Die Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die viele Fragen aufwirft. Dieser Artikel, basierend auf Fragen aus den Arzt-Sprechstunden der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) und unter Berücksichtigung aktueller Forschungsergebnisse, soll umfassende Antworten geben und Betroffenen sowie Angehörigen als Orientierungshilfe dienen.
Was ist Multiple Sklerose?
Multiple Sklerose ist eine Autoimmunerkrankung, bei der Entzündungs- und Abwehrzellen des Körpers fälschlicherweise die Myelinscheiden angreifen, die die Nervenfasern im Gehirn und Rückenmark schützen. Diese Schädigung der Myelinscheiden beeinträchtigt die Signalübertragung zwischen Nervenzellen, was zu einer Vielzahl neurologischer Symptome führen kann. Die MS wird oft als "Krankheit der tausend Gesichter" bezeichnet, da ihre Ausprägung und ihr Verlauf von Person zu Person sehr unterschiedlich sind.
Ist MS heilbar?
Bislang ist die Multiple Sklerose nicht heilbar. Allerdings gibt es verschiedene Therapieansätze, die darauf abzielen, das Krankheitsgeschehen abzuschwächen, den Verlauf zu verlangsamen und die Symptome zu lindern. Begleittherapien spielen ebenfalls eine wichtige Rolle, um die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Die MS-Forschung arbeitet kontinuierlich an neuen Erkenntnissen und Behandlungsoptionen mit dem Ziel, die Ursachen der Krankheit zu verstehen und eines Tages eine Heilung zu ermöglichen.
Welche Verlaufsformen der MS gibt es?
Es gibt verschiedene Verlaufsformen der Multiplen Sklerose, die sich in ihrem Fortschreiten und ihren Symptomen unterscheiden:
- Schubförmig-remittierende MS (RRMS): Dies ist die häufigste Form, bei der sich Schübe mit Phasen der Remission abwechseln, in denen sich die Symptome verbessern oder ganz verschwinden.
- Sekundär progrediente MS (SPMS): Diese Form entwickelt sich oft aus der RRMS, wobei die Symptome sich allmählich und kontinuierlich verschlechtern, ohne deutliche Schübe oder Remissionen.
- Primär progrediente MS (PPMS): Diese seltene Form ist durch einen von Anfang an fortschreitenden Verlauf gekennzeichnet, ohne Schübe oder Remissionen.
- Progressiv-rezidivierende MS (PRMS): Diese seltene Form kombiniert einen kontinuierlich fortschreitenden Verlauf mit gelegentlichen Schüben.
Wie wirkt sich MS auf die Lebenserwartung aus?
DankFortschritten in der medizinischen Versorgung und im Krankheitsmanagement hat sich die Lebenserwartung von Menschen mit MS deutlich verbessert und unterscheidet sich heute kaum noch von der gesunder Menschen. Faktoren, die zu einer normalen Lebenserwartung beitragen, sind ein frühzeitiger Therapiebeginn, ein gutes Management von Begleiterkrankungen, eine geringe Anzahl von Symptomen und Schüben sowie ein Erkrankungsbeginn vor dem 35. Lebensjahr.
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Was passiert nach einem MS-Schub?
Nach einem akuten MS-Schub bilden sich die Symptome typischerweise zurück. Allerdings können einige Symptome im Laufe der Zeit bestehen bleiben und chronisch werden. Ein frühzeitiger Beginn einer Immuntherapie kann dazu beitragen, die Rückbildung der Symptome zu unterstützen und das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen.
Kann man das Fortschreiten von MS verlangsamen oder stoppen?
Ein frühzeitiger Beginn einer verlaufsmodifizierenden Immuntherapie ist entscheidend, um das Fortschreiten der MS zu verlangsamen. Diese Medikamente wirken sich günstig auf den Krankheitsverlauf aus, insbesondere wenn sie frühzeitig angewendet werden. Neben der medikamentösen Therapie können Betroffene auch selbst zu einem positiven Krankheitsverlauf beitragen, indem sie einen gesunden Lebensstil pflegen, sich ausreichend bewegen, Stress reduzieren und ihre mentale Gesundheit im Blick behalten.
Welche begleitenden Therapien gibt es bei MS?
Neben der medikamentösen Therapie gibt es verschiedene Begleittherapien, die eine wichtige Rolle bei der Behandlung von MS spielen. Dazu gehören:
- Physiotherapie: zur Behandlung körperlicher Schmerzen und zur Stärkung des Bewegungsapparates.
- Ergotherapie: zur Verbesserung der Alltagsbewältigung.
- Logopädie: zur Förderung der Sprach- und Schluckfähigkeit.
- Psychotherapie: zur Unterstützung bei psychischen Belastungen und zur Krankheitsbewältigung.
Muss ich die MS-Therapie mein Leben lang machen?
Die Basisbehandlung der Multiplen Sklerose ist in der Regel eine Langzeittherapie, die sich über viele Jahre erstreckt. Die Wahl der geeigneten Therapie hängt von individuellen Faktoren ab und sollte in enger Absprache mit dem behandelnden Arzt erfolgen. Die Therapie wird in der Regel so lange fortgeführt, wie sie einen positiven Effekt auf den Krankheitsverlauf zeigt.
Wie können Angehörige oder Dritte Menschen mit MS helfen?
Angehörige spielen eine wichtige Rolle bei der Bewältigung der MS. Sie können Betroffene unterstützen, indem sie ihnen zuhören, sie ermutigen und ihnen bei Bedarf Hilfe anbieten. Es ist wichtig, dass Angehörige die Eigenständigkeit der Betroffenen respektieren und ihnen Aufgaben zutrauen.
