Taubheitsgefühl nach Hüft-OP: Ursachen, Diagnose und Behandlung

Ein Taubheitsgefühl im Oberschenkel nach einer Hüftoperation (Hüft-TEP) kann für Betroffene sehr belastend sein. Es handelt sich dabei um ein neurologisches Beschwerdebild, das durch verschiedene Ursachen ausgelöst werden kann und ein Gefühl der Taubheit, des Kribbelns oder des "Einschlafens" im Bereich des Oberschenkels hervorruft. Dieser Artikel beleuchtet die möglichen Ursachen für ein solches Taubheitsgefühl nach einer Hüft-OP, die diagnostischen Maßnahmen und die verschiedenen Behandlungsansätze.

Mögliche Ursachen für Taubheitsgefühle nach Hüft-TEP

Die Ursachen für Taubheitsgefühle nach einer Hüft-TEP können vielfältig sein und lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen:

1. Direkte (intrinsische) Ursachen:

  • Nervenschädigung während der Operation: Dies ist eine der häufigsten Ursachen. Während des Eingriffs kann es zu einer direkten Schädigung, Quetschung, Überdehnung oder Irritation von Nerven kommen, die das Bein versorgen. Betroffen sein können insbesondere der Nervus femoralis (Oberschenkelnerv), der Nervus ischiadicus (Ischiasnerv) oder der Nervus cutaneus femoris lateralis (seitlicher Oberschenkelhautnerv). Die Inzidenz iatrogener Nervenschädigungen wird mit ca. 0,2-3,7 % angegeben.
  • Narbenbildung und Vernarbungen: Vorbestehende Narbenbildungen oder solche, die im Rahmen der Operation entstehen, können Druck auf Nerven ausüben und so Taubheitsgefühle verursachen.
  • Hämatome: Ein sich bildendes Hämatom (Bluterguss) im Operationsgebiet kann auf Nerven drücken und diese komprimieren.
  • Fehlpositionierung von Retraktoren: Bei der Operation werden Retraktoren eingesetzt, um Gewebe beiseitezuhalten. Werden diese falsch positioniert, können sie Nerven komprimieren, insbesondere den N. femoralis am vorderen Pfannenrand.
  • Knochenzement-Extrusion: Austretender Knochenzement kann ins kleine Becken gelangen und dort Kompressionsschäden der Nn. femoralis et obturatorius verursachen.
  • Implantatbedingte Ursachen: Schrauben zur Pfannenverankerung können den N. ischiadicus schädigen. Auch eine fehlerhafte Anpassung des Schaftimplantats an den Knochen ("Knochen-Prothesen-Mismatch") kann zu persistierenden Oberschenkelschmerzen führen.
  • Psoas-Impingement: Eine Reizung des Hüftbeugemuskels (M. psoas) kann durch eine überstehende Pfannenkomponente der Prothese verursacht werden.
  • Infektion: Eine Infektion im Bereich des Hüftgelenks kann ebenfalls zu Nervenirritationen und somit zu Taubheitsgefühlen führen.

2. Indirekte (extrinsische) Ursachen:

  • Erkrankungen der Wirbelsäule: Probleme im Bereich der Lendenwirbelsäule, wie z.B. ein Bandscheibenvorfall, können Nervenwurzeln komprimieren und Taubheitsgefühle im Bein verursachen.
  • Metabolische Ursachen: Stoffwechselstörungen wie Diabetes oder ein Vitamin-B12-Mangel können Neuropathien verursachen, die sich durch Taubheitsgefühle äußern.
  • Periphere Neuropathie: Schädigung peripherer Nerven durch andere Erkrankungen oder Medikamente.
  • Leistenhernie: Eine Leistenhernie kann auf Nerven drücken und Taubheitsgefühle verursachen.
  • Psychosomatische Ursachen: In seltenen Fällen können psychosomatische Faktoren eine Rolle spielen.
  • Muskelverhärtungen: Verhärtete Muskeln im Bereich des Oberschenkels, Unterschenkels, der Leiste oder der Lendenwirbelsäule können auf sensible Nerven drücken.

