Schienbein Anatomie: Ursachen, Symptome und Behandlungen von Schienbeinschmerzen

Schmerzen im Schienbein sind eine lästige Erscheinung, die viele Menschen betrifft, insbesondere Sportler. Sie können aus dem Nichts auftauchen oder gleich nach dem Aufstehen spürbar sein, aber auch schnell wieder verschwinden. In anderen Fällen entwickeln sie sich langsam und nehmen mit der Zeit so stark zu, dass sie den Gang behindern. Die Lokalisation der Schmerzen kann, wie auch das Auftreten der Beschwerden, etwas über den Zustand des Schienbeins aussagen.

Anatomie des Schienbeins

Das Schienbein (Tibia) ist zusammen mit der Fibula (Wadenbein) einer der beiden Knochen des Unterschenkels. Es liegt an der Vorderseite des Unterschenkels und ist ein relativ ungeschützter Knochen direkt unter der Haut. Ein Stoß oder Tritt gegen das Schienbein ist deshalb besonders schmerzhaft. Das Schienbein verbindet den Oberschenkelknochen mit den Fußwurzelknochen. An der Innenseite des Schienbeins setzen unterhalb des Kniegelenks Muskeln des hinteren Oberschenkels an. Sowohl an der Vorder- als auch an der Rückseite der Tibia gehen lange Sehnenstränge der Unterschenkelmuskulatur ab. Diese Muskulatur, die zum Sprunggelenk hinter dem Knöchel führt, ermöglicht die Beweglichkeit des Fußes.

Ursachen von Schienbeinschmerzen

Die häufigste Ursache für Schmerzen im Bereich des Schienbeins ist die Überbeanspruchung einzelner Muskelgruppen, Sehnen oder Bänder. Insbesondere Sportler leiden nach intensiven Trainingseinheiten ohne genügend Ruhetage unter Schienbeinschmerzen. Ein drastisch erhöhter Trainingsumfang ist oftmals Auslöser für eine überlastete Wadenmuskulatur. Läufer sind aufgrund der typischen Laufbewegung besonders stark betroffen. Bei ihnen stellen sowohl das falsche Schuhwerk als auch Fehlstellungen der Füße oder Beine erhöhte Risiken für die Entstehung von Überlastungsreaktionen dar. Sitzen die Schuhe nicht richtig, sind sie zu locker geschnürt oder federn sie schlecht ab, kann es zu Fehlbelastungen an Muskeln und Sehnen kommen.

Anders als vielleicht erwartet, entstehen die Schmerzen meist tatsächlich nicht am Schienbein selbst, sondern an der Wade. Die Muskeln und Faszien der Wade sind so stark verkürzt, dass der Muskel vorne am Schienbein die große Zugkraft der Wadenmuskeln nicht ausgleichen kann. Dadurch ist auch die Achillessehne dauerhaft überlastet.

Weitere Ursachen für Schienbeinschmerzen können sein:

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  • Mediales Tibialis Stress-Syndrom (Shin Splints): Diese Überlastungsverletzung tritt oft bei Sportlern auf.
  • Stressfraktur: Bei wiederholter Belastung kann es zu kleinen Haarrissen im Schienbein kommen.
  • Mangelnde Durchblutung: Durchblutungsstörungen können zu Schmerzen in den Beinen führen, die sich in Ruhe verstärken.
  • Nervenirritation oder -kompression: Eine Reizung oder Kompression eines Nervs kann Schmerzen verursachen.
  • Entzündliche Erkrankungen: Entzündungen im Knochen (Osteitis) oder im umgebenden Gewebe können Schmerzen hervorrufen, ebenso wie systemische entzündliche Erkrankungen.
  • Restless-Legs-Syndrom (RLS): Diese neurologische Erkrankung führt zu einem unangenehmen, oft schmerzhaften Ziehen in den Beinen, das vor allem nachts im Ruhezustand auftritt und den Schlaf beeinträchtigen kann.
  • Krampf im Schienbein: Besonders ist ein Krampf im M. tibialis anterior Muskel die Ursache.
  • Tumore: Schmerzen am Schienbein, die typischerweise nachts auftreten, können auf einen gutartigen Tumor, das sogenannte Osteoidosteom, hindeuten.
  • Entzündliche Veränderungen des zentralen Nervensystems.

Es gibt jedoch auch Erkrankungen, die Schmerzen im Schienbein ohne Sport bedingen können, die völlig belastungsunabhängig auftreten.