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MS und Kinderwunsch: Was ist zu beachten?
MS und Kinderwunsch schließen sich nicht aus. MS-Betroffene können weiterhin Kinder bekommen. Weder vermindert sich die Zeugungsfähigkeit, noch verschlechtert sich die MS aufgrund einer Schwangerschaft. Im Gegenteil, die Krankheitsaktivität kann während der Schwangerschaft sogar vermindert sein. Es ist wichtig, den behandelnden Arzt frühzeitig in die Familienplanung einzubeziehen und die Medikation entsprechend anzupassen.
Reisen mit MS: Was muss ich beachten?
Reisen ist trotz MS grundsätzlich möglich. Bei der Planung sollten jedoch einige Aspekte berücksichtigt werden, wie z.B. die Mitnahme ausreichender Medikamente, die Berücksichtigung des Klimas und die Mobilität vor Ort. Es empfiehlt sich, die Reisepläne mit dem behandelnden Arzt zu besprechen.
Ernährung bei MS: Gibt es spezielle Empfehlungen?
Es gibt keine spezifischen Lebensmittel, die bei MS generell vermieden werden sollten. Eine ausgewogene Ernährung mit viel frischem Gemüse und Obst kann jedoch zu einem positiven Verlauf der Erkrankung beitragen. Alkohol sollte aufgrund seiner potenziell negativen Auswirkungen auf das Immunsystem und mögliche Wechselwirkungen mit Medikamenten vermieden werden.
Sport bei MS: Welche Sportarten sind geeignet?
Grundsätzlich ist jede Sportart geeignet, die Spaß macht und die persönliche Belastungsgrenze nicht übersteigt. Besonders empfehlenswert sind Sportarten, die die Koordination, Balance und Ausdauer fördern.
Kann ich meinen Beruf weiter ausüben mit MS?
Ob und wie lange der Beruf weiter ausgeübt werden kann, hängt von den Berufsanforderungen und den individuellen Beeinträchtigungen durch die MS ab. In manchen Fällen kann es erforderlich sein, die Arbeitszeit zu reduzieren oder den Arbeitsplatz anzupassen.
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Wie kann ich meine Mobilität erhalten trotz MS?
Regelmäßige körperliche Aktivität, insbesondere Physiotherapie, ist eine wichtige Maßnahme, um die Muskelkraft, Balance und Koordination zu verbessern und die Mobilität zu erhalten.
Umgang mit Müdigkeit und Erschöpfung (Fatigue) bei MS
Müdigkeit und Erschöpfung (Fatigue) sind häufige Symptome bei MS. Strategien zur Bewältigung von Fatigue umfassen das Einhalten von Pausen, ausreichend Schlaf, Stressvermeidung, regelmäßige körperliche Aktivität und eine ausgewogene Ernährung.
Wie kann ich meine Familie und Freunde in die MS-Bewältigung einbeziehen?
Es ist hilfreich, die Diagnose MS mit Familie und Freunden zu teilen und offen über Symptome und Bedürfnisse zu sprechen. Dies erleichtert das Verständnis und ermöglicht es den Angehörigen, Unterstützung anzubieten.
Corona-Impfung und Multiple Sklerose: Aktuelle Empfehlungen
Die Impfung gegen COVID-19 wird für MS-Erkrankte empfohlen, da sie vor schweren Verläufen schützt. Es gibt Hinweise darauf, dass mRNA-Impfstoffe eine etwas bessere Immunantwort hervorrufen als Vektorimpfstoffe, aber grundsätzlich sind alle Impfstoffe bei MS möglich. Die aktuellen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) sollten berücksichtigt werden.
- Impfung trotz Immuntherapie: Bei Behandlungen mit B-Zell-wirksamen Antikörpern (z.B. Rituximab, Ocrevus, Ofatumumab) kann die Bildung von Antikörpern eingeschränkt sein. Es wird empfohlen, die Impfung zeitlich so zu planen, dass sie 3-4 Monate nach der letzten Ocrevus-Infusion und 2 Monate vor der nächsten Infusion erfolgt. Eine komplette Impfung vor Beginn der Antikörper-Therapie ist ideal, aber oft nicht möglich.
- Dritte Impfung (Booster-Impfung): Für Personen, die nach der zweiten Impfung keine Antikörper gegen das Spike-Protein von SARS-CoV-2 nachweisbar haben, wird eine Booster-Impfung mit einem mRNA-Impfstoff empfohlen, frühestens sechs Wochen nach Abschluss der Grundimmunisierung. Eine Booster-Impfung mit Vektor-Impfstoffen wird aufgrund unzureichender Daten derzeit nicht empfohlen.
- Schub-Risiko nach Corona-Schutzimpfung: Ein Schub sollte mindestens 6 Wochen zurückliegen, bevor eine Impfung (Erst- und/oder Zweitimpfung) erfolgt. Die zweite Impfung sollte möglichst lange hinausgeschoben werden. Da die Wahrscheinlichkeit, dass eine Corona-Schutzimpfung einen Schub auslöst, als gering eingeschätzt wird, ist die Impfung aber generell zu empfehlen.
MS-bedingte Spastik: Was tun?
Spastische Verspannungen in den Beinen, Händen oder anderen Körperbereichen sind häufige Begleiterscheinungen der MS. Es ist wichtig, diese Symptome frühzeitig zu erkennen und mit dem behandelnden Arzt zu besprechen. Bekannte Auslöser für eine Spastik wie Kälte, Müdigkeit, Stress und Angst sollten vermieden werden. Entspannungsübungen und alternative Therapien können ebenfalls hilfreich sein.