologie bestätigt werden! Insb. bei isolierten oder schmerzhaften Augenbewegungs- oder Schluckstörungen sowie generalisierter Muskelschwäche sollten Differenzialdiagnosen der Myasthenia gravis abgeklärt werden!

  • Pharmakologische Testung: Wirkstoff: Edrophoniumchlorid (kurzwirksamer Cholinesterasehemmer). Indikation: Standardverfahren bei V.a. Aufziehen von Atropin, Gabe bei Auftreten starker muskarinerger Nebenwirkungen (bspw. Gabe einer Testdosis Edrophoniumchlorid (2 mg, entsprechend 2 mL), bei guter Verträglichkeit nach jeweils einer Minute fraktionierte Gabe von 3 mg (entspricht 3 mL) und dann 5 mg (entspricht 5 mL) Ggf. Ggf. Der Tensilon-Test ist bei mehr als 90 % der Patienten mit AChR-Antikörpern positiv. Bei der MuSK-MG sprechen nur 70 % der Patienten an. Gehäuft bestehen hierbei schwere nikotinerge Nebenwirkungen, die Symptomatik verschlechtert sich bei 20 % sogar akut (Shin et al.
  • Autoantikörperdiagnostik: AK gegen an α-Bungarotoxin gebundene markierte humane AChR können im Immunpräzipitationstest bei 85 % der Patienten mit myasthener Symptomatik nachgewiesen werden. Bei Thymompatienten ist er nahezu ausnahmslos positiv, bei okulärer MG jedoch nur bei 50 % (s. unten). Der Titer der AChR-Antikörper im Serum und die Schwere der Erkrankung korrelieren prinzipiell nicht, die individuelle Dynamik des AChR-Antikörper-Titers geht jedoch mit dem klinischen Verlauf einher. Bei fehlendem Nachweis von AChR-Antikörpern sollten ergänzend sowohl „cell-based assays“ (CBA) in wissenschaftlichen Laboren angewandt als auch MuSK- und LRP4-Antikörper bestimmt werden (Tab. 1) (Rodriguez Cruz et al. 2015; Binks et al. 2016). Insbesondere im CBA nachgewiesene „niedrig affine“ Antikörper gegen den AChR ermöglichen die pathogene Zuordnung von 50 % der rein okulären seronegativen Patienten (Leite et al. 2008). Antikörper gegen quer gestreifte Muskulatur treten unspezifisch bei 80 % der Patienten mit Thymomen auf. Die Anti-LRP4-AK-positive und die seronegative Myasthenia gravis werden i.d.R. behandelt wie eine Anti-AChR-AK-positive Myasthenia gravis!
  • Elektrophysiologie: Repetitive supramaximale Reizung (repetitive Nervenstimulation, RNS) eines Nerven (meist des N. facialis und N. accessorius) mit einer Frequenz von 3 Hz ruft bei einer myasthenen Störung ein sog. pathologisches Dekrement hervor. Dieses umfasst einen Abfall der Amplitude des oberflächlichen Summenaktionspotenzials am Muskel (M. orbicularis oris und M. trapezius), wobei das 5. Potenzial im Vergleich zum Ausgangspotenzial um mindestens 10 % vermindert ist (Abb. 3). Das Einzelfaser-EMG bildet das variable Zeitintervall zwischen den Aktionspotenzialen bei aufeinanderfolgenden Entladungen zweier Muskelfasern einer motorischen Einheit ab. Die physiologische Variabiliät („Jitter“) schwankt beim Gesunden zwischen 10 und 50 ms und erhöht sich bei Störungen der neuromuskulären Überleitung sowie bei Denervierung und Reinnervation.
  • Bildgebung: Die Basisdiagnostik der MG schließt die thorakale Bildgebung sowohl durch kontrastmittelgestützte CT als auch MRT unter der Frage eines Thymoms ein. Der Vorteil der MRT liegt in der Beurteilung diskreter Thymusveränderungen sowie pleuraler und perikardialer Absiedlungen unter Einschluss großer Gefäße (Priola und Priola 2014). Die Expression von Somatostatinrezeptoren bei Thymomen kann ergänzend nuklearmedizinisch im Octreotid-SPECT oder in höherer Auflösung im DOTATOC-PET-CT visualisiert werden (Abb. 4) (Jordan et al. 2016) Nach dem 40. Lebensjahr ist der Thymus bei 50 % der Menschen ausschließlich durch Fett ersetzt. Bei histologischer LFH kann der Thymus bei ca. 35 % auch in der CT mit einer numerischen Vergrößerung einhergehen (Nicolaou et al. 1996).

