Ein Schlaganfall kann das Leben eines Menschen von einem Moment auf den anderen verändern. Plötzlich auftretende Sprachstörungen, sogenannte Aphasien, sind eine häufige Folge. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte der Sprachtherapie nach einem Schlaganfall, von den ersten Anzeichen und Behandlungsmöglichkeiten bis hin zu langfristigen Rehabilitationsstrategien und innovativen Technologien.
Was passiert bei einem Schlaganfall im Gehirn?
Ein Schlaganfall entsteht, wenn die Blutversorgung des Gehirns unterbrochen wird, entweder durch ein verstopftes Gefäß oder eine Blutung. Dies führt dazu, dass Gehirnzellen nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden und absterben. Die Folgen eines Schlaganfalls sind vielfältig und hängen davon ab, welche Hirnregionen betroffen sind und wie stark die Schädigung ist.
Da ein Schlaganfall zumeist plötzlich und ohne deutliche Ankündigungen auftritt, kommt die Hilfe manchmal zu spät. Die Folgen die dabei für das Gehirn auftreten, sind je nach Person unterschiedlich. Das hängt davon ab, in welcher Region und in welchem Umfang Gehirnzellen abgestorben sind, es also zu einer Unterversorgung mit Sauerstoff gekommen ist.
Eine häufige Folge ist die Halbseitenlähmung (Hemiparese), bei der eine Körperhälfte gelähmt ist und die Empfindung gestört sein kann. Wenn die linke Hirnhälfte betroffen ist, können Sprachstörungen (Aphasie) auftreten.
Aphasie, Dysarthrie und Dysphagie: Sprachstörungen nach Schlaganfall
Nach einem Schlaganfall können verschiedene Sprachstörungen auftreten, die sich in ihren Symptomen und Auswirkungen unterscheiden:
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- Aphasie: Eine Aphasie ist eine Sprachstörung, die durch eine Schädigung des Sprachzentrums im Gehirn verursacht wird. Je nach Schweregrad der Störung können Betroffene Schwierigkeiten haben, Wörter zu finden, Sätze zu bilden, Sprache zu verstehen oder sogar vollständig die Sprachfähigkeit verlieren. Symptome einer Aphasie sind Wortfindungsstörungen. Dazu zählen auch Wort- oder Buchstabenverwechslungen.
- Dysarthrie: Eine Dysarthrie ist eine Sprechstörung, die durch eine Lähmung oder Schwäche der Sprechmuskulatur verursacht wird. Dies kann zu verlangsamtem, undeutlichem oder verwaschenem Sprechen führen. Anzeichen einer Dysarthrie (also einer Sprechstörung) sind verlangsamtes, undeutliches bzw.
- Dysphagie: Eine Dysphagie ist eine Schluckstörung, die das Schlucken von Nahrung und Flüssigkeiten erschwert. Eine mögliche Schluckstörung (also eine Dysphagie) unmittelbar nach einem Schlaganfall zu behandeln, ist sehr wichtig.
Die Rolle der Logopädie in der Rehabilitation
Die logopädische Therapie spielt eine zentrale Rolle bei der Rehabilitation von Menschen mit Sprachstörungen nach einem Schlaganfall. Ziel der Therapie ist es, die sprachlichen und kommunikativen Fähigkeiten des Betroffenen zu verbessern und ihm zu ermöglichen, wieder am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.
Wie zuvor erwähnt, sollten erste Sprachübungen möglichst kurzfristig nach dem Schlaganfall mit dem Betroffenen durchgeführt werden. Auch während der Regeneration sollten die Patienten bereits sprachlich gefordert, aber auch unterstützt und motiviert werden. Sollten Sprach- oder Sprechstörungen aufgetreten sein, ist eine gezielte logopädische Therapie, nach ein bis zwei Monaten, ratsam. Diese wird speziell und individuell an die Störungen angepasst, um die sprachlichen und kommunikativen Fähigkeiten des Betroffenen zu verbessern. Zunächst erfolgt zumeist eine Übungsphase, anschließend wird versucht, die Erfolge in den Alltag zu integrieren sowie Strategien dafür zu entwickeln.
