Nebenwirkungen von Antibiotika: Taubheitsgefühl und mögliche Ursachen

Antibiotika sind wichtige Medikamente zur Bekämpfung bakterieller Infektionen. Jedoch können sie auch Nebenwirkungen verursachen, darunter in seltenen Fällen Taubheitsgefühle und andere neurologische Beschwerden. Dieser Artikel beleuchtet die möglichen Ursachen für Taubheitsgefühle im Zusammenhang mit Antibiotika, insbesondere Fluorchinolonen, und gibt Hinweise für Betroffene.

Fluorchinolone: Nutzen und Risiken

Fluorchinolone sind eine Gruppe von Antibiotika, die bei verschiedenen bakteriellen Infektionen eingesetzt werden. Zu den in Deutschland zugelassenen Wirkstoffen gehören Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin, Norfloxacin und Ofloxacin. Sie kommen zur Behandlung von Infektionen nur dann in Betracht, wenn Standardantibiotika versagt haben. Fluorchinolone sollen nur noch ausnahmsweise verschrieben werden Ärzte sollen diese Antibiotika nur noch in Ausnahmefällen und nach ausführlicher Risiko-Nutzen-Abwägung verschreiben.

Obwohl Fluorchinolone wirksam sein können, bergen sie auch Risiken. Behörden warnen wegen möglicher Nebenwirkungen schon seit geraumer Zeit vor Fluorchinolonen. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) ließ den Einsatz von Fluorchinolonen in sechs europäischen Ländern untersuchen. Demnach gingen im Zeitraum von 2016 bis 2021 die Zahlen der Verordnungen nur moderat zurück, so dass die EU-weiten Maßnahmen zur Einschränkung der Anwendung dieser Arzneimittel nur eine geringe Wirkung gehabt hätten.

Mögliche Nebenwirkungen von Fluorchinolonen

Das Spektrum an Nebenwirkungen ist groß. Im Vordergrund stehen Auswirkungen auf Sehnen, Muskeln, Gelenke und das Nervensystem. Zu den möglichen Nebenwirkungen von Fluorchinolonen gehören:

  • Entzündungen von Sehnen
  • Muskelschmerzen, Muskelschwäche
  • Gelenkschmerzen, Gelenkschwellungen
  • Gangstörungen und neuropathische Symptome, zum Beispiel Schmerzen oder Brennen in Händen oder Füßen
  • sensorische Störungen (Seh-, Hör-, Geruchs- und Geschmacksstörungen)
  • Schlaflosigkeit, Ermüdung (Fatigue), Depressionen und Psychosen

Diese Nebenwirkungen sind sehr selten. Sie können direkt nach der Behandlung, aber auch erst einige Monate nach Behandlungsende auftreten. Häufig bilden sich die Beschwerden mit der Zeit wieder zurück. Sie können jedoch auch über Monate oder Jahre anhalten und möglicherweise bleibend sein. Manche der Symptome sind schwerwiegend und können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen.

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Einige Patienten berichten nach der Einnahme von Antibiotika aus der Gruppe der Fluorchinolone oft von starken Nebenwirkungen. Bei manchen kommt es zu so schweren Einschränkungen, dass ihr normales Leben beeinträchtigt ist.

Taubheitsgefühle als Folge von Polyneuropathie

Taubheitsgefühle können ein Anzeichen für eine Polyneuropathie sein, eine Erkrankung, die mehrere periphere Nerven betrifft. Antibiotika aus der Gruppe der Fluorochinolone können in sehr seltenen Fällen Nebenwirkungen im Bereich der Sehnen, Muskeln, Gelenke und des Nervensystems hervorrufen, die schwerwiegend und anhaltend, die Lebensqualität beeinträchtigend und möglicherweise dauerhaft sind.

Unter der Einnahme von Antibiotika aus der Gruppe der Fluorochinolone kann es zu einer peripheren Neuropathie kommen. Die Komplikation kann sowohl nach einer oralen wie intravenösen Therapie schon nach wenigen Tagen auftreten und bei einigen Patienten noch länger als ein Jahr nach Absetzen der Therapie anhalten, schreibt die US-Arzneibehörde FDA in einer Drug Safety Communication.

Das Risiko einer Polyneuropathie ist bekannt und seit 2004 Bestandteil der US-Fachinformation. Der deutsche Beipackzettel erwähnt die Komplikation im Abschnitt „4.4 Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen“.

Weitere Antibiotika mit möglichem Risiko für Neuropathien

Neben Fluorchinolonen gibt es auch andere Antibiotika, die möglicherweise Neuropathien verursachen können. Hierzu zählen Linezolid, Nitrofurantoin, Metronidazol und Dapson. Eine Polyneuropathie kann bereits nach einer einmaligen Gabe bzw. nach längeren Gaben auftreten. Zudem sind die Dosierungen und auch die Länge der Einnahme entscheidend. Bei Einnahme der Antibiotika kann es passieren, dass teilweise irreversible Nervenschäden auftreten.

