NAD+ und Parkinson: Ein neuer Therapieansatz?

Die Parkinson-Krankheit ist eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, die vor allem die motorischen Fähigkeiten einer Person beeinträchtigt, aber auch nicht-motorische Symptome aufweisen kann. Sie ist nach James Parkinson benannt, dem englischen Arzt, der sie erstmals 1817 beschrieb. Parkinson betrifft Millionen von Menschen weltweit und ist nach der Alzheimer-Krankheit die zweithäufigste neurodegenerative Störung. Allein in Deutschland sind etwa 400.000 Menschen betroffen, und jährlich erkranken etwa 11 bis 19 Personen pro 100.000 Einwohner neu. Meist wird Parkinson zwischen dem 55. und dem 60. Lebensjahr diagnostiziert, bei jedem zehnten Patienten sogar vor dem 40. Lebensjahr. Die Diagnose „Parkinson“ ist lebensverändernd. Während einige Symptome schwer zu erkennen sind, können andere kaum ignoriert werden.

Die genauen Ursachen der Parkinson-Krankheit sind noch nicht vollständig verstanden, aber Forscher glauben, dass eine Kombination aus genetischen und umweltbedingten Faktoren dazu beiträgt. Die Krankheit ist durch den Verlust von Dopamin-produzierenden Neuronen im Bereich des Mittelhirns bekannt als die Substantia nigra charakterisiert. Dieser Verlust führt zu den charakteristischen motorischen Symptomen der Krankheit. Die Symptome der Parkinson-Krankheit entwickeln sich langsam und können von Person zu Person variieren. Zu den typischen Symptomen gehören das Zittern (Tremor), weitere Bewegungsstörungen wie Steifheit der Muskeln (Rigor), verlangsamte Bewegungen (Bradykinese) und Gleichgewichtsstörungen. Zusätzliche Symptome können das „Einfrieren“ von Bewegungen (Freezing), Schwierigkeiten beim Sprechen und Schlucken, Störungen der vegetativen Funktionen sein. Die ersten Anzeichen der fortschreitenden Hirnerkrankung können schon viele Jahre vor den Hauptsymptomen auftreten. Die Erkrankung entwickelt sich schleichend: Dem Ausbruch gehen meist jahrelange Veränderungen der betroffenen Nervenabschnitte voraus. Oft werden die ersten klinischen Zeichen zuerst vom Umfeld der Betroffenen entdeckt.

Der Hauptgrund für diese Entwicklung ist der demografische Wandel, also die zunehmende Alterung der Bevölkerung. Die Häufigkeit der Erkrankung hat sich in dieser Zeit jedoch auch innerhalb einzelner Altersgruppen um mehr als 20 Prozent gesteigert.

Morbus Parkinson kann bislang nur symptomatisch therapiert werden. Die Erkrankung ist gekennzeichnet durch den Untergang dopaminerger Neuronen. Die vier Hauptsymptome sind Rigor, Bradykinese bin hin zu Akinese, Tremor sowie posturale Instabilität. Therapeutisch kommt derzeit in erster Linie Levodopa, die Dopamin-Vorstufe, zum Einsatz. Weiterhin können Dopaminrezepor-Agonisten wie Ropinirol und Pramipexol, Muscarinrezeptor-Antagonisten wie Biperiden, MAO-B-Hemmer (Selegilin, Rasagilin), COMT-Hemmer (Entacapon, Tolcapon), NMDA-Antagonisten (Amantadin) sowie Anticholinergika eingesetzt werden.

Obwohl es keine Heilung für die Parkinson-Krankheit gibt, gibt es mehrere Behandlungsmöglichkeiten, die helfen können, die Symptome zu managen und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Parkinson wird in erster Linie mit Medikamenten behandelt. Dabei wird die Therapie von einem Spezialisten für neurologische Bewegungsstörungen individuell an den Patienten angepasst, denn die Beschwerden können variieren und unterschiedlich schnell fortschreiten. Die Parkinson-Symptome lassen sich durch einen Ausgleich des Dopaminmangels lindern, indem man Dopamin als Medikament zuführt. Manchmal kann auch ein hirnchirurgischer Eingriff sinnvoll sein, die sogenannte Tiefe Hirnstimulation (THS). Dazu werden Elektroden ins Gehirn eingesetzt, die durch elektrische Impulse bestimmte Hirnregionen positiv beeinflussen. Die Forschung hat in den vergangenen Jahrzehnten große Fortschritte gemacht, um die Symptome der Parkinson-Erkrankung zu lindern. Die Lebenserwartung von Menschen mit Parkinson ist heute weitgehend normal. In Deutschland und international werden daher neue Therapien erforscht, die an der Ursache der Erkrankung ansetzen.