Ablauf einer logopädischen Therapie
- Diagnostik: Zu Beginn der Therapie steht eine umfassende Diagnostik, um die Art und den Schweregrad der Sprachstörung festzustellen. Um die richtige Therapie für den jeweiligen Patienten zu finden, ist es wichtig und notwendig, die genauen Merkmale und das Ausmaß der Sprachstörung festzustellen. Nur so kann die richtige Therapie gefunden werden. Ausschlaggebend für unseren Therapieansatz und den weiteren Verlauf der Behandlung sind die Art der Aphasie, die Zeitspanne seit Ausbruch der Aphasie, der Schweregrad der Sprachstörung und die Persönlichkeit des Betroffenen.
- Therapieplanung: Basierend auf den Ergebnissen der Diagnostik wird ein individueller Therapieplan erstellt, der auf die spezifischen Bedürfnisse und Ziele des Patienten zugeschnitten ist.
- Übungsphase: In der Übungsphase werden verschiedene Techniken und Übungen eingesetzt, um die sprachlichen Fähigkeiten des Patienten zu verbessern. Dazu können Wortfindungsübungen, Satzbauübungen, Artikulationsübungen und Übungen zum Sprachverständnis gehören.
- Integration in den Alltag: Ziel der Therapie ist es, die erlernten Fähigkeiten in den Alltag zu integrieren. Dabei werden Strategien entwickelt, um Kommunikationsbarrieren zu überwinden und die Kommunikation mit anderen Menschen zu erleichtern.
- Häusliche Übungen und Kommunikationsgruppen: In der Konsolidierungsphase gilt es, die erarbeiteten Therapieinhalte zu festigen und in den Alltag zu integrieren. Dies geschieht oft durch häusliche Übungen oder auch Kommunikationsgruppen. In diesen Gruppen werden z. B.
Frühzeitiger Therapiebeginn und Aktivierungsphase
Zeit ist der größte Feind nach dem Auftreten eines Schlaganfalls. Eine Behandlung und medizinische Versorgung müssen möglichst zeitnah erfolgen, um langfristige Folgen so gering wie möglich zu halten. Ansonsten sterben Gehirnzellen ab und können vom Körper nicht wieder vollständig hergestellt werden. Dadurch kommt es zu irreversiblen Schädigungen des Gehirns, die dazu führen können, dass von dem Betroffenen einfachste alltägliche Aufgaben nicht länger selbstständig durchgeführt werden können. Auch mit Sprachübungen sollte nach Stabilisation des Zustandes unmittelbar begonnen werden.
Während des Aufenthaltes auf der Wachstation im Krankenhaus sollte der Betroffene unterstützt, motiviert und sprachlich gefordert werden. In dieser sogenannten Aktivierungsphase sollte der Patient so stimuliert werden, dass das Sprachverständnis für alltägliche Situationen verbessert wird und bereits jetzt zu sprachlichen Äußerungen angeregt wird. Diese Übungsphase geht in die sich anschließende Konsolidierungsphase über.
Bedeutung der Angehörigen
Die Angehörigen spielen eine wichtige Rolle im Rehabilitationsprozess. Sie können den Patienten zu Hause unterstützen, indem sie gemeinsam Sprach- oder Sprechübungen, Schreib- oder Rechenübungen und lautes Lesen durchführen. Sehr hilfreich ist es, wenn Angehörige mit Ihnen zu Hause - nach den Anleitungen des Logopäden - Sprach- oder Sprechübungen, Schreib- oder Rechenübungen und lautes Lesen durchführen.
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Die Angehörigen nehmen in der Sprachtherapie eine sehr wichtige Rolle ein. Denn einerseits bieten sie oft die Voraussetzung dafür, dass die Patienten überhaupt in die ambulante Therapie kommen können. Andererseits sind die Angehörigen auch wichtige für die Zusammenarbeit mit den Therapeuten. Ferner sind Angaben der Angehörigen über die Kommunikation des Patienten im Alltag für uns Therapeuten sehr wichtig.
Es ist wichtig, dass Angehörige verstehen, dass die kognitive Leistungsfähigkeit des Patienten oft nicht beeinträchtigt ist. Ihm Kinderbücher zu bringen oder ihn wie einen geistig Behinderten zu behandeln, ist sicher keine gute Lösung und ist in der Regel auch ein Missverständnis, denn die kognitive Leistungsfähigkeit ist oft nicht beeinträchtigt.