Diagnostik bei Taubheitsgefühlen nach Hüft-TEP

Eine sorgfältige Diagnostik ist entscheidend, um die Ursache des Taubheitsgefühls zu ermitteln und eine geeignete Behandlung einzuleiten. Folgende Maßnahmen können dabei zum Einsatz kommen:

  • Anamnese: Eine ausführliche Befragung des Patienten zu seinen Beschwerden, Vorerkrankungen, Medikamenteneinnahme und dem Operationsverlauf.
  • Körperliche Untersuchung: Beurteilung der Sensibilität, Motorik und Reflexe im Bein, um das betroffene Nervengebiet einzugrenzen.
  • Röntgenaufnahmen: Zum Ausschluss von Frakturen, Prothesenlockerung oder anderen knöchernen Ursachen.
  • Computertomographie (CT): Zur Beurteilung der Prothesenposition und zum Ausschluss von knöchernen Überhängen oder Zement-Extrusion.
  • Magnetresonanztomographie (MRT): Zur Darstellung von Weichteilstrukturen wie Muskeln, Nerven, Hämatomen oder Tumoren. Auch lassen sich Rückschlüsse auf das Ausmaß der Nervenschädigung durch die Denervierungszeichen der Muskulatur ziehen.
  • Ultraschall (Sonographie): Zur Detektion von Hämatomen und zur Beurteilung des Nervs.
  • Elektrophysiologische Untersuchungen (Nervenleitgeschwindigkeit): Zur Messung der Nervenleitgeschwindigkeit und zur Beurteilung der Nervenfunktion.
  • Gelenkpunktion: Bei Verdacht auf eine Infektion zur Gewinnung von Gelenkflüssigkeit für eine Laboranalyse.
  • Neurologische Konsultation: Bei unklarer Ätiologie der neurologischen Störung.

Behandlung von Taubheitsgefühlen nach Hüft-TEP

Die Behandlung richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache. Folgende Therapieansätze können in Betracht gezogen werden:

1. Konservative Behandlung:

  • Schmerzmittel: Zur Linderung von Schmerzen, oft in Kombination mit entzündungshemmenden Medikamenten wie Diclofenac oder Ibuprofen. Bei neuropathischen Schmerzen können Antidepressiva (z. B. Amitriptylin) und/oder Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmeinhibitoren (z. B. Gabapentin) eingesetzt werden.
  • Physiotherapie: Zur Verbesserung der Muskelkraft, Koordination und Beweglichkeit. Bei einem Psoas-Impingement kann Physiotherapie helfen, die Sehne zu entlasten.
  • Lokale Injektionen: Injektion von Kortikosteroiden in den Bereich des betroffenen Nervs oder Muskels zur Reduktion von Entzündungen und Schmerzen.
  • Orale Vitamin B12-Substitution: Bei einem Vitamin-B12-Mangel.

2. Operative Behandlung:

  • Neurolyse: Bei einer Nervenkompression kann eine operative Freilegung des Nervs (Neurolyse) in Erwägung gezogen werden, um den Druck zu reduzieren. Dies sollte bei frustraner konservativer Therapie von 6-12 Wochen diskutiert werden.
  • Revisionseingriff: Bei einer Prothesenlockerung, einem Knochen-Prothesen-Mismatch oder einer Zement-Extrusion kann ein erneuter Eingriff erforderlich sein, um die Prothese zu korrigieren oder zu entfernen.
  • Hüftarthroskopie: Bei einem Psoas-Impingement kann im Rahmen einer Hüftarthroskopie die Psoassehne ausgedünnt oder knöcherne Vorsprünge abgetragen werden.
  • Nervennaht: Bei einer kompletten Durchtrennung eines Nervens muss die Primärnaht (evtl. durch Hinzuziehung eines Neurochirurgen) innerhalb von 24 Stunden angestrebt werden.
  • Bandscheibenoperation: Bei einem Bandscheibenvorfall als Ursache der Beschwerden.

Prognose

Die Prognose für die Besserung von Taubheitsgefühlen nach einer Hüft-TEP hängt von der Ursache und dem Ausmaß der Nervenschädigung ab. In vielen Fällen bessern sich die Beschwerden im Laufe der Zeit von selbst oder durch konservative Maßnahmen. Bei schwerwiegenden Nervenschädigungen oder wenn konservative Behandlungen nicht erfolgreich sind, kann eine Operation erforderlich sein. Es ist wichtig, frühzeitig einen Arzt aufzusuchen, um die Ursache der Beschwerden abzuklären und eine geeignete Therapie einzuleiten.

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