Eine Fazialisparese, oft als Gesichtsnervenlähmung bekannt, kann weitreichende Folgen für Betroffene haben. Sie beeinträchtigt nicht nur die Mimik, sondern kann auch das Sprechen, Essen und den Schutz des Auges erschweren. Jährlich sind in Deutschland etwa 2.000 Menschen von dieser Erkrankung betroffen. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Symptome und Therapiemöglichkeiten, einschließlich operativer Eingriffe, um die Mimik nach einem Schlaganfall oder anderen Auslösern wiederherzustellen.
Was ist eine Fazialisparese?
Die Fazialisparese ist eine Lähmung des Gesichtsnervs (Nervus facialis), der für die Steuerung der Gesichtsmuskulatur verantwortlich ist. Da der Nervus facialis ein Nervenpaar ist - je ein Strang für die linke und rechte Gesichtshälfte - tritt die Lähmung meist einseitig auf. Die Äste des Nervs verzweigen sich wie bei einem Baum und innervieren die Muskeln einer Gesichtshälfte. Eine Schädigung dieses Nervs führt zu Funktionsstörungen, die sich in einer Gesichtslähmung äußern.
Symptome einer Fazialisparese
Typische Symptome einer Fazialisparese sind vielfältig und können plötzlich auftreten. Zu den häufigsten Beschwerden gehören:
- Herabhängender Mundwinkel
- Unfähigkeit, das Auge vollständig zu schließen
- Erschlaffung der Gesichtsmuskulatur
- Verlust der Mimik
- Beeinträchtigung beim Sprechen und Essen
- Trockene Augen
- Gestörter Geschmackssinn
- Überempfindlichkeit gegenüber Geräuschen (Hyperakusis)
Die durch die Lähmung entstandene Asymmetrie des Gesichts und der Verlust der Mimik sind für viele Patienten eine große Belastung. Da sich das Auge im Falle einer Gesichtsparese nicht mehr aktiv schließen lässt, kann es zu ständiger Augentrockenheit oder sogar Hornhautschäden kommen.
Ursachen einer Fazialisparese
Die Ursachen für eine Fazialisparese sind vielfältig. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen peripheren und zentralen Fazialisparesen.
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Periphere Fazialisparese
Die periphere Fazialisparese ist die häufigere Form und betrifft den Gesichtsnerv außerhalb des Gehirns. Mögliche Ursachen sind:
- Infektionen (z.B. Herpes-Simplex-Viren, Mumps- oder Rötelviren)
- Borreliose (durch Zeckenstiche übertragen)
- Tumoren am Gesichtsnerv
- Mittelohrentzündung
- Schädelverletzungen
- Psychische Faktoren (Stress)
- Umgebungsfaktoren (Zugluft)
- Diabetes Mellitus
Von Frühjahr bis Spätsommer sollte besonders auf Zeckenstiche geachtet werden, denn Zecken können Borrelien übertragen, die eine Borreliose verursachen und den Gesichtsnerven beeinträchtigen können. Ein schlecht eingestellter Diabetes kann ebenfalls die Nerven schädigen und eine Fazialisparese begünstigen.
Zentrale Fazialisparese
Eine zentrale Fazialisparese entsteht durch eine Schädigung im Gehirn, oft als Folge eines Schlaganfalls. Hierbei ist das Gesicht vom Auge bis zum Kinn einseitig gelähmt, während die Mimik im Bereich der Stirn erhalten bleibt. Dies liegt daran, dass die Stirn von Nervenfasern aus beiden Gehirnhälften versorgt wird.
Idiopathische Fazialisparese (Bell’sche Lähmung)
In vielen Fällen lässt sich keine direkte Ursache für die Fazialisparese finden. Mediziner sprechen dann von einer idiopathischen Fazialisparese oder Bell’scher Lähmung. Als mögliche Auslöser werden wiederkehrende Herpes-simplex-Virusinfektionen und Autoimmunreaktionen diskutiert.
Diagnose der Fazialisparese
Die Diagnose der Fazialisparese beginnt mit einer gründlichen Ursachenforschung. Dabei kommen verschiedene Methoden zum Einsatz:
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- Körperliche Untersuchung: Beurteilung der Gesichtsmuskulatur und Nervenfunktionen.
- Bildgebende Verfahren: Magnetresonanztomografie (MRT) oder Computertomografie (CT) zur Untersuchung des Gehirns und Ausschluss anderer Ursachen wie Tumoren oder Schlaganfall.
- Laboruntersuchungen: Blutentnahme oder Lumbalpunktion zur Untersuchung auf Infektionen oder Entzündungen.
- Elektrophysiologische Tests: Elektromyographie (EMG) und Elektroneurographie (ENG) zur Beurteilung des Ausmaßes der Nervenschädigung und der Regenerationsfähigkeit.