Herausforderungen und langfristige Perspektiven
Da eine Aphasie jedoch teilweise gemeinsam mit einer Störung in der Planung der Sprechvorgänge (Sprechapraxie) auftritt, kann das Ausmaß nicht von Beginn an richtig eingeschätzt werden. Dies führt dazu, dass in schweren Fällen Verbesserungen erst nach einem Jahr sichtbar sind. Manchmal wird eine Aphasie jedoch noch von einer Störung in der Planung der Sprechvorgänge überlagert und das wirkliche Ausmaß der Aphasie kommt erst dann zum Vorschein, nachdem die Sprechapraxie gemildert wurde.
Abschließend sei zu sagen, dass die logopädische Rehabilitation eines Aphasikers nie endet. Die Behandlung all dieser Störungen erfordert von Ihnen sehr viel Geduld, Ausdauer und anhaltende Motivation.
Innovative Technologien in der Sprachtherapie
Neben der klassischen logopädischen Therapie kommen zunehmend innovative Technologien zum Einsatz, um die Rehabilitation zu unterstützen.
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Neolexon Aphasie-App
Die neolexon Aphasie-App ist eine digitale Sprachtherapie für Patienten mit Aphasie und/oder Sprechapraxie. Mit der neolexon Aphasie-App können Sie zusätzlich zu Ihrer Logopädie zu Hause trainieren - und das so viel Sie möchten. Die Übungsinhalte in der App können Sie gemeinsam mit Ihrem Therapeuten bzw. Ihrer Therapeutin auswählen.
Zweckbestimmung: neolexon Aphasie bietet eine digitale Sprachtherapie für Patienten mit Aphasie und/oder Sprechapraxie, die aufgrund einer neurologischen Erkrankung sprachliche Beeinträchtigungen haben. Die digitale Anwendung soll die logopädische Therapie zielgerichtet intensivieren und die sprachlichen Fähigkeiten verbessern. neolexon Aphasie ist nur anwendbar als Ergänzung zur Behandlung beim Logopäden/Sprachtherapeuten.
Um die Aphasie-App für Patient:innen nutzen zu können, müssen Sie in Behandlung eines Logopäden bzw. Die neolexon Aphasie-App ist ein Medizinprodukt und erfüllt somit höchste Qualitäts- und Sicherheitskriterien. Die meisten privaten Krankenversicherungen erstatten die Kosten der neolexon Aphasie-App für Patient:innen. Unsere Mitarbeiter:innen stehen Ihnen für alle Fragen zur Verfügung. Die Wirksamkeit der neolexon Aphasie-App wurde mit Deutschlands größter Therapiestudie bei Aphasie mit 196 Patient:innen nachgewiesen. Nach einer Hirnschädigung, zum Beispiel einem Schlaganfall oder einem Schädel-Hirn-Trauma, kann es zu einer Sprachstörung kommen. Diese Sprachstörung nennt man Aphasie.
DiaTrain-App
Zwei Wissenschaftlerinnen der Hochschule für Gesundheit (hsg) in Bochum haben eine App entwickelt und evaluiert, die ergänzend zur logopädischen Präsenztherapie eingesetzt werden kann. „DiaTrain“ ist auf Basis der Studie „Teletherapie bei Aphasie nach Schlaganfall“ entstanden, die vom europäischen Fond für regionale Entwicklung gefördert wurde. Sie richtet sich speziell an Menschen mit einer Sprach- und Kommunikationsstörung, wie sie beispielsweise nach einem Schlaganfall auftreten kann.Die App enthält kurze strukturierte Videosequenzen von Dialogen in Alltagssituationen, die Patienten über verschiedene Hilfestufen üben können. Die Dialoge finden zum Beispiel in der Bäckerei, beim Arzt oder in der Apotheke statt.Menschen mit einer Sprachstörung können mit der App einfache Dialoge üben. Foto: hsg/Volker WiciokDie Ergebnisse der Studie legen nahe, dass ein hochfrequentes Training mit der App in Kombination mit einer professionellen Sprachtherapie nicht nur die Benenn- und Kommunikationsfähigkeit verbessern, sondern auch einen positiven Einfluss auf das Selbstvertrauen und die Freude am Sprechen haben könne.Die App ist kostenfrei für iOS verfügbar. Drei Dialoge stehen kostenfrei zur Verfügung, weitere 47 sind für 9,99 Euro erhältlich. Da die App nach Angaben der Entwicklerinnen keinen kommerziellen Zwecken dient, fließen die Einnahmen zurück in die Deckung der laufenden Kosten sowie die Kosten für Forschung und Entwicklung.
