Morbus Parkinson und Schluckstörungen: Ursachen, Therapie und Management

Einführung

Morbus Parkinson, oft auch als Schüttellähmung bezeichnet, ist eine fortschreitende neurologische Erkrankung, die vor allem ältere Menschen betrifft. Neben den klassischen Symptomen wie Zittern, Muskelsteifheit und Bewegungsverlangsamung leiden viele Parkinsonpatienten auch unter Schluckstörungen, auch Dysphagie genannt. Diese können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen und schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Diagnose und Therapie von Schluckstörungen bei Morbus Parkinson, um Betroffenen und ihren Angehörigen ein umfassendes Verständnis dieser Problematik zu ermöglichen.

Was sind Schluckstörungen bei Parkinson?

Schluckstörungen (Dysphagie) sind ein häufiges und oft übersehenes Symptom bei Morbus Parkinson. Bereits James Parkinson erkannte 1817 Schluckstörungen als ein wesentliches Symptom. Studien zeigen, dass fast 80 % aller Parkinson-Patienten im Verlauf ihrer Erkrankung eine Dysphagie entwickeln.

Die Bedeutung des Schluckens

Das Schlucken ist ein lebensnotwendiger, komplexer motorischer Vorgang, der dem Transport von Nahrung und Flüssigkeit von der Mundhöhle über den Rachen und die Speiseröhre in den Magen dient. Gleichzeitig müssen die Atemwege geschützt werden, um zu verhindern, dass Nahrung oder Flüssigkeit in die Lunge gelangt. Dieser Vorgang wird durch das Zusammenspiel von Gehirn, Hirnstamm, 5 Hirnnervenpaaren und 50 verschiedenen Muskeln gesteuert. Ein gesunder Mensch schluckt im Wachzustand etwa 1000 bis 2000 Mal pro Tag spontan.

Auswirkungen von Schluckstörungen

Schluckstörungen können bei Parkinson-Patienten schwerwiegende Folgen haben:

  • Beeinträchtigung der Lebensqualität: Die Nahrungsaufnahme wird als beschwerlich empfunden, und Betroffene ziehen sich oft aus sozialen Situationen zurück.
  • Mangelernährung und Dehydration: Eine ausreichende Versorgung mit Flüssigkeit und Nährstoffen ist gefährdet.
  • Aspirationspneumonie: Das Eindringen von Speichel oder Nahrung in die Atemwege kann zu Lungenentzündungen führen, die in fortgeschrittenen Stadien eine häufige Todesursache darstellen.
  • Erschwerte Medikamenteneinnahme: Die Wirksamkeit von Parkinson-Medikamenten kann durch Schluckbeschwerden beeinträchtigt werden.

Warum treten Schluckstörungen bei Parkinson auf?

Die Parkinson-Krankheit kann alle Phasen des Schluckaktes beeinträchtigen. Die zugrunde liegende Pathophysiologie ist komplex und noch nicht vollständig verstanden, aber es wird davon ausgegangen, dass sowohl dopaminerge als auch nicht-dopaminerge Mechanismen eine Rolle spielen. Die bei der Parkinson-Erkrankung auftretenden Bewegungseinschränkungen können auch die Gesichts-, Mund-, Schlund- und Kehlkopfmuskulatur betreffen und dadurch die Bewegungsabläufe beim Schlucken und Sprechen verändern.

Lesen Sie auch: Morbus Parkinson: Richtige Ernährung

Ursachen von Schluckstörungen bei Parkinson

Die genauen Ursachen für Schluckstörungen bei Parkinson sind vielfältig und komplex. Folgende Faktoren spielen eine Rolle:

  • Dopaminmangel: Der für Parkinson typische Mangel an Dopamin beeinträchtigt die Steuerung der Muskeln, die am Schluckvorgang beteiligt sind.
  • Muskelsteifheit (Rigor): Die Muskeln im Mund-, Rachen- und Kehlkopfbereich können steif und unbeweglich werden, was das Schlucken erschwert.
  • Bewegungsverlangsamung (Bradykinese): Die Verlangsamung der Bewegungen betrifft auch die am Schlucken beteiligten Muskeln.
  • Koordinationsstörungen: Die Koordination der verschiedenen Muskelgruppen, die beim Schlucken zusammenarbeiten müssen, kann gestört sein.
  • Sensorische Defizite: Die Sensibilität im Mund- und Rachenraum kann beeinträchtigt sein, wodurch es schwieriger wird, die Position und Konsistenz der Nahrung zu erkennen.
  • Atypische Parkinsonsyndrome: Treten Schluckstörungen bereits früh im Krankheitsverlauf auf, kann dies ein Hinweis auf ein atypisches Parkinsonsyndrom wie Multisystematrophie oder progressive supranukleäre Blickparese sein.

