Mikrovaskuläre Veränderungen im Gehirn: Ursachen, Diagnose und Therapieansätze

Die Demenz ist ein komplexes Krankheitsbild, das verschiedene Ursachen haben kann. Oftmals wird bei dem Begriff „Demenz“ direkt an die Alzheimer-Krankheit gedacht, wobei jedoch vergessen wird, dass es auch andere, potenziell behandelbare oder vermeidbare Ursachen gibt. Dieser Artikel beleuchtet die vaskuläre Demenz und den Normaldruckhydrozephalus, zwei Beispiele für Demenzursachen, die durch radiologische Untersuchungen relativ einfach erkannt werden können, um so das Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern.

Vaskuläre Demenzen: Mikroangiopathie als Hauptursache

Die vaskuläre Demenz stellt nach der Alzheimer-Krankheit die zweithäufigste Form der Demenz dar. Sie wird durch Schädigungen der Blutgefäße im Gehirn verursacht, wodurch die Versorgung mit Nährstoffen und Sauerstoff beeinträchtigt wird und kognitive Funktionen eingeschränkt werden. Die Hauptursache der vaskulären Demenz ist die Mikroangiopathie, die meist als Folge einer arteriellen Hypertonie entsteht.

Diagnostische Verfahren

Hypertoniebedingte Marklagerveränderungen lassen sich sowohl in der Computertomografie (CT) als auch in der Magnetresonanztomografie (MRT) nachweisen. Aufgrund des höheren Weichteilkontrasts ist die MRT hierbei sensitiver und ermöglicht eine frühere Diagnose. In der nativen CT zeigen sich typische hypodense Veränderungen im periventrikulären Marklager. Im MRT sind diese Veränderungen am besten in der T2*-gewichteten oder FLAIR-Sequenz (Fluid Attenuated Inversion Recovery) zu erkennen, wobei die FLAIR-Bilder hyperintense Veränderungen zeigen, die gut, auch direkt angrenzend an den Ventrikel, nachweisbar sind.

Bei mikroangiopathischen Marklagerveränderungen empfiehlt sich die Ergänzung einer Gradientenechosequenz (T2*-gewichtete Sequenz) im MRT. Diese Sequenz ist besonders sensibel für Suszeptibilitätsartefakte, die beispielsweise durch Hämosiderinreste im Hirngewebe entstehen können. Dadurch lassen sich kleine Mikroblutungen nachweisen, die bei Patienten mit Mikroangiopathie auftreten können, auch wenn diese selbst nicht sehr ausgeprägt ist. Es konnte eine Korrelation zwischen der Anzahl der Mikroblutungen und dem Ausmaß der kognitiven Defizite nachgewiesen werden. Zudem sollte bei Patienten mit Mikroblutungen die Art der sekundären Prävention mit Antikoagulanzien überdacht werden.

Differenzialdiagnosen

Es ist wichtig zu beachten, dass nicht jede hyperintense Marklagerveränderung in der T2*-gewichteten Aufnahme einer mikroangiopathischen Schädigung entspricht. Abzugrenzen sind Marklagerveränderungen (Leukenzephalopathien) nach Strahlentherapien und/oder intrathekaler Chemotherapie, die meist flächenhafte Signal- und Dichteunterschiede im MRT und CT zeigen. Auch die „posteriore Leukenzephalopathie“, die bei verschiedenen Chemotherapien oder der (Prä-)Eklampsie auftreten kann, ist gut zu differenzieren, da hier meist Krampfanfälle und Kopfschmerzen im Vordergrund stehen und die Marklagerveränderungen reversibel und typischerweise eher konfluierend sind. Eine weitere Erkrankung, die mikroangiopathischen Marklagerveränderungen ähneln kann, ist die Encephalomyelitis disseminata, wobei hier Klinik, Liquorbefund und Alter der Patienten wichtige Differenzierungskriterien darstellen.

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Subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie

Die subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie weist in Schnittbildverfahren typische diagnostische Merkmale auf.

Quantitative Messungen und klinischer Befund

In der klinischen Praxis werden die typischen Marklagerveränderungen bislang meist subjektiv bewertet und mit dem klinischen Befund korreliert. Es gibt jedoch zunehmend Beschreibungen von (halb)automatisierten Messungen der Läsionen in FLAIR-gewichteten Schichten, wobei die Anzahl der Läsionen in einigen Untersuchungen gut mit der kognitiven Leistungsminderung korrelierte, aber auch eine Korrelation mit dem Lebensalter zeigte.

Normaldruckhydrozephalus (NPH)

Auch der Normaldruckhydrozephalus (NPH) mit der klinischen Trias Demenz, Harninkontinenz und kleinschrittiges Gangbild gehört zu den behandelbaren Demenzformen. Die typischen radiologischen Zeichen sind eine Erweiterung der inneren Liquorräume mit einem deutlichen Missverhältnis zu den äußeren Liquorräumen, die insbesondere kranial sehr eng sind. Zudem zeigen sich in CT und MRT periventrikuläre Veränderungen, die den Zeichen einer transependymalen Liquorabpressung entsprechen. Die Ätiologie dieser Erkrankung ist bislang nicht vollständig geklärt.

Therapie und Prognose

Patienten mit NPH profitieren einige Zeit von einer Liquorableitung in Form eines ventrikuloperitonealen Shunts, wodurch die klinische Symptomatik inklusive der kognitiven Defizite bei vielen Patienten positiv beeinflusst wird. Mit der strukturellen Bildgebung war es bislang nicht möglich, eine Vorhersage darüber zu treffen, welche Patienten von einem Shunt profitieren würden. Allenfalls das Ausmaß der Marklagerveränderungen zeigte eine Korrelation mit einer Gangverbesserung nach Liquorableitung. Neuere Untersuchungen haben bei Patienten mit NPH ergänzend die zerebrale Perfusion und Diffusion gemessen und stellten bei Patienten mit schlechtem klinischen Verlauf nach der Operation eine Perfusionsminderung im periventriklulären Marklager schon in der präoperativen Untersuchung fest.

Diagnostische Verfahren

Die CT ist ausreichend, um das Vorliegen eines Hydrozephalus nachzuweisen oder auszuschließen, und stellt insbesondere zur Verlaufskontrolle bei bekanntem Hydrozephalus und nach Shuntanlage die im Vergleich zur MRT schnellere und kostengünstigere Untersuchungsmodalität dar. Die Diagnostik in Zusammenschau mit den klinischen Symptomen und der positiven Symptombeeinflussung nach probatorischer Liquorpunktion ist nicht schwierig. Bei isolierter Betrachtung von CT- oder MRT-Bildern ist mit dieser Diagnose jedoch Vorsicht geboten. Eine Betonung der inneren Liquorräume und eine hypodense periventrikuläre Veränderung in der kranialen CT entsprechen nicht immer einem Normaldruckhydrozephalus.

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Differenzialdiagnose Aquäduktstenose

Zur ätiologischen Abklärung eines Hydrozephalus ist die MRT die Methode der Wahl. Aufgrund des weitaus höheren Weichteilkontrasts und der Möglichkeit der beliebigen Wahl der Schnittebene ist die Ätiologie des Hydrozephalus - zum Beispiel pathologische Veränderungen an strategischen Punkten des Ventrikelsystems (Kolloidzyste am Foramen Monroi oder Stenosen des Aquädukts) - leichter zu diagnostizieren. Auch zur Darstellung von Veränderungen, die durch den Hydrozephalus bedingt sind (zum Beispiel „Druckkappen“ oder Aufweitungen der Optikusscheiden), ist die MRT das überlegene Schnittbildverfahren. Bei einem typischen Normaldruckhydrozephalus zeigt schon das dünnschichtige hochaufgelöste T2-gewichtete MRT-Bild ein deutliches Flusssignal im Aquädukt, das auch bei einer Aquäduktstenose zu finden wäre, jedoch würde der Aquädukt dabei in diesem strukturellen Bild sehr viel enger dargestellt sein. Die Flussmessung bestätigt das ausgeprägte Flusssignal und kann auch zur Erfolgskontrolle nach Anlage eines VP-Shunts oder zuvor nach einer probatorischen Liquorpunktion durchgeführt werden. Zudem gibt es neuere Untersuchungen, die eine gute Korrelation der MR-tomografischen Liquorflussmessung mit einer intrakraniellen Druckmessung zeigen. Der Liquorfluss lässt sich im MRT allerdings auch quantitativ erfassen.

Letztlich ist die Wahrscheinlichkeit der Diagnose aber auch schon durch die Klinik und das Alter der Patienten gegeben. Ein symptomatischer Normaldruckhydrozephalus tritt gewöhnlich nach dem 60. Lebensjahr auf, während eine Aquäduktstenose meist in jüngerem Alter symptomatisch wird.

Mischformen und therapeutische Ansätze

Abschließend sei bemerkt, dass es selbstverständlich auch Mischformen dieser Demenzen gibt. Ein Patient kann neben einem Normaldruckhydrozephalus auch deutliche vaskuläre Hirnschädigungen aufweisen. Die typischen Marklagerveränderungen bei der vaskulären Demenz zeigen eine Korrelation zur arteriellen Hypertonie und damit eine Veränderung je nach Therapie derselben. Eine Hypertonie ist prinzipiell gut behandelbar, aber die Compliance der Patienten extrem gering. Es wäre eine Option, den Betroffenen eine FLAIR-Sequenz ihres Gehirns im Vergleich zu einem „Normalgehirn“ zu zeigen, um zu vermitteln, dass das Gehirn als Blutdruckmessgerät 24 Stunden am Tag „online“ ist und der individuelle Marker für die Verträglichkeit des Blutdrucks ist. Mit der Visualisierung der Erkrankung („Narben im Gehirn“) könnte die Compliance vielleicht verbessert werden.

In gewisser Hinsicht kann man also bei der vaskulären Demenz von einer behandelbaren Demenzform sprechen. Allerdings sind hierbei Patienten, die sich schon mit einer manifesten kognitiven Störung vorstellen, sicher nicht mehr geeignet, therapeutisch die Symptome zu bessern. Hier könnte eine frühzeitige und effiziente antihypertensive Therapie die Entstehung einer Demenz zumindest hinauszögern.

Prävention und Lebensstil

Einer vaskulären Demenz beugt man vor, indem man einem Schlaganfall vorbeugt. Wer sich regelmäßig bewegt, kann (weiteren) Schlaganfällen vorbeugen. Ausdauersport und gesunde Ernährung zählen zu den vorbeugenden Hilfsmitteln, während Übergewicht, Rauchen, Diabetes und Bluthochdruck zu den Risikofaktoren zählen. Selbst nach dem Auftreten von ersten Auffälligkeiten können Patientinnen und Patienten das Fortschreiten des Gedächtnisverlustes verlangsamen, wenn sie auf einen gesunden Lebenswandel achten.

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Medikamentöse Therapie

Bei der vaskulären Demenz werden Durchblutungsstörungen im Gehirn mit blutverdünnenden Medikamenten behandelt. So kann weiteren Schlaganfällen vorgebeugt werden. Bluthochdruck, erhöhter Cholesterinspiegel und erhöhter Blutzucker können ebenfalls medikamentös behandelt werden.

Nicht-medikamentöse Therapie

Es gibt verschiedene Ansätze, eine vaskuläre Demenz ohne Medikamente zu behandeln. Behandlungsmöglichkeiten wie Physiotherapie, Ergotherapie oder Logopädie können helfen, die kognitiven Fähigkeiten und somit die Lebensqualität der Patientin oder des Patienten zu verbessern. Auch Musiktherapie, Erinnerungsarbeit und Krankengymnastik können Betroffenen helfen. Vaskuläre Demenz kann mit Gesprächen (kognitive Stimulation) oder Erinnerungsarbeit (autobiographische Arbeit) behandelt werden. Körperliche Betätigung oder Kunsttherapie können geeignete Behandlungsmethoden darstellen.

Zukunftsperspektiven

Aktuell gibt es Hinweise, dass Mikroblutungen eine wichtige Information bei Mikroangiopathien sind und im MRT auch heute schon beurteilbar sind. Mithilfe höherer Feldstärken (sieben Tesla) wird die räumliche Auflösung immer weiter verbessert, sodass man von einer „MR-Mikroskopie“ sprechen kann. Insgesamt nimmt damit die Nachweisgrenze für strukturelle Veränderungen wie Mikroblutungen deutlich zu. Je besser wir die zerebrale Mikroangiopathie verstehen, umso mehr vaskuläre Demenzen werden sich vermeiden lassen.

Forschung zu zerebralen Mikroangiopathien

Krankhafte Veränderungen in den kleinsten Blutgefäßen im Gehirn können Schlaganfälle und Demenz auslösen. Ist die Durchblutung in den kleinsten Blutgefäßen des Gehirns gestört, können Schlaganfälle entstehen. Zudem sind diese „Kleinstgefäß-Erkrankungen“ im Gehirn für einen großen Anteil der durchblutungsbedingten Demenzfälle verantwortlich. Man nennt sie zerebrale Mikroangiopathien. Derzeit sind die Möglichkeiten der Therapie begrenzt. „Das liegt auch daran, dass wir die Entstehung der Erkrankungen bislang nur unzureichend verstehen“, sagt Professor Martin Dichgans.

Klinische Studien

Um tiefere Einblicke in die Mechanismen der vaskulären Demenz zu bekommen, haben Forschende des DZNE unter anderem eine große klinische Studie aufgelegt. Sie heißt DEMDAS (DZNE - Mechanismen der Demenz nach Schlaganfall); in ihr werden 600 Patientinnen und Patienten an den Standorten Berlin, Bonn, Göttingen, Magdeburg und München über mehrere Jahre hinweg begleitet und immer wieder intensiv untersucht.

Erkenntnisse aus Forschungsnetzwerken

Die Ergebnisse des in der ERA-Net Initiative NEURON geförderten Forschungsnetzwerkes dienten Professor Dichgans und seinen Kolleginnen und Kollegen als „Sprungbrett“ für die erfolgreiche Einwerbung eines weiteren europäischen Forschungsprojektes: In dem großangelegten Projekt erforschen aktuell Wissenschaftler an zwölf Institutionen in sieben Ländern gemeinsam die Prävention von Schlaganfällen und Demenz. Das Konsortium wird mit rund sechs Millionen Euro im Horizont 2020-Programms der Europäischen Union gefördert und von Professor Dichgans koordiniert.

Tiermodelle und molekulare Zielstrukturen

In grundlagenorientierten Arbeiten am Tiermodell ist es das Ziel, molekulare Zielstrukturen zu identifizieren, die zu neuen Therapien führen.

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