Symptome von Schienbeinschmerzen

Charakteristisch sind Schmerzen an der Vorderseite des Schienbeins. Sitzen die Schmerzen an einem bestimmten Punkt auf der Kante des Schienbeinknochens, spricht dies für eine Reizung des vorderen Schienbeinmuskels oder eine Reizung des Gewebes beziehungsweise der Sehnenansätze. Hier wird zunächst vom typischen Schienbeinkantensyndrom gesprochen. Bleiben die Schmerzen auf eine Stelle beschränkt und tritt zusätzlich eine Schwellung am Schienbein auf, kann eine seltene Knochenhautentzündung dahinter stecken. Mediziner sprechen hier von einer Periostitis. Allerdings kann eine Schwellung auch nur auf eine vorübergehende Entzündungsreaktion des Körpers hinweisen.

Ziehende oder stechende Schienbeinschmerzen sind ein deutliches Anzeichen für muskuläre Überlastungen am Schienbein. Besonders während sportlicher Betätigung können die Beschwerden schleichend immer stärker werden, sodass Betroffene nach einiger Zeit das Training abbrechen müssen. Je nach Bewegungsprofil oder Intensität der Sportart können sich die Schmerzen entweder verstärken oder die Schmerzart kann variieren. Ein anfängliches Ziehen verwandelt sich dann mitunter zu einem dauerhaft spürbaren Druck am Schienbein. Mit den meisten Schienbeinschmerzen gehen aber auch starke Verspannungen der Wadenmuskulatur einher.

Weitere Symptome, die mit Schienbeinschmerzen einhergehen können, sind:

  • Schmerzen im Ruhezustand oder nachts
  • Schmerzen unterhalb vom Knie am Schienbein
  • Schmerzen, Schwellungen und ein Spannungsgefühl am gesamten Unterschenkel (Unterschenkelschmerzen)

Diagnose von Schienbeinschmerzen

Bei der Diagnose von Schienbeinschmerzen ist es zunächst erforderlich, die potenziellen, akut bedrohlichen Ursachen auszuschließen. Hierzu können laborchemische Untersuchungen des Blutes oder das Durchführen einer Ultraschalluntersuchung notwendig werden.

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Ein Röntgenbild dient vor allem der Beurteilung knöcherner Strukturen und kann aus mehreren Ebenen erfolgen, um die zu beurteilenden Knochen genauestens darzustellen. Das frühe Stadium eines Ermüdungsbruches vom Schienbein ist nur im MRT vom Schienbein zu sehen.

Bei Lumedis vermessen wir die Muskelgruppen in Ruhe (durch Elektromyographie) und unter Belastung (durch Übungen oder auf dem Laufband) um die Ursache der Schmerzen im Schienbein ohne Sport zu klären.

Behandlung von Schienbeinschmerzen

Die Behandlung von Schienbeinschmerzen richtet sich nach der Ursache der Beschwerden. In vielen Fällen können konservative Maßnahmen wie Schonung, Kühlung (PECH-Regel), Physiotherapie und Schmerzmittel die Symptome lindern.

Konservative Behandlung

  • Schonung: Da Schienbeinschmerzen oft aufgrund von Fehl- oder Überbelastungen entstehen, sollte zunächst eine Sportpause eingehalten und das eigene Schuhwerk auf Passform und Größe überprüft werden.
  • PECH-Regel: Unter Sportlern ist die sogenannte PECH-Regel (Pause, Eis, Compression, Hochlagern) weit verbreitet. Sicher können eine Entzündung und die mit ihr einhergehenden Schmerzen mittels PECH gelindert werden. Auch Schwellungen oder Blutergüssen tut Kälte zunächst gut.
  • Physiotherapie: Eine Physiotherapie kann die Beschwerden lindern.
  • Faszien-Rollmassage: Mit der Faszien-Rollmassage kann die verspannte Wadenmuskulatur und die verklebten Faszien ausgerollt werden. Sie ermöglicht es, die Spannungen in einem Bereich zu halten, in dem man sich schmerzfrei bewegen kann. Die Faszien-Rollmassage sollte mit den Liebscher & Bracht Übungen® kombiniert werden. Führe sie bei Schienbeinschmerzen daher am besten vor den Dehnübungen durch. Die Muskulatur, die gedehnt werden soll, ist mit der Rollmassage bestens auf die Dehnungen vorbereitet und die zäh gewordene Zwischenzell-Flüssigkeit wird durch das Rollen in Bewegung gebracht.
  • Dehnübungen:
    • Dehnung im Sitzen: Für diese Dehnung setzt man sich mit ausgestreckten Beinen auf eine Matte. Lege nun dein schmerzendes Bein über das andere ausgestreckte Bein und beuge es so, dass du an dein Fußgelenk greifen kannst. Ziehe den Fuß vorne nun so weit nach unten, dass du einen deutlich Zug am Fußrücken, aber vor allem auch an deinem Schienbein, spürst. Halte die Dehnung mindestens für zwei Minuten. Im Idealfall führst du die Dehnung anschließend auch mit deinem anderen Bein durch - auch wenn du dort keine Schmerzen hast.
    • Fersensitz: Für diese Übung kniest du dich zunächst auf deine Matte. Mache die Füße lang und stütze dich mit den Händen unter deinem Oberkörper ab. Verlagere nun dein Gewicht immer mehr nach hinten und schaue, wie viel Druck du auf deine Unterschenkel beziehungsweise dein Schienbein ausüben kannst.
    • Wadendehnung im Stehen: Stelle dich vor eine Wand und stütze dich mit den Armen ausgestreckt an der Wand ab. Mache nun einen Schritt mit dem Bein nach hinten, an dessen Schienbein die Beschwerden zu spüren sind. Strecke das Bein vollkommen aus und achte darauf, dass dein Knie durchgedrückt ist und die Fußspitze nach vorne zeigt. Mit dem anderen Bein gehst du immer mehr in die Beuge und holst dir somit den optimalen Zug auf die Wade des schmerzhaften Beines.
  • Stoßwellentherapie: Stoßwellen sind energiereiche Schallwellen, die von den Patienten sowohl hör-, als auch spürbar sind. Sie bewirken eine lokale Verbesserung der Durchblutung, des Gewebsstoffwechsels und der Zellregeneration. Durch die stärkere Durchblutung können Kalkeinlagerungen und Entzündungen besser abgebaut und bekämpft werden.
  • Lasertherapie: Bei der Lasertherapie wird niederenergetisches Laserlicht auf die schmerzende Stelle gerichtet. Dort kann es durch Anregung der Durchblutung zur Reduktion von Schmerzen und zur effektiveren Bekämpfung von Entzündungen durch die körpereigene Abwehr kommen.
  • Einlagenversorgung: Optimierung der Trainingsschuhe und eventuell Einlagenversorgung.
  • Anpassung des Trainingsplans: Gerne planen wir mit Ihnen zusammen Ihren persönlichen Trainingsplan.