Symptome von Schluckstörungen bei Parkinson

Häufig wird die Schluckstörung von Parkinson-Betroffenen krankheitsbedingt oft nicht adäquat wahrgenommen und deshalb häufig erst sehr spät diagnostiziert. Anzeichen für eine Dysphagie sind vielfältig und können sich schleichend entwickeln. Es ist wichtig, auf folgende Symptome zu achten:

  • Häufiges Verschlucken: Besonders beim Trinken von Flüssigkeiten oder beim Essen von bestimmten Speisen.
  • Husten oder Räuspern: Während oder kurz nach dem Essen oder Trinken.
  • Vermehrtes Speicheln: Speichelfluss kann aufgrund der Schluckstörungen häufig zu beobachten sein.
  • Verlängerte Essenszeiten: Das Kauen dauert oft länger, es verbleiben Nahrungsreste im Mund oder Rachen.
  • Schwierigkeiten beim Kauen: Insbesondere bei fester Nahrung.
  • Globusgefühl: Das Gefühl, dass etwas im Hals stecken bleibt.
  • Wiederholte Lungenentzündungen: Können ein Hinweis auf Aspiration sein.
  • Gewichtsverlust: Ungewollter Gewichtsverlust kann auf eine unzureichende Nahrungsaufnahme aufgrund von Schluckbeschwerden hindeuten.
  • Vermeidung bestimmter Speisen: Betroffene vermeiden möglicherweise bestimmte Konsistenzen oder Speisen, die schwer zu schlucken sind.
  • Feuchte oder gurgelnde Stimme: Nach dem Essen oder Trinken.
  • Veränderungen der Stimme: Heiserkeit sowie leises und undeutlicher werdendes Sprechen sind typische Symptome.
  • Verlangsamtes Essen: Die Nahrungsaufnahme dauert länger als üblich.
  • Hängenbleiben von Nahrung im Rachen: Das Gefühl, dass Nahrung im Hals stecken bleibt.
  • Sodbrennen: Kann durch den Rückfluss von Magensäure in die Speiseröhre verursacht werden.
  • Fieber: Plötzlich auftretendes Fieber kann ein Hinweis auf eine Schluckstörung sein.

Diagnose von Schluckstörungen bei Parkinson

Eine frühzeitige und genaue Diagnose ist entscheidend, um geeignete Therapiemaßnahmen einzuleiten und Komplikationen zu vermeiden. Die Diagnostik einer Parkinson-bedingt Schluckstörung erfolgt zunächst durch die neurologische Untersuchung des Arztes sowie eine detaillierte klinische Schluckuntersuchung durch einen Logopäden bzw. Sprachtherapeuten. Folgende Schritte sind in der Regel notwendig:

  1. Anamnese: Der Arzt oder Logopäde erfragt die Krankengeschichte und die aktuellen Beschwerden. Dabei werden gezielt Fragen nach Schluckbeschwerden, Husten, Verschlucken, Gewichtsverlust und wiederholten Lungenentzündungen gestellt. Standardisierte Fragebögen wie der Swallowing Disturbance Questionnaire (SDQ) oder der Munich Dysphagia Test - Parkinson’s Disease (MDT-PD) können die Erfassung der Symptome erleichtern.
  2. Klinische Schluckuntersuchung: Ein Logopäde beobachtet den Patienten beim Essen und Trinken verschiedener Konsistenzen und achtet auf Anzeichen von Schluckstörungen. Dabei werden die Funktionen der am Schlucken beteiligten Organe (Lippen, Zunge, Gaumen, Kehlkopf) untersucht.
  3. Apparative Diagnostik: Um Art und Schweregrad der Schluckstörung genauer zu erfassen und das genaue Störungsmuster des beeinträchtigten Schluckvorganges aufzudecken und geeignete therapeutische Maßnahmen einzuleiten, ist oft eine apparative Zusatzdiagnostik erforderlich.

