Migräne: Eine neurologische Erkrankung – Ursachen, Symptome und Behandlung

Migräne ist eine weit verbreitete neurologische Erkrankung, die durch wiederkehrende, heftige Kopfschmerzattacken gekennzeichnet ist. In Deutschland sind laut Robert Koch-Institut (RKI) etwa 28 Prozent der Frauen und 18 Prozent der Männer betroffen.

Was ist Migräne?

Migräne ist mehr als nur ein starker Kopfschmerz. Es handelt sich um eine komplexe neurologische Erkrankung, die in der Regel mit anfallsartigen Kopfschmerzen verbunden ist. Diese Kopfschmerzen sind meist stärker als herkömmliche Kopfschmerzen und treten in unregelmäßigen Abständen auf. Oftmals werden Migränekopfschmerzen von weiteren Symptomen begleitet, die das Leben der Betroffenen stark beeinträchtigen können.

Ursachen und Auslöser

Die genauen Ursachen der Migräne sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird jedoch angenommen, dass eine Kombination aus genetischer Veranlagung und Umweltfaktoren eine Rolle spielt. Die Entwicklung der Symptome ist oft genetisch bedingt, wobei aber zusätzlich endogene und exogene Faktoren den Krankheitsverlauf beeinflussen.

Genetische Veranlagung

Eine wichtige Rolle spielen genetische Veranlagungen. Wenn Migräne in der Familie vorkommt, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass auch andere Familienmitglieder betroffen sind. Insbesondere Migräne mit Aura hat eine starke genetische Komponente. Studien zeigen, dass bestimmte Gene die neuronale Erregbarkeit beeinflussen und somit die Migräneanfälligkeit erhöhen.

Neurovaskuläre Entzündung

Der Kopfschmerz beruht auf einer durch Nervenfasern ausgelösten Entzündung an den Blutgefäßen des Gehirns, der sogenannten neurovaskulären Entzündung.

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Auslöser (Trigger)

Bei manchen Menschen können Anfälle durch sogenannte Trigger ausgelöst werden. Trigger beschreiben Situationen, in denen es wahrscheinlicher ist, dass Betroffene eine Attacke erleiden. Ein Migränetagebuch kann helfen, die persönlichen Trigger zu identifizieren.

Häufige Trigger sind:

  • Stress und starke Emotionen: Stress, überschwängliche Freude oder Angst können Migräneattacken auslösen.
  • Hormonelle Veränderungen: Hormonschwankungen während des Menstruationszyklus oder hormonelle Verhütungsmethoden.
  • Unregelmäßiges Essen: Auslassen von Mahlzeiten oder intermittierendes Fasten.
  • Bestimmte Lebensmittel: Käse, Rotwein, Schokolade, Zitrusfrüchte und Alkohol.
  • Wetterveränderungen: Föhn, plötzliche Temperaturschwankungen.
  • Unregelmäßiger Schlaf: Zu viel oder zu wenig Schlaf.
  • Äußere Reize: Helles Licht, Straßenlärm, Gerüche, Rauch.
  • Bestimmte Medikamente.

Symptome

Die Symptome einer Migräne können vielfältig sein und variieren von Person zu Person. Typisch sind mittelschwere bis schwere, oft halbseitige Kopfschmerzen mit Übelkeit, häufig Erbrechen, Lärm- und Lichtüberempfindlichkeit.

Phasen einer Migräneattacke

Eine Migräneattacke kann in vier Phasen verlaufen, wobei nicht alle Patienten alle Phasen kennen:

  1. Vorbotenphase (Prodromalstadium): Bei etwa 30 % der Migränepatienten kündigt sich ein Anfall durch Vorbotensymptome an, die zwischen zwei Stunden und zwei Tagen dauern können. Dies können psychische, vegetative oder neurologische Symptome sein. Häufig berichten Patienten über Geräuschempfindlichkeit, häufiges Gähnen und Müdigkeit, aber auch über Störungen im Magen-Darm-Trakt und Heißhungerattacken.
  2. Auraphase: Etwa 15-20 % der Migränefälle gehen mit einer Aura einher. In dieser Phase treten meist visuelle Störungen, wie lokale Verluste der Wahrnehmung von Strukturen (Skotome) oder zusätzliche Strukturerkennung, auf. Auch ein Verlust des räumlichen Sehens, Unschärfe oder Sensibilitätsstörungen wie Kribbelempfindungen in Armen, Beinen und Gesicht sind typisch. Zusätzlich können Geruchsempfindungsstörungen, Gleichgewichtsstörungen, Sprachstörungen oder andere neurologische Ausfälle auftreten. Die Aura hat keine schädigenden Wirkungen auf das Hirngewebe, die Anzeichen sind vorübergehend und dauern in der Regel bis zu einer Stunde.
  3. Kopfschmerzphase: Der Kopfschmerz tritt in 79 % der Fälle halbseitig auf, insbesondere im Bereich von Stirn, Schläfe, Auge und manchmal ist auch die entsprechende gesamte Gesichtshälfte betroffen. Der pulsierende Schmerz nimmt bei körperlicher Betätigung zu, und nur Ruhe, Dunkelheit und das Ausschalten aller störenden Faktoren bringt eine Linderung. Diese Phase variiert zwischen einer Stunde bis zu mehreren Tagen, je nach Migräneform oder Patient.
  4. Rückbildungsphase (Erholungsphase): In dieser Phase nehmen alle Begleitsymptome und der Kopfschmerz ab, bis der Patient sich zwar beschwerdefrei, aber müde und abgespannt durch die Anstrengungen der vorangegangenen Ereignisse fühlt. Diese Phase kann bis zu 24 Stunden dauern.

