Migräne ist mehr als nur ein starker Kopfschmerz. Viele Menschen in Deutschland leiden unter regelmäßigen, normalen bis mäßigen Kopfschmerzen. Wenn die Kopfschmerzen jedoch stärker werden und von Begleiterscheinungen wie Übelkeit, Erbrechen, krampfartigen Schmerzen in verschiedenen Körperregionen, Schüttelfrost oder Wahrnehmungsstörungen begleitet werden, kann es sich um Migräne handeln.
Was ist Migräne?
Migräne ist ein anfallsartiger Kopfschmerz, der in unregelmäßigen Abständen wiederkehrt. Die krampfartigen Schmerzen treten meist einseitig auf und ziehen sich innerhalb kurzer Zeit vom Auge in die Mitte des Kopfes. Viele Betroffene erleben in dieser Phase auch Sehstörungen, Wahrnehmungsstörungen und Schüttelfrost. Jede körperliche Bewegung kann den Schmerz verstärken, der oft als pochend oder stechend beschrieben wird.
Im medizinischen Sinne versteht man unter Migräne eine vorübergehende Funktionsstörung des Gehirns, bei der es zu einer temporären Fehlsteuerung der schmerzregulierenden Systeme kommt. Betroffene reagieren dann empfindlicher auf Reize. Weltweit leiden etwa 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung an dieser chronischen Nervenkrankheit, die in hoch entwickelten Ländern zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen zählt. Allein in Deutschland gibt es schätzungsweise acht Millionen Migränepatienten. Bereits Kinder können von Migräne betroffen sein.
Ursachen der Migräne
Die Forschung zu den Ursachen der Migräne schreitet nur langsam voran. Eine Theorie besagt, dass entzündliche Prozesse an den Blutgefäßen im Gehirn eine Rolle spielen könnten. Auch die Verarbeitung von Schmerzsignalen im Gehirn könnte von Bedeutung sein. Wissenschaftler sind sich jedoch einig, dass eine Kombination aus vererbten Genen und äußeren Einflüssen wie langen Bildschirmzeiten oder starker Sonneneinstrahlung eine Migräneattacke auslösen kann.
Forscher haben herausgefunden, dass bei der familiären hemiplegischen Migräne, einer Migräne mit zeitweisen Lähmungserscheinungen, das verantwortliche Gen auf Chromosom 19 zu finden ist. Man geht davon aus, dass diese genetische Veränderung die Wahrnehmung von inneren und äußeren Reizen besonders intensiviert.
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Formen der Migräne
Es werden zwei Hauptformen der Migräne unterschieden:
- Migräne mit Aura (Klassische Migräne): Bei dieser Form wird die Zeit vor dem Kopfschmerz oft von Sehstörungen begleitet. Betroffene berichten von Lichtblitzen, flimmernden Zick-Zack-Linien oder blinden Flecken im Sichtfeld. Weitere mögliche Begleiterscheinungen sind einseitige Schwäche, Taubheitsgefühl und Kribbeln im Gesicht, der Hand oder in den Beinen, Sprach- und Wahrnehmungsstörungen, Doppeltsehen, Gangschwierigkeiten und Gleichgewichtsstörungen. Die Aura-Symptome treten oft vor der Migräneattacke auf, können aber auch gleichzeitig mit dem Kopfschmerz auftreten. Normalerweise lassen die Aura-Anzeichen nach etwa 30 Minuten deutlich nach und verschwinden dann vollständig. Nicht immer folgt auf die Aura eine schmerzhafte Migräneattacke. Alle Aura-Anzeichen sind vorübergehend und hinterlassen keine bleibenden Schäden.
- Migräne ohne Aura (Gewöhnliche Migräne): Die Mehrheit der Migränepatienten (80 bis 85 Prozent) leidet unter dieser Form. Die Symptome treten meist schnell auf und kündigen sich selten an. Viele Patienten berichten jedoch von typischen äußeren Einflüssen, die eine Attacke auslösen können.
