Ganzheitliche Behandlung von Multipler Sklerose: Ein umfassender Überblick

Multiple Sklerose (MS) ist eine chronische Erkrankung des zentralen Nervensystems, bei der die Myelinscheiden, die isolierende Schicht um die Nervenfasern, angegriffen werden. Dies kann zu einer Vielzahl neurologischer Symptome führen. Obwohl MS nicht heilbar ist, können verschiedene therapeutische Maßnahmen den Verlauf der Erkrankung günstig beeinflussen und die Symptome lindern. Dieser Artikel beleuchtet die ganzheitliche Behandlung von MS, die sowohl schulmedizinische als auch naturheilkundliche Ansätze integriert, um die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Ursachen und Symptome der Multiplen Sklerose

Die genaue Ursache von MS ist noch nicht vollständig geklärt. Es gibt Hinweise auf eine genetische Veranlagung, da Genvariationen das Ausbrechen der Krankheit begünstigen können. Auch Umweltfaktoren scheinen eine Rolle zu spielen, da MS in Ländern, die näher am Äquator liegen, seltener auftritt. Einige Forscher vermuten, dass eine Störung im Vitamin-D-Stoffwechsel eine Rolle spielen könnte, was durch die Entdeckung von Genvarianten, die bei MS-Patienten häufig vorkommen und in den Vitamin-D-Stoffwechsel involviert sind, gestützt wird. Weitere Hypothesen vermuten Infektionen in der frühen Kindheit, die zur Bildung von Immunzellen führen, die auch gegen die Myelinschicht der eigenen Nervenfasern aktiv werden.

Die ersten Symptome einer MS-Erkrankung treten meist zwischen dem 15. und 40. Lebensjahr im Rahmen eines Krankheitsschubs auf. Häufig handelt es sich dabei um Seh- oder Sensibilitätsstörungen, die sich zunächst vollständig wieder zurückbilden können. Im weiteren Verlauf der Erkrankung können sich je nach betroffenem Bereich des Nervensystems unterschiedliche Funktionsstörungen zeigen:

  • Sehnerv: Entzündungsherde im Bereich des Sehnervs äußern sich häufig in unscharfem Sehen oder Augenschmerzen.
  • Großhirn: Viele MS-Patienten leiden unter starker physischer und psychischer Müdigkeit (Fatigue), kognitiven Störungen und Konzentrationsschwächen.
  • Kleinhirn: Entzündliche Prozesse im Kleinhirn können Sprachstörungen, Schwindel oder Koordinationsprobleme (Ataxie) verursachen.
  • Hirnstamm: Bei Beteiligung des Hirnstamms können Störungen der Augenbewegungen, Doppeltsehen oder Schluckstörungen auftreten.
  • Rückenmark: Je nach betroffenem Bereich können sensorische oder motorische Störungen auftreten, wie z.B. das Lhermitte-Symptom (unwillkürliche Erhöhung des Muskeltonus) bei Entzündungen im Bereich des Halswirbels. Andere Entzündungsherde im Rückenmark können zu Missempfindungen, Taubheitsgefühlen oder Schmerzen führen. Viele MS-Patienten leiden auch unter allgemeiner Schwäche und Steifigkeit der Gliedmaßen, Tremor, Darm- und Blasenentleerungsstörungen sowie sexuellen Funktionsstörungen.

Verlauf der Multiplen Sklerose

Der Verlauf der Multiplen Sklerose kann sehr unterschiedlich sein. Es werden verschiedene Verlaufsformen unterschieden:

  • Schubförmig-remittierende MS: Symptome bilden sich nach einem Schub, der Stunden oder Tage andauern kann, vollständig oder zumindest teilweise wieder zurück.
  • Sekundär progrediente MS: Langsame, aber stetige Zunahme neurologischer Fehlfunktionen, zusätzlich zu einzelnen akuten Schüben.
  • Primär progrediente MS: Stetige, schleichende Verschlechterung der Symptome ohne erkennbare Krankheitsschübe.

Als Triggerfaktoren, die einen Schub auslösen können, gelten Grippe- oder virale Magen-Darm-Infektionen.

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Schulmedizinische Behandlung der Multiplen Sklerose

Die schulmedizinische Behandlung der MS konzentriert sich darauf, das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen und die Symptome zu lindern. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist ein positives Vertrauensverhältnis zum behandelnden Neurologen.