Differenzialdiagnostik

Differenzialdiagnostische Parameter: Kreatinkinase (CK) bei klinischem V.a. Weitere Autoantikörper: Bei klinischem V.a. assoziierte Autoimmunerkrankungen (bspw.

MGFA-Klassifikation

Eine Klassifikation der Myasthenia gravis wurde von Ossermann 1958 entworfen und durch die amerikanische Gesellschaft MGFA modifiziert.

Therapie

Die Therapie der MG umfasst eine Kombination aus symptomatischen (Cholinesterasehemmer) und immunsuppressiven Behandlungsansätzen. Die Immuntherapie besteht initial meist aus Kortikosteroiden, die zur Reduktion von Steroidbedarf insbesondere bei generalisierter mittel- und schwerer MG durch eine langfristigen Immunsuppression zunächst ergänzt oder als Monotherapie fortgeführt wird. Bei schwerer klinischer Symptomatik bzw. rasch progredienten Verläufen wird die langfristige Immunsuppression bereits initial parallel zum Kortikosteroid eindosiert. Im Langzeitverlauf ist bei stabiler Remission der Erkrankung ein Reduktions- und Absetzversuch möglich, mehrheitlich benötigen die Patienten die Immuntherapie jedoch lebenslang (Wiendl et al.

  • Symptomatische Therapie: Cholinesterasehemmer gelten als symptomatischer Therapieansatz insbesondere in der Initialphase der Erkrankung (Tab. 3). Nur bei äußerst milden Formen ist eine ergänzende Immunsuppression verzichtbar. Der Effekt bei den okulären Formen insbesondere auf Störungen der Okulomotorik ist begrenzt. Cholinesterasehemmer gehören zu den indirekten Parasympathomimetika und können als unerwünschte Wirkung Symptome einer Parasympathikusaktivierung (bspw. Durchfall, Miosis, Bradykardie) hervorrufen - bis hin zur cholinergen Krise bei deutlicher Überdosierung!
    • Pyridostigmin p.o. Wirkeintritt: Innerhalb von 15-30 min Wirkdauer: ca. 3-6 h, abhängig von der körperlichen Aktivität Bei Schluckstörung: Einnahme 30-60 min vor den Mahlzeiten Bei Magensonde: Als Saft verfügbar (Bspw. Äquivalenzdosen beachten: Bei Umstellung der Applikationsform Dosisanpassung erforderlich, bspw. entspricht 1 mg Pyridostigmin i.v. etwa 30 mg p.o.
    • Neostigmin i.v. (Off-Label Use) als Ersatz für Pyridostigmin i.v. Gabe i.m. oder s.c. Orientierend für eine Umstellung: Pyridostigmin p.o. auf Neostigmin i.v. im Verhältnis 80:1 Wirkeintritt innerhalb von 5 min nach i.v. Gabe bzw. 10-30 min nach i.m. Selten verwendetes Ausweichpräparat, insb.
  • Immuntherapie: Die Erstlinientherapie der Myasthenia gravis besteht aus Cholinesterasehemmern und einer Immuntherapie mit Glucocorticoiden und/oder Azathioprin!
    • Kortikosteroide wirken beginnend bereits innerhalb von 2 Wochen und werden daher zur Induktionstherapie angewandt. Bei etwa 70-80 % der Patienten mit generalisierter Myasthenie bessert sich die Symptomatik innerhalb von 4 Wochen. In Krisensituationen Methylprednisolon-Pulstherapie (500-2000 mg i.v.), ggf. Ziel der langfristigen Immunsuppression ist der Erhalt des Therapieeffektes bei Verzicht auf Kortikosteroide bzw. deren Einsatz in möglichst geringer Dosis. Auch bei rein okulärer MG ist häufig eine langfristige Immunsuppression nötig, die häufig auch ausschließlich mit niedrig dosierten Kortikosteroiden gelingt (Wong et al.
    • Azathioprin ist derzeit das einzige in Deutschland für die MG zugelassene Immunsuppressivum und gilt mit einer Effektivität von 70-90 % als Medikament der 1. Wahl. Die Kombinationstherapie mit Kortikosteroiden gilt als effektiver und nebenwirkungsärmer (Palace et al. Schrittweise Reduktion nach mindestens 2-jähriger stabiler Remission unter Monotherapie (z. B. um 50 mg alle 6 Monate) möglich, Ausschleichen jedoch mindestens über einen Zeitraum von einem Jahr, auf hohes Rezidivrisiko hinweisen (Hohlf…
