Viele Menschen leiden unter Muskelkrämpfen, insbesondere nachts in den Waden. Diese Krämpfe sind durch unwillkürliche und schmerzhafte Kontraktionen der Skelettmuskulatur gekennzeichnet, die oft mit einer spürbaren Verhärtung einhergehen.
Ursachen von Wadenkrämpfen
Muskelkrämpfe haben keine einzelne Ursache. Gewöhnliche nächtliche Wadenkrämpfe sind meist nicht auf eine bestimmte Krankheit zurückzuführen. Oft handelt es sich um neurogene Muskelkrämpfe, die durch eine nervöse Übererregbarkeit der motorischen Nerven verursacht werden. Es wird vermutet, dass eine Übererregbarkeit der Alpha-Motoneurone unter Beteiligung afferenter Nervenfasern von Dehnungsrezeptoren in Sehnen und Muskeln eine Rolle spielt. Dies würde auch erklären, warum Dehnen des betroffenen Muskels zu einer schnellen Besserung führt.
Man geht auch davon aus, dass eine Überaktivität von Ionenkanälen in den terminalen Verzweigungen der motorischen Nerven zu einer Übererregbarkeit der Nerven führt. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Muskeln durch elektrische Reizung bereits bei viel geringerer Reizintensität auf Impulse reagieren.
Muskelkrämpfe treten hauptsächlich in der Waden- und Fußmuskulatur auf, können aber auch in anderen Muskelgruppen an Beinen, Armen, Händen oder Rumpf auftreten. Selten können auch primäre Muskelerkrankungen (z. B. Myotonien, Glykogenosen oder Störungen der intrazellulären Kalziumverteilung im Muskel) sowie Erkrankungen des zentralen Nervensystems (Parkinson oder Erkrankungen mit erhöhtem zentralen Muskeltonus) mit Muskelkrämpfen einhergehen.
Risikofaktoren für Muskelkrämpfe
Muskelkrämpfe können durch folgende Faktoren begünstigt oder ausgelöst werden:
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- Starkes Schwitzen
- Unzureichende Flüssigkeitsaufnahme nach körperlicher Anstrengung
- Muskuläre Überlastung
- Störungen des Mineralhaushaltes, z. B. durch Einnahme von entwässernden Medikamenten (Diuretika), Durchfall, schwere Nierenfunktionsstörung (Urämie) oder Hämodialyse
- Hormonelle Störungen der Schilddrüse oder der Nebenniere
- Unterzuckerung
- Schwangerschaft
- Verschiedene Medikamente
Die Anamnese kann daher oft wichtige Informationen über die Ursache von Muskelkrämpfen liefern. Andererseits können auch neurologische Erkrankungen der motorischen Nerven, Polyneuropathien, Spinalstenose, Nervenwurzelschäden (z. B. durch Bandscheibenvorfälle) Muskelkrämpfe verursachen. Selten treten Muskelkrämpfe bei neurologischen Autoimmunerkrankungen (z. B. Neuromyotonie) oder familiär gehäuft auf und sind genetisch bedingt (z. B. familiäre Crampus-Faszikulations-Syndrome).
Wann sollte man einen Arzt aufsuchen?
In den meisten Fällen sind Muskelkrämpfe harmlos und erfordern keine weitere Diagnostik. Eine Untersuchung der Leber- und Nierenwerte, der Elektrolyte sowie der Schilddrüsenwerte kann jedoch durch Ihren Hausarzt erfolgen, um evtl. internistische Ursachen aufzudecken.
Eine weitere Diagnostik durch den Neurologen ist erforderlich, wenn:
- Die Häufigkeit der Muskelkrämpfe deutlich zunimmt
- Muskelkrämpfe in ungewöhnlichen Körperregionen außerhalb der Waden und Füße auftreten, z. B. auch am Rumpf oder den oberen Extremitäten
- Muskelkrämpfe durch körperliche Aktion selbst ausgelöst werden und nicht nur in Ruhe auftreten
- Muskelkrämpfe zusammen mit Faszikulationen oder Muskelschwäche auftreten
Es ist auch wichtig abzuklären, ob es sich tatsächlich um Muskelkrämpfe oder Schmerzen anderer Ursache handelt.