Schubtherapie

Bei akuten neurologischen Ausfällen wie Lähmungserscheinungen, Koordinationsstörungen oder Sichtproblemen wird eine MS-Schubbehandlung durchgeführt. Dabei wird hochdosiertes Cortison über drei bis fünf Tage mittels einer Infusion verabreicht. Das Cortison wirkt entzündungshemmend und reduziert rasch die aufgetretenen MS-Symptome.

Verlaufsmodifizierende Therapie

Die verlaufsmodifizierende Therapie (früher MS-Basistherapie) wird dauerhaft durchgeführt, um zukünftigen Schüben sowie bleibenden neurologischen Schäden vorzubeugen. Je nach Krankheitsverlauf stehen unterschiedliche medikamentöse Behandlungsstrategien zur Verfügung.

Meist beginnt man mit milden Medikamenten (Immunmodulatoren), die ein günstiges Nebenwirkungsprofil aufweisen. Bei Fortschreiten der Erkrankung wird die Therapie dann eskaliert und auf stärkere Mittel (Immunsuppressiva) umgestellt, die jedoch auch ein höheres Risiko für schwerwiegende Nebenwirkungen mit sich bringen. Diese Medikamente verändern das Immunsystem, sodass Entzündungen möglichst gar nicht erst entstehen.

Symptomatische Therapie

Neben der Schub- und verlaufsmodifizierenden Therapie spielt die symptomatische Therapie eine wichtige Rolle. Sie zielt darauf ab, die vielfältigen Symptome der MS zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Hierzu gehören:

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  • Physiotherapie: Stärkung der Muskulatur, Lösung von Spastiken, Verbesserung der Koordination und des Körperbewusstseins.
  • Ergotherapie: Verbesserung der Fein- und Grobmotorik, kognitives Training, Anpassung des häuslichen und beruflichen Umfelds.
  • Logopädie: Behandlung von Sprach- und Schluckstörungen.
  • Neuropsychologie: Behandlung kognitiver Störungen und psychische Unterstützung.

Naturheilkundliche und komplementäre Behandlung der Multiplen Sklerose

Viele MS-Patienten suchen zusätzlich zur schulmedizinischen Behandlung nach naturheilkundlichen und komplementären Therapieansätzen, um ihre Symptome zu lindern und ihre Lebensqualität zu verbessern. Eine Studie der Deutschen Medizinischen Wochenschrift zeigt, dass circa 70 Prozent aller MS-Erkrankten Naturheilkunde und Komplementärmedizin anwenden.

Ernährung

Eine gesunde, ausgewogene Ernährung ist für MS-Patienten besonders wichtig. Es gibt zwar keine spezielle Diät für MS-Erkrankte, aber es wird vermutet, dass die Ernährungsweise MS-Symptome beeinflussen kann. Empfehlenswert ist eine abwechslungsreiche Ernährung mit viel Gemüse und Obst.

Einige spezielle Ernährungsformen, die im Zusammenhang mit MS diskutiert werden, sind:

  • Hay'sche Trennkost: Diese Kostform basiert auf der Trennung von eiweißhaltigen und kohlenhydratreichen Lebensmitteln innerhalb einer Mahlzeit, um die Verdauung zu optimieren.
  • Vegane Ernährung: Studien zeigen, dass vegane Ernährung Müdigkeitserscheinungen und das seelische Befinden verbessern kann.
  • Ketogene Ernährung: Eine aktuelle Studie deutet darauf hin, dass die ketogene Ernährung ähnlich positive Effekte wie die vegane Ernährung haben kann.
  • Evers-Diät: Eine spezielle Form der Rohkost, die bei MS Erfolge zeigen soll.

Es ist wichtig zu beachten, dass jede spezielle Ernährungsform mit Mangelzuständen einhergehen kann. Daher sollte man sich vorab umfassend informieren und gegebenenfalls eine Ernährungsberatung in Anspruch nehmen.

Mikronährstoffe

Einige Mikronährstoffe spielen eine wichtige Rolle bei der Behandlung von MS:

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  • Vitamin D: MS-Erkrankte haben häufig einen zu niedrigen Vitamin-D-Spiegel. Die Leitlinie zur Diagnostik und Therapie bei MS empfiehlt, einen solchen Mangel auszugleichen. Einige Studien deuten darauf hin, dass jeder Anstieg von Vitamin D um 20 ng/dl die Schubrate um 50-70% verringern kann.
  • B-Vitamine: B-Vitamine sind wichtig für das Nervensystem. Insbesondere Vitamin B12 wird bei der Remyelenisierung benötigt. Wer sich vegan ernährt, sollte auf jeden Fall regelmäßig den Vitamin-B12-Wert überprüfen lassen.
  • Zink: Zink spielt eine wichtige Rolle bei der Entgiftung, insbesondere von Schwermetallen.
  • Magnesium, Kalium und Calcium: Diese Mineralstoffe sind wichtig für die Nervenfunktion und sollten regelmäßig überprüft werden.

