Der Nachtschreck, auch Pavor Nocturnus genannt, ist eine Schlafstörung, die vor allem bei Kindern im Alter zwischen zwei und sechs Jahren auftritt. In der Regel ist der Nachtschreck harmlos und verschwindet von selbst wieder. Allerdings sollten Eltern hellhörig werden, wenn der Nachtschreck häufig auftritt oder das Kind stark belastet. In solchen Fällen sollte auch eine mögliche Erkrankung wie Epilepsie ausgeschlossen werden.
Was ist ein Nachtschreck?
Beim Nachtschreck schreckt das Kind plötzlich aus dem Tiefschlaf heraus auf und bekommt Panik. Auch wenn es die Augen offen hält, ist es nicht ansprechbar, weil es nicht wirklich wach ist. Dieser Zustand kann mit dem Schlafwandeln verglichen werden - die Kinder sind aktiv, ohne aber wach und orientiert zu sein. Meist tritt der Nachtschreck in der ersten Nachthälfte auf und ist nach fünf bis fünfzehn Minuten vorbei. Danach schläft das Kind weiter und kann sich höchstwahrscheinlich gar nicht an den Schrecken erinnern.
Symptome des Nachtschreck
- Plötzliches Aufschrecken aus dem Tiefschlaf
- Panik und Angst
- Weit geöffnete Augen
- Nicht ansprechbar sein
- Unverständliches Sprechen
- Um sich schlagen oder treten
- Schnelle Atmung und Herzschlag
- Schweißausbrüche
Ursachen des Nachtschreck
Die genaue Ursache für den Nachtschreck ist nicht bekannt. Vermutlich kommt es beim Übergang vom Tiefschlaf in den Leichtschlaf zu einer Störung. Das wiederum wird darauf zurückgeführt, dass bei Kindern das Nervensystem noch nicht voll entwickelt ist.
Mögliche Auslöser für den Nachtschreck
- Stress
- Veränderungen im Alltag oder in der Wohnumgebung
- Schlafmangel
- Fieber
- Bestimmte Medikamente
- Überreizung
Unterscheidung zwischen Nachtschreck und Albtraum
Es ist nicht immer einfach, den Nachtschreck von einem Albtraum zu unterscheiden. Beide haben mit Angst und Erschrecken zu tun. Allerdings treten Albträume meist eher gegen Ende der Nacht auf (da dort der Traumschlafanteil zunimmt) und der Nachtschreck meist in der ersten Nachthälfte. Auch können sich Kinder oft an Albträume erinnern - direkt danach oder auch am nächsten Morgen.
Beim Albtraum wachen Kinder meist von selbst auf oder sie sind leicht zu wecken - das sollte man als Elternteil dann ruhig auch versuchen und dem Kind mit tröstenden Worten erklären, dass es in Sicherheit ist und alles nur ein Traum war. Beim Nachtschreck merkst du als Bezugsperson schnell, dass sich das Kind nicht wecken lässt und sollte dies dann auch nicht versuchen, sondern einfach da sein und ebenfalls mit beruhigenden Worten Sicherheit vermitteln. Nach einem Albtraum tut eine Kuscheleinheit meistens gut - beim Nachtschreck ist das nicht unbedingt so. Versuche einfach, ob dein Kind in den Arm genommen werden möchte. Es kann aber sein, dass es vor lauter Anspannung um sich schlägt oder dich wegdrückt.
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Nachtschreck und Epilepsie
Eltern sollten mit einem Kinderarzt sprechen, wenn der Nachtschreck mindestens einmal pro Woche oder häufiger auftritt und/oder das Kind sehr stark belastet. Dann sollten auch mögliche Erkrankungen wie z.B. Epilepsie ausgeschlossen werden.
Schlaf und epileptische Aktivität beeinflussen sich gegenseitig. Die Epilepsie kann Ursache der Schlafstörungen sein durch Störung der Schlafarchitektur über die postiktale Phase hinaus. Es resultieren Tagesmüdigkeit und Gedächtnisstörungen. Das Durchlaufen der Schlafstadien ist für die Konsolidierung der Gedächtnisinhalte wichtig. Andererseits verschlechtern Schlafstörungen die Häufigkeit epileptischer Anfälle.
Nokturnale Epilepsie
Zu den Epilepsien, die sich schlafgebunden manifestieren, gehören unter anderem nokturnale Frontallappenanfälle. Diese können zum Beispiel als Folge von Migrationsstörungen und FCD mit hypermotorischen Anfällen auftreten. Auch genetische Epilepsien wie Aufwach-Grand mal treten schlafassoziiert auf.