Lesen Sie auch: NADH-Wirkung im Überblick

Eine dieser vielversprechenden Forschungsrichtungen konzentriert sich auf die Rolle von NAD+ (Nicotinamidadenindinukleotid) im Energiestoffwechsel der Zellen und dessen potenzielle Auswirkungen auf den Verlauf der Parkinson-Krankheit.

Die Rolle von NAD+ bei Parkinson

Es wird angenommen, dass die Mechanismen der Neurodegeneration neuronautonom sind, was impliziert, dass dieselben physiologischen Ereignisse wie mitochondriale Dysfunktion, Dysfunktion der Autophagieprozesse und Dysregulation der Calciumhomöostase unabhängig voneinander in einer großen Anzahl von Neuronen auftreten, heißt: die oben genannten Pathomechanismen können durch einen einzigen Auslöser ausgelöst werden - den Rückgang des zellulären Energiestoffwechsels. Daher konzentrieren sich Suchen nach neuen und wirksamen PD-Therapien hauptsächlich auf die positive Beeinflussung des Hirnstoffwechsel. Der Stoffwechselbedarf des Gehirns nutzt etwa 20% der Energieressourcen des Körpers in einem Prozess, der hauptsächlich von Glukose abhängt. Energie aus der Glukoseoxidation wird verwendet, um ATP zu erzeugen, das der Hauptenergieträger in allen lebenden Zellen ist. Der ATP-Metabolismus und damit der intrazelluläre Energiestoffwechsel hängt vom Nikotinamidadenindinukleotid (NAD +) ab. Das NAD + katalysiert Redoxreaktionen im Stoffwechselprozess der Glykolyse. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der zelluläre NAD + -Spiegel im Laufe des Alterns abnimmt, ist die Aufrechterhaltung einer angemessenen NAD + -Biosynthese für das Überleben und die Funktion der Neuronen von größter Bedeutung. Kürzlich wurde entdeckt, dass eine NAD + -Supplementation den Energiestoffwechsel sowohl auf zellulärer als auch auf organisatorischer Ebene effektiv wiederherstellen kann. Daher sollte die Ergänzung mit NAD + -Zwischenprodukten und / oder Vorläufern die altersbedingten funktionellen Hirndefizite verbessern, indem sie dem neuronalen Altern und der Neurodegeneration entgegenwirkt. Wir sollten auch bedenken, dass NAD + eine entscheidende Rolle als Substrat von NAD-verbrauchenden Enzymen einschließlich Sirtuinen und Poly-ADP-Ribose-Polymerasen (PARPs) spielt. Während PARPs die Reparatur und Aufrechterhaltung der genomischen Integrität erleichtern, reguliert die Aktivität von Sirtuinen die Wege zur Kontrolle der Proteinqualität, insbesondere den Katabolismus der entfalteten Proteine. Leider müssen sowohl PARPs als auch die Sirtuine mit ATP um denselben, begrenzten und mit zunehmendem Alter abnehmenden NAD + -Pool konkurrieren. Da ATP in diesem Wettbewerb Vorrang hat, ist die Entwicklung einer Proteinopathie nur eine Frage der Zeit.

NAD+ als Schlüsselmolekül im zellulären Energiestoffwechsel

NAD+ ist ein Coenzym, das in allen lebenden Zellen vorkommt und eine wichtige Rolle im Stoffwechsel spielt. Es ist entscheidend für die Umwandlung von Nährstoffen in Energie in den Zellen. NAD+ spielt eine Rolle in Prozessen wie der DNA-Reparatur und der Zellregeneration.

NAD+ dient als wichtiger Kofaktor für Sirtuin-Proteine, die zelluläre Prozesse wie DNA-Reparatur, Entzündung und Apoptose regulieren. NAD+ ist eng mit der Gesundheit der Mitochondrien verknüpft. NAD+ ist für die DNA-Reparaturmechanismen unerlässlich.

NAD+ und mitochondriale Dysfunktion bei Parkinson

Im vergangenen Jahr machten Forscher des Hertie-Instituts für klinische Forschung (HIH) die Entdeckung, dass die Funktionsfähigkeit der Mitochondrien bei der Pathogenese des Parkinson eine Rolle spielen könnte. Sie untersuchten Zellen eines an Parkinson erkrankten Patienten und beobachteten, dass ein wichtiges Protein namens TRAP1 (tumour necrosis factor type 1 receptor associated protein) fehlt, das die Energiegewinnung in den Mitochondrien reguliert. Das Vorhandensein dieses Eiweißmoleküls schützt vor einer mitochondrialen Dysfunktion.

Lesen Sie auch: NADH für Gehirn und Körper

Die Erkenntnis, dass in den betroffenen Nervenzellen die Mitochondrien beschädigt sind, festigt sich in jüngster Zeit. Mitochondrien funktionieren wie kleine Kraftwerke in den Zellen und sind für die Produktion von Energie verantwortlich. Sind sie defekt, kann das zum Tod der Zelle führen.

Der Einfluss von Nicotinamid-Ribosid auf den NAD+-Spiegel

Um das herauszufinden, entnahmen die Forscher in einer internationalen Zusammenarbeit Zellen aus der Haut von Parkinsonpatienten. Diese stimulierten sie so, dass zunächst Stammzellen aus ihnen entstanden, die sich dann zu Nervenzellen weiterentwickelten. Die Zellen hatten einen Defekt im sogenannten GBA-Gen, dem häufigsten Risikogen für Parkinson. Die Wissenschaftler versuchten nun, die Bildung von neuen Mitochondrien anzuregen. Dabei spielt das Coenzym NAD eine wichtige Rolle. Die Wissenschaftler fütterten die Zellen mit Nicotinamid-Ribosid, einer Form des Vitamins B3 und Vorstufe des Coenzyms. Dadurch stieg die Konzentration von NAD in den Zellen an. Das Ergebnis: „Der Energiehaushalt in den Nervenzellen verbesserte sich stark.

Im nächsten Schritt versuchten die Forscher, die Bildung neuer Mitochondrien anzukurbeln. Für diesen Prozess ist das Coenzym NAD (Nicotinamid-Adenenin-Dinucleotid) von Bedeutung. Den Zellen wurde die Vorstufe des Coenzym, Nicotinamid-Ribosid, zugeführt. In der Folge nahm der NAD-Spiegel in den Zellen zu. „Der Energiehaushalt in den Nervenzellen verbesserte sich stark. Es bildeten sich neue Mitochondrien und die Energieproduktion erhöhte sich“, erzählt Deleidi.

Auch in den so entstandenen Neuronen war die Funktion der Mitochondrien beeinträchtigt. Wie erwartet, stieg durch die Gabe des Vitamins die Konzentration eines Coenzyms namens NAD in den Zellen an. Denn bei dem Nicotinamid-Ribosid handelt es sich um eine Vorstufe dieses Coenzyms, das bei der Bildung von Mitochondrien eine wichtige Rolle spielt. Tatsächlich hatte der NAD-Anstieg einen durchschlagenden Effekt, wie Deleidi berichtet: „Der Energiehaushalt in den Nervenzellen verbesserte sich stark.

Positive Effekte von Nicotinamid-Ribosid in Tiermodellen

Danach wurde die Wirkung dieser Substanz bei Fliegen untersucht. Bei Labortieren mit einem GBA-Gendefekt kommt es ähnlich wie beim Menschen zu einer dopaminergen Neurodegeneration; mit steigendem Alter können sie schlecht laufen und klettern. Die Forscher unterteilten sie in zwei Gruppen: Gruppe 1 erhielt Nicotinamid-Ribosid, Gruppe 2 nicht. „Der Wirkstoff erzielte auch hier eine positive Wirkung: Bei den behandelten Fliegen starben viel weniger Nervenzellen ab als bei den unbehandelten.“ Die Fliegen hatten zudem ein längeres Bewegungsvermögen.

Lesen Sie auch: Parkinson-Medikamente: Was Sie beachten müssen

Doch wirkt sich der verbesserte Energiestoffwechsel wirklich auf die für Parkinson typischen Beschwerden aus? Das testeten die Wissenschaftler im Versuch mit Fliegen, die an einer genetisch mitbedingten Form der Erkrankung litten. Dafür reicherten sie das Futter der Insekten mit dem Vitamin an. Das Ergebnis: Bei den behandelten Fliegen starben nicht nur viel weniger Nervenzellen ab als bei den unbehandelten. Sie behielten darüber hinaus auch länger ihr Bewegungsvermögen und hatten weniger Probleme beim Laufen und Klettern, wie das Team berichtet.

NAD+ Infusionen: Ein Überblick

Eine NAD+ (Nicotinamidadenindinukleotid) Infusion ist eine medizinische Behandlungsmethode, bei der NAD+ intravenös in den Körper verabreicht wird. Die NAD+ Infusion wird verwendet, um den NAD+-Spiegel im Körper zu erhöhen. Es gibt Hinweise darauf, dass ein niedriger NAD+-Spiegel mit verschiedenen gesundheitlichen Problemen in Verbindung gebracht werden kann, einschließlich des Alterns, neurodegenerativer Erkrankungen und Stoffwechselstörungen. Durch die Erhöhung des NAD+-Spiegels können bestimmte Enzyme im Körper aktiviert werden, die den Stoffwechsel verbessern und das Zellwachstum unterstützen.

NAD+ Infusionen werden oft als Anti-Aging-Behandlung angepriesen, da sie potenziell die Energieproduktion steigern, Entzündungen reduzieren und die Zellregeneration fördern können. Sie werden auch als ergänzende Therapie bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson erforscht, obwohl weitere Studien erforderlich sind, um die Wirksamkeit und Langzeitwirkungen zu bestätigen.

Es ist wichtig anzumerken, dass NAD+ Infusionen nicht von allen medizinischen Fachkräften unterstützt werden. Obwohl sie als sicher angesehen werden, gibt es noch begrenzte wissenschaftliche Erkenntnisse über ihre Wirksamkeit und potenzielle Risiken. Bevor man sich für eine NAD+ Infusion entscheidet, sollte man daher mit einem qualifizierten Arzt sprechen und alle Vor- und Nachteile abwägen.

Weitere Vorteile von NAD+

Aktivierung von Enzymen: NAD+ ist ein wichtiges Coenzym, das an zahlreichen enzymatischen Reaktionen im Körper beteiligt ist. Es spielt eine Schlüsselrolle bei der Übertragung von Elektronen während des Stoffwechsels. Durch die Erhöhung des NAD+-Spiegels können bestimmte Enzyme, wie z.B. die Sirtuine, aktiviert werden. Sirtuine sind Proteine, die mit verschiedenen gesundheitlichen Vorteilen in Verbindung gebracht werden, einschließlich des Schutzes vor Zellschäden, der Regulierung des Energiestoffwechsels und der Entzündungshemmung.

DNA-Reparatur: NAD+ ist auch an der DNA-Reparatur beteiligt. Es kann dabei helfen, Schäden in der DNA zu beheben und die Integrität der genetischen Informationen aufrechtzuerhalten. Eine ausreichende NAD+-Versorgung kann die Effizienz der DNA-Reparaturmechanismen verbessern und möglicherweise das Risiko von altersbedingten DNA-Schäden verringern.

Entzündungshemmung: Entzündungsreaktionen im Körper spielen eine Rolle bei vielen Krankheiten und dem Alterungsprozess. NAD+ kann eine entzündungshemmende Wirkung haben, indem es die Aktivität von entzündungsfördernden Molekülen verringert. Eine NAD+ Infusion könnte daher Entzündungen reduzieren und möglicherweise gesundheitliche Vorteile bieten.

Wissenschaftliche Erkenntnisse über NAD+ und Neurodegeneration

Ein altersbedingtes Absinken des NAD+-Spiegels wird mit kognitiven Beeinträchtigungen und neuronalen Funktionsstörungen in Verbindung gebracht. In einer wissenschaftlichen Studie von Zhu et al. wurde gezeigt, dass eine NAD+-Supplementierung die DNA-Reparaturmechanismen verbessert und damit die Neuronen vor Degeneration schützt - ein entscheidender Aspekt bei ALS und anderen neurodegenerativen Erkrankungen. Rajman et al. führten eine klinische Studie mit NAD+-Vorläufern durch und wiesen Verbesserungen der kognitiven Funktion bei älteren Erwachsenen nach, was auf eine Rolle bei der Bekämpfung der Gehirnalterung schließen lässt. Wissenschaftliche Untersuchungen von Gomes et al. ergaben, dass NAD+ SIRT1 aktiviert, ein Protein, das mit der Neuroprotektion in Verbindung gebracht wird und das Fortschreiten der Parkinson-Krankheit verlangsamen könnte.

tags: #nad #bei #parkinson