Eine Zusammenarbeit zwischen HNO-Arzt und Neurologen kann bei der Diagnose hilfreich sein, insbesondere wenn eine Mittelohrentzündung als Ursache in Frage kommt.
Behandlungsmöglichkeiten der Fazialisparese
Die Behandlung der Fazialisparese richtet sich nach der Ursache und dem Schweregrad der Erkrankung. Ziel ist es, die Nervenfunktion wiederherzustellen, die Gesichtssymmetrie zu verbessern und die Lebensqualität des Patienten zu erhöhen.
Konservative Therapie
In vielen Fällen, insbesondere bei der idiopathischen Fazialisparese, bildet sich die Lähmung innerhalb von Wochen oder Monaten von selbst zurück. Unterstützende Maßnahmen können den Heilungsprozess beschleunigen und Komplikationen vermeiden:
- Medikamentöse Therapie: Kortikosteroide (Kortison) zur Entzündungshemmung, Virostatika bei Virusinfektionen, Antibiotika bei bakteriellen Infektionen.
- Augenpflege: Künstliche Tränenflüssigkeit und Augensalbe, um die Hornhaut vor Austrocknung zu schützen. Nachts kann ein Uhrglasverband getragen werden.
- Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie: Spezielle Übungen zur Stärkung der Gesichtsmuskulatur, Verbesserung der Koordination und des Sprechens.
- Vitamin-B-Komplex: Bei Vitamin-B12-Mangel können Präparate mit Vitamin B12, B6 und B1 eingesetzt werden.
- Botulinumtoxin: Bei unwillkürlichen Muskelzuckungen (Synkinesien) kann Botulinumtoxin in die betroffenen Muskeln gespritzt werden, um die unwillkürlichen Bewegungen zu verhindern.
- Elektrostimulation: Kann eingesetzt werden, um die betroffenen Muskeln zu aktivieren und ihre Funktion zu unterstützen.
- Entspannungs- und Atemtechniken: Techniken zur Entspannung der Gesichtsmuskulatur und zur Verbesserung der Atemkontrolle, die insbesondere beim Sprechen und Essen hilfreich sind.
Operative Therapie
Wenn konservative Maßnahmen nicht ausreichend sind oder die Lähmung chronisch wird, können operative Eingriffe in Erwägung gezogen werden. Ziel der Operation ist es, die Funktion des Gesichtsnervs wiederherzustellen, die Symmetrie der Gesichtshälften anzugleichen und dem Patienten wieder zu mehr Lebensqualität zu verhelfen.
Operationsmöglichkeiten
- Dynamische Verfahren (Gesichtsreanimation):
- Nerventransplantation: Wiederherstellung des Nervens durch Transplantation oder als Cross-Face-Transplantat, bei dem die Funktion des Nervs der Gegenseite auf die betroffene Seite übertragen wird.
- Motorische Ersatzoperationen: Umsetzung von Muskeln oder Sehnen zur Übernahme der alten Funktion.
- Transplantation von Muskeln und zugehörigen Nerven: Verpflanzung von Muskeln aus anderen Körperbereichen, um die Funktion der gelähmten Gesichtsmuskulatur zu ersetzen.
- Statische Verfahren:
- Implantation von Gold-/Platingewichten in das Oberlid (Aufhängeplastik): Ermöglicht den Lidschluss und schützt das Auge vor Austrocknung.
- Anhebung der Augenbrauen: Korrektur der Gesichtssymmetrie.
- Straffung oder Aufhängeplastik des Unterlides: Verbesserung der Lidfunktion.
- Straffung der Wangen und Mundwinkel durch Eigengewebe: Anhebung des herabhängenden Mundwinkels.
- Weitere operative Eingriffe:
- Canthoplastik: Behandlung eines offenstehenden Unterlids.
- Blepharoplastik: Korrektur des Oberlids zur Verbesserung des Sichtfelds.
Häufig werden verschiedene Techniken kombiniert, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Die Therapieplanung ist sehr individuell und wird von Spezialisten ausführlich mit dem Patienten besprochen.
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Logopädische Therapie bei Fazialisparese
Die logopädische Therapie spielt eine wichtige Rolle bei der Rehabilitation von Patienten mit Fazialisparese. Sie umfasst:
- Mimik- und Bewegungstraining: Gezielte Übungen zur Wiederherstellung der Kontrolle über die Gesichtsmuskulatur.
- Sprechübungen: Verbesserung der Artikulation und des Sprechens.
- Esstraining: Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme und Vermeidung von Schluckstörungen.
- Beratung und Unterstützung: Hilfe beim Umgang mit den emotionalen Aspekten der Fazialisparese.
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