Typische Symptome

  • Mittelschwere bis schwere Kopfschmerzen
  • Oft einseitige Schmerzen (pochend, pulsierend)
  • Übelkeit und Erbrechen
  • Lärm- und Lichtempfindlichkeit
  • Geruchsempfindlichkeit
  • Verstärkung der Schmerzen bei körperlicher Aktivität

Migräneformen

Man kann zwischen mehreren Migräneformen unterscheiden:

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  • Migräne ohne Aura (einfache Migräne): Die einfache Migräne zeichnet sich durch mäßige bis starke, einseitige Kopfschmerzen aus. Patientinnen und Patienten berichten von einem pulsierenden, pochenden oder hämmernden Schmerz, der sich bei körperlicher Aktivität verstärkt. Zudem besteht eine hohe Empfindlichkeit von Licht, Geräuschen und Gerüchen. Hinzukommen können Schwindel, das Sehen von Lichtblitzen und eigenartigen Formen.
  • Migräne mit Aura (klassische Migräne): Bei der klassischen Migräne kommen zu den Kopfschmerzen neurologische Defizite hinzu. Meist als Vorbote von einem Migräneanfall können sogenannte Gesichtsfeldausfälle auftreten. Diese äußern sich in Form von Sehstörungen wie Lichtblitzen und werden in der Neurologie als Aura oder Migräneaura bezeichnet. Der halbseitige Kopfschmerz geht mit Rötungen im Gesicht einher und kann durch eine temporäre Störung der Zirkulation in den Blutgefäßen erklärt werden.
  • Komplizierte Migräne (Migraine accompagnée): Die komplizierte Migräne ist gekennzeichnet durch lange neurologische Störungen im Vergleich zur Migräne mit Aura. Die Vorboten können den jeweiligen Migräneanfall auch überdauern. Zu der komplizierten Migräne zählen Unterformen wie die hemiplegische Migräne, die Basilaris-Migräne sowie die ophthalmoplegische Migräne. Die Symptome einer Migraine accompagnée reichen von leichten Lähmungserscheinungen über Gang- und Sehstörungen bis hin zu Sprachverlust oder Sprachstörungen.
  • Vestibuläre Migräne: Unter vestibulärer Migräne verstehen Fachleute Schwindelattacken mit Übelkeit und Erbrechen. Der Schwindel hält meist für wenige Minuten bis viele Stunden an.
  • Menstruelle Migräne: Migräne, die in direktem Zusammenhang mit dem Menstruationszyklus steht, oft kurz vor oder während der Menstruation auftritt.
  • Abdominelle Migräne: Eine Migräneform, die hauptsächlich bei Kindern auftritt und durch wiederkehrende Bauchschmerzen und Übelkeit gekennzeichnet ist, oft ohne Kopfschmerzen.
  • Hemiplegische Migräne: Eine seltene und schwere Form der Migräne, die vorübergehende Lähmungen auf einer Körperseite (Hemiplegie) verursachen kann.
  • Migräne mit Hirnstammaura (früher als Basilaris-Migräne bekannt): Eine seltene Form der Migräne, bei der Symptome wie Schwindel, Sprachstörungen, Doppelbilder und Bewusstseinsveränderungen auftreten, die auf den Hirnstamm zurückzuführen sind.

Diagnose

Die Diagnose wird anhand der typischen Beschwerdeschilderung und eines normalen körperlichen Untersuchungsbefunds gestellt. Entscheidend sind Angaben, wo genau der Schmerz sitzt und wie lange er anhält. Ebenfalls wichtig ist der Abstand zwischen den Attacken und eventuelle Begleitsymptome. Ein Kopfschmerz-Fragebogen und -Tagebuch (in Papierform oder als App) erleichtern die Diagnose.

Behandlung

Leider gibt es bislang keine Möglichkeit, Migräne zu heilen. Ziel der Behandlung ist es, die Häufigkeit, Dauer und Intensität der Attacken zu reduzieren und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Die Therapie umfasst sowohl die Akutbehandlung von Migräneattacken als auch die vorbeugende Behandlung zur Reduktion der Anfallshäufigkeit.

