Die Frage, ob ein Arbeitgeber über die Epilepsie eines Mitarbeiters informiert werden muss, ist komplex und vielschichtig. Dieser Artikel beleuchtet die rechtlichen Aspekte, die Pflichten des Arbeitgebers und die Möglichkeiten, wie betroffene Arbeitnehmer ihren Arbeitsalltag gestalten können.
Wann besteht eine Mitteilungspflicht?
Grundsätzlich gilt, dass die Gesundheit Privatsache ist. Arbeitnehmer sind nur in wenigen Fällen verpflichtet, ihren Arbeitgeber über chronische Erkrankungen wie Epilepsie zu informieren. Eine Offenlegung ist dann notwendig, wenn die Erkrankung die Eignung für die Tätigkeit massiv beeinträchtigt und die Auswirkungen nicht durch Hilfsmittel behoben werden können.
Beispiele:
- Ein Mitarbeiter, der im Betrieb Fahrertätigkeiten ausübt und unter epileptischen Anfällen leidet, muss den Arbeitgeber informieren.
- Ein Mitarbeiter, dessen Epilepsie trotz Behandlung Konzentrationsstörungen verursacht, die seine Arbeitsleistung beeinträchtigen.
- Ein Programmierer mit häufigen, unbemerkten fokalen Anfällen, die zu Fehleingaben führen.
Im Vorstellungsgespräch sind allgemeine Fragen zur Gesundheit unzulässig. Werden sie dennoch gestellt, dürfen Bewerber schweigen oder sogar lügen. Auch bei einer Einstellungsuntersuchung darf es nur darum gehen, die Eignung für die konkrete Tätigkeit festzustellen.
Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber trägt die Verantwortung für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz seiner Mitarbeiter. Diese Fürsorgepflicht ergibt sich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB § 618), dem Handelsgesetzbuch (HGB § 62) und dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG § 3 Abs. 1).
Konkret bedeutet das:
- Der Arbeitgeber muss die Beschäftigten vor Gefahren für Leben und Gesundheit schützen.
- Er muss Gefahrenquellen in seinem Verantwortungsbereich beseitigen oder zumindest die erforderlichen Schutzmaßnahmen ergreifen.
- Er muss sicherstellen, dass keine Schutzmaßnahmen zur Gefahrenabwehr getroffen werden oder Unkenntnis bzw. mangelnde Qualifikation bei den Aufsichtsführenden und Beschäftigten vorliegt.
Im Falle eines Mitarbeiters mit Epilepsie bedeutet dies, dass der Arbeitgeber eine Gefährdungsbeurteilung durchführen und Schutzmaßnahmen ergreifen muss, um anfallsbedingte Gefährdungen zu minimieren.
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Dazu gehören:
- Technische Maßnahmen wie Lichtschranken und Abdeckhauben an Maschinen.
- Organisatorische Maßnahmen wie der zeitlich befristete Einsatz an einem weniger gefährlichen Arbeitsplatz.
- Die Anpassung des Arbeitsplatzes mit Hilfsmitteln.
Die Verkehrssicherungspflicht und Garantenstellung
Der Arbeitgeber hat eine Verkehrssicherungspflicht, die sich aus Urteilen der Rechtsprechung zu den §§ 823 ff BGB ableitet. Diese Pflicht beinhaltet, dass er alle notwendigen Maßnahmen ergreifen muss, um Schäden von seinen Mitarbeitern und Dritten abzuwenden.
Darüber hinaus hat der Arbeitgeber eine Garantenstellung, die sich aus dem Strafgesetzbuch (StGB § 13 ff) ergibt. Diese beinhaltet die Pflicht zu handeln, um seine Beschäftigten und Dritte vor Gefahren zu schützen.
Wichtig: Die Fahrten von und zur Arbeit liegen in der Eigenverantwortung des Arbeitnehmers. Allerdings entsteht ein Problem, wenn die An- und Abfahrt zur Arbeitsstelle berufsgenossenschaftlich abgesichert sind.
