Umgang mit Demenzpatienten im Krankenhaus: Eine Herausforderung für das Gesundheitswesen

Die alternde Bevölkerung führt zu einem Anstieg der Patienten mit Demenz, die stationär in Krankenhäusern behandelt werden müssen. Viele Krankenhäuser sind jedoch unzureichend auf die besonderen Bedürfnisse dieser Patienten vorbereitet. Dies stellt eine wachsende Herausforderung für das Gesundheitssystem dar, da Demenzkranke eine fachgerechte Pflege benötigen, um einer Verschlechterung ihrer kognitiven Fähigkeiten und ihrer Gesundheit während des Krankenhausaufenthalts vorzubeugen.

Demografischer Wandel und Zunahme von Demenzerkrankungen

Der demografische Wandel in Deutschland führt zu einem deutlichen Anstieg der Zahl älterer Menschen, was sich direkt auf die Krankenhäuser auswirkt. Immer mehr Patienten, die stationär behandelt werden müssen, leiden zusätzlich an Demenz. Laut Angaben der Robert Bosch Stiftung werden täglich etwa 76.000 Patienten mit Demenz oder verwandten kognitiven Einschränkungen in deutschen Krankenhäusern behandelt. Ihr Anteil an den über 65-jährigen Patienten beträgt bereits über 40 Prozent, und diese Zahl wird in den kommenden Jahren weiter steigen. Die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG) prognostiziert, dass es im Jahr 2030 voraussichtlich rund drei Millionen Demenzkranke in Deutschland geben wird.

Dieser Anstieg stellt Krankenhäuser vor große Herausforderungen. Demenzkranke werden häufiger in Kliniken eingewiesen als ältere Menschen ohne kognitive Einschränkungen. Dies liegt unter anderem daran, dass somatische Erkrankungen bei Demenzkranken aufgrund von Komplikationen schwerwiegender verlaufen können und Hausärzte bei unklarer Symptomatik aufgrund eingeschränkter Kommunikationsfähigkeit eher zu Einweisungen neigen.

Herausforderungen im Krankenhausalltag

Ein Krankenhausaufenthalt stellt für Menschen mit Demenz eine besondere Belastung dar. Die fremde Umgebung, der Kontakt zu unbekannten Personen, verschiedene Untersuchungen und Behandlungsmaßnahmen sowie Schmerzen oder andere Beeinträchtigungen können zu Verwirrung, Angst und Unruhe führen. Im straff organisierten Krankenhausalltag sind Demenzkranke oft auf sich allein gestellt, ohne Beschäftigung und Ansprache. Dies kann zu eskalativen Situationen und unerwünschten Vorkommnissen führen, wie beispielsweise dem Versuch, nach Hause zu gehen, dem ständigen Rufen oder dem Entfernen von Verbänden. Solche Situationen sind für die Betroffenen, das Personal und die Angehörigen sehr belastend und können die Patientensicherheit gefährden. Zudem kann die Würde der Demenzkranken Schaden nehmen, wenn Behandlungen mit Fixierungen oder Sedierungen erzwungen werden müssen.

Pflegekräfte, die den intensivsten Kontakt zu den Patienten haben, sind bei ihrer täglichen Arbeit mit vielfältigen Belastungen konfrontiert. Viele fühlen sich für den Umgang mit dieser Personengruppe nicht ausreichend qualifiziert, insbesondere bei nicht-kognitiven Symptomen wie herausforderndem Verhalten.

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Die Notwendigkeit demenzsensibler Krankenhäuser

Vor dem Hintergrund der steigenden Belastung des klinischen Personals und der besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Demenz ist es unerlässlich, demenzsensible Krankenhäuser zu schaffen. Dies erfordert eine grundsätzliche Haltungsänderung des gesamten Personals sowie den Aufbau demenzsensibler Strukturen und Prozesse.

Wissensaufbau und Schulungen

Ein wesentlicher Schritt zur Etablierung demenzsensibler Krankenhäuser ist der Wissensaufbau für alle Beschäftigten. Mangelndes Wissen über die Krankheit kann zu Ratlosigkeit und Aggressionen führen, wenn bestimmte Verhaltensweisen als Böswilligkeit fehlinterpretiert werden. Um die Handlungssicherheit im Umgang mit Demenzkranken zu stärken, sind strukturierte Fort- und Weiterbildungen im Umgang mit den Krankheitsbildern Demenz und Delir für alle haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter als Pflichtveranstaltung anzubieten, angefangen von den Beschäftigten am Empfang bis hin zum Rettungsdienst. Jedes Krankenhaus sollte zudem einen Demenzbeauftragten benennen. Darüber hinaus hätten sich Demenzkoordinatoren auf den Stationen bewährt, um die Veränderungen nachhaltig zu sichern, so die Verfasser.