Pflanzliche Präparate

Einige pflanzliche Wirkstoffe haben sich mit ermutigenden Studienergebnissen hervorgetan:

  • Ginseng: Kann Müdigkeit und die allgemeine Lebensqualität verbessern.
  • Cannabis (THC und CBD): Kann MS-Symptome wie Spastik und Schmerzen lindern sowie das Gangbild verbessern.
  • Weihrauch: Kann die Entzündungsaktivität bei MS signifikant senken.
  • Omega-Fettsäuren: Insbesondere die pflanzlich basierten Omega-6-Fettsäuren, die in Borretsch- oder Nachtkerzenöl vorkommen, können entzündungshemmend wirken.

Traditionelle Heilverfahren

  • Akupunktur: Kann bei der funktionellen und regulativen Therapie zur Symptomlinderung bei MS eingesetzt werden. Positive Effekte wurden in der Behandlung von MS-Erkrankten mit chronischen Schmerzen beobachtet. Auch positive Wirkungen auf Darmfunktion und Fatigue sind möglich.
  • Homöopathie: In der ganzheitlichen MS-Therapie werden gerne homöopathisch aufbereitete Zellbestandteile zur Linderung der Krankheit eingesetzt.

Weitere komplementäre Therapien

  • Entspannungstechniken: Stress kann MS-Schübe auslösen und Symptome verschlechtern. Entspannungstechniken wie Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (MBSR), Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung sowie Bewegungstherapien mit Aufmerksamkeitskomponente (Yoga, Tai-Chi, Heileurythmie, Feldenkrais, Qigong) können helfen, Stress zu reduzieren.
  • Osteopathie: Kann bei MS-bedingten Blasenstörungen vielfältig positiv beeinflussen, z.B. durch die Behandlung von Harnblase, Beckenmechanik, Beckenboden und des Nervus pudendus.
  • Neuraltherapie: Dient neben der Ausschaltung von Störfeldern auch der gezielten Therapie beim Auftreten von vielfältigen aktuellen Beschwerden.

Rehabilitation

Eine stationäre Rehabilitation hat sich als besonders wirkungsvoll bei MS erwiesen. Sie bietet MS-Patienten eine intensive und ganzheitliche Betreuung durch spezialisierte Ärzte und Therapeuten. Durch gezielte Therapien wie Physiotherapie, Ergotherapie und psychologische Unterstützung können die Symptome gelindert und die Lebensqualität verbessert werden. Zudem ermöglicht der stationäre Aufenthalt den Austausch mit anderen Betroffenen, was eine wichtige Unterstützung im Umgang mit der Erkrankung darstellt.

Therapien, die vermieden werden sollten

Es gibt auch Behandlungsmethoden, die bei MS vermieden werden sollten, da sie unwirksam oder sogar gefährlich sein können. Zu ihnen zählen die Verstärkung der Immunreaktion (sogenannte Immunaugmentation), die Frischzellentherapie, die Behandlung mit Schlangen- oder Bienengift sowie die intrathekale Stammzellentherapie. Auch die Amalgamsanierung kann nach heutigem Kenntnisstand nicht empfohlen werden.

Die Bedeutung der interdisziplinären Zusammenarbeit

Eine erfolgreiche Behandlung der Multiplen Sklerose erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachrichtungen. Neurologen, Hausärzte, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden, Neuropsychologen, Ernährungsberater und andere Spezialisten sollten gemeinsam einen individuellen Behandlungsplan für jeden Patienten entwickeln.

Forschung und Zukunftsperspektiven

Die Forschung zu neuen Therapieformen und -ansätzen bei MS entwickelt sich stetig weiter. Aktuelle Projekte wie CLAIMS („Clinical impact through AI-assisted MS care“) nutzen künstliche Intelligenz, um den Krankheitsverlauf für jeden Patienten individuell vorherzusagen und die Wirkung verschiedener Medikamente zu simulieren. Ziel ist es, jedem MS-Betroffenen zum richtigen Zeitpunkt das richtige Medikament zu geben.

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