Nervenmessung am Rücken: Elektromyographie (EMG) und andere diagnostische Verfahren

Rückenschmerzen und motorische Störungen können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Um die Ursachen solcher Beschwerden zu ermitteln und die richtige Therapie einzuleiten, stehen verschiedene diagnostische Verfahren zur Verfügung, darunter die Elektromyographie (EMG) und andere neurologische Tests. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die Nervenmessung am Rücken, einschließlich der Anwendung, des Ablaufs, der Risiken und der Interpretation der Ergebnisse.

Was ist eine Elektromyographie (EMG)?

Die Elektromyographie, auch bekannt als orthopädische Muskelfunktionstestung, ist eine diagnostische Methode zur Messung der elektrischen Aktivität von Muskeln. Sie ermöglicht Rückschlüsse auf die Funktion der Muskeln selbst sowie der sie versorgenden Nerven. Das EMG wird in der Orthopädie eingesetzt, um verschiedene Erkrankungen zu diagnostizieren und zu differenzieren, insbesondere solche, die mit Muskelschwäche oder -funktionsstörungen einhergehen.

Arten der Elektromyographie

Grundsätzlich gibt es zwei verschiedene Arten von EMG:

  • Nadel-EMG: Hierbei wird eine Messelektrode durch eine Nadel durch die Haut in den Muskel eingebracht. Dadurch kann die elektrische Muskelaktivität bei aktiven Bewegungen oder in Ruhe registriert und ausgewertet werden.
  • Oberflächen-EMG: Bei dieser Methode werden Elektroden auf der Hautoberfläche fixiert, um die elektrische Aktivität eines größeren Bereiches, z. B. eines ganzen Muskels, zu beurteilen. Im Orthozentrum Bergstraße wird beispielsweise das Oberflächen-EMG eingesetzt.

Die Beurteilung tiefer gelegener Muskelgruppen ist mit der Nadel-EMG besser möglich als mit der Oberflächen-EMG. Es ist auch möglich, verschiedene Messmethoden zu kombinieren.

Wann wird eine Elektromyographie eingesetzt?

Die Elektromyographie kann bei der Diagnose einer Vielzahl von orthopädischen Erkrankungen hilfreich sein. Insbesondere lässt sich durch diese Untersuchung differenzieren, ob eine Muskelschädigung aufgrund einer Schädigung eines Nerven oder des Muskels selbst verursacht wird. Ein EMG ist auch sinnvoll, um zu unterscheiden, ob die Muskeln eine Entspannungsstörung aufweisen oder ob eventuell für die durchzuführende Bewegung nicht die richtigen Muskeln angesteuert werden. Einige Beispiele für Erkrankungen, bei denen ein EMG eingesetzt werden kann, sind:

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  • Erkrankungen, die mit Muskelschwäche einhergehen (Myasthenie)
  • Schädigung eines Nerven oder des Muskels selbst
  • Entspannungsstörungen der Muskeln
  • Fehlsteuerung der Muskeln bei Bewegungen

Das Ziel des EMGs ist es, in der Akutsituation eine möglichst genaue Diagnose zu stellen, um daraufhin die richtige Therapie einleiten zu können.

Ablauf einer Elektromyographie

Vor der eigentlichen EMG-Untersuchung wird eine ausführliche Anamnese zu den subjektiven Beschwerden der Patientinnen erhoben. Bei der Muskelfunktionstestung liegt der Patient/die Patientin auf einer Liege, und je nachdem, welche Muskeln untersucht werden, muss eventuell Kleidung ausgezogen werden. Bei der Oberflächen-EMG werden die Elektroden dann auf die Haut aufgeklebt. Während der gesamten Untersuchung sollte der Patient/die Patientin den Anweisungen der Ärztinnen folgen und den Muskel auf Ansage entspannen oder in unterschiedlicher Intensität anspannen. Die Messung dauert insgesamt zwischen 15 und 30 Minuten.