Es gibt verschiedene Umgangskonzepte, die zu mehr Handlungssicherheit beitragen können. Dazu gehören die Validation, die eine wertschätzende und akzeptierende Grundhaltung im Umgang mit Demenzkranken betont, sowie die Person-zentrierte Pflege nach Kitwood, bei der die Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt gestellt werden. Auch Elemente anderer Pflegekonzepte wie die Mäeutik, die Basale Stimulation und die Biographiearbeit können sinnvoll eingebunden werden.

Umgang mit herausforderndem Verhalten

Eine der anspruchsvollsten Aufgaben bei der Pflege von Menschen mit Demenz ist der Umgang mit herausforderndem Verhalten. Dieses Verhalten ist oft ein Ausdruck von Unwohlsein oder Unbehagen und kann verschiedene Ursachen haben, wie beispielsweise unentdeckte Schmerzen, Hunger, Durst, Stress, Angst oder inadäquate Kommunikation. Für die Einordnung von herausforderndem Verhalten wurden verschiedene Assessments entwickelt, wie beispielsweise die "Serial Trial Intervention" (STI), die helfen können, unbefriedigte Bedürfnisse und daraus resultierende Verhaltensweisen zu erkennen.

Delir-Management

Ein Delir ist eine akute Verwirrtheit, die bei Demenzkranken im Krankenhaus leicht entstehen kann. Es ist wichtig, ein Delir frühzeitig zu erkennen und zu behandeln, da es die Gesundheitskosten erhöht und die Überlebensdauer der Patienten verringert. Daher müsse der Fokus auf der Vorbeugung und frühzeitigen Behandlung eines Delirs liegen, angefangen mit einem Kurzscreening im Rahmen der stationären Aufnahme, um Risikopatienten zu identifizieren, über delirsensible Narkose- und Operationsverfahren bis hin zur Einbeziehung von geschulten Altenpflegekräften und Angehörigen.

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Umgebungsgestaltung und Tagesstrukturierung

Die Gestaltung der Umgebung und die Strukturierung des Tagesablaufs können einen wesentlichen Beitrag zum Wohlbefinden von Demenzkranken im Krankenhaus leisten. Eine demenzgerechte Gestaltung der Räumlichkeiten mit Orientierungshilfen, eine ruhige und reizarme Umgebung sowie eine klare Tagesstruktur mit festen Zeiten für Mahlzeiten, Aktivitäten und Ruhepausen können helfen, Verwirrung und Unruhe zu reduzieren.

Angehörigenarbeit

Die Einbeziehung der Angehörigen ist ein wichtiger Baustein demenzsensibler Krankenhäuser. Angehörige können wertvolle Informationen über die Gewohnheiten, Vorlieben und Bedürfnisse des Patienten liefern und bei der Betreuung und Begleitung unterstützen. Viele Krankenhäuser bieten das sogenannte "Rooming-in" an, bei dem Angehörige im Zimmer des Patienten übernachten können, um ihm Sicherheit und Orientierung zu geben.

Vernetzung und Kooperation

Eine gute Vernetzung und Kooperation mit anderen Einrichtungen und Diensten ist für eine umfassende Versorgung von Demenzkranken unerlässlich. Dazu gehören beispielsweise die Zusammenarbeit mit Hausärzten, Pflegediensten, Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen.

Initiativen und Projekte zur Verbesserung der Versorgung

In den letzten Jahren wurden verschiedene Initiativen und Projekte ins Leben gerufen, um die Versorgung von Demenzkranken im Krankenhaus zu verbessern. Die Nationale Demenzstrategie, die von der Bundesregierung verabschiedet wurde, hat zum Ziel, die Situation von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen in allen Lebensbereichen zu verbessern. Ein wichtiger Schwerpunkt ist die Weiterentwicklung der medizinischen und pflegerischen Versorgung in Krankenhäusern.

Die Robert Bosch Stiftung unterstützt Modellprojekte, um die Versorgung von Menschen mit Demenz im Krankenhaus zu verbessern. Mit einem Handlungsleitfaden will die Stiftung zudem Impulse setzen, damit demenzsensible Krankenhäuser bundesweit Standard werden. Der Praxisleitfaden basiert auf einer Analyse von Förderprogrammen und Praxisbeispielen und umfasst zehn Bausteine, die von Wissensaufbau über Delir-Management bis hin zur Angehörigenarbeit reichen.

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