Der Schlaganfall ist eine plötzlich auftretende zerebrovaskuläre Minderdurchblutung, die oft zu langandauernden Funktionseinschränkungen führt. Ein Schlaganfall (ICD-10 I63) ist eine zeitkritische Erkrankung des Gehirns, die mit einer plötzlich auftretenden Schädigung von Hirngewebe aufgrund eines Gefäßverschlusses (ischämischer Insult) oder einer Hirnblutung (hämorrhagischer Insult) assoziiert ist. Abhängig von der Lokalisation und dem Ausmaß des unterversorgten Hirnareals kommt es zu kognitiven, sensorischen und motorischen Funktionsstörungen. Die Prognose nach einem Schlaganfall richtet sich nach Ursache, Art und Umfang der Läsion sowie dem Zeitpunkt der therapeutischen Intervention.
Einleitung
Nachdem die Wirksamkeit der Thrombolysetherapie beim akuten ischämischen Schlaganfall bewiesen wurde, konzentriert sich die Forschung zunehmend auf die Definition von Patienten-Subgruppen, die von rekanalisierenden oder anderen aktiven Therapien profitieren können. Dabei ist die neuroradiologische Diagnostik besonders wichtig. Im Fokus der neuen Verfahren steht beim ischämischen Schlaganfall die Infarktrandzone, die Penumbra, also funktionell gestörtes, aber prinzipiell noch lebensfähiges Gewebe. Es ist inzwischen unbestritten, dass es auch außerhalb des Drei- oder Viereinhalbstundenfensters für die Lysetherapie noch Patienten gibt, die eine Penumbra und damit rettbares Gewebe aufweisen. Umgekehrt profitieren Patienten ohne Penumbra selbst innerhalb des Dreistundenfensters vermutlich nicht von der Gefäßrekanalisation - das Risiko einer Einblutung wäre größer als der zu erwartende Nutzen.
Die Bedeutung der Penumbra beim ischämischen Schlaganfall
Die meisten Therapieansätze bei der akuten zerebralen Ischämie gehen von der Existenz einer so genannten Penumbra aus. Dieses auf tierexperimentellen Daten beruhende Konzept beschreibt verschiedene Ischämiezonen (8): Im Bereich eines Infarktkerns, in dem die Durchblutung soweit reduziert ist (zerebraler Blutfluss [CBF] < 12 mL/100 mg Hirngewebe/min), dass die Neuronen irreversibel geschädigt sind, existiert ein Areal (Penumbra, Halbschatten), in dem der Funktionsstoffwechsel der Zellen zwar gestört ist, die Restdurchblutung (CBF = 12 bis 20 mL/100 mg Hirngewebe/min) aber noch ausreicht, um den Strukturstoffwechsel aufrecht zu erhalten und das Absterben der Zellen zu verhindern (Grafik 1). Diese Restdurchblutung im ischämischen Territorium wird hauptsächlich durch Zufluss über Kollateralkreisläufe gewährleistet. Viele Therapieansätze und vor allem die rekanalisierenden Therapien zielen darauf ab, den Blutfluss in der Penumbra zu verbessern, um dem sekundären Versagen der Kollateralen zuvor zu kommen und die endgültige Infarzierung dieses Gebietes, also ein Infarktwachstum, zu verhindern.
Definition der Penumbra
Die Penumbra ist als Gewebe definiert, dessen Funktionsstoffwechsel erloschen, aber dessen Strukturstoffwechsel noch intakt ist. Dies bedeutet, dass es noch nicht zu einer ischämischen Depolarisation gekommen ist, bei der die Membran versagt.
Mismatch-MRT zur Definition der Penumbra
Die Kombination von DWI und PWI, auch Mismatch-MRT genannt, soll nun eine genauere Definition der Penumbra zulassen. Von Mismatch sprechen Neuroradiologen, wenn die Perfusionsläsion größer ist als die Diffusionsläsion. Aus der volumetrischen Differenz ergibt sich das penumbrale, zu rettende Gewebe. Ein "Match" liegt dagegen vor, wenn diffusions- und perfusionsgestörtes Areal deckungsgleich sind und damit keine Penumbra vorhanden ist.