Diagnose von Wadenkrämpfen
Um die Ursache von Wadenkrämpfen (bzw. allgemein Muskelkrämpfen) aufzudecken, ist zunächst ein ausführliches Gespräch zwischen Ihnen und dem Arzt zur Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese) nötig. Häufige Fragen dabei sind zum Beispiel:
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- Wo treten die Krämpfe auf?
- Wann und wie oft haben Sie die Krämpfe?
- Wie lange dauert ein einzelner Krampf ungefähr an?
- Gibt es bestimmte Situationen oder Ereignisse, die Ihre Krämpfe möglicherweise auslösen?
- Haben Sie noch andere Symptome (z.B. Muskelschwäche, Taubheitsgefühle, Durchfall, Kälteempfindlichkeit, Gewichtszunahme etc.)?
- Wie steht es mit Ihrem Alkoholkonsum?
- Wenden Sie irgendwelche Medikamente an? Wenn ja, welche?
- Haben Sie irgendwelche Vorerkrankungen?
Eine körperliche Untersuchung gibt dem Arzt Hinweise auf Ihren allgemeinen Gesundheitszustand. Er kann dabei unter Muskeln und Gelenk abtasten und die Muskelreflexe testen. Zudem achtet er auf Auffälligkeiten, die möglicherweise auf die Ursache der Muskelkrämpfe hindeuten (z.B. trockene Haut und Schleimhäute sowie stehende Hautfalten bei Dehydration oder geschwollenes Gesicht, stumpfe Haare und Haarausfall bei Schilddrüsenunterfunktion).
Gegebenenfalls ist auch eine neurologische Untersuchung sinnvoll. Zu den oft angewendeten Untersuchungsmethoden bei der Abklärung von Muskelkrämpfen zählen zum Beispiel:
- Messung der elektrischen Muskelaktivität (Elektromyografie): So lässt sich überprüfen, ob eine Muskelerkrankung oder Nervenstörung vorliegt.
- Messung der Nervenleitfähigkeit (Elektroneurografie): Damit kann der Arzt die Funktionstüchtigkeit peripherer Nerven testen und eventuelle Nervenschäden erkennen.
Weitere Untersuchungen:
- Blutuntersuchungen können zum Beispiel einen Mangel oder Überschuss an Elektrolyten wie Magnesium, Kalzium oder Natrium aufzeigen. Die Nierenwerte geben Hinweise auf eventuelle Erkrankungen des Organs. Eine gestörte Schilddrüsenfunktion, die Muskelkrämpfe verursacht, lässt sich anhand entsprechender Hormonveränderungen im Blut erkennen.
- Manchmal sind auch bildgebende Verfahren notwendig, um Krämpfen und ihren möglichen Ursachen auf den Grund zu gehen. Mittels Ultraschall lässt sich beispielsweise der Zustand von Nieren und Schilddrüse beurteilen. Die Dopplersonografie (eine besondere Form von Ultraschall) dient dazu, Krampfadern genauer abzuklären. Bei Verdacht auf Nervenwurzelschäden (Radikulopathien), etwa aufgrund eines Bandscheibenvorfalls, kann eine Computertomografie (CT) oder Kernspintomografie (Magnetresonanztomografie, MRT) Klarheit bringen.
- In einigen Fällen ist auch eine Muskelbiopsie nötig, um eine (vermutete) Ursache von Muskelkrämpfen zu bestätigen oder auszuschließen. Das ist etwa bei Amyotropher Lateralsklerose erforderlich.
Therapie von Wadenkrämpfen
Beim akuten schmerzhaften Muskelkrampf hilft sofortige Dehnung. Falls Sie regelmäßig Medikamente einnehmen, überprüfen Sie diese auf Muskelkrämpfe als mögliche Nebenwirkung und besprechen Sie mit Ihrem Arzt, ob diese pausiert werden können. Reduzieren Sie ggf. Ihren Alkohol- und Koffeinkonsum.
Zur nicht medikamentösen Prophylaxe kann bei Muskelkrämpfen die regelmäßige Dehnung der betroffenen Muskeln, z.B. abends vor dem Zubettgehen, hilfreich sein und die Neigung zu Muskelkrämpfen reduzieren. Neuere Untersuchungen konnten zeigen, dass eine spezielle repetitive Elektrostimulation der zu Muskelkrämpfen neigenden Muskeln zu einer Verminderung von Muskelkrämpfen führen kann.
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Die Einnahme von Magnesium kann hilfreich sein, häufig sind allerdings höhere Dosen erforderlich, limitierender Faktor sind dann häufig doch Nebenwirkungen des Magen-Darm-Traktes (Durchfall). Allerdings konnten Studien zeigen, dass Magnesium außerhalb der Schwangerschaft keine sichere Wirkung gegenüber Placebo aufweist, so dass hier im Einzelfall entschieden werden muss, ob Magnesium zur Prophylaxe von Muskelkrämpfen überhaupt geeignet und wirksam ist.
Die Anwendung von Chinin Sulfat, das in Deutschland seit 2015 wieder rezeptpflichtig ist, wird kontrovers diskutiert. Einerseits ist es bei therapieresistenten Muskelkrämpfen eindeutig wirksam, welches auch in Studien belegt werden konnte. Andererseits bestehen Sicherheitsbedenken, da es insbesondere bei Patienten mit Herzrhythmusstörungen zu teilweise allergisch bedingten Blutbildveränderungen sowie Nieren- und Leberschäden kommen kann. Auch eine Verstärkung des Tinnitus ist möglich, sodass die Einnahme immer unter ärztlicher Begleitung und regelmäßiger EKG- und Blutbild-Kontrolle erfolgen sollte.
Weitere Medikamente zur Therapie von Muskelkrämpfen, z.B. durch so genannte Natrium- und Kalziumkanal blockierende Substanzen (Antiepileptika, Medikamente zur Behandlung neuropathischer Schmerzen), können hilfreich sein, bedürfen aber der regelmäßigen Einnahme und Begleitung durch einen Arzt.
Erste Hilfe bei akutem Wadenkrampf
Wenn jemand einen akuten Wadenkrampf erleidet, kann sofortiges Dehnen der Unterschenkelmuskulatur den Krampf beenden. Dazu zieht man die Zehen nach oben und drückt währenddessen die Ferse fest in den Boden.
Auch eine Massage entspannt: Ein leichtes Massieren des verkrampften Muskels bringt Linderung - die Muskulatur wird gelockert, die Durchblutung gesteigert.
Wenn der Wadenkrampf beim Sport auftritt, helfen diese Maßnahmen:
- Den Unterschenkel im Stehen dehnen (wie oben beschrieben): Die Zehen nach oben ziehen und die Ferse fest auf den Boden drücken. Gleichzeitig kann die Wade leicht massiert werden. Den Fuß anschließend lockern.
- Nach dem Krampf einige Schritte gehen und eine kleine Trainingspause einlegen.
- Ausreichend trinken. Der Elektrolythaushalt muss gegebenenfalls ausgeglichen werden. Wichtig sind dabei unter anderem Magnesium, Kalium und Natrium
- Bei kalten Temperaturen sollte man sich wärmende Strümpfe und eine lange Hose überziehen.
Wenn der Wadenkrampf nachts im Bett auftritt, können diese Tipps helfen:
- In liegender Position die Zehen nach oben in Richtung der Knie ziehen. Dabei die Ferse vom Körper wegtreten. Gleichzeitig kann man die Wade sanft massieren.
- Krampflösend wirkt häufig auch aufzustehen und vorsichtig herumzulaufen.
- Viele Betroffene profitieren zusätzlich von Wärme. Gegen nächtliche Wadenkrämpfe am besten eine kurze Fuß- oder Wadendusche nehmen.
- Bei einigen Menschen hingegen kann Kälte die Krämpfe lösen. Dann hilft es, kalte Auflagen auf die harte Muskulatur zu bringen.
Prävention von Wadenkrämpfen
- Regelmäßige Dehnung: Wer regelmäßig die Wadenmuskulatur dehnt und sich gesund ernährt, tut bereits einiges gegen Muskelkrämpfe.
- Ausreichende Flüssigkeitszufuhr: Genauso wichtig ist es, ausreichend zu trinken. Am besten eignen sich stilles Wasser oder Saftschorlen mit etwa einem Drittel Saftanteil. Nicht ideal sind Getränke, die Alkohol, viel Zucker und Kohlensäure enthalten.
- Elektrolythaushalt im Blick behalten: Beobachten Sie auch, ob Sie viel schwitzen, und kontrollieren Sie Ihre Trinkgewohnheiten.
- Bequemes Schuhwerk: Tragen Sie bequeme Schuhe, die Ihren Füßen guten Halt geben und nicht drücken.
- Regelmäßige Bewegung: Bewegen Sie sich regelmäßig. Gezieltes Stretching mehrmals in der Woche hält die Muskeln fit und beugt Verkürzungen vor.
- Vermeiden Sie extreme Temperaturwechsel: Vermeiden Sie abrupte Wechsel von Warm zu Kalt. Vor allem im Sommer ist es nicht ratsam, sich überhitzt ins kalte Wasser zu stürzen.
- Magnesiumreiche Ernährung: Setzen Sie magnesiumreiche Lebensmittel auf den täglichen Speiseplan. Reich an Magnesium sind grünes Blattgemüse, Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte, Nüsse und Samen sowie Fisch und Meeresfrüchte. Geringere Mengen an Magnesium stecken in Bananen, Kartoffeln, Milch- und Milchprodukten und in Fleisch.
Was tun bei Wadenkrämpfen beim Sport?
Treibt man viel Sport und wird vermehrt von Krämpfen in den Waden gebremst, empfiehlt es sich, das Trainingsverhalten unter die Lupe zu nehmen.
Es kann dann sinnvoll sein:
- Einen Gang runterzuschalten und Pausen einzulegen
- Die Trainingsintensität nur langsam zu steigern
- Ausgleichsübungen einzubauen
- Die Waden gezielt zu dehnen
- Die Trink- und Essgewohnheiten anzupassen: Neben einer ausgewogenen Ernährung ist es wichtig, genügend zu trinken - vor allem, wenn man Durst verspürt.
- Vorsicht ist zudem geboten, wenn man in kaltem Wasser schwimmt. Wadenkrämpfe können dann gefährlich werden.
Wer weniger als 60 Minuten trainiert, braucht meist keine Flüssigkeit während des Sports - solange er oder sie vorher genug getrunken hat.
Bei einem Training von mehr als 60 Minuten empfiehlt es sich, zwischendurch zu trinken.
Was tun, wenn man lange nicht sportlich aktiv war?
Wenn Sie längere Zeit körperlich nicht aktiv waren, beginnen Sie langsam, Ihre Muskelkraft wiederaufzubauen. Lassen Sie sich vorab von Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt beraten, um mögliche gesundheitliche Risiken auszuschließen.
Wann sollte man dringend einen Arzt aufsuchen?
Wichtig: Bei Lähmungserscheinungen im Bein, Kribbeln und Taubheitsgefühlen sowie häufigen oder plötzlichen Schmerzen im Bein, Fuß oder in der Leiste ist sofort zu handeln.
Sie sollten zudem mit einem Arzt oder einer Ärztin sprechen, wenn Symptome und Auffälligkeiten dazukommen wie:
- Schwellungen an Bein oder Fuß
- Rückenschmerzen, Nachtschweiß
- Muskelkrämpfe in anderen Körperteilen
- Ein Schwächegefühl in den Muskeln
- Gang- oder Bewegungsunsicherheiten
- Müdigkeit und Abgeschlagenheit
- Hautveränderungen und Fieber
Die Ärztin oder der Arzt sollte Muskelkrämpfe zudem immer abklären, wenn Sie schon Vorerkrankungen haben, wie:
- Einen zu hohen Blutdruck
- Diabetes
- Eine Nierenkrankheit
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