Sprachtraining durch Zuhören
Musso und Tangermann entwickelten in diesem Grundlagenforschungsprojekt mit ihrem Team ein Sprachtraining, das nicht auf Sprechen, sondern auf Zuhören basiert. Die Teilnehmerinnen hören einen Satz, bei dem ein Wort fehlt. Wie Peter Meier mit dieser Methode seine Sprache nach und nach wiederfand, erläutert seine behandelnde Ärztin. In seiner Behandlungskabine bekam der Patient eine Kappe aufgesetzt, mit der seine Gehirnströme per Elektro-Enzephalogramm (EEG) gemessen wurden. Während dieser für ihn völlig schmerzfreien Anwendung wurden ihm unvollständige Sätze vorgespielt und danach unterschiedliche Wörter in schneller Abfolge vorgeschlagen. Mit Algorithmen des maschinellen Lernens wird dabei in Echtzeit unterschieden, welche EEG-Signale beim Zuhören durch das Zielwort oder aber durch die ablenkenden Worte ausgelöst werden. Ob es das richtige Wort war, wurde über die Gehirnsignale ausgelesen, während der Patient den abgespielten Worten zuhörte. Im Gegensatz zu anderen existierenden Sprachtrainingsansätzen ist das anschließende Aussprechen der Worte nicht nötig. „Möglich ist das, weil beim Hören und Vorstellen eines Wortes die gleichen Hirnareale aktiviert werden wie beim Sprechen selbst", erklärt Musso. Direkt im Anschluss an die abgespielten Worte bekommen die Patientinnen eine Rückmeldung auf Grundlage der EEG-Signale. „So erfahren sie sofort, wie gut sie die Aufgabe absolviert haben. Dadurch entwickeln sie eine erfolgreiche Strategie, um sich auf das richtige Wort zu konzentrieren, und können diese Strategie dann auch im Alltag benutzen“, erklärt Musso. Gemeinsam mit Meier hat sie dank der EEG-Aktivierung herausgefunden, welche Strategie ihm beim Erkennen des richtigen Worts geholfen hat. „Bei mir hat es am besten geklappt, wenn ich mir die Wörter bildlich vorgestellt habe“, sagt Meier. Musso und Professor Dr. Cornelius Weiller, Ärztlicher Direktor der Klinik für Neurologie und Neurophysiologie, sind sehr zufrieden mit dem Verlauf des mehrwöchigen Trainings bei Meier. In Ergänzung zur konventionellen logopädischen Therapie hat sich seine Spontansprache erheblich verbessert und die Aphasie trat in den Hintergrund. Deutsch als seine Muttersprache und Englisch als Fremdsprache versteht Meier in gewohnter Geschwindigkeit.
Nach konventioneller Sprachtherapie hatte sich seine Sprache schon verbessert, aber heute kann Meier dank der Aufnahme in die „Pilotstudie Aphasie“, einem Training zur Verbesserung der Sprachfähigkeit, wieder auch schwierigere Sätze bilden. „Ich bin sehr dankbar dafür, auch wenn ich im Gegensatz zu früher im Kopf genau vorformulieren muss, was ich aussprechen möchte“, sagt der heute 46-Jährige. Entwickelt wurde die neuartige Rehabilitationsmethode für Sprachproduktionsstörungen von der Neurologin Dr. Mariachristina Musso, Fachärztin an der Klinik für Neurologie und Neurophysiologie des Universitätsklinikums Freiburg, und dem Informatiker Dr. Michael Tangermann vom Institut für Informatik an der Albert- Ludwigs-Universität Freiburg.
Fazit
Die Sprachtherapie nach einem Schlaganfall ist ein komplexer und langwieriger Prozess, der Geduld, Ausdauer und Motivation erfordert. Mit einer frühzeitigen und gezielten Therapie, der Unterstützung von Angehörigen und dem Einsatz innovativer Technologien können Menschen mit Aphasie, Dysarthrie oder Dysphagie jedoch ihre sprachlichen Fähigkeiten verbessern und ein selbstbestimmtes Leben führen. Die logopädische Rehabilitation eines Aphasikers endet nie vollständig, aber die Fortschritte, die erzielt werden können, sind von unschätzbarem Wert.
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