Schlafstörungen und Tagesmüdigkeit können somit primär auf eine Epilepsie als Ursache hindeuten und sind nicht nur eine sekundäre Differenzialdiagnose von Bewegungsstörungen im Schlaf.
Rolando-Epilepsie
Eine bei Kindern häufige Form der Epilepsie ist die Rolando-Epilepsie, bei der die Anfälle vornehmlich im Schlaf auftreten. Die Rolando-Epilepsie (RE) ist die häufigste Epilepsie-Form im Kindesalter. Sie tritt zwischen dem 3. und 13. Lebensjahr auf, am häufigsten in den ersten Schuljahren. Charakteristisch für die RE sind nächtliche Anfälle beim Schlafen - entweder nachts kurz vor dem Einschlafen oder morgens beim Aufwachen. Die epileptischen Anfälle zeichnen sich durch ungewöhnliche Empfindungen im Gesichtsbereich (Kribbeln, Taubheit, Verspannungen) und Sprachschwierigkeiten aus. Kinder mit Rolando-Epilepsie zeigen im Elektroenzephalogramm (EEG) oft auffällige zentrotemporale Spitzen, die dieser Erkrankung ihren Namen geben.
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Symptome der Rolando-Epilepsie
Bei Kleinkindern umfassen die epileptischen Anfälle den gesamten Körper: Gesicht, Arme, Beine verkrampfen sich und zucken. Doch auch Halbseitenkrämpfe können auftreten, bei denen nur eine Körperhälfte von Verkrampfungen und Muskelzuckungen betroffen ist. Anschließend sind diese Körperbereiche kurzzeitig gelähmt. Im Schulalter äußert sich die Rolando-Epilepsie eher durch Kribbeln oder Taubheit im Gesicht. Meistens beginnen die Anfälle am Mundwinkel und werden von Würgen, Lallen und vermehrtem Speichelfluss begleitet. Es kommt zu Krampfanfällen, was die Muskulatur im Schlund- und Kehlkopfbereich kurzfristig schwächt.
Diese Symptome sind besonders belastend für betroffene Kinder und ihre Familien. Nach dem Anfall leiden die Kinder oft minutenlang unter der Unfähigkeit zu sprechen, obwohl sie bei Bewusstsein sind. Viele Kinderärzte und Eltern berichten davon, wie beklemmend und bedrohlich Kinder diesen Zustand erleben: Häufig suchen sie nachts die Nähe ihrer Eltern und zeigen verängstigt auf ihren Mund. Außerstande, klar zu sprechen, können sie nur unverständliche Geräusche (Lallen, Würgen, Stöhnen) hervorbringen. Wie häufig und intensiv diese Epilepsie-Anfälle bei der benignen fokalen Epilepsie der Kindheit (BFKC) ausfallen, unterscheidet sich von Kind zu Kind.
Ursachen der Rolando-Epilepsie
Die genauen Ursachen für die Rolando-Epilepsie sind nicht vollständig geklärt. Vermutlich spielen Erbfaktoren sowie die natürlichen Reifungsvorgänge des Gehirns eine Rolle, da die Anfälle häufig mit Beginn der Pubertät von selbst enden. Laut Fachmedizin liegt bei Epilepsie-Kindern häufig auch eine ADHS vor. Die genauen Gründe dafür sind nicht geklärt, vermutlich haben beide Störungen eine gemeinsame genetische Basis. Ca. 10-40 % der Menschen mit ASS (Autismus-Spektrums-Störung) haben - abhängig von der ASS-Form - auch Epilepsie. Und Menschen mit Epilepsie haben wiederum ein höheres Risiko, Autismus zu entwickeln.
Diagnose von Epilepsie
Zur Abklärung von Epilepsie kann eine sogenannte Polysomnografie in einem Schlaflabor sinnvoll sein: Der Betroffene verbringt die Nacht im Schlaflabor. Während des Schlafes ist er mit Messgeräten verbunden, die Parameter wie Hirnströme, Herzfrequenz, Atmung sowie Sauerstoffsättigung und Kohlendioxidkonzentration im Blut messen. Per Videoüberwachung werden zudem Augenbewegungen und andere Bewegungen im Schlaf aufgezeichnet. Die Daten liefern Informationen über wichtige Körperfunktionen im Schlaf (wie Hirn- und Herzaktivität) sowie zum persönlichen Schlafprofil des Betroffenen. Ergibt die Untersuchung Hinweise auf nächtliche epileptische Anfälle wird der Betroffene an ein Epilepsiezentrum überwiesen.
