Multiple Sklerose Schubförmig Verlauf: Informationen, Symptome und Therapie

Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS), die das Gehirn und Rückenmark betrifft. In Deutschland sind etwa 280.000 Menschen an MS erkrankt. Die Erkrankung manifestiert sich meist im jungen Erwachsenenalter, kann aber auch bei Kindern oder im höheren Erwachsenenalter auftreten. MS ist durch vielfältige Symptome gekennzeichnet und wird daher auch als "Krankheit der 1000 Gesichter" bezeichnet. Die heutige Medizin kann MS zwar nicht heilen, aber es gibt verschiedene Therapieansätze, um den Krankheitsverlauf zu verlangsamen, Schübe zu reduzieren und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Verlaufsformen der Multiplen Sklerose

Der Verlauf der MS ist individuell sehr unterschiedlich und unvorhersehbar. Es gibt verschiedene Verlaufsformen, die sich in ihrem Erscheinungsbild und Fortschreiten unterscheiden. Im Allgemeinen werden vier Hauptformen unterschieden:

  • Schubförmig-remittierende MS (RRMS)
  • Sekundär progrediente MS (SPMS)
  • Primär progrediente MS (PPMS)
  • Progressiv-rezidivierende MS (PRMS)

Schubförmig-remittierende MS (RRMS)

Die schubförmig-remittierende MS (RRMS) ist die häufigste Verlaufsform der MS und tritt bei etwa 85-90 % der Patienten zu Beginn der Erkrankung auf. Sie ist durch klar definierte Schübe gekennzeichnet, in denen neue Symptome auftreten oder bestehende sich verschlimmern. Diese Schubphasen können Tage bis Wochen andauern.

Merkmale der RRMS:

  • Schübe: Plötzliches Auftreten neuer Symptome oder Verschlechterung bestehender Symptome.
  • Remissionen: Nachlassen oder vollständiges Verschwinden der Symptome nach einem Schub. Die Dauer der Remission kann von Wochen bis zu Jahren reichen.
  • Unvorhersehbarer Verlauf: Der Verlauf der RRMS ist unvorhersehbar, und es gibt keine klaren Muster oder Zeitintervalle zwischen den Schüben.
  • Auslöser: Die genauen Auslöser für Schübe sind oft unklar, aber Stress, Infektionen und Umweltfaktoren könnten eine Rolle spielen.

Während eines Schubs bemerken Betroffene Symptome, die sich innerhalb weniger Stunden stetig verschlimmern. Ohne Behandlung bleiben sie irgendwann für Tage oder Wochen auf einem Niveau stehen und bilden sich dann langsam ganz oder teilweise zurück. Jeder Schub kann zu einer Beschädigung im zentralen Nervensystem führen.

Sekundär progrediente MS (SPMS)

Die sekundär progrediente MS (SPMS) entwickelt sich oft aus der RRMS, meist Jahre nach der Diagnose. Hierbei gehen die typischen Schübe zurück, und stattdessen verschlechtern sich die Symptome langsam und kontinuierlich.

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Merkmale der SPMS:

  • Kontinuierliche Verschlechterung: Die Symptome nehmen allmählich zu, ohne klare Schübe oder Remissionen.
  • Übergang von RRMS: Die SPMS entwickelt sich oft aus der RRMS, aber nicht alle Betroffenen mit RRMS entwickeln eine SPMS.
  • Schleichender Verlauf: Der Übergang von RRMS zu SPMS ist oft schleichend, und die Diagnose wird oft erst rückblickend gestellt.
  • Beeinträchtigung der Funktionen: Die SPMS kann zu einer allmählichen Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Funktionen führen.

Es ist wichtig zu betonen, dass der Übergang von der schubförmig remittierenden MS zur sekundär progredienten MS nicht bei allen Betroffenen eintritt. Manche bleiben viele Jahre in der RRMS-Phase, während andere früher oder später in die SPMS übergehen.

Primär progrediente MS (PPMS)

Die primär progrediente MS (PPMS) ist eine seltenere Verlaufsform, die sich durch einen schleichenden und progressiven Verlauf von Beginn an auszeichnet.

Merkmale der PPMS:

  • Stetige Zunahme der Symptome: Die Symptome nehmen von Beginn an stetig zu, ohne Schübe oder Remissionen.
  • Späteres Diagnosealter: Betroffen sind häufig Menschen, die erst später im Leben, meist nach dem 40. Lebensjahr, diagnostiziert werden.
  • Vielfältige Beschwerden: Die Beschwerden können vielfältig sein und hängen von den jeweils betroffenen Bereichen des zentralen Nervensystems ab.
  • Einschränkungen im Alltag: Durch das fortschreitende Krankheitsbild fällt es vielen Betroffenen schwer, ihren Alltag uneingeschränkt zu bewältigen.

