Lebensverlängernde Maßnahmen bei Schlaganfallpatienten: Selbstbestimmung und Entscheidungsfindung

Die moderne Medizin bietet vielfältige Möglichkeiten, das Leben von Patienten, insbesondere nach einem Schlaganfall, zu verlängern. Doch diese Möglichkeiten werfen ethische und rechtliche Fragen auf, insbesondere wenn der Patient seinen Willen nicht mehr äußern kann. Dieser Artikel beleuchtet die komplexen Zusammenhänge der Entscheidungsfindung über lebenserhaltende Maßnahmen bei Schlaganfallpatienten, die Rolle von Patientenverfügungen, Vorsorgevollmachten und die Bedeutung der Ermittlung des mutmaßlichen Willens des Patienten.

Die Angst vor der Hightech-Medizin am Lebensende

Viele Menschen haben Angst vor der modernen Hightech-Medizin, insbesondere am Ende ihres Lebens. Sie befürchten, dass sie durch künstliche Maßnahmen unnötig lange am Leben erhalten werden, obwohl keine Aussicht auf Heilung oder Verbesserung ihres Zustands besteht. Um sich vor solchen Szenarien zu schützen, verfassen viele Menschen eine Patientenverfügung.

Die Patientenverfügung: Ein Instrument der Selbstbestimmung?

Eine Patientenverfügung ist ein schriftliches Dokument, in dem eine Person im Voraus festlegt, welche medizinischen Behandlungen sie in bestimmten Situationen wünscht oder ablehnt, insbesondere für den Fall, dass sie selbst nicht mehr in der Lage ist, ihre Präferenzen zu äußern. Sie dient dazu, die Selbstbestimmung des Patienten auch in Notsituationen zu gewährleisten.

Im Juni 2009 verabschiedete der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Patientenverfügung, wodurch jeder verbindlich festlegen kann, wann Medizin für ihn sinnlos wird. Doch zehn Jahre später kommt Skepsis auf. Viele Patientenverfügungen sind in der Praxis unwirksam, weil sie zu kurz greifen. Zusätzlich erklärte der Bundesgerichtshof 2018 den Großteil der Verfügungen für ungültig, da typische Formulierungen wie "lebenserhaltende Maßnahmen" und "keine künstliche Ernährung" zu ungenau seien.

Die Bedeutung einer präzisen Formulierung

Die präzise Formulierung der Patientenverfügung ist entscheidend, um mögliche Missverständnisse zu vermeiden. Es ist ratsam, den Abbruch von lebenserhaltenden Maßnahmen immer an Bedingungen zu knüpfen und die klinische Situation, in der die Verfügung gelten soll, genau zu beschreiben. Allgemeine Anweisungen wie die Aufforderung, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen, sind nicht ausreichend.

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Beratung und Unterstützung bei der Erstellung

Es ist ratsam, sich bei der Erstellung einer Patientenverfügung beraten zu lassen, um sicherzustellen, dass sie den eigenen Wünschen entspricht und im Notfall auch tatsächlich gültig ist. Beratungsstellen wie der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) bieten hierzu Unterstützung an.

Die Rolle der Angehörigen und des Betreuers

Wenn keine Patientenverfügung vorliegt oder diese nicht auf die aktuelle Situation zutrifft, müssen Angehörige oder ein gesetzlich bestellter Betreuer über die medizinischen Maßnahmen entscheiden. Dabei steht immer der Wille des Patienten im Vordergrund.

Die Ermittlung des mutmaßlichen Willens

Um den mutmaßlichen Willen des Patienten herauszufinden, ist es wichtig, sich auf frühere Äußerungen, Verhaltensweisen, die allgemeine Lebenssituation und die Wertvorstellungen des Betroffenen zu stützen. Diese Indikatoren helfen, den Patientenwillen auch in seiner Abwesenheit bestmöglich zu vertreten.

Konflikte und die Rolle des Betreuungsgerichts

In komplexen Situationen können Meinungsverschiedenheiten zwischen den Angehörigen oder dem Betreuer entstehen, wenn es um die Deutung des Patientenwillens geht. In solchen Fällen steht das Betreuungsgericht als neutrale Instanz zur Verfügung, um eine Entscheidung im besten Interesse des Patienten zu treffen. Hierbei kann das Gericht auch externe Gutachter konsultieren, um eine umfassende Einschätzung des mutmaßlichen Willens zu erhalten.

Die Situation im Krankenhaus ohne Patientenverfügung

Liegt im Krankenhaus keine Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht vor und ist der Patient nicht mehr entscheidungsfähig, werden in der Regel Angehörige oder ein gesetzlicher Betreuer hinzugezogen, um über medizinische Maßnahmen zu entscheiden.

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Die Pflicht der Ärzte in Notfällen

Wenn keine Angehörigen ermittelt werden können oder sie nicht erreichbar sind, müssen die Ärzte eigenverantwortlich handeln. In solchen Notfällen sind die Ärzte verpflichtet, zunächst alle medizinisch notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um das Leben des Patienten zu erhalten. Diese Pflicht gilt so lange, bis eine rechtsverbindliche Entscheidung getroffen werden kann.

Die Berücksichtigung des mutmaßlichen Willens

Auch in dieser Phase muss der mutmaßliche Wille des Patienten berücksichtigt werden. Eine ärztliche Behandlung darf nicht gegen die vermuteten Wünsche des Patienten erfolgen.

Rechtliche Grundlagen und Regelungen

Die Entscheidungsbefugnis in medizinischen Angelegenheiten ist in Deutschland durch klare rechtliche Bestimmungen geregelt.

Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB)

Die maßgeblichen Vorschriften finden sich in den §§ 1901a bis 1905 BGB. Hier wird unter anderem geregelt, dass eine Patientenverfügung Vorrang vor anderen Entscheidungen hat.

Die rechtliche Betreuung

Ist keine Patientenverfügung vorhanden und der Betroffene nicht entscheidungsfähig, so übernimmt der rechtliche Betreuer diese Funktion. Der Betreuer entscheidet basierend auf dem mutmaßlichen Willen des Betroffenen.

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Die Rolle des Betreuungsgerichts

Findet sich kein geeigneter Bevollmächtigter und ist auch kein rechtlicher Betreuer vorhanden, hat das Betreuungsgericht die Aufgabe, einen geeigneten Betreuer zu bestellen.

Die Bedeutung der Vorsorge

Es ist von immenser Bedeutung, sich frühzeitig mit der Thematik auseinanderzusetzen, um in Notsituationen rasch und im Sinne des Betroffenen handeln zu können. Eine Patientenverfügung kann hierbei wesentliche Klarheit schaffen und Angehörige sowie Betreuer in ihrer Entscheidungsfindung unterstützen.

Laut dem Sozialbericht 2024 der Bundeszentrale für politische Bildung besitzen 45 % der Menschen in Deutschland eine Patientenverfügung, 41 % eine Vorsorgevollmacht und 29 % eine Betreuungsverfügung. Bemerkenswert ist, dass rund 50 % der Bevölkerung keines dieser Vorsorgedokumente erstellt haben.

Wer entscheidet im Koma?

Wenn eine Person infolge eines Unfalls oder einer schweren Erkrankung im Koma liegt und keine Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht vorliegt, greift das Betreuungsrecht (§§ 1896 ff. BGB). Dieses sieht vor, dass ein gerichtlich bestellter Betreuer eingesetzt wird, der stellvertretend die notwendigen Entscheidungen trifft.

Die Berücksichtigung des mutmaßlichen Willens

Der gesetzliche Betreuer muss bei medizinischen Fragen stets den mutmaßlichen Willen des Patienten berücksichtigen. Dazu zählen frühere Äußerungen, persönliche Wertvorstellungen oder gelebte Überzeugungen.

Die Einbindung der Ärzte und des Betreuungsgerichts

Die behandelnden Ärzte werden eng eingebunden - insbesondere bei schwerwiegenden Eingriffen oder lebenserhaltenden Maßnahmen. Kommt es zu Unstimmigkeiten zwischen Angehörigen oder besteht Zweifel an der Entscheidung des Betreuers, kann das Betreuungsgericht eingeschaltet werden.

Entscheidungen über lebenserhaltende Maßnahmen

Besonders bei lebenserhaltenden Maßnahmen ist eine sorgfältige Abwägung erforderlich. Es müssen nicht nur die medizinischen Perspektiven, wie die Aussicht auf Heilung oder Linderung, in Betracht gezogen werden, sondern auch die potenziellen Risiken und Belastungen der geplanten Interventionen. Letztlich muss hinterfragt werden, ob der Patient in einer ähnlichen Situation die vorgeschlagenen Maßnahmen gewünscht hätte.

Der Unterschied zwischen lebensverlängernden und lebenserhaltenden Maßnahmen

Lebensverlängernde Maßnahmen sind medizinische Interventionen, die darauf abzielen, das Leben eines Patienten zu erhalten oder zu verlängern, insbesondere in lebensbedrohlichen oder schweren gesundheitlichen Situationen. Dazu gehören z.B. künstliche Beatmung, Herz-Lungen-Wiederbelebung, Dialyse oder Ernährung über Schläuche.

Die ethische und moralische Komplexität

Lebenserhaltende Maschinen abstellen ist nicht nur eine medizinisch, sondern auch menschlich und moralisch hochkomplexe Thematik. Jede Situation ist einzigartig und obwohl es rechtliche Grundsätze, Bestimmungen und Verfahren gibt, die die Entscheidungsfindung in solchen Fällen regeln, variieren diese je nach den individuellen Umständen.

Die Rolle der Patientenautonomie und des Patientenwillens

Der Wille des Patienten sollte respektiert werden. Wenn der Patient zu Lebzeiten klare Anweisungen bezüglich lebenserhaltender Maßnahmen gegeben hat, sollten diese berücksichtigt werden.

Die Bedeutung der Kommunikation

Wenn ein Patient noch ansprechbar ist, bietet dies die Gelegenheit für direkte Kommunikation, um seine Wünsche bezüglich medizinischer Behandlungen, insbesondere lebenserhaltender Maßnahmen, zu erfahren. In einem offenen Gespräch sollte der Patient über seinen aktuellen Gesundheitszustand aufgeklärt werden, wobei das medizinische Team die verfügbaren Behandlungsoptionen und mögliche Konsequenzen erläutert.

Die Dokumentation des Patientenwillens

Wenn der Patient klare Präferenzen äußert, sollten diese schriftlich dokumentiert werden. Patientenverfügungen, Vorsorgevollmachten oder andere rechtliche Dokumente eignen sich dafür besonders gut.

Die Rolle des Betreuungsgerichts

Das Betreuungsgericht ist eine spezialisierte Abteilung des Amtsgerichts, das für Betreuungsangelegenheiten zuständig ist. Die Hauptfunktion des Betreuungsgerichts besteht darin, die Rechte und Interessen von Menschen zu schützen, die aufgrund von Krankheit, Behinderung oder anderen Umständen nicht mehr in der Lage sind, ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln.

Die Bestellung eines rechtlichen Betreuers

Das Gericht bestellt einen rechtlichen Betreuer, um die Interessen der betroffenen Person zu vertreten. Der Betreuer kann für verschiedene Aufgabenbereiche zuständig sein, wie finanzielle Angelegenheiten, medizinische Entscheidungen oder persönliche Belange.

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