Therapie der Rolando-Epilepsie
Nicht jedes Kind mit Rolando-Epilepsie benötigt Medikamente. Wenn die nächtlichen Anfälle nur selten vorkommen und das Kind nicht darunter leidet, ist eine medikamentöse Behandlung unnötig. Diese Entscheidung sollte jedoch in Absprache mit dem behandelnden Arzt und den Eltern getroffen werden. Dabei ist es wichtig, auch das Kind selbst zu befragen, um zu erfahren, wie es selbst die Anfälle wahrnimmt und es Angst vor ihnen hat. Sinnvoll ist dagegen immer eine intensive Förderung und spezielle Unterstützung der betroffenen Kinder, um Entwicklungsauffälligkeiten (= Teilbereichsstörung) rechtzeitig zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken. Z. B. kann ein Epilepsie-Hund Sicherheit und Hilfe bieten.
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Was tun bei einem Nachtschreck?
Auch wenn das Kind nicht ansprechbar ist, sollten Eltern es während des Nachtschrecks begleiten. Rede deinem Kind zwischendurch gut zu, teste, ob es gestreichelt oder im Arm gehalten werden mag oder bleibe einfach neben ihm. Versuche, möglichst viel Sicherheit und Entspannung auszustrahlen. Verzichte auf Versuche, dein Kind zu wecken. Das hat meist nur zur Folge, dass das Kind sehr ängstlich, verwirrt oder aggressiv reagiert. Spende einfach Nähe und achte darauf, dass dein Kind sich nicht durch unkontrollierte Bewegungen verletzt.
Maßnahmen zur Vorbeugung eines Nachtschrecks
- Für genügend Schlaf sorgen
- Überreizung vermeiden: Babys und Kleinkinder bis zwei Jahre sollten nicht fernsehen oder Computer spielen, Kinder zwischen zwei und sechs Jahren nicht mehr als ca. 30 Minuten am Tag.
- Achte darauf, dass der Alltag deines Kindes nicht zu stressig ist und genügend Phasen zur Erholung und zum freien Spiel beinhaltet.
- Ein ruhiges, Einschlafritual mit viel Kuscheln, einem Gespräch über das, was das Kind am Tag erlebt hat und entspannender Musik oder Geschichten.
- Mit dem Kind Entspannungstechniken vor dem Einschlafen nutzen, z.B. Progressive Muskelentspannung oder Autogenes Training (dazu gibt es entsprechende Bücher und CDs speziell für die Nutzung mit Kindern)
- Eine entspannende Massage vor dem Schlafengehen, am besten mit Mandelöl (bei Kindern ab zwei Jahren kann man 1-2 Tropfen naturreines Lavendelöl beimischen).
- Du kannst dich in der Apotheke auch nach einem für dein Kind geeignetem beruhigenden Tee erkundigen. Da aber auch Pflanzen medizinisch wirken, solltest du diesen nur kurzzeitig nutzen. Beruhigende Pflanzenauszüge findet man außerdem in den Calmedoron Globuli von Weleda sowie in Bryophyllum Pulver 50%. Auch diese Mittel sollte man nicht dauerhaft geben und ihre Unbedenklichkeit für das eigene Kind sicherheitshalber mit dem Arzt oder Apotheker besprechen.
Wann zum Arzt?
In der Regel ist der Nachtschreck eine harmlose Schlafstörung, die sich gewissermaßen verwächst. Haben Eltern jedoch Bedenken und der Nachtschreck tritt an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen auf, ist ein Gespräch mit dem Kinderarzt zu empfehlen. Auch langfristig ausgeprägte Müdigkeit und besonders aggressives Verhalten mit hoher Verletzungsgefahr der Kinder spricht für eine ärztliche Beratung. Tritt der Nachtschreck im Kleinkindalter nur einmalig oder sehr selten auf, bleibt jedoch über den Schuleintritt hinweg bestehen oder das Phänomen kommt erstmalig im Schul- oder Erwachsenenalter vor, können Sie ärztliches Personal um Rat bitten. Hilfreich kann dann auch eine Nacht im Schlaflabor sein. Das Universitätsklinikum Magdeburg verfügt beispielsweise über ein zertifiziertes Kinderschlaflabor. Bestehen psychische Erkrankungen oder der Verdacht auf Epilepsie ist ein Arztbesuch ebenfalls ratsam.
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