Progressiv-rezidivierende MS (PRMS)

Die progressiv-rezidivierende MS (PRMS) ist eine seltene und besonders herausfordernde Form. Dieser Verlaufstyp zeichnet sich durch eine kontinuierliche Verschlechterung der Symptome von Beginn an aus, wobei jedoch gelegentliche Schubphasen auftreten können.

Merkmale der PRMS:

  • Kontinuierliche Verschlechterung: Die Symptome nehmen von Beginn an stetig zu.
  • Gelegentliche Schübe: Zusätzlich treten gelegentliche Schubphasen auf.
  • Weniger ausgeprägte Schübe: Die Schübe sind meist weniger ausgeprägt und schwerer vorhersehbar als bei der RRMS.
  • Erschwerte Diagnose und Behandlung: Die Kombination aus kontinuierlicher Verschlechterung und Schüben erschwert sowohl die Diagnose als auch die Behandlung.

Symptome der Multiplen Sklerose

Die Symptome der MS sind vielfältig und können von Patient zu Patient unterschiedlich sein. Sie hängen davon ab, welche Bereiche des zentralen Nervensystems betroffen sind. Häufige Symptome sind:

  • Sehstörungen: Verschwommenes Sehen, Doppeltsehen, Sehausfälle, Schmerzen beim Bewegen der Augen (Optikusneuritis).
  • Motorische Störungen: Muskelschwäche, Spastik (erhöhte Muskelspannung), Koordinationsstörungen, Gleichgewichtsstörungen, Zittern (Tremor), Lähmungen.
  • Sensibilitätsstörungen: Kribbeln, Taubheitsgefühle, Schmerzen, Brennen, vermindertesTemperaturempfinden.
  • Fatigue: Müdigkeit, Erschöpfung, Konzentrationsstörungen.
  • Kognitive Störungen: Gedächtnisprobleme, Aufmerksamkeitsdefizite,Verlangsamung der Informationsverarbeitung.
  • Blasen- und Darmstörungen: Häufiger Harndrang, Inkontinenz, Verstopfung.
  • Sexuelle Funktionsstörungen: Erektionsstörungen, vermindertes sexuelles Verlangen.
  • Psychische Probleme: Depressionen, Angstzustände, Stimmungsschwankungen.

Ein MS-Schub tritt auf, wenn mehr als 24 Stunden und mehr als 30 Tage nach Beginn des letzten Schubs neue oder bekannte Symptome auftreten. Die Dauer eines MS-Schubs kann zwischen einigen Stunden, Tagen oder Wochen variieren. Danach klingen die Beschwerden langsam ab.

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Diagnose der Multiplen Sklerose

Die Diagnose der MS kann eine Herausforderung sein, da die Symptome vielfältig sind und auch bei anderen Erkrankungen auftreten können. Es gibt keinen einzelnen Test, der die MS eindeutig beweist. Die Diagnose basiert daher auf einer Kombination aus:

  • Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte und der aktuellen Symptome.
  • Neurologische Untersuchung: Überprüfung der neurologischen Funktionen wieSensibilität, Motorik, Koordination und Reflexe.
  • Magnetresonanztomographie (MRT): Bildgebung des Gehirns und Rückenmarks, um Entzündungsherde (Läsionen) nachzuweisen.
  • Untersuchung des Nervenwassers (Liquor): Analyse des Nervenwassers aufEntzündungszeichen und oligoklonale Banden (OKB).
  • Evozierte Potenziale (VEP, SEP): Messung der Nervenleitgeschwindigkeit, umFunktionsstörungen der Nervenbahnen festzustellen.
  • Blutuntersuchungen: Zum Ausschluss anderer Erkrankungen mit ähnlichenSymptomen.

Die Diagnosekriterien nach McDonald werden verwendet, um die Diagnose der MS zu sichern. Diese Kriterien berücksichtigen die räumliche und zeitliche Dissemination der Läsionen im ZNS.

Therapie der Multiplen Sklerose

MS ist derzeit nicht heilbar, aber es gibt verschiedene Therapieansätze, um den Krankheitsverlauf zu beeinflussen, Schübe zu reduzieren und die Symptome zu lindern. Die Therapie der MS stützt sich auf mehrere Säulen:

  • Schubtherapie: Behandlung akuter Schübe mit Kortikosteroiden (z.B. Cortison), um die Entzündung zu reduzieren und die Symptome zu lindern. In schweren Fällen kann auch eine Plasmapherese (Blutwäsche) oder Immunadsorption erforderlich sein.
  • Verlaufsmodifizierende Therapie (Basistherapie): Langfristige Behandlung mit Medikamenten, die das Immunsystem beeinflussen, um die Häufigkeit und Schwere der Schübe zu reduzieren und das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen. Es gibt verschiedene Medikamente, die als Basistherapie eingesetzt werden können, darunter:
    • Interferon-beta-Präparate: Werden regelmäßig gespritzt und wirken immunmodulierend.
    • Glatirameracetat: Ein synthetisches Peptidgemisch, das ebenfalls gespritzt wird und das Immunsystem beeinflusst.
    • Orale Medikamente: Fingolimod, Siponimod, Ponesimod, Ozanimod, Teriflunomid, Dimethylfumarat und Cladribin sind Tabletten, die das Immunsystem beeinflussen und die Entzündungsaktivität im ZNS reduzieren.
    • Antikörperpräparate: Natalizumab, Ocrelizumab und Ofatumumab werden in der Dauertherapie eingesetzt und wirken, indem sie bestimmte Immunzellen blockieren oder deren Eindringen ins Gehirn verhindern. Alemtuzumab wird in zwei kurzen Behandlungsphasen verabreicht und hat eine langanhaltende Wirkung.
  • Symptomatische Therapie: Behandlung der einzelnen Symptome der MS, um die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Dazu gehören:
    • Physiotherapie: Zur Verbesserung der Beweglichkeit, Koordination undKraft.
    • Ergotherapie: Zur Verbesserung der Alltagsfähigkeiten und derHandfunktion.
    • Logopädie: Zur Behandlung von Sprach- und Schluckstörungen.
    • Medikamente: Zur Linderung von Schmerzen, Spastik, Fatigue,Blasenstörungen, Depressionen und anderen Symptomen.

Neben den medikamentösen Therapien gibt es auch eine Reihe von nicht-medikamentösen Maßnahmen, die den Verlauf der MS günstig beeinflussen können:

  • Regelmäßige körperliche Aktivität: Sport und Bewegung können dieMuskulatur stärken, die Koordination verbessern und die Fatigue reduzieren.
  • Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse,Vollkornprodukten und Fisch kannEntzündungen reduzieren und das Immunsystem stärken.
  • Vitamin-D-Supplementierung: Ein Vitamin-D-Mangel kann das Risiko fürMS-Schübe erhöhen. Eine Supplementierung mit Vitamin D kann daher sinnvoll sein.
  • Stressmanagement: Stress kann MS-Schübe auslösen. Entspannungstechnikenwie Yoga, Meditation oder autogenes Training können helfen, Stress abzubauen.
  • Selbsthilfegruppen: Der Austausch mit anderen Betroffenen inSelbsthilfegruppen kannMut machen und wertvolle Informationen liefern.

Medikamente in der Entwicklung

Die MS-Forschung ist sehr aktiv, und es werden ständig neue Medikamente und Therapien entwickelt. Ein wichtiger Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung von immunmodulatorischen Substanzen, die das Fortschreiten der Behinderung effektiver unterbinden sollen. Auch die Erforschung der Rolle von T-Zellen und B-Zellen bei der Autoimmunreaktion steht im Fokus. Ziel ist es, die Mechanismen der MS besser zu verstehen und neue Therapieansätze zu entwickeln. Einige Medikamente, die sich derzeit in der Entwicklung oder im Zulassungsverfahren befinden, sind:

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  • Siponimod (BAF-312): Ein orales Medikament, das die Freisetzung von T- und B-Lymphozyten aus den Lymphknoten verhindert. Mayzent ist in der EU seit 01/2020 gegen sekundär progrediente MS zugelassen.
  • Ozanimod: Ein orales Medikament, das als S1P1- und S1P5-Rezeptorantagonist die Freisetzung von T- und B-Lymphozyten aus den Lymphknoten verhindert. OCREVUS ist in der EU seit 05/2020 gegen schubförmige MS zugelassen.
  • Ponesimod: Ein orales Medikament, das die Freisetzung von T- und B-Lymphozyten aus den Lymphknoten verhindert und sich in klinischer Erprobung der Phase III befindet.
  • Immunoglobulin Octagam: Ein intravenös verabreichtes Immunglobulinpräparat, das das Immunsystem modulieren soll.

Leben mit Multipler Sklerose

Die Diagnose MS kann für viele Menschen zunächst eine große Herausforderung darstellen. Es ist wichtig, die Erkrankung anzunehmen und das Leben aktiv mit der MS zu gestalten. Dazu gehört:

  • Sich informieren: Je besser man über die MS informiert ist, desto besser kannman mit der Erkrankung umgehen.
  • Unterstützung suchen: Sprechen Sie mit Familie, Freunden, Ärzten undanderen Betroffenen über Ihre Ängste und Sorgen.
  • Realistische Ziele setzen: Passen Sie Ihre Ziele und Aktivitäten an Ihrekörperlichen Möglichkeiten an.
  • Aktiv bleiben: Körperliche Aktivität und soziale Kontakte sind wichtig für dasWohlbefinden.
  • Sich selbst etwas Gutes tun: Gönnen Sie sich regelmäßigEntspannung undFreude.

Mit der richtigen Therapie und einem positiven Lebensstil können die meisten Menschen mit MS ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben führen.

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