Risiken und Nebenwirkungen einer Elektromyographie

Grundsätzlich handelt es sich bei der Elektromyographie um ein risikoarmes Verfahren, welches bei den meisten Patienten eingesetzt werden kann. Patienten, die eine Blutverdünnung einnehmen, beispielsweise mit Marcumar, Heparin oder den modernen oralen Antikoagulanzien, sollten den behandelnden Arzt/die behandelnde Ärztin darauf hinweisen. In der Regel sollte eine Untersuchung unter laufender Blutverdünnung mit diesen Substanzen nicht durchgeführt werden, da ein erhöhtes Blutungsrisiko besteht. Gelegentlich kann es aber zu einem Bluterguss kommen, der auch von außen sichtbar ist und einige Tage braucht, um resorbiert zu werden.

Kostenübernahme einer Elektromyographie

Zum jetzigen Zeitpunkt umfasst der Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland nicht die Kostenübernahme einer EMG-Untersuchung. Deshalb müssen Patienten die Kosten für diese Behandlung selbst tragen (Individuelle Gesundheitsleistung (IGeL)). Bei privatversicherten Patienten wird die EMG Untersuchung in der Regel von den Versicherungen erstattet.

Weitere diagnostische Verfahren zur Nervenmessung

Neben der Elektromyographie gibt es weitere diagnostische Verfahren zur Beurteilung der Nervenfunktion, die je nach Fragestellung eingesetzt werden können:

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Elektroneurographie (ENG)

Die Elektroneurographie (ENG) ist eine Untersuchung der peripheren Nerven, also der Nerven, die nicht Teil von Gehirn und Rückenmark sind. Mit der ENG bestimmt der Arzt die Geschwindigkeit, mit der die Nerven Informationen weiterleiten (Nervenleitgeschwindigkeit). Dies gibt Hinweise auf eventuelle Nervenschäden.

Wie funktioniert die ENG?

Bei der Untersuchung eines motorischen Nervs klebt der Arzt zwei Elektroden in dem Gebiet des Nervenverlaufs auf die Haut des Patienten. Über die erste Elektrode, die sogenannte Reizelektrode, setzt der Arzt nun einen kurzen elektrischen Impuls ab. Dieser wandert nun das Axon entlang und erreicht den Muskel, den der Nerv versorgt. Der Reiz wird auf den Muskel übertragen und es erfolgt eine Muskelkontraktion. Das wird von der zweiten Elektrode, der sogenannten Ableitelektrode, registriert. Nun kann der Arzt aus der Zeit, die der Reiz benötigt hat, um die Strecke zwischen beiden Elektroden zurückzulegen, berechnen, wie schnell der Nerv leitet.

Auch bei der Untersuchung eines sensiblen Nervs im Rahmen der Elektroneurografie klebt der Arzt zwei Elektroden auf die Haut des Patienten. Er stimuliert den Nerv über eine Reizelektrode und erfasst über die Ableitelektrode die Potentialänderung am Axon, um daraus wiederum die Nervenleitgeschwindigkeit zu berechnen.

Wann wird die ENG eingesetzt?

Häufige Krankheiten, bei denen die Elektroneurografie wichtige Informationen über den Zustand von Nerven liefert, sind:

  • Polyneuropathie (wie bei Diabetes mellitus oder Alkoholmissbrauch)
  • Traumatische Verletzung eines Nerven (etwa durch Schnittwunden)
  • Karpaltunnelsyndrom
  • Nervenschädigung als Nebenwirkung eines Medikaments
  • Muskelschwäche (Myasthenie)

Nervenleitgeschwindigkeit (NLG)

Die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) dient der Prüfung der Nervenfunktion. Hierfür werden unter kontrollierten Bedingungen elektrische Reize auf die zu untersuchenden Nerven ausgeübt und der Reizerfolg aufgezeichnet. Aus den aufgezeichneten Überleitungszeiten und den Abständen zwischen den Reizpunkten lässt sich die Geschwindigkeit der Nervenleitung berechnen. Jeder Nerv hat eine bestimmte Nervenleitgeschwindigkeit. Aus der gemessenen Nervenleitgeschwindigkeit wird dann erkenntlich, ob ein Muskel von seinem Nerv überhaupt noch angesprochen wird, grundlegend geschädigt, überdehnt oder voll funktionsfähig ist. Die Untersuchung dauert ca. 15 Minuten. Sie wird insbesondere dann eingesetzt, wenn abzuklären ist, ob ein Bandscheibenvorfall operiert werden muss oder nicht.