Medikamentöse Behandlung

  • Schmerzmittel: Bei starken Schmerzen können Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Paracetamol eingenommen werden. Die Einnahme von NSAR (nicht-kortisonhaltige Rheumamittel) sollte bei diagnostizierter Stressfraktur kritisch gesehen werden.

Operative Behandlung

Nur selten ist eine Operation notwendig. In folgenden Fällen kann eine Operation in Betracht gezogen werden:

  • Kompartmentsyndrom: Beim Kompartmentsyndrom muss der Druck in den Muskellogen durch eine Operation gesenkt werden, um eine Mangeldurchblutung des Gewebes zu verhindern.
  • Tarsaltunnelsyndrom: Manchmal ist es notwendig, den Tarsaltunnel zu operieren, um den Nerv zu entlasten. Hierbei entfernt der Arzt das den Tarsaltunnel umgebende, straffe Band. In einigen Fällen spaltet er einen Teil der Nerven-Umhüllung. Knochenauswüchse oder Tumoren entfernt man ebenfalls chirurgisch.
  • Chronische Sehnenreizungen: Erst bei chronischen Sehnenreizungen kommt eine Operation infrage, die dann meist minimalinvasiv durchgeführt werden kann. Die gezielte minimalinvasive Gewebeablation fördert die Zellregeneration bei verschleißbedingten Sehnen- und Faszienerkrankungen.

Prävention von Schienbeinschmerzen

Um das Auftreten von Schmerzen im Schienbein zukünftig zu vermeiden, ist es sinnvoll, folgende Maßnahmen zu beachten:

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  • Ausgewogenes Training: Um Fehl- und Überbelastungen zu vermeiden, ist es unabdingbar auf ein ausgewogenes Verhältnis der einzelnen Muskelgruppen zueinander zu achten.
  • Laufbandanalyse: Um das Auftreten von Schmerzen im Schienbein zukünftig zu vermeiden, ist es sinnvoll, eine professionelle Laufbandanalyse durchführen zu lassen. In dieser wird der Laufstil bei verschiedenen Geschwindigkeiten aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet und mit einer Videokamera aufgezeichnet. Drucksensoren in der Bodenplatte erfassen die individuelle Gewichtsverteilung des Probanden.
  • Geeignetes Schuhwerk: Neben einer Laufbandanalyse kann hierzu eine spezielle Schuhberatung durch den Diplom-Sportwissenschaftler oder Sportmediziner bei der Auswahl geeigneter Schuhe erfolgen.
  • Vermeidung von Mangelzuständen: Essstörungen oder einseitige Mangelernährung können ebenfalls die Entstehung von Überlastungsverletzungen begünstigen und können Mangelzustände hervorrufen.
  • Regelmäßiges Dehnen und Kräftigen der Muskulatur: Mit den richtigen Kräftigungsübungen werden all diese Muskeln stärker und belastbarer. Das heißt, dass sie nicht mehr so schnell überlasten.

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