Multiple Sklerose: Gefährlichkeit und Risikofaktoren

Die Diagnose Multiple Sklerose (MS) ist ein einschneidendes Ereignis, das viele Fragen aufwirft. Wie gefährlich ist die Erkrankung wirklich? Welche Faktoren beeinflussen ihr Auftreten und ihren Verlauf? Dieser Artikel beleuchtet die Gefährlichkeit der MS, die bekannten Risikofaktoren und gibt einen Überblick über moderne Therapieansätze.

Persönliches Wohlbefinden und Vertrauen in die Behandlung

Bei der Entscheidung für eine MS-Therapie steht das persönliche Wohlbefinden im Mittelpunkt. Das Vertrauen in den behandelnden Arzt ist entscheidend, denn eine Therapie ohne Vertrauen zeigt in der Regel wenig Erfolg. Gemeinsam mit den Behandlern möchte man die Erkrankung bewältigen und einen Weg finden, der bestmöglich zum Ziel führt.

Mögliche Risikofaktoren für die Entstehung von MS

Trotz der Vielschichtigkeit der MS gibt es einige Hinweise auf mögliche Faktoren, die die Entstehung der Erkrankung beeinflussen können. Genetische Aspekte und das Epstein-Barr-Virus werden genannt, jedoch sind viele Ursachen noch nicht vollständig verstanden. Man geht heute davon aus, dass nicht ein Faktor alleine eine Multiple Sklerose auslöst, sondern eine Kombination aus genetischer Prädisposition und mindestens einem weiteren im späteren Leben erworbenen Umweltfaktor.

Genetische Veranlagung

Die MS ist keine klassische Erbkrankheit, da nicht die Krankheit selbst vererbt wird, sondern lediglich eine genetische „Neigung“, an MS zu erkranken. Es gibt nicht das „eine“ MS-Gen, sondern eine Vielzahl von Genen, die alleine und in Kombination das Risiko, an MS zu erkranken, erhöhen.

Umweltfaktoren

  • Epstein-Barr-Virus (EBV): Es gibt Zusammenhänge zwischen dem Epstein-Barr-Virus und MS, aber auch zwischen humanen Herpesviren und MS. Menschen mit Multipler Sklerose sind nahezu zu 100 % EBV-positiv, während auch ca. 95 % der Menschen ohne Multiple Sklerose das EBV in sich tragen, nachdem sie sich in Kindheit und Jugend damit infiziert haben. Die genauen Zusammenhänge zwischen EBV und MS sind aber noch ungeklärt.
  • Humanes Herpesvirus 6A (HHP6A): Eine vorausgegangene Infektion mit Epstein-Barr-Virus und dem humanen Herpesvirus 6A kann von größerem Einfluss auf das MS-Risiko sein als nur eine der Infektionen allein.
  • Weitere mögliche Risikofaktoren:
    • geringe Sonnenexposition
    • hohe Cholesterinwerte
    • Rauchen
    • weitere Viren

Verlauf und Gefährlichkeit der MS

Es ist eine Herausforderung, den individuellen MS-Verlauf vorherzusagen, da die Erkrankung sehr unterschiedlich verlaufen kann. Etwa 5 % der Betroffenen erleben bereits in den ersten 5 Jahren einen schweren, aggressiven Verlauf. Es gibt aber auch Patient*innen, die unbeeinträchtigt sind. Eine eindeutige Aussage über Verlauf und Schweregrad der Krankheit lässt sich für den Einzelnen aber leider kaum treffen.

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Natürlicher Verlauf ohne Therapie

Früher, als es noch wenige Behandlungsmöglichkeiten gab, wagten einige Patient*innen bewusst den Verzicht auf Therapien. Doch der natürliche MS-Verlauf ohne Medikamente zeigt, dass dies nicht immer die beste Wahl ist. Studien belegen, dass bereits nach 15 Jahren ohne Therapie ein höherer Behinderungsgrad (EDSS 6 - engl.: Expanded Disability Status Scale) auftreten kann. Schwere Behinderungen (EDSS 8) nach 26 Jahren und Betroffene bei einem EDSS 10 nach 41 Jahren versterben.

Einfluss des Geschlechts

Bereits zurückliegende Daten haben gezeigt, dass das Geschlecht einen gewissen Einfluss auf den MS-Verlauf haben kann. Statistisch gesehen neigen Männer dazu, schneller in die Phase der chronischen Progression überzugehen, in der sich die Symptome allmählich verschlechtern. Das bedeutet jedoch nicht, dass dies für jeden Mann mit MS gilt.

Früh auftretende Symptome und Schübe

Früh auftretende motorische Probleme wie Lähmungen, Gangstörungen oder Spastiken deuten darauf hin, dass die MS möglicherweise aggressiver verläuft. Auch die Anzahl der Schübe in den ersten Jahren nach der Diagnose kann ebenfalls einen Hinweis darauf geben, wie die MS fortschreiten wird. Studien zeigen, dass mehr als drei Schübe in den ersten beiden Jahren die Wahrscheinlichkeit einer späteren Verschlechterung erhöhen. Ein besonderer Fokus liegt auf Schüben, die durch Entzündungen im Gehirn oder Rückenmark entstehen. Spinale Schübe können aufgrund der Struktur des Rückenmarks langfristig ungünstige Narben hinterlassen.

Umweltfaktoren und Lebensstil

Umweltfaktoren spielen eine entscheidende Rolle bei der Entstehung und dem Verlauf von MS.

  • Vitamin D: Studiendaten zeigen, dass ein höherer Vitamin-D-Spiegel mit einem geringeren Risiko für eine Multiple Sklerose einhergeht. Daher wird empfohlen, Vitamin-D zu supplementieren.
  • Rauchen: Nikotinkonsum erhöht das Risiko von Schüben. Rauchen kann durch seine Toxine Gefäßschäden verursachen, wodurch Entzündungen ins Gehirn einwandern können.

Komorbiditäten

In den letzten Jahren hat das Verständnis für Komorbiditäten im Zusammenhang mit MS zugenommen. Hierbei handelt es sich um Begleiterkrankungen, die zusätzlich zur Multiplen Sklerose auftreten können. Depressionen und Angststörungen kommen bei MS häufiger vor. Gerade im hohen Alter kommt es bei diesen Komorbiditäten zu einer eher ungünstigen Prognose, da es bei Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und Diabetes zu Gefäßschädigungen kommt - zusätzlich zur MS.

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Magnetresonanztomographie (MRT) und Läsionen

Die Magnetresonanztomographie (MRT) spielt eine entscheidende Rolle bei der Prognose von MS. Die Untersuchungen zeigen Läsionen und Entzündungen im Gehirn. Besonders problematisch sind Läsionen in strategisch ungünstigen Bereichen wie dem Hirnstamm oder dem Rückenmark. Auch Läsionen im Kleinhirn, das unter anderem für die Koordination und Standstabilität zuständig ist, können sich ungünstig auf Entzündungen auswirken. Die Anzahl und Lage der Läsionen, insbesondere schwarze Flecke (Black Holes), können Aufschluss über den Schweregrad der Erkrankung geben. Je mehr dieser Black Holes bereits am Anfang der Diagnose vorhanden sind, desto ungünstiger die Prognose.

Neurofilament (NfL) als Marker

Die Suche nach Markern, die den Krankheitsverlauf anzeigen, ist ein aktueller Forschungsschwerpunkt. Neurofilament (NfL), ein Protein und Bestandteil der Axone (Nervenbahnen), könnte ein vielversprechender Marker sein. Es wird freigesetzt, wenn Nervenzellen geschädigt werden, und könnte Hinweise auf die Aktivität der Erkrankung geben.

Moderne Therapieansätze und ihre Bedeutung

Mittlerweile gibt es immer mehr Wirkstoffe in der MS Therapie, was eine individuelle Therapie ermöglicht. Außerdem gibt es hochwirksame Behandlungen, die schon sehr früh eingesetzt werden können, um die Prognose von MS positiv zu beeinflussen.

Vergleich von Behandlungsstrategien

Eine interessante Studie aus Schweden und Dänemark gibt einen sehr guten Überblick. Die Schweden beginnen sehr früh mit einer hochwirksamen Behandlung, während in Dänemark auf eine Basistherapie gesetzt wird, die später eskaliert wird.

Absetzen der Therapie im fortgeschrittenen Alter

Im Laufe des Lebens oder der MS-Erkrankung nimmt die Schubaktivität ab. Viele Menschen mit MS fragen sich, wie lange sie so eine Therapie überhaupt wahrnehmen sollen. So ist das Absetzen einer Therapie im fortgeschrittenen Alter ein großes Diskussionsthema unter Ärzt*innen. Aktuelle Studien zeigen, dass das abrupte Beenden der Therapie zu einem Wiederauftreten der Krankheitsaktivität führen kann.

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Instrumente zur Abschätzung des Krankheitsverlaufs

Mit Hilfe einer Mischung aus klinischen Scores, klinischen Befunden, MRT-Aufnahmen und mit Unterstützung von Tests, wie dem T25FW (Timed 25-Foot Walk) zur Analyse der Gehfähigkeit und dem 9HPT (9-Hole Peg Test) zur Einschätzung der Handfunktion, könnte es gelingen, zukünftig den Krankheitsverlauf besser abzuschätzen. Auch sollten mehr Patient Report Outcomes (PRO), der Therapieerfolg, der durch den Patienten selbst dokumentiert wird, mit einbezogen werden.

Formen der Multiplen Sklerose

Man unterscheidet drei Hauptformen der Multiplen Sklerose:

  1. Schubförmig remittierende Multiple Sklerose (RRMS): Bei dieser Form treten Schübe auf, bei denen sich Symptome verschlechtern oder neue hinzukommen. Zwischen den Schüben kommt es zu einer teilweisen oder vollständigen Rückbildung der Symptome.
  2. Sekundär progrediente Multiple Sklerose (SPMS): Diese Form entwickelt sich oft aus der RRMS. Die Symptome verschlechtern sich kontinuierlich, unabhängig von Schüben.
  3. Primär progrediente Multiple Sklerose (PPMS): Bei dieser Form verschlechtern sich die Symptome von Beginn an langsam und kontinuierlich, ohne dass es zu Schüben kommt.

Symptome der Multiplen Sklerose

Die MS kann eine Vielzahl von Symptomen verursachen, die von Person zu Person unterschiedlich sein können. Zu den häufigsten Symptomen gehören:

  • Motorische Störungen: Muskelschwäche, Spastik, Koordinationsprobleme, Gangstörungen
  • Sensibilitätsstörungen: Taubheitsgefühle, Kribbeln, Schmerzen
  • Sehstörungen: Verschwommenes Sehen, Doppelbilder, Entzündung des Sehnervs (Optikusneuritis)
  • Fatigue: Chronische Müdigkeit und Erschöpfung
  • Blasen- und Darmstörungen: Häufiger Harndrang, Inkontinenz, Verstopfung
  • Kognitive Beeinträchtigungen: Konzentrationsprobleme, Gedächtnisprobleme

Diagnose der Multiplen Sklerose

Die Diagnose der MS kann komplex sein, da es keinen einzelnen Test gibt, der die Krankheit eindeutig nachweisen kann. Die Diagnose basiert in der Regel auf einer Kombination aus:

  • Neurologischer Untersuchung: Beurteilung der Symptome und neurologischen Funktionen
  • Magnetresonanztomographie (MRT): Nachweis von Läsionen im Gehirn und Rückenmark
  • Untersuchung des Nervenwassers (Liquor): Nachweis von Entzündungszeichen
  • Evozierten Potenzialen: Messung der Nervenleitgeschwindigkeit

Leben mit Multipler Sklerose

Die Diagnose MS kann zunächst erschreckend sein, aber ein selbstbestimmtes Leben mit MS ist möglich. Moderne Therapien und ein aktiver Lebensstil können dazu beitragen, den Verlauf der Erkrankung positiv zu beeinflussen und die Lebensqualität zu erhalten. Die konsequente Behandlung psychiatrischer Begleiterkrankungen wie Depressionen oder chronische Erschöpfungszustände verbessern die Lebensqualität entscheidend. Auch die Unterstützung durch das soziale Umfeld des Patienten kann den Verlauf lange hinauszögern und verbessern.

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