Verlauf einer Migräne
Eine Migräne kann sich sowohl nachts als auch tagsüber bemerkbar machen. Einige Patienten berichten bereits einen Tag vor der eigentlichen Attacke in der sogenannten Prodromalphase über Anzeichen oder Vorboten wie lichtempfindliche Augen, Heißhunger, Gereiztheit oder Müdigkeit. In der Schmerzphase reagieren Migräniker sehr empfindlich auf äußere Einflüsse wie Licht, Lärm und Gerüche. Begleiterscheinungen wie Schwindel, Übelkeit, Wahrnehmungsstörungen bis hin zu Lähmungserscheinungen können im ersten Drittel einer Migräne auftreten. Der Schmerz zieht sich von Auge bis zur mittleren Kopfhälfte und wird als stechend, pulsierend oder hämmernd beschrieben. In der Rückbildungsphase schwächen sich die Symptome ab, der pulsierende Charakter geht oft in einen gleichbleibenden Schmerz über und der Körper erholt sich langsam. Allerdings können sich Betroffene während der Migräne noch leicht benommen fühlen oder leichte Bauchschmerzen haben. Auch Halsschmerzen nach Erbrechen können noch einige Tage anhalten. Unbehandelt kann eine Migräne zwischen vier Stunden und drei Tagen dauern.
Experten unterscheiden beim Migräne-Verlauf fünf Phasen:
- Prodromalphase (Vorboten): Etwa 30 Prozent der Patienten spüren vor einem Migräneanfall unterschiedliche Anzeichen. Diese Phase kann maximal zwei Tage, manchmal aber auch nur wenige Stunden vor dem Anfall beginnen. Typisch ist, dass die Frühphase bei Migräne ohne Aura vor dem Beginn der Schmerzen einsetzt. Es kann hilfreich sein, diese frühen Anzeichen zu erkennen und ein Kopfschmerztagebuch zu führen, um Trigger und Prodrom-Symptome zu notieren.
- Auraphase: Diese Phase erleben 10 bis 15 Prozent der Betroffenen. Sie klagen über Sehstörungen wie helle Flecken, Lichtblitze und manchmal kurzzeitigen Sehverlust. Weitere Symptome sind Kribbeln bzw. Taubheitsgefühle, Gleichgewichtsstörungen und Sprachprobleme. Es wird empfohlen, sich bei Beginn der Auraphase in einen abgedunkelten Raum zurückzuziehen.
- Kopfschmerzphase: Dies ist die eigentliche Migräne, die die meisten Menschen kennen. Der Schmerz ist pochend, stechend oder pulsierend. Die Betroffenen sind licht- und geräuschempfindlich und können Gerüche oder Berührungen nicht ertragen. Hinzu kommen oft Übelkeit und Erbrechen. Es wird empfohlen, sich in einen abgedunkelten, ruhigen Raum zurückzuziehen und sich hinzulegen.
- Auflösungsphase: Das Schlimmste ist überstanden, die Symptome sind weniger intensiv. Die Kopfschmerzen sind nicht mehr pulsierend, sondern eher gleichbleibend. Patienten sind oft sehr müde. Die Übelkeit und die Empfindlichkeit z.B. gegen Licht werden weniger, sind aber noch nicht verschwunden. Diese Phase beginnt in der Regel 3 Tage nach Beginn der Attacke und geht in die Erholungsphase über.
- Erholungsphase: Die Patienten sind angeschlagen und fühlen sich wie nach einem Kater. Die Symptome ähneln denen der Prodromalphase. Jetzt ist viel Ruhe wichtig.
Nicht jeder Patient durchläuft alle diese Phasen. Die Migräne-Dauer kann bis zu einer Woche betragen, wenn alle Phasen durchlaufen werden. Die eigentliche Attacke dauert meist zwischen vier und 72 Stunden.