Offenheit als Chance
Trotz der rechtlichen Rahmenbedingungen kann ein offener Umgang mit Epilepsie im Job viele Vorteile haben. Wer Einschränkungen thematisiert, vergibt die Chance, sich das Arbeitsleben zu erleichtern. Oft kann der Arbeitsplatz mit Hilfsmitteln angepasst werden.
Hilfreiche Fragen:
- Wie geht das Unternehmen generell mit Krankheiten um?
- Hört der Vorgesetzte zu und macht er Mut?
- Kann man im Team gut andere um Hilfe bitten?
- Benötigt man Hilfsmittel?
Unterstützung bekommen Betroffene beim Betriebs- oder Personalrat, bei Gewerkschaften, Sozialverbänden und Selbsthilfegruppen.
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Berufliche Beurteilung bei Epilepsie
Die DGUV Information 250-001 - "Berufliche Beurteilung bei Epilepsie und nach erstem epileptischen Anfall" bietet eine Einschätzung des Gefährdungsrisikos nach Anfallsart. Die Symptome werden dabei in verschiedene Kategorien eingeteilt.
Wichtige Aspekte:
- Art und Häufigkeit der Anfälle
- Wirkung der Medikamente
- Beruf und Arbeitsplatz
- Eigen- und Fremdgefährdung
Arbeitsunfähigkeit und Erwerbsminderung
Eine Epilepsie und ihre Behandlung kann eine längere Arbeitsunfähigkeit mit sich bringen. Wer wegen Epilepsie nur noch unter 6 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten kann, gilt als teilweise erwerbsgemindert, sind es unter 3 Stunden ist es eine volle Erwerbsminderung. Dann kann ggf. eine Erwerbsminderungsrente das Arbeitseinkommen ersetzen oder ergänzen.
Arbeitsassistenz und Lohnkostenzuschüsse
Arbeitsassistenz kann Menschen mit Epilepsie eine Berufstätigkeit in Anstellung oder Selbstständigkeit ermöglichen. Arbeitsassistenz setzt voraus, dass der Mensch mit Epilepsie der Kernarbeit selbst nachgehen kann und nur für Hilfsarbeiten Assistenz braucht. Lohnkostenzuschüsse können Beschäftigten helfen, die für die gleiche Arbeit mehr Zeit benötigen als andere.
Epilepsie am Bildschirmarbeitsplatz
Personen mit Epilepsie sind an Bildschirmarbeitsplätzen einsetzbar, da im Allgemeinen keine Selbst- oder Fremdgefährdung durch Anfälle besteht. Allerdings kann bei Personen mit Fotosensibilität ein erhöhtes Risiko für die Auslösung von Anfällen bestehen. In diesem Fall sollte eine Untersuchung durch einen Facharzt für Neurologie durchgeführt werden.
Was tun bei einem epileptischen Anfall am Arbeitsplatz?
- Den Anfall beobachten und die Anfallsdauer erfassen.
- Bei einem Sturzanfall den Kopf schützen und weich lagern.
- Nach Abklingen der Krämpfe die Person in die stabile Seitenlage bringen.
- Den Rettungsdienst (112) rufen, wenn der Anfall länger als fünf Minuten dauert, sich der Anfall im Abstand von weniger als einer Stunde wiederholt oder das Bewusstsein nicht wieder erlangt wird.
Ausbildung und Umschulung
Mögliche epilepsiebedingte Gefährdungen am Ausbildungsplatz sollten schon bei der Berufswahl bedacht werden. Bei stabiler, mehr als ein Jahr anhaltender Anfallsfreiheit kann erwogen werden, auch Berufe mit mittleren Gefährdungen zu ergreifen. Wenn keine Anfallsfreiheit erreicht wird, ist es oft schwierig, einen Ausbildungsplatz zu bekommen.
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