Methoden der apparativen Diagnostik

  • Videoendoskopische Schluckuntersuchung (FEES): Ein flexibles Endoskop wird über die Nase in den Rachen eingeführt, um den Schluckvorgang direkt zu beobachten. Der Patient erhält angefärbtes Wasser, Pudding, Brot und ggf. noch verschiedene andere Speisen oder Placebo-Tabletten zum Schlucken. Die FEES ermöglicht die Beurteilung der späten oralen und pharyngealen Phase des Schluckens und kann auch zur Untersuchung von Schwierigkeiten beim Schlucken von Tabletten eingesetzt werden.
  • Videofluoroskopische Schluckstudie (VFSS): Der Patient schluckt Flüssigkeiten und Speisen, die mit einem Kontrastmittel vermischt sind, während Röntgenaufnahmen in schneller Abfolge erstellt werden. Dadurch kann der gesamte Schluckakt im Mund, Rachen und der Speiseröhre als Film dargestellt werden.
  • Manometrie des Schluckens: Eine spezielle Sonde wird über die Nase in die Speiseröhre eingeführt, um die Drücke im Rachen, in der Speiseröhre und am Mageneingang während des Schluckens zu messen. Dieses Verfahren wird von Gastroenterologen durchgeführt.

Therapie von Schluckstörungen bei Parkinson

Die Therapie von Schluckstörungen bei Parkinson zielt darauf ab, die Schluckfunktion zu verbessern, das Risiko von Aspiration zu reduzieren und eine ausreichende Ernährung sicherzustellen. Die Behandlung sollte individuell auf die Bedürfnisse des Patienten zugeschnitten sein und kann folgende Komponenten umfassen:

Logopädische Therapie

Die Logopädie spielt eine zentrale Rolle bei der Behandlung von Schluckstörungen bei Parkinson. Durch gezielte Übungen können die Bewegungsabläufe verbessert und kompensatorische Strategien erlernt werden. Die logopädische Schlucktherapie sollte ausreichend lange erfolgen, und es sollten in regelmäßigen Zeitabständen Kontrolluntersuchungen, ggf. mit apparativen Verfahren, erfolgen, um den Therapieerfolg zu bestimmen. Die zum Einsatz kommenden Methoden der logopädischen Schlucktherapie sind sehr vielfältig und können hier nicht im Einzelnen vorgestellt werden.

Lesen Sie auch: Die Rolle neurologischer Symptome bei Morbus Wilson

Medikamentöse Therapie

  • Parkinson-Medikamente: In einigen Fällen kann eine Optimierung der Parkinson-Medikation die Schluckfunktion verbessern. Eine endoskopische Schluckuntersuchung im Off- und im On-Zustand kann durchgeführt werden, um zu beurteilen, ob die Parkinson Medikamente einen Einfluss auf die Schluckstörung besitzen.
  • Levodopa: Münstersche Neurowissenschaftler haben beobachtet, dass Levodopa, ein bewährter Wirkstoff zur Therapie des Parkinsonsyndroms, Schluckstörungen auch bei schwer betroffenen Patienten im fortgeschrittenen Stadium lindern kann.
  • Medikamente zur Speichelreduktion: Bei vermehrtem Speichelfluss können Medikamente wie Kaugummi oder Salbeibonbons zu einer Linderung führen.

Ernährungstherapie

Eine Anpassung der Ernährung kann helfen, das Schlucken zu erleichtern und das Risiko von Aspiration zu verringern. Dazu gehören:

  • Anpassung der Konsistenz: Flüssigkeiten können angedickt und feste Nahrung püriert oder in kleine Stücke geschnitten werden.
  • Vermeidung von Mischkonsistenzen: Speisen mit unterschiedlichen Konsistenzen (z.B. Suppen mit Einlage) sollten vermieden werden.
  • Aufrechte Körperhaltung: Beim Essen und Trinken sollte eine aufrechte Körperhaltung eingenommen werden.
  • Kleine Bissen: Die Nahrung sollte in kleinen Bissen zugeführt werden.
  • Langsames Essen: Langsames Essen und gründliches Kauen sind wichtig.
  • Essen und Trinken trennen: Betroffene sollten außerdem darauf achten, langsam und in kleinen Bissen zu essen, beim Essen nicht zu sprechen und den Kopf leicht vorzubeugen.

Schluckstrategien und Hilfsmittel

  • Kinn-Neigung (Chin Tuck): Beim Schlucken wird das Kinn zur Brust geneigt, um die Atemwege zu schützen.
  • Schluckwecker: Ein Schluckwecker kann helfen, das bewusste Schlucken zu trainieren und den Speichelfluss zu reduzieren.
  • Spezielle Trinkbecher und Löffel: Können die Nahrungsaufnahme erleichtern.

Exspiratorisches Muskelkrafttraining (EMST)

Ein vielsprechendes neues Verfahren, das in den USA erprobt wurde, stellt ein Heimtraining mit einem speziellen Ausatemtrainer (EMST, Expiratory Muscle Strength Training) dar, den auch Patienten mit Lungenerkrankungen verwenden. Durch ein regelmäßiges vierwöchiges Training der Ausatemmuskulatur mit dem Atemtrainer konnte in einer Studie eine Verbesserung der Schluckfunktion bei Parkinson-Betroffenen erzielt und sogar die Häufigkeit von Aspirationsereignissen verringert werden.

Invasive Maßnahmen

In schweren Fällen, in denen die Schluckstörung nicht ausreichend verbessert werden kann und ein hohes Aspirationsrisiko oder eine Mangelernährung besteht, kann die Anlage einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie (PEG) erforderlich sein. Die PEG-Sonde wird durch die Bauchdecke hindurch direkt im Magen platziert und ermöglicht die Ernährung des Patienten mit Sondenkost.

Tiefe Hirnstimulation (DBS)

Für die tiefe Hirnstimulation (engl. «deep brain stimulation», Abk.: DBS) konnte in einem 2013 veröffentlichten systematischen Review der Literatur hingegen weder ein positiver noch ein negativer Effekt von DBS des Nucleus subthalamicus oder Globus pallidus internus auf die Schluckfunktion beim IPS festgestellt werden.

Prävention und Management von Komplikationen

  • Regelmäßige Kontrollen: Regelmäßige Kontrollen beim Arzt und Logopäden sind wichtig, um den Verlauf der Schluckstörung zu überwachen und die Therapie anzupassen.
  • Achten auf Anzeichen von Aspiration: Bei Anzeichen von Aspiration (Husten, Räuspern, Atemnot) sollte sofort ein Arzt konsultiert werden.
  • Impfung gegen Pneumokokken und Grippe: Um das Risiko von Lungenentzündungen zu reduzieren, wird eine Impfung gegen Pneumokokken und Grippe empfohlen.
  • Gute Mundhygiene: Eine gute Mundhygiene ist wichtig, um das Wachstum von Bakterien im Mund zu verhindern und das Risiko von Lungenentzündungen zu reduzieren.

Leben mit Schluckstörungen bei Parkinson

Schluckstörungen können das Leben von Parkinson-Patienten und ihren Angehörigen erheblich beeinträchtigen. Es ist wichtig, sich frühzeitig professionelle Hilfe zu suchen und die verschiedenen Therapieoptionen auszuschöpfen. Folgende Tipps können helfen, den Alltag mit Schluckstörungen besser zu bewältigen:

Lesen Sie auch: Was ist idiopathischer Morbus Parkinson?

  • Offene Kommunikation: Sprechen Sie mit Ihrem Arzt, Logopäden und Ihren Angehörigen über Ihre Beschwerden und Ängste.
  • Selbsthilfegruppen: Der Austausch mit anderen Betroffenen kann hilfreich sein.
  • Anpassung des Lebensstils: Passen Sie Ihre Ernährung und Ihre Essgewohnheiten an Ihre Bedürfnisse an.
  • Unterstützung suchen: Nehmen Sie Hilfe von Angehörigen, Freunden oder professionellen Pflegekräften an.

tags: #morbus #parkinson #schluckstorung #ursachen #therapie