Triggerfaktoren
Sogenannte Triggerfaktoren sind nicht die alleinige Ursache einer Migräneattacke, können diese aber deutlich begünstigen. Auch die Stärke eines möglichen Anfalls kann von inneren oder äußeren Reizen beeinflusst werden. Migräniker neigen eher zu einem Anfall, wenn sie vermehrt Stress ausgesetzt sind, als Begleiterscheinung in der Traumaverarbeitung, bei einem unregelmäßigen Schlaf-Wach-Rhythmus, vor und während der Menstruation aufgrund von Hormonschwankungen, als Folgeerscheinung eines operativen Eingriffs, beim vermehrten Verzehr von zuckerhaltigen Lebensmitteln oder Genussgetränken oder bei starkem Konsum von Nikotin, Alkohol oder anderen Drogen.
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Dies sind natürlich nur mögliche Indikatoren für einen Migräneanfall, da die Ursachen sehr komplex sind. Betroffene berichten immer wieder von neuen, bisher unbekannten möglichen Gründen, wie bestimmte Süßigkeiten, Käsesorten oder Lebensmittelzusätze, die eine Attacke auslösen können.
Migräne und Wetter
Ob Wetterveränderungen als Triggerfaktoren für Migräne gelten, konnte bisher nicht eindeutig bewiesen werden. Es scheint jedoch eine Gruppe von Migränepatienten zu geben, die tatsächlich hochempfindlich auf Veränderungen meteorologischer Faktoren reagiert. Insbesondere steigende Temperaturen, hohe Luftfeuchtigkeit und fallender Luftdruck scheinen dabei eine Rolle zu spielen.
Migränebetroffene können durch ein Migränetagebuch und Wetterkarten beobachten, ob bestimmte Wetterlagen mit ihrer Migräne in Zusammenhang stehen. So können sie den Kopfschmerz besser vorhersagen und frühzeitig Gegenmaßnahmen einleiten. Es kann auch helfen, die Anpassungsfähigkeit des Körpers zu verbessern. Saunagänge, Kneippbäder, Wechselduschen und regelmäßiger Sport im Freien stärken das Immunsystem und „trainieren“ Temperaturwechsel, was die Anfälligkeit für Kopfschmerzen senken kann.
Selbsthilfemaßnahmen
Migräneanfälle können bei ein und derselben Person unterschiedlich stark auftreten. Es ist ratsam, bei aufkommender Migräne sofort Maßnahmen zu ergreifen und nicht erst abzuwarten. Mögliche Selbsthilfemaßnahmen sind:
- Massieren Sie mit zwei Fingern entlang des Schmerzpunktes.
- Tragen Sie wenige Tropfen Pfefferminzöl auf Ihre Schläfen auf und kreisen Sie dort langsam in eine Richtung.
- Verdunkeln Sie Ihr Schlafzimmer und sorgen Sie für ausreichend Ruhe.
- Lagern Sie Ihren Kopf etwas höher im Bett und legen Sie ein Kühlakku (nur mäßige Kälte) auf Ihre Stirn.
- Versuchen Sie ruhig zu atmen.
- Ein frischer Ingwertee kann auch Abhilfe schaffen.
Medikamentöse Behandlung
Neben diesen Selbsthilfemaßnahmen gibt es mittlerweile sehr gut helfende medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten. Bei leichten bis mittelschweren Migräneattacken können peripher wirksame Analgetika beziehungsweise nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) helfen. Bei stärker ausgeprägten Attacken empfiehlt sich eine Therapie mit speziellen Migränemitteln wie Triptanen. Die Wahl des richtigen Triptans hängt stark vom Patienten und dem jeweiligen Verlauf der starken Migräneattacke ab. Gemeinsam mit Ihrem behandelnden Arzt können Sie zwischen einer nasalen, rektalen, oder oralen Einnahme einer Schmerztablette auswählen. Bei Übelkeit eignet sich beispielsweise die rektale Einnahme mit Hilfe eines Zäpfchens.
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Migräne bei Kindern
Auch Kinder können von Migräne und Kopfschmerzen betroffen sein. Auslöser sind meist Lärm, schlechte Luft, grelles Licht oder Hitze. Aber auch zu wenig Schlaf, körperliche Überanstrengung sowie eine ungünstige Körperhaltung können Kinder anfälliger machen. Weiterhin sind Lebensmittelunverträglichkeiten oder Belastungen mit Stress, Ängsten oder Sorgen ein möglicher Grund für die Migräneattacke.
