Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die das Leben der Betroffenen in vielfältiger Weise beeinträchtigen kann. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Frage der Berufsunfähigkeit. Dieser Artikel beleuchtet die Voraussetzungen für eine Berufsunfähigkeit bei MS, die Möglichkeiten der finanziellen Absicherung und die verschiedenen Unterstützungsangebote.
Multiple Sklerose und ihre Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit
Multiple Sklerose kann vielfältige Symptome verursachen, die sich auf die Arbeitsfähigkeit auswirken können. Dazu gehören unter anderem:
- Lähmungen des Gesichts oder des restlichen Körpers
- Beeinträchtigungen des Sehvermögens
- Empfindungsstörungen
- Gangunsicherheiten
- Blasen- und Darmstörungen
- Sprech- und Schluckstörungen
- Erhöhte Erschöpfbarkeit (Fatigue)
- Konzentrationsprobleme
- Schmerzen
Der Verlauf der Erkrankung ist individuell sehr unterschiedlich, was MS auch als die "Krankheit mit den 1.000 Gesichtern" bezeichnet. Die Symptome können sich in Schüben entwickeln und sich ganz oder teilweise zurückbilden.
Voraussetzungen für die Berufsunfähigkeit bei MS
Ob Multiple Sklerose zu einer Berufsunfähigkeit führt, hängt von verschiedenen Faktoren ab:
- Versicherungsbedingungen: Maßgeblich sind die im Versicherungsvertrag vereinbarten Bedingungen.
- Beeinträchtigung der Berufsausübung: In der Regel wird vorausgesetzt, dass der aktuell ausgeübte Beruf infolge der Erkrankung zu mehr als 50 Prozent nicht mehr ausgeübt werden kann.
- Individuelle Betrachtung: Es kommt auf den Beruf und dessen Anforderungen an. Eine Tätigkeit, bei der der Betroffene feste Termine hat oder Tätigkeiten ausführen muss, die aufgrund eines Schubes und den Folgen nicht mehr zu bewältigen sind (z.B. Autofahren), führt eher zu einer Berufsunfähigkeit als eine Tätigkeit, bei der sehr flexibel gearbeitet werden kann.
- Therapiemöglichkeiten: Die noch nicht ausgeschöpften Therapiemöglichkeiten sind mit einzubeziehen.
Es ist also eine individuelle Prüfung erforderlich, wie stark die Beschwerden im Einzelfall bereits ausgeprägt sind und wie die konkret ausgeübte Tätigkeit mit diesen Beschwerden kollidiert.
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Der Antragsprozess bei der Berufsunfähigkeitsversicherung
Im Antragsprozess fordert die Versicherung detaillierte Informationen zur beruflichen Tätigkeit sowie medizinische Unterlagen an. In vielen Fällen wird auch eine Begutachtung durch einen unabhängigen Gutachter verlangt, insbesondere bei psychischen Erkrankungen.
Es empfiehlt sich, frühzeitig möglichst viele Behandlungsunterlagen zu sammeln, um diese ohne vorherige Anforderung bei den Ärzten einreichen zu können. Die Tätigkeit und die entstandenen beruflichen Einschränkungen müssen genau geschildert werden.
Ablehnung des Antrags
Wird der Antrag auf Berufsunfähigkeitsrente zurückgewiesen, sind dessen Argumente und die Rechtmäßigkeit der Leistungsablehnung dezidiert zu prüfen. Insbesondere wenn sich der Versicherer darauf beruft, dass bei der Beantragung des Versicherungsschutzes Gesundheitsfragen falsch beantwortet worden seien und der Versicherer daraufhin die Anfechtung oder Rücktritt erklärt, sollte die Angelegenheit in qualifizierte Hände eines Experten gegeben werden.
Finanzielle Absicherung bei Berufsunfähigkeit durch MS
Berufsunfähigkeitsversicherung (BU)
Eine Berufsunfähigkeitsversicherung zahlt eine monatliche Rente, wenn Sie Ihren zuletzt ausgeübten Beruf aufgrund von Krankheit oder Unfall zu mehr als 50 Prozent nicht mehr ausüben können. Die Höhe der Rente sollte idealerweise ca. 80% des Nettogehaltes betragen.
Wichtige Aspekte bei MS:
- Gesundheitsfragen: Versicherer stellen vor Vertragsabschluss Fragen zu Vorerkrankungen. Es besteht eine gesetzliche Pflicht, diese Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Wird eine MS-Erkrankung verschwiegen, kann der Versicherer im schlimmsten Fall die Auszahlung der Berufsunfähigkeitsrente verweigern.