    • Immuntherapeutika der 2. Wahl [2] Die nachfolgend dargestellten Therapieoptionen (Off-Label Use) werden bei Unverträglichkeit, unzureichendem Ansprechen auf Azathioprin oder schweren Verlaufsformen in Betracht gezogen. Ihre Anwendung ist eine Einzelfallentscheidung, die spezialisierten Zentren vorbehalten sein sollte. Eskalationsansatz: Therapiebeginn mit niedrig-potenterem, nebenwirkungsarmem Immuntherapeutikum, bei unzureichender Wirkung ggf. Therapiebeginn mit Therapeutikum höherer Wirkeffizienz (bspw. Rituximab ) Ggf. frühzeitiger Einsatz antikörperspezifischer Immuntherapeutika als Add-on-Therapie, bspw. Komplementinhibitoren (bspw. FcRn-Modulatoren (bspw.
  • Weitere Therapieansätze:
    • Thymektomie: Die MG geht oft mit Veränderungen des Thymus einher, eine Thymektomie ist bei vielen Betroffenen sinnvoll.
    • Plasmapherese: Prinzip: Selektive Entfernung von IgG(-Subtypen) durch unterschiedlich beschichtete Säulen Durchführung: Alle 2 Tage, insg.
    • Intravenöse Immunglobuline (IVIG): Therapieeskalation: Glucocorticoide Exazerbation und myasthene Krise: Intravenöse Immunglobuline (IVIG), ggf.
  • Spezielle Situationen:
    • Myasthenie und Schwangerschaft: Abstand von 6 Monaten zwischen Absetzen potenziell mutagener Immunsuppressiva und Zeugung Bei Kinderwunsch ggf. Basistherapie: Pyridostigmin, möglichst niedrig-dosierte Glucocorticoide, ggf. auch Azathioprin. Letalität peripartal entspricht jener der Normalpopulation Myasthenie-assoziierte Probleme können noch Stunden/Tage nach der Geburt auftreten.
    • Neugeborenenmyasthenie: Eine Sonderform stellt die Neugeborenenmyasthenie dar. Dabei passieren Autoantikörper der IgG-Klasse die Plazentaschranke und rufen eine transiente (vorübergehende) neonatale Myasthenie hervor. Die Ausprägungen der neonatalen Krankheitsvariante entwickeln sich in den ersten Tagen nach der Geburt. Die Häufigkeit liegt bei etwa 1:12 Neugeborene von Müttern, die an Myasthenie erkrankt sind. Auch über das Kolostrum (Vormilch) können in den ersten Tagen nach der Geburt Autoantikörper übertragen werden. Einwände gegen das Stillen bestehen aber nicht, da die Symptome üblicherweise nach wenigen Wochen wieder abklingen. Nach mehr als drei Monaten sind die Acetylcholinrezeptorantikörper nicht mehr nachweisbar.
  • Wichtige Hinweise:
    • Beobachtung der myasthenen Symptome nach Verordnung neuer Medikamente
    • Konsequente Infektbehandlung: Bei fieberhaften Infektionen im Bedarfsfall Antibiotikatherapie nicht hinauszögern!
    • Medikamente mit Einfluss auf die neuromuskuläre Übertragung, bspw. Aminoglykoside (insb. Antidepressiva (Amitriptylin) Anfallssuppressiva (Benzodiazepine, Carbamazepin, Gabapentin) Antimalariamittel (Chinin, Chloroquin) Antirheumatika (D-Penicillamin, Chloroquin) Botulinumtoxin Diuretika (Schleifendiuretika, Thiaziddiuretika) Interferon-α Calciumantagonisten Lithium Muskelrelaxanzien (siehe auch: Muskelrelaxanzien bei Pathologien der neuromuskulären Übertragung) Magnesium i.v. Narkosen Perioperativ: Daher Fortführung der oralen Pyridostigmin-Therapie bis kurz vor OP! Oberkörperhochlagerung, ggf. Oropharyngealtubus (Guedel-Tubus), Sauerstoffmaske Monitoring der Vitalparameter inkl. Bei Lungengesunden i.d.R. Abklärung einer Infektion, bei Nachweis konsequente Behandlung (bspw.