Positiv ist, dass die Anfälle in den meisten Fällen deutlich milder ablaufen und die Kinder sich schneller erholen als Erwachsene. Es ist ratsam, zunächst auf eine nichtmedikamentöse Behandlung zurückzugreifen. Schaffen Sie eine ruhige und angenehme Umgebung für Ihr Kind, sodass der Körper die Möglichkeit hat, sich selbst zu regulieren. Sollten die Attacken öfter auftreten und eine medikamentöse Behandlung sinnvoll sein, sprechen Sie mit dem Kinderarzt. Die gängigen Arzneimittel für Migräne sind in der Dosierung auf einen Erwachsenen ausgerichtet und sollten in keinem Fall einfach von Kindern eingenommen werden. Versuchen Sie den Auslöser bei Ihrem Kind herauszufiltern und diesen zu vermeiden. Außerdem können Sie vorbeugend darauf achten, dass Ihr Kind genügend Schlaf bekommt, es sich an der frischen Luft bewegt und ausreichend trinkt. Weiterhin eignen sich auch viele Entspannungstechniken für Kinder, die Sie prima gemeinsam machen können.
Präventionsmaßnahmen
Migräne ist bisher nicht heilbar, aber durch eine medikamentöse Behandlung und verschiedene Präventionsmöglichkeiten können die Attacken verringert und die Symptome gemildert werden. Zu den wichtigsten vorbeugenden Maßnahmen zählen eine gesunde Lebensweise mit regelmäßigen sportlichen Aktivitäten an der frischen Luft, einer ausgewogenen und vitaminreichen Ernährung und einer täglichen Flüssigkeitsversorgung von mindestens zwei Litern.
Da Bildschirme aller Art anstrengend für die Augen sind, sollten Sie bei beruflicher Tätigkeit am Laptop oder Handy ausreichend Pausen einlegen. Regelmäßige Entspannungsübungen oder Entspannungstechniken wie Yoga, Pilates oder Autogenes Training können ebenfalls helfen.
Kopfschmerzkalender
Bei häufigen Kopfschmerzen ist es ratsam, einen Kopfschmerzkalender zu führen. Dort können Sie Kopfschmerzattacken und Begleiterscheinungen eintragen, die Schwere der Schmerzen skalieren und Angaben über eingenommene Medikamente machen. Der Kalender hilft Ihrem Arzt dabei, Häufigkeit, Dauer und Verlauf des Kopfschmerzes besser zu überblicken und in Verbindung mit einem Gespräch zu Ihren Lebensgewohnheiten zu einer Diagnose zu kommen. Mittlerweile gibt es zahlreiche kostenfreie Kopfschmerz-Apps, die das Eintragen und Führen Ihres Kopfschmerzkalenders vereinfachen.
Vestibuläre Migräne (Schwindelmigräne)
30 bis 50 Prozent der migränekranken Patienten leiden während einer Kopfschmerzattacke zusätzlich an Schwindel oder Gleichgewichtsstörungen. Diese Form der Erkrankung wird als vestibuläre Migräne oder Schwindelmigräne bezeichnet und rückt immer mehr in den Vordergrund der Wissenschaft und Medizin. Häufig treten die Symptome auch ohne Kopfschmerzen auf und werden daher nicht mit einer Migräne in Verbindung gebracht, sondern mit anderen Krankheiten wie Morbus Menière.
Anzeichen einer Schwindelmigräne
Treten die Migräne-typischen Kopfschmerzen und Schwindel oder eine Gleichgewichtsstörung zusammen auf, deutet das oft auf eine vestibuläre Migräne hin. Allerdings können die Schwindelattacken auch ohne schmerzenden Kopf auftreten - das ist sogar bei circa 30 Prozent der Patienten der Fall. Weitere Anzeichen einer Schwindelmigräne sind:
- Meistens handelt es sich um einen Drehschwindel.
- Unsicherheiten im Gehen oder Stehen sind möglich.
- Die Beschwerden dauern zwischen 5 Minuten und 72 Stunden an.
- Der Schwindel nimmt eventuell bei Veränderung der Körperlage zu.
- Es kommt zu zuckenden Augenbewegungen, die für den Betroffenen selbst spür- und für andere sichtbar sind.
- Der Schwindel kann durch Licht oder sich bewegende Objekte ausgelöst werden (visuell-induzierter Schwindel) und zu Beginn der Kopfschmerzattacke, die ganze Zeit über oder erst danach auftreten.
Die Bezeichnung vestibuläre Migräne leitet sich vom vestibulären System ab, das aus Teilen des Innenohrs besteht und zur Steuerung des Gleichgewichts und der Haltung benötigt wird. Die Ursachen für eine vestibuläre Migräne sind noch nicht bekannt. Wissenschaftler vermuten derzeit, dass die enge räumliche Nähe zwischen dem Gleichgewichtssystem und dem schmerzverarbeitenden System im Hirnstamm eine Rolle spielt.
Abgrenzung zu anderen Erkrankungen
Eine weitere Erkrankung, die als Symptom anfallsartigen Schwindel aufweist, ist Morbus Menière. Hier ist ein Überdruck im Innenohr, der durch zu viel Lymphflüssigkeit entsteht, die Ursache für die Beschwerden. Die Betroffenen berichten von plötzlichem starkem Schwindel, der oft mit Übelkeit einhergeht und 30 Minuten bis mehrere Stunden andauert. Vor allem, wenn die vestibuläre Migräne ohne Kopfschmerzen auftritt, fällt die Abgrenzung zu Morbus Menière schwer. In diesem Fall können migränetypische Begleitbeschwerden wie beispielsweise die Lichtempfindlichkeit bedeutend für die Diagnose sein.
Auch die Basilarismigräne kann mit einer vestibulären Migräne verwechselt werden. Als Ursache gilt die Durchblutungsstörung einer Schlagader im Hirnstamm. Kopfschmerzen, Schwindelgefühle und Übelkeit sind typische Symptome für eine Basilarismigräne, genau wie Seh- und Sprachstörungen oder Taubheitsgefühle.
Diagnose und Behandlung
Die internationale Kopfschmerzgesellschaft (IHS) und die Bárány-Society haben Diagnosekriterien veröffentlicht, um Ärzten eine Hilfestellung bei der Diagnose einer Schwindelmigräne zu geben und andere Erkrankungen wie Morbus Menière auszuschließen.
Die Schwindelmigräne kann in jedem Alter auftreten, allerdings sind Frauen häufiger betroffen als Männer. Kommt die vestibuläre Migräne bereits in der Familie vor, ist die Wahrscheinlichkeit größer, selbst daran zu erkranken. Genau wie bei der normalen Migräne gibt es auch hier bestimmte Trigger-Faktoren, die Schwindel und Migräne auslösen können: Stress, Lebensmittelunverträglichkeiten, Wetter, Licht- oder Geräuschreize und hormonelle Schwankungen. Das Vermeiden der Trigger kann helfen, Migräneattacken zu reduzieren. Die Therapie der Schwindelmigräne ähnelt der einer normalen Migräne. Gegen den Schwindel kommen zudem spezielle Medikamente, sogenannte Antivertiginosa, zum Einsatz. Neben einer medikamentösen Therapie sind alternative Verfahren verbreitet.
Isolierte Auren (Migraine-sans-migraine)
Charakteristisch für Migräne sind die pulsierenden, pochenden, in der Regel einseitigen Kopfschmerzen. Diese können mit oder ohne eine vorhergehende Aura auftreten. Die häufigste Form ist Migräne ohne Aura. Nur etwa 20 Prozent der Migräniker leiden unter der »klassischen Form«, das heißt sie entwickeln eine Aura vor einer Attacke. Darunter versteht man eine Phase mit neurologischen Erscheinungen oder Ausfallerscheinungen, die zwischen 5 und 60 Minuten andauern kann. Am häufigsten treten visuelle Symptome, wie flackernde Lichtpunkte, Zickzack-Linien, Flimmern, verzerrtes Sehen, Doppelbilder oder Sehausfälle, auf. Zum Teil kommen aber auch sensorische Erscheinungen wie Taubheitsgefühl, Kribbeln, Gesichtsschmerzen oder reversible Lähmungen hinzu.
Eine kleine Gruppe von Patienten entwickelt Auren ohne nachfolgende Kopfschmerzen. »Diese isolierten Auren wurden früher auch Migraine-sans-migraine genannt«, sagte Professor Dr. Andreas Straube von der Neurologischen Klinik der Universität München und Vizepräsident der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft. Von den 20 Prozent der Betroffenen, die unter Migräne mit Aura leiden, entwickeln etwa 10 Prozent von Zeit zu Zeit solche isolierten Auren. Selten käme es vor, dass Betroffene ausschließlich isolierte Auren entwickeln.
Es wird vermutet, dass sowohl Aura als auch Kopfschmerzen auf demselben Pathomechanismus beruhen, nämlich der Übererregbarkeit der Zellen der Hirnrinde. Die Zellen setzen verstärkt Kaliumionen in den Zellularraum frei, der Ionenhaushalt wird gestört. Dies führt zu einer Depolarisation, die sich über die Hirnrinde ausbreitet: Eine Welle von Hyperaktivität zieht über den Cortex (Cortical spreading depression), vor allem auch über das Sehzenrum, was die genannten visuellen Symptome auslöst. Der Aktivitätswelle folgt eine Inhibitionswelle. Erreicht die Depolarisationswelle den Trigeminusnerv, wird auch dieser aktiviert. Dieser Gesichtsnerv ist für das Übermitteln von Schmerzsignalen verantwortlich. Eine Aktivierung führt dann zum Empfinden von Kopfschmerzen.
Wahrscheinlich ist es so, dass die Schwelle, wann trigeminale Fasern aktiviert werden, von Mensch zu Mensch unterschiedlich hoch liegt. Bei Personen mit einer hohen Schwelle würden die trigeminalen Fasern nicht aktiviert, und der Kopfschmerz bleibt aus. Dies ist bei Personen mit isolierten Auren der Fall. Bei einer niedrigen Schwelle, springe die Aktivität auch auf den Trigeminusnerv über, und die charakteristischen Migränekopfschmerzen entstünden. Bei manchen Familien träten gehäuft isolierte Auren auf.
Isolierte Auren korrekt als Migräne zu diagnostizieren, sei schwierig, weil die charakteristischen Kopfschmerzen fehlen. Viele Patienten, aber auch Hausärzte wären verunsichert und würden an einen Schlaganfall denken, sagte der Experte. Je nach vorherrschenden Symptomen der Aura kann eine Migraine-sans-migraine auch mit wiederkehrenden Hypoglykämien, Morbus Menière (einer durch Schwindelattacken gekennzeichneten Erkrankung des Innenohrs), Fibromyalgie oder neurologischen Störungen verwechselt werden.
Die Möglichkeiten der Behandlung von isolierten Auren sind gering. Als Therapieversuch könnte Ketaminspray eingesetzt werden, berichtete Straube. Das Anästhetikum sei aber für diese Indikation nicht zugelassen.
HWS-Syndrom als Ursache für Schwindel und Taubheitsgefühl
Schwindel, Benommenheit, Sehstörungen oder sogar Übelkeit und ein allgemein komisches Gefühl im Kopf können von der Halswirbelsäule (HWS) her verursacht werden, falls dort Funktionsbeeinträchtigungen entstehen. Beschwerden, die von der Halswirbelsäule ausgehen, werden als HWS-Syndrom bezeichnet. Klassische Symptome sind Kopf-, Nacken- und Schulterschmerzen. Weiterhin treten häufig Schwindel, Benommenheit, Kribbeln und Taubheitsgefühle sowie Übelkeit, Tinnitus und sogar Atemproblemen auf.