Lesen Sie auch: Ursachen und Risikofaktoren für Schlaganfälle bei Katzen
DWI (Diffusionsgewichtete Bildgebung)
Die DWI ist ein Verfahren, mit dem Informationen zur Braunschen Molekularbewegung der extrazellulären Protonen gewonnen werden (7, 36). Bei der akuten arteriellen zerebralen Ischämie kommt es rasch zum Versagen der Na+-/K+-Pumpe und nachfolgend zum Wassereinstrom in die ischämiegeschädigten Zellen; es entwickelt sich ein zytotoxisches Ödem. Das Volumen der Zellen nimmt auf Kosten des Extrazellulärraums zu, mit konsekutiver Einschränkung der Beweglichkeit der extrazellulären Protonen. Mit der DWI kann diese Veränderung sichtbar gemacht werden: Das zytotoxisch geschädigte Hirngewebe zeigt bereits wenige Minuten nach dem Gefäßverschluss eine deutliche Signalsteigerung in der DWI. In einem vereinfachten interpretativen Ansatz wird in der klinischen Routine angenommen, dass die stark diffusionsgestörten Anteile den Arealen mit einer irreversiblen ischämischen Schädigung entsprechen (Infarktkern) (20-22).
PWI (Perfusionsgewichtete Bildgebung)
Bei der PWI wird wie bei der Perfusions-CT ein Kontrastmittelbolus in eine Kubitalvene injiziert. Anders als bei der CT kann bei der PWI die Passage des Kontrastmittels durch das Gehirn aber nicht nur in einer oder wenigen Schichten sondern im gesamten Neurokranium erfasst werden. Das Kontrastmittel verursacht in speziell empfindlichen Aufnahmen (so genannten Suszeptibilitäts-gewichteten Sequenzen) einen Signalabfall. Dieser Signalabfall kann für jeden Bildpunkt kontinuierlich erfasst und in eine relative KM-Konzentrations-Zeitkurve umgerechnet werden. Anhand dieser Kurven sind die Berechnungen von relativen Blutflussparametern möglich: zerebraler Blutfluss (rCBF), zerebrales Blutvolumen (rCBV) oder mittlere Passagezeit durch das Gewebe (rMTT). Aus den Kurvenberechnungen für jeden Bildpunkt können dann Parameterbilder (so genannte maps) des Gehirns berechnet werden (16-18). Für die visuelle Unterscheidung von normal- und minderdurchbluteten Gewebsarealen haben sich in der klinischen Routine vor allem die rMTT-maps bewährt, die im Folgenden ausschließlich berücksichtigt werden (19).
Mismatch als Indikator für therapeutisches Potenzial
Die Mismatch-MRT könnte zumindest helfen, sich außerhalb des 4,5-Stundenfensters für oder gegen die Lysetherapie zu entscheiden. Klinische Studien zur MR-basierten Lysetherapie laufen. Auch für interventionelle Therapieverfahren bei ischämischem Schlaganfall sind die neuen Möglichkeiten interessant.
Schlaganfall-MRT: Diagnostische Optionen, Ergebnisse und Perspektiven
Die Schlaganfall-Magnetresonanztomographie (MRT) ist eine kombinierte morphologische und funktionelle Methode, die in den Schlaganfallszentren zunehmend verfügbar ist und sich bei der Untersuchung von akuten Schlaganfallpatienten bewährt hat. Mit den vier Elementen der Schlaganfall-MRT kann der Blutungs- und Tumorausschluss geführt und der ursächliche Gefäßverschluss nachgewiesen werden. Zudem gelingt die Darstellung des bereits ischämisch geschädigten Hirnareals, und die Größe des von einer fortschreitenden Infarzierung bedrohten Hirngewebes kann abgeschätzt werden. Damit liefert die Schlaganfall-MRT alle notwendigen Informationen für ein individuell angepasstes differenzialtherapeutisches Konzept in der akuten Ischämiesituation.
Elemente und Befunde der Schlaganfall-MRT
Das Protokoll der Schlaganfall-MRT setzt sich aus vier verschiedenen Elementen zusammen, die alle entscheidende Informationen zur akuten Durchblutungssituation des Gehirns liefern (Abbildung 2):
Lesen Sie auch: Gesundheitliche Rückschläge und politische Leistungen von Lafontaine
- Magnetresonanzangiographie zum Nachweis von Gefäßverschlüssen im Circulus Willisii einschließlich der proximalen Abschnitte der großen Arterien.
- Schnelle T2-gewichtete Standardaufnahmen zum Ausschluss nichtischämischer Pathologien (zum Beispiel Tumor).
- Diffusionsgewichtete Sequenz (DWI) zum Nachweis des Infarktkerns.
- Perfusionsgewichtete Sequenz (PWI) zum Nachweis des minderperfundierten Hirnareals. Da die Einzelschichtbilder dieser perfusionsgewichteten Sequenz T2*-gewichtete Aufnahmen und daher sehr sensitiv gegenüber Suszebtibilitätsartefakten sind, können diese Aufnahmen auch zum Ausschluss akuter intrazerebraler Blutungen herangezogen werden.
Die Rolle der MRT bei der Erkennung von Schlaganfällen mit unbekanntem Beginn
Eine von Wissenschaftlern des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) geleitete Studie („WAKE-UP“) hat erstmals gezeigt, dass auch Patienten, die im Schlaf einen Schlaganfall erleiden und die Symptome erst nach dem Aufwachen am nächsten Morgen feststellen, von einer sogenannten Thrombolyse profitieren können. In der WAKE-UP-Studie gelang es nun erstmals, mittels MRT-Diagnostik geeignete Patienten für die Thrombolyse auszuwählen, auch ohne den Zeitpunkt des Schlaganfalls zu kennen. Die Auswahl der Patienten für die Behandlung erfolgte mittels Magnetresonanztomografie (MRT). Verwendet wurden zwei spezielle Untersuchungssequenzen, die diffusiongewichtete Bildgebung (Diffusion Weighted Imaging, DWI) und die „Fluid-Attenuated Inversion Recovery“-Bildgebung (FLAIR). Zeigt sich im DWI eine akute Schlaganfall-Schädigung, im FLAIR jedoch nicht eindeutig („DWI-Flair-Mismatch“), dann befindet sich der Patient mit großer Sicherheit noch in einem Zeitfenster, in dem die Thrombolyse effektiv und sicher angewandt werden kann.
CT-Diagnostik
Die nichtkontrastmittelverstärkte Computertomographie (Nativ-CT) hat seit vielen Jahren ihren festen Platz bei der frühen Diagnostik von Schlaganfallpatienten, da mit ihr bereits viele der oben gestellten Fragen beantwortet werden können (50, 51). Mit der Nativ-CT können primäre intrakranielle Blutungen oder Tumoren relativ zuverlässig ausgeschlossen werden. Mit CT-Geräten neuerer Bauart kann der erfahrene Diagnostiker Frühveränderungen am ischämischen Hirngewebe oder sogar den Thrombus selbst in den ersten sechs Stunden nach Infarktbeginn in circa zwei Dritteln der Fälle identifizieren. Da die meisten Ischämiefrühzeichen aber direkt von der Zunahme des Wassergehalts im ischämischen Hirngewebe abhängen, können sie erst nach frühestens zwei Stunden beobachtet werden.
CT-Angiogramme
Die Spiral-CT erlaubt bei gleichzeitiger Applikation eines intravenösen Kontrastmittelbolus die Berechnung von CT-Angiogrammen (Abbildung 1). Mit diesen Bildern können Gefäßverschlüsse auf der Ebene des Circulus Willisii relativ verlässlich dargestellt werden (57). Werden zur Interpretation nicht nur die 3-D-Rekonstruktionen der kontrastierten Gefäße, sondern auch die Einzelschichtbilder herangezogen, kann man mit dieser Technik auch qualitative Informationen zum Ausmaß der Perfusionsminderung und zur Qualität der Kollateralkreisläufe gewinnen (27).
Perfusions-CT
Bei der Perfusions-CT werden Spiraltechnik und Kontrastmittelbolusgabe benutzt, um Perfusionsbilder vom Hirngewebe zu erstellen (28). Minderperfundierte Areale können damit verlässlich erfasst werden, und die Methodik erlaubt auch eine relativ genaue Berechnung des aktuellen CBF. Aufgrund der Begrenzung des Verfahrens auf ein Schichtpaket von maximal 2 cm Breite pro Kontrastmittelapplikation, ist eine Perfusionsuntersuchung des gesamten Gehirnes noch nicht möglich.
Lesen Sie auch: Rehabilitation bei Gesichtsfeldausfall
tags: #mismatch #schlaganfall #definition