Akutbehandlung

Die Behandlung der einzelnen Kopfschmerzattacke erfolgt mit überwiegend ohne Rezept erhältlichen Schmerzmitteln, vorzugsweise kombiniert mit einer Substanz gegen Übelkeit und Erbrechen. Wirksame Medikamente zur Therapie mittelschwerer bis schwerer Migräneattacken sind die Triptane. Diese spezifischen Migränemedikamente wirken auf Rezeptoren der geweiteten Blutgefäße im Gehirn, die sich daraufhin wieder verengen. Außerdem verhindern sie die Aktivierung entzündungsauslösender Eiweißstoffe.

  • Schmerzmittel: Bei leichten bis mittelschweren Schmerzen können nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Acetylsalicylsäure (ASS) und Ibuprofen eingesetzt werden.
  • Triptane: Bei mittelschweren bis schweren Attacken sind Triptane die Substanzen mit der besten Wirksamkeit. Sie wirken auf Rezeptoren der geweiteten Blutgefäße im Gehirn, verengen diese wieder und verhindern die Aktivierung entzündungsauslösender Eiweißstoffe. Triptane dürfen bei bestimmten Vorerkrankungen nicht eingesetzt werden und es gibt mögliche Nebenwirkungen wie Schwindel, Müdigkeit oder Engegefühle in der Brust.
  • Antiemetika: Gegen Übelkeit und Erbrechen können Antiemetika wie Metoclopramid eingesetzt werden.

Vorbeugende Behandlung (Prophylaxe)

Treten Attacken mehr als 3-mal pro Monat auf oder ist die Lebensqualität stark eingeschränkt, wird vorübergehend mit vorbeugend wirksamen Medikamenten behandelt. Die häufigsten Substanzen zur Migräne-Prophylaxe sind Betarezeptorenblocker und eine Reihe von Substanzen, die auch zur Behandlung von Epilepsie oder Depressionen eingesetzt werden. Neu entwickelte Migräne-spezifische Prophylaktika richten sich gegen die Effekte des Botenstoffs CGRP, der bei der Ausbildung der neurovaskulären Entzündung eine bedeutende Rolle spielt.

  • Betablocker: Diese Medikamente werden auch zur Behandlung von Bluthochdruck eingesetzt und können die Häufigkeit von Migräneattacken reduzieren.
  • Antidepressiva: Bestimmte Antidepressiva können ebenfalls zur Migräneprophylaxe eingesetzt werden.
  • Antiepileptika: Einige Antiepileptika wie Topiramat können ebenfalls die Häufigkeit von Migräneattacken reduzieren.
  • CGRP-Antikörper: Diese relativ neuen Medikamente richten sich gegen das Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP), ein Molekül, das an der Entstehung von Migräneattacken beteiligt ist. Sie werden alle vier Wochen unter die Haut gespritzt.
  • Gepante: Eine neue Wirkstoffgruppe, die sogenannten Gepante, sollen verhindern, dass sich überhaupt CGRP-Proteine bilden. Sie sollen nicht nur vorbeugend wirken, sondern auch bei akuten Migräneattacken.

Nicht-medikamentöse Maßnahmen

  • Regelmäßiger Ausdauersport: Laufen, Schwimmen oder Radfahren können helfen, Migräneattacken vorzubeugen.
  • Entspannungsverfahren: Progressive Muskelentspannung oder Autogenes Training können den Stresspegel verringern und helfen, Migräneattacken vorzubeugen.
  • Regelmäßigkeit: Regelmäßige Schlafens- und Aufwachzeiten sowie Mahlzeiten können hilfreich sein.
  • Vermeidung von Triggern: Wer Tagebuch über seine Migräneattacken führt, kommt so möglicherweise den individuellen Triggern auf die Spur und kann sie meiden.

Alternative Behandlungen

  • Akupunktur: Einige Studien deuten darauf hin, dass Akupunktur bei der Vorbeugung von Migräneattacken helfen kann.
  • Biofeedback: Bei dieser Methode lernen Betroffene, biologische Signale wie den Blutdruck bewusst zu beeinflussen und so die Kopfschmerzen zu lindern.

Migräne-Piercing (Daith-Piercing)

Es gibt Gerüchte, dass ein Ohr-Piercing (Daith-Piercing) gegen Migräne helfen soll. Die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) betont jedoch, dass dieses Verfahren auf keiner nachvollziehbaren pathophysiologischen Grundlage beruht und es keine wissenschaftlichen Studien gibt, die die Wirksamkeit belegen. Außerdem kann sich das Piercing entzünden und gerade im Bereich des Ohrknorpels ist das Risiko für eine gestörte Wundheilung höher.

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Leben mit Migräne

Jeder Betroffene muss lernen, mit dieser Erkrankung zu leben. Dazu gehört, modifizierbare Auslöser für Attacken nach Möglichkeit zu reduzieren und sich auf der anderen Seite einzugestehen, dass schwere Attacken zu einer reellen Minderung der Leistungsfähigkeit führen. Migräne ist entgegen einer oft geäußerten Meinung keine psychische Erkrankung und sollte auch nicht mit einem banalen Spannungskopfschmerz verwechselt werden.

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