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Eine Verlangsamung der Nervenleitung bedeutet meist eine Schädigung der Hülle des Nerven (Myelinscheide) und weniger der Nervenfasern selbst. Sie ist sozusagen ein Hinweis auf eine Schädigung der Isolierung des Nervenkabels. Diese kann angeboren oder erworben sein. Die Verlangsamung der Nervenleitung kann auch auf ein ganz kurzes Stück des Nerven beschränkt sein, etwa an einer Stelle, an der ein Nerv gedrückt (komprimiert) wird. Häufigstes Beispiel hierfür ist das Carpal-Tunnel Syndrom, bei der ein Nerv (der Nervus medianus) am Handgelenk gedrückt wird, was zum Einschlafen der Finger oder auch zu einer Kraftlosigkeit der Handmuskeln führen kann.

Ultraschalldiagnostik von Nerven (Nervensonographie)

Die Nervensonographie ist eine neue Methode der Ultraschalldiagnostik von Nerven. Sie kann Nervenverletzungen, Nerventumoren oder Einklemmungen von Nerven sichtbar machen. Die Darstellung vieler Nerven gelingt mit dem Ultraschall besser als mit der Kernspintomographie. Die Ultraschalldiagnostik peripherer Nerven ist bisher keine Kassenleistung und muss daher selbst bezahlt werden.

Evozierte Potentiale

Als evoziertes (=hervorgerufenes) Potential wird eine Hirnstromaktivität bezeichnet, die durch einen Sinnesreiz ausgelöst wird. Diese elektrische Aktivität (Potential) ist dabei zeitlich an den Sinnesreiz gekoppelt. Die Messung evozierter Potentiale erlaubt eine objektivierbare und quantifizierbare Darstellung von Störungen und eignet sich auch für Verlaufsuntersuchungen. Es gibt verschiedene Arten von evozierten Potentialen, die jeweils unterschiedliche Nervenbahnen untersuchen:

  • Sensibel evozierte Potentiale (SEP): Untersuchen die Leitung im sensiblen System (Gefühl, z.B. Berührungsempfinden, Druckempfinden u.ä.) von den Nerven in den Beinen, Armen oder im Gesicht über die Nervenwurzeln im Wirbelsäulenbereich und die Nervenfasern im Rückenmark bis zur Hirnrinde.
  • Visuell evozierte Potentiale (VEP): Untersuchen die Sehbahn vom Auge bis zur Sehrinde des Gehirns im Hinterkopf durch den Blick auf ein wechselndes Schachbrettmuster.
  • Akustisch evozierte Potentiale (AEP): Untersuchen die zentrale Hörbahn vom Innenohr bis zur Hörrinde des Gehirns über akustische Reize (Hörreize).
  • Motorisch evozierte Potentiale (MEP): Stimulieren die motorische Rinde des Gehirns sowie spezielle Bereiche des Rückenmarks durch ein Magnetfeld, wodurch Muskelkontraktionen in Armen oder Beinen ausgelöst und gemessen werden.

Elektroenzephalographie (EEG)

Das EEG gibt es seit 1932 und wurde von dem Neurologen Hans Berger entdeckt. Ein EEG wird zur Untersuchung von Funktionsstörungen des Gehirns eingesetzt. Die Untersuchung ist schmerzfrei. Die Untersuchung findet in einem bequemen Sessel statt. Eine Haube aus Gummischläuchen wird auf den Kopf aufgesetzt, darunter werden Oberflächenelektroden geklemmt, die die hirneigene elektrische Aktivität aufnehmen. Der Patient sollte während der Untersuchung entspannt sitzen und die Augen locker geschlossen halten. Während der Untersuchung wird der Patient mehrfach aufgefordert, die Augen zu öffnen und wieder zu schließen. Die Untersuchung dauert insgesamt mit Vorbereitung ca. Bei Verdacht auf Epilepsie kann ein Schlaf-EEG nach Schlafentzug sinnvoll sein. Das EEG wird morgens nach einer durchwachten Nacht abgeleitet und der Patient sollte dabei einschlafen und wieder erweckt werden.

Lumbalpunktion (Nervenwasserentnahme)

Eine Lumbalpunktion ist die Entnahme von Nervenwasser aus dem Wirbelsäulenkanal in Höhe der Lendenwirbelsäule. Dabