Multiple Sklerose (MS) ist eine chronische Autoimmunerkrankung, bei der der Körper das Gewebe um die Nervenzellen angreift und zerstört. Die Symptome sind vielfältig und hängen von den betroffenen Nervenbahnen ab. Obwohl MS nicht heilbar ist, können Medikamente und Therapien das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen und die Auswirkungen und Begleiterscheinungen abschwächen. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Leistungen, die Krankenkassen in Deutschland für MS-Patienten anbieten, um die Selbstständigkeit und Lebensqualität der Betroffenen so lange wie möglich zu erhalten.
Finanzielle Absicherung und Leistungen
MS-Patienten in Deutschland sind in der Regel finanziell gut abgesichert. Es gibt verschiedene finanzielle Leistungen, die bei krankheitsbedingter Abnahme der Arbeitskraft beantragt werden können. Dazu gehören Krankengeld und Arbeitslosengeld, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als sechs Wochen andauert.
Reha-Servicestellen
Bei Unsicherheiten bezüglich der Zuständigkeit für bestimmte Probleme können sich Betroffene an eine Reha-Servicestelle vor Ort wenden. Diese Stellen bieten Unterstützung bei der Beantragung von Leistungen und vermitteln an die zuständigen Stellen.
Pflegegrad und Grad der Behinderung (GdB)
Es ist ratsam, zusätzlich zum Pflegegrad auch einen Grad der Behinderung (GdB) zu beantragen. Beide können bei Bedarf auch höhergestuft werden, wenn sich der Zustand des Betroffenen verschlechtert. Der Pflegegrad wird durch den Medizinischen Dienst (MD) der Krankenkassen oder MEDICPROOF (bei privaten Krankenversicherungen) festgestellt und kann zwischen Pflegegrad 1 und Pflegegrad 5 liegen. Die Höhe des Pflegegeldes richtet sich nach dem Pflegegrad.
Antragstellung auf einen Pflegegrad
Ein Antrag auf Feststellung des Pflegegrades sollte gestellt werden, wenn erste Einschränkungen im Alltag auftreten, wie z.B. Schwierigkeiten beim Treppensteigen, Duschen oder Arztbesuchen. Dabei sollten nicht nur körperliche, sondern auch psychische Einschränkungen berücksichtigt werden, da viele MS-Erkrankte auch Anzeichen von Depressionen zeigen können. Der Antrag wird formlos bei der Pflegekasse gestellt.
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Kostenträger
Grundsätzlich sind bei Menschen mit MS und einem Pflegebedarf zwei Kostenträger für die Übernahme von Kosten, Sachleistungen, Medikamenten usw. zuständig: die Pflegeversicherung und die Krankenversicherung.
Hilfsmittel und Heilmittel
Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für Hilfsmittel und Heilmittel, die ärztlich verordnet werden.
Hilfsmittel
Hilfsmittel sind dazu da, den Erfolg einer Behandlung zu sichern oder die Folgen von Gesundheitsschäden zu mildern bzw. auszugleichen. Beispiele hierfür sind Gehhilfen, Rollstühle oder Bade-/Duschhilfen. Der Gesetzgeber definiert Hilfsmittel als Mittel, die den Erfolg einer Behandlung sichern und krankheitsbedingte Einschränkungen ausgleichen sollen. Für Menschen mit MS bedeutet dies vor allem die Erhaltung und/oder Verbesserung der Selbstständigkeit und Mobilität im Alltag.
Heilmittel
Heilmittel sind ärztlich verordnete Dienstleistungen, die einem Heilzweck dienen oder einen Heilerfolg sichern sollen. Dazu gehören beispielsweise Physiotherapie oder Ergotherapie. Im Heilmittelkatalog des Gemeinsamen Bundesausschusses kann nachgelesen werden, welche Heilmittel bzw. Behandlungen bei bestimmten Indikationen in welcher Anzahl verordnet werden dürfen. Eine Heilmittelverordnung legt üblicherweise eine feste Anzahl an Behandlungen fest.
Häusliche Krankenpflege und Haushaltshilfe
Zur Vermeidung oder Verkürzung von Krankenhausaufenthalten, z.B. bei einem Schub, kann häusliche Krankenpflege in Anspruch genommen werden. Diese umfasst in der Regel Grund- und Behandlungspflege sowie die hauswirtschaftliche Versorgung. Unter bestimmten Voraussetzungen übernimmt die Krankenkasse sogar die Kosten für eine Haushaltshilfe.
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Berufliche Rehabilitation
Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation, heute häufig auch als „Teilhabe am Arbeitsleben“ bezeichnet, sollen chronisch kranke Menschen wieder in den beruflichen Alltag integrieren und ihre Erwerbsfähigkeit absichern.
MS-Modulvertrag zur Verbesserung der Versorgung
Mitte 2020 wurde federführend von der Kaufmännischen Krankenkasse KKH mit Beteiligung anderer Ersatzkassen ein sogenannter MS-Modulvertrag zur Verbesserung der Versorgung angeboten. Dieser Vertrag bestand aus zwei Modulen:
- Förderung der ambulanten Schubtherapie mit Steroidpulsinfusionen durch extrabudgetäre Vergütungsanreize.
- Wirtschaftlichkeitsbonus für die Auswahl der MS-spezifischen Immuntherapie bei Befolgen einer sogenannten „Therapieampel“.
Unter Beteiligung vom Berufsverband Deutscher Neurologen e.V. (BDN) und Berufsverband Deutscher Nervenärzte e.V. (BVDN) wurde dieser Vertrag modifiziert, um ihn transparenter, lukrativer und erreichbarer zu gestalten. Insbesondere die „Therapieampel“ wurde abgeschafft.
Zweite Meinung und Erweiterte Beratung
Versicherte, die an Multipler Sklerose erkrankt sind, haben die Möglichkeit, sich umfassend von ausgewiesenen MS-Spezialisten beraten zu lassen. Die mhplus hat hierzu einen Versorgungsvertrag mit ausgewählten MS-Zentren in Baden-Württemberg geschlossen.
Vorteile der Beratung
- Zweistündige Einzelberatung durch einen MS-Experten zu Diagnosesicherung, Arzneimitteltherapie und Behandlung von Begleitsymptomen, inklusive Anamnese und Durchsicht bestehender Befunde und Berichte.
- Termin innerhalb von 4 Wochen sowie Berücksichtigung individueller Terminwünsche.
Wann ist eine erweiterte Beratung sinnvoll?
- Bei Verdacht auf MS und dem Wunsch nach Sicherheit.
- Bei mehreren Therapieoptionen und dem Bedarf an Unterstützung bei der Wahl der passenden Therapie.
- Bei Unzufriedenheit mit der aktuellen Therapie und der Suche nach alternativen Therapiemöglichkeiten.
- Bei Begleitsymptomen und dem Wunsch nach Beratung bezüglich der Behandlung.
- Bei der Suche nach ambulanten Behandlungsmöglichkeiten, um Krankenhausaufenthalte zu vermeiden.
Die Beratung kann einmal im Kalenderjahr in Anspruch genommen werden.
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Änderungen und Neuerungen im Sozialversicherungssystem 2025
Im Jahr 2025 gibt es einige Änderungen im Sozialversicherungssystem, die auch MS-Patienten betreffen können:
Beitragssätze
Die Beitragssätze zur allgemeinen Rentenversicherung (18,6 Prozent), zur knappschaftlichen Rentenversicherung (24,7 Prozent) und Arbeitsförderung (2,6 Prozent) blieben stabil.
Änderungen in Bezug auf Renten
Die Hinzuverdienstgrenze beim Bezug einer Rente wegen voller Erwerbsminderung wurde auf 19.661 Euro angehoben, beim Bezug einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf mindestens 39.322 Euro.
Änderungen der Verdienstgrenzen bei Minijob und Midijob
Der Mindestlohn wurde von 12,41 Euro auf 12,82 Euro angehoben. Damit steigt auch die monatliche Verdienstgrenze im Minijob von 538,00 Euro auf 556,00 Euro.
Leistungsänderungen der Sozialversicherungen
Alle Leistungsbeträge der Pflegeversicherung, auch Leistungen der stationären Pflege, wurden um 4,5 Prozent angehoben. Auch der Zuschuss für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen nach § 40 Abs. 4 SGB XI erhöht sich von bisher 4.000 Euro auf 4.180 Euro.
Neu: Der Entlastungsbetrag in der Pflege von aktuell 131,00 Euro kann künftig auch durch den Einsatz von ehrenamtlichen Einzelhelfern und Einzelhelferinnen genutzt werden.
Ab 01.07.2025 gilt der Gemeinsame Jahresbetrag nach § 42a SGB XI (sog. Entlastungsbudget) für alle. Leistungen der Kurzzeit- und Verhinderungspflege werden zusammengefasst und sind ab 1. Juli 2025 mit einem Gesamtbetrag von 3.539 Euro flexibel einsetzbar.
Bürgergeld und Sozialhilfe
Die Regelsätze im Bereich der Sozialhilfe und im Bürgergeld bleiben 2025 unverändert.
Wohngeld-Plus
Die Leistungen sind um durchschnittlich 15 Prozent gestiegen.
Kindergeld und Kinderzuschlag
Das Kindergeld pro Kind wurde um 5,00 Euro auf 255,00 Euro und der Kinderzuschlag von 292,00 Euro auf 297,00 Euro erhöht.
Selbsthilfegruppen und Informationsquellen
Das Selbsthilfenetzwerk ist in Bezug auf MS in Deutschland gut ausgebaut. Viele verschiedene Vereine und Selbsthilfegruppen helfen Betroffenen und Angehörigen, sich auch mit MS erfolgreich und selbstbestimmt durchs Leben zu manövrieren. Für MS-Patienten in Baden-Württemberg ist die AMSEL die erste Adresse. Die Aktion Multiple Sklerose Erkrankter, Landesverband der DMSG in Baden-Württemberg e. V., hat sich zum Ziel gesetzt, die Lebenssituation der MS-Erkrankten und ihrer Angehörigen nachhaltig zu verbessern.
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