Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die in Deutschland schätzungsweise 250.000 bis 300.000 Menschen betrifft. Die Erkrankung manifestiert sich vor allem bei jungen Erwachsenen zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr, wobei Frauen etwa doppelt so häufig betroffen sind wie Männer. MS ist eine Autoimmunerkrankung, bei der fehlgeleitete Zellen des Immunsystems das Gehirn und Rückenmark angreifen und Entzündungen verursachen, die zu vielfältigen Symptomen und unterschiedlichen Krankheitsverläufen führen können. Obwohl MS unheilbar ist, ermöglichen Fortschritte in der Behandlung den Betroffenen ein weitgehend normales Leben.
Prävalenz und Inzidenz von MS in Deutschland
Die Prävalenz von MS in Deutschland wird auf etwa 0,362 Prozent der gesetzlich Versicherten geschätzt, was bei rund 73,2 Millionen Versicherten etwa 250.000 bis 300.000 Menschen mit MS entspricht. Nimmt man einen ähnlichen Anteil an Privatversicherten an, so ist derzeit mit rund 300.000 Menschen mit MS bundesweit zu rechnen. Ältere Schätzungen von 120.000 Betroffenen gelten als überholt.
Die Inzidenz, also die Anzahl der neu diagnostizierten MS-Fälle pro Jahr, ist ebenfalls steigend. Jährlich werden in Deutschland etwa 15.000 Menschen neu mit MS diagnostiziert, wobei zunehmend mehr Frauen als Männer betroffen sind. Zwischen 2015 und 2022 schwankte die Zahl der neu diagnostizierten MS-Fälle jährlich zwischen 9.507 und 10.633, wobei Frauen konstant etwa 68 % bis 71 % der Fälle ausmachten.
Ursachen für den Anstieg der MS-Prävalenz
Mehrere Faktoren tragen zum Anstieg der MS-Prävalenz bei:
- Bessere Diagnostik: Verbesserte Diagnoseverfahren ermöglichen eine frühere und genauere Diagnose von MS.
- Wirksamere Therapien: Fortschritte in der Behandlung verlängern die Lebenserwartung von MS-Patienten und reduzieren die Krankheitsaktivität.
- Zunahme von Autoimmunerkrankungen: Insgesamt ist eine Zunahme von Autoimmunerkrankungen zu beobachten, die möglicherweise mit einem Rückgang schwerer Infekte einhergeht.
- Vitamin-D-Mangel: Studien deuten auf einen Zusammenhang zwischen niedrigen Vitamin-D-Spiegeln und einem erhöhten MS-Risiko hin.
Symptome und Diagnose von MS
MS wird auch als die "Krankheit der 1000 Gesichter" bezeichnet, da sie sich sehr unterschiedlich manifestieren kann. Typische Symptome sind:
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- Gefühlsstörungen wie Kribbeln oder Taubheitsgefühle
- Lähmungen
- Seh- und Gleichgewichtsstörungen
- Müdigkeit (Fatigue)
- Muskelversteifungen (Spastiken)
- Kognitive Störungen wie Gedächtnis- oder Konzentrationsstörungen
Die Diagnose von MS ist komplex und erfolgt in der Regel durch Ausschluss anderer Erkrankungen. Entscheidend ist der Nachweis von Entzündungsherden an mehreren Stellen im Gehirn oder Rückenmark mittels Magnetresonanztomographie (MRT). Weitere wichtige Untersuchungen sind die Analyse des Nervenwassers (Lumbalpunktion) und Messungen von Sehnerven (VEP) und Nervenbahnen (SEP).
Versorgungssituation von MS-Patienten in Deutschland
Die Versorgung von MS-Patienten in Deutschland hat sich in den letzten Jahren verbessert, es gibt aber weiterhin Defizite. Eine frühe Therapie mit verlaufsmodifizierenden Medikamenten kann den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen und die Krankheitsaktivität reduzieren. Ziel ist es, "no evidence of disease activity" (NEDA) zu erreichen. Allerdings erhält nur gut jeder zweite Patient mit Erstdiagnose im gleichen Jahr eine verlaufsmodifizierende Therapie.
Ein Problem sind Therapieabbrüche. Viele MS-Medikamente müssen lebenslang eingenommen werden, aber Studien zeigen, dass nur etwa jeder dritte Patient die Medikamente über einen Zeitraum von zwei Jahren kontinuierlich einnimmt. Abbruchgründe sind häufig Nebenwirkungen, vermutete oder tatsächliche Unwirksamkeit der Therapie sowie neuropsychologische Symptome wie Depressionen oder Fatigue.
Verbesserungsbedarf besteht auch bei der Behandlung von neuropsychologischen Symptomen, Spastiken und sexuellen Funktionsstörungen. Viele Patienten erhalten keine adäquate Therapie für diese Beschwerden und fühlen sich unzureichend informiert.
Die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) setzt sich für eine hochwertige und flächendeckende Versorgung von MS-Patienten ein. Sie fordert unter anderem die Stärkung der Rechte von Patienten und pflegenden Angehörigen, die Anpassung des Rentensystems zur besseren Absicherung von MS-Erkrankten und mehr geschlechtersensible Forschung.
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Therapieansätze bei Multipler Sklerose
Die Therapie der MS zielt darauf ab, die Symptome zu lindern, die Schubfrequenz zu reduzieren und den Krankheitsverlauf zu verlangsamen. Zu den wichtigsten Therapieansätzen gehören:
- Schubtherapie: Cortison wird eingesetzt, um die Entzündung im Schub zu reduzieren und die Symptome schneller abklingen zu lassen.
- Immuntherapie: Verlaufsmodifizierende Medikamente beeinflussen das Immunsystem, um die Krankheitsaktivität zu reduzieren. Es gibt mittlerweile gut 20 Immuntherapie-Mittel, die individuell auf den Patienten abgestimmt werden können.
- Symptomatische Therapie: Medikamente und andere Maßnahmen werden eingesetzt, um spezifische Symptome wie Spastiken, Fatigue oder Schmerzen zu behandeln.
- Nicht-medikamentöse Therapie: Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Sport und Bewegung, gesunde Ernährung und der Verzicht auf Rauchen können den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen.
Die Rolle von Forschung und Innovation
Die Forschung spielt eine entscheidende Rolle bei der Verbesserung der Versorgung von MS-Patienten. Aktuelle Forschungsprojekte konzentrieren sich auf die Entwicklung neuer Medikamente, die Identifizierung von Risikofaktoren und die Verbesserung der Diagnostik und Therapie. Ein Beispiel ist das Projekt CLAIMS, das eine KI-gestützte Online-Plattform entwickeln will, um den Verlauf der MS individuell vorherzusagen und die beste Therapie festzulegen.
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