- Risikoprüfung: Versicherer prüfen Anträge von Menschen mit MS individuell. Erfahrungen zeigen jedoch, dass Betroffene mit ihrem Antrag wenig Aussicht auf Erfolg haben.
- Sonderaktionen: Im Rahmen von Sonderaktionen bieten Versicherer manchmal Berufsunfähigkeitsversicherungen mit vereinfachten Gesundheitsfragen an. Allerdings besteht hier ein Risiko, dass der Versicherer im Fall einer Berufsunfähigkeit nicht leistet.
Alternativen zur BU:
- Schwere-Krankheiten-Versicherung (Dread-Disease-Versicherung): Zahlt eine einmalige Kapitalleistung bei bestimmten schweren Krankheiten, darunter auch MS.
- Grundfähigkeitenversicherung: Zahlt eine Rente, wenn bestimmte Grundfähigkeiten wie Sehen, Sprechen, Hören oder Gehen verloren gehen.
- Erwerbsunfähigkeitsversicherung: Zahlt eine Rente, wenn Sie aufgrund von Krankheit oder Unfall nicht mehr in der Lage sind, irgendeine Erwerbstätigkeit auszuüben.
Erwerbsminderungsrente (EMR)
Wenn Sie MS-bedingt nicht mehr oder nicht mehr in Vollzeit arbeiten können, schützt Sie das soziale Netz in Deutschland. Für den Fall, dass Sie Ihren Beruf dauerhaft aufgeben müssen, können Sie eine Erwerbsminderungsrente (EMR) beantragen.
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Voraussetzungen für die EMR:
- Erfüllung der Vorversicherungszeit: Mindestens fünf Jahre in der Rentenversicherung versichert gewesen sein.
- In den letzten fünf Jahren mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit gezahlt haben.
- Durch Ihre Erkrankung nur noch teilweise oder gar nicht mehr arbeiten können.
Arten der EMR:
- Volle Erwerbsminderungsrente: Wenn Sie weniger als drei Stunden pro Tag arbeiten können.
- Teilweise Erwerbsminderungsrente: Wenn Sie noch drei bis sechs Stunden pro Tag arbeiten können.
Weitere Leistungen
- Krankengeld: Bei Arbeitsunfähigkeit zahlt der Arbeitgeber in der Regel sechs Wochen lang das Gehalt weiter. Danach zahlt die Krankenkasse Krankengeld.
- Übergangsgeld: Während einer medizinischen Rehabilitation oder bei Inanspruchnahme von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) sind MS-Betroffene finanziell abgesichert.
- Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA): Umfassen vielfältige Möglichkeiten der Unterstützung, um Menschen mit Behinderungen oder drohenden Behinderungen zu ermöglichen, weiterhin erwerbstätig zu bleiben und/oder ihre Berufschancen zu verbessern.
Unterstützungsmöglichkeiten für Menschen mit MS
- Medizinische Rehabilitation: Kann die Krankheitsbewältigung verbessern und einer Behinderung oder Pflegebedürftigkeit entgegenwirken.
- Berufliche Rehabilitation: Fördert die Arbeits- und Berufstätigkeit.
- MS-Zentren: Bieten eine umfassende Betreuung und Behandlung von Menschen mit MS.
- Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG): Bietet Beratung, Unterstützung und Informationen für Menschen mit MS und ihre Angehörigen.
Fallbeispiele
Fallbeispiel 1: Frau H., 48 Jahre, GdB von 50, kommt körperlich und kognitiv an ihre Grenzen. Nach einer medizinischen Reha wird festgestellt, dass sie die Anforderungen an ihre derzeitige Tätigkeit nicht mehr leisten kann. Innerbetrieblich ergibt sich die Möglichkeit, in das Back-Office zu wechseln und ihre Arbeitszeit flexibler zu gestalten. Im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (berufliche Rehabilitation) wird ihr eine Qualifizierungsmaßnahme bewilligt. Damit wurde ein Wechsel auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz möglich.
Fallbeispiel 2: Frau H., nun 62 Jahre alt, konnte nach ihrer Qualifizierung noch viele Jahre gut arbeiten. Inzwischen macht ihr aber die Fatigue sehr stark zu schaffen. Nach einer erneuten medizinischen Rehabilitation wird festgestellt, dass Frau H. nicht mehr in der Lage war, in ihren jetzigen Tätigkeiten bis zu 3 Stunden täglich zu arbeiten. Die Reha-Klinik bestätigte ihr im Entlassbericht ein Leistungsvermögen von unter 3 Stunden bezogen auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes und empfahl ihr, eine volle Erwerbsminderungsrente zu beantragen.
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