Myasthene Krise

Eine relativ seltene, aber potenziell tödliche Komplikation der Myasthenia gravis ist die myasthene Krise, bei der es zur abrupten Verschlechterung der Symptomatik kommt. Bei der myasthenen Krise handelt es sich um einen intensivpflichtigen Notfall! Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Zunehmende bulbäre Symptomatik, bspw. Dropped-Head-Syndrom Herabfallender Unterkiefer nach längerem Kauen (sog.

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Krankheitsaktivität und -kontrolle

Die Beurteilung des Erkrankungsverlaufs gewinnt zunehmend an Bedeutung für die Therapie. Dabei orientiert sich die Beurteilung neben der Myasthenia Gravis Foundation of America (MGFA)-Klassifikation an der (aktuellen) Erkrankungsschwere, die eine milde/moderate versus eine (hoch-)aktive Erkrankung unterscheidet.

  • Aktueller Krankheitsschwere (Grad der Krankheitskontrolle)

  • Aktueller Krankheitsaktivität (mild/moderat vs. Krankheitskontrolle erreicht?

  • Zeitliches Kriterium: Progrediente Verschlechterung des myasthenen Syndroms innerhalb von max. 30 Tagen

  • Subjektives Kriterium: Alltagsrelevante Einschränkung bulbo-pharyngealer Funktionen, der Kopfhaltemuskulatur oder der Extremitätenkraft oder beginnende Atemschwäche mit reduziertem Hustenstoß

  • Objektives Kriterium: QMG ≥8 Punkte (max.

  • Wechselnde Krankheitsaktivität

  • Unvollständige Kontrolle mit Krankheitsaktivität in Form instabiler und neuer Symptome, ggf.

  • Hohe Krankheitsaktivität Keine Kontrolle mit hoher Krankheitsaktivität; inkl. Andauernde alltagsrelevante Symptomatik (≥MGFA IIb) und/oder ≥2 schwere Exazerbationen / myasthene Krisen im 1. Zeitpunkt: Ambulant mind.

Hilfsmittel und unterstützende Maßnahmen

Brille mit abwechselnd abgedeckten Gläsern Prismenbrille bzw. Halskrause bei Kopfhalteschwäche Bspw. Ggf. Führen von Fahrzeugen der Gruppe 2: I.d.R.

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