Ursachen für HWS-Beschwerden
Durch den relativ engen Bereich der Halswirbelsäule, zwischen den Wirbeln C1 - C7, laufen sämtliche Muskeln, Sehnen, Blut- und Nervenbahnen vom Rumpf zum Kopf. Kurz- oder langfristig auftretende Probleme, Verspannungen oder Schäden in diesem Bereich können daher sehr schnell das äußerst fragile Gleichgewicht stören und zu zahlreichen Beschwerden führen. Verursacht werden Probleme in der Halswirbelsäule häufig durch Fehlhaltungen & Fehlbelastungen (zum Beispiel bei der Büroarbeit) oder psychische Belastungen sowie durch Verschleiß oder Unfälle. Dies alles löst Verspannungen und unter Umständen mangelnde Durchblutung sowie Signal-Übermittlungsfehler an den Nervenbahnen aus.
Symptome des HWS-Syndroms
Funktionsbeeinträchtigungen in der Halswirbelsäule können sich sowohl durch Schmerzen als auch durch Kribbeln oder Taubheitsgefühle bemerkbar machen. Diese Symptome können sowohl im Kopf- und Nackenbereich als auch an Armen und Händen auftreten. Sowohl Schwindel als auch Benommenheit können von der Halswirbelsäule her verursacht werden. Dies kann zum einen daran liegen, dass Verspannungen auf die Nerven drücken und so Signale nicht richtig übermittelt werden können, was Schmerzen und eine gewisse Benommenheit auslösen kann. Zum anderen können auch Blutgefäße durch dauerhaften Druck in Mitleidenschaft gezogen oder teilweise abgedrückt werden, was ebenfalls zu Benommenheit und Schwindel führen kann. HWS-Probleme bringen besonders häufig Kopf- und Nackenschmerzen sowie migräneartige Symptome mit sich (jedoch keine “echte” Migräne). Falls die Schmerzen entlang der Nervenbahnen zum Kopf auftreten, spricht man von einer Zervikalneuralgie. Falls Verspannungen im Halswirbelbereich entstehen, kann dies sowohl zu Schmerzen als auch zu Bewegungseinschränkungen führen, die bis in Schultern, Arme und Rücken reichen können.
Behandlung des HWS-Syndroms
Zur Behandlung und Linderung der Symptome stehen eine Reihe von Therapien zur Verfügung:
- Wärme & Entspannung: Wärme kann verspannte Muskeln und Sehnen lösen. Legen Sie dazu eine Wärmflasche oder ein Körnerkissen in den Nacken. Auch Dehnübungen oder sanfte Massagen können zur Linderung der Beschwerden beitragen.
- Stoßwellentherapie: Die Behandlung mit Stoßwellen hat sich bei HWS Beschwerden als sehr erfolgversprechend erwiesen. Mit einer Stoßwellentherapie können Triggerpunkte für Schmerzempfindungen gezielt aufgelöst sowie Verspannungen und eventuelle Entzündungen reduziert werden.
- Übungen: Gezielte Übungen, die am besten durch einen erfahrenen Physiotherapeuten erläutert werden, können helfen, HWS Beschwerden zu lindern.
- Physiotherapie & Osteopathie: Eine manuelle Therapie als Teil einer physiotherapeutischen Behandlung besteht in erster Linie aus Massagen, die Blockaden mithilfe von Druck und Dehnung auflösen sollen. Verspannte Muskeln und Sehnen können so gedehnt und entspannt werden. Falls tiefergehende Zusammenhänge zwischen Organsystem und Bewegungsapparat behandelt werden sollen, kann dies auf Wunsch auch mithilfe der Osteopathie oder Akupunktur geschehen.
- Injektionen: Bei besonders starken Schmerzen können Injektionen mit schmerzstillenden Mitteln angezeigt sein. Diese werden entweder direkt in die Wirbelgelenke oder an die aus dem Spinalkanal herausragenden Nerven gesetzt. Die Injektion erfolgt dabei aus Sicherheitsgründen unter Röntgen- oder CT-Kontrolle.
- Operation: Eine Operation ist bei HWS Beschwerden nur selten notwendig. Falls sich jedoch mittel- bis hochgradige Lähmungserscheinungen zeigen, könnte es sich um einen zervikalen Bandscheibenvorfall handeln, der in manchen Fällen operativ behandelt werden muss.
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