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Ursachenforschung und Diagnose

Warum diese Antibiotika bei manchen Patienten schwere Nebenwirkungen auslösen, ist nicht klar. "Meistens trifft es einen nicht, aber wenn es einen trifft, dann ist es die Katastrophe," sagt Becker-Brüser.

Man weiß, dass diese Fluorchinolone ins Gehirn übergehen und da wirksam werden. Es gibt daher auch ganz viele Symptome im Zentralnervensystem.

Das Problem: In den meisten Fällen sind die Schäden nicht mit üblichen Verfahren diagnostizierbar. Doch ohne Diagnose ist es für Betroffene fast unmöglich, die Nebenwirkungen als Krankheit anerkennen zu lassen. Zudem werden ihnen schnell psychische Probleme als Ursache ihrer Symptome unterstellt.

Was tun bei Taubheitsgefühlen unter Antibiotika?

Wenn während oder nach einer Antibiotikatherapie Taubheitsgefühle oder andere neurologische Beschwerden auftreten, sollte man umgehend einen Arzt konsultieren. Es ist wichtig, dem Arzt alle eingenommenen Medikamente zu nennen, einschließlich der Antibiotika.

Der Arzt kann dann weitere Untersuchungen durchführen, um die Ursache der Beschwerden zu ermitteln und eine geeignete Behandlung einzuleiten. In der Regel werden diese Medikamente dann abgesetzt", erklärt Becker-Brüser. "Ein direktes Entgegenwirken bei Psychosen wird schwierig, da muss man dann Erfahrung haben. Bei Sehnenrissen oder Sehnenentzündung muss man halt ruhig stellen, eventuell entlasten, schienen, vielleicht sogar operieren." Und hoffen. Bei vielen lassen die Symptome wieder nach. Doch bei manchen bleiben sie. Und sind zum Teil so gravierend, dass ein normales Leben für die Betroffenen nicht mehr möglich ist.

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Alternativen zu Fluorchinolonen

Patienten sollten immer nach Alternativen zu Fluorchinolonen fragen. In den meisten Fällen, in denen die Medikamente noch verschrieben werden, wirkt eine Vielzahl von anderen Antibiotika.

Warnhinweise und Risikominimierung

Auf Initiative des BfArM war im Februar 2017 ein europäisches Risikobewertungsverfahren zu den Fluorchinolonen und den ihnen chemisch verwandten (in Deutschland aber nicht mehr verfügbaren) Chinolonen gestartet worden. Dessen Ergebnis in Form von Einschränkungen der Anwendungsgebiete, Präzisierung der verbleibenden Indikationen sowie neuen Hinweisen und Warnhinweisen zu den oben genannten möglichen Nebenwirkungen lag im März 2019 mit dem Durchführungsbeschluss der Europäischen Kommission vor. Zur Umsetzung der daraus folgenden Risikominimierungsmaßnahmen wurde vom BfArM ein Bescheid an die pharmazeutischen Unternehmer, die in Deutschland Arzneimittelzulassungen mit diesen Wirkstoffen halten, erlassen. An die Angehörigen der Gesundheitsberufe ist mit Datum vom 8. April 2019 ein Rote-Hand-Brief zur Information über die oben genannten Risiken, Einschränkungen der Indikationen und Handlungsempfehlungen versendet worden. Ein anderer Rote-Hand-Brief war aufgrund des Risikos für das Auftreten von Aortenaneurysmen und -dissektionen zuvor bereits am 26. Oktober 2018 verteilt worden. Ein weiterer Rote-Hand-Brief wurde am 29. Im Anschluss an das europäische Risikobewertungsverfahren wurde eine von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) finanzierte Arzneimittelanwendungsstudie (englisch „Drug Utilisation Study“) durchgeführt, in der Daten aus der Primärversorgung in sechs europäischen Ländern (Belgien, Frankreich, Deutschland, Niederlande, Spanien und Vereinigtes Königreich) für den Zeitraum 2016 bis 2021 ausgewertet wurden. Die EMA weist auch darauf hin, dass die Studie mit Einschränkungen verbunden war und dass daher bei der Interpretation der Daten Vorsicht geboten ist. Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) hat daher beschlossen, an die Angehörigen der Heilberufe in der EU erneut einen sogenannten Rote-Hand-Brief zu verschicken. In diesem Rote-Hand-Brief wird betont werden, dass die Verschreibung und Anwendung dieser Arzneimittel auf die zugelassenen Anwendungsgebiete (viele bereits eingeschränkt auf eine Behandlung der letzten Wahl bei Patienten, für die es keine alternativen therapeutischen Optionen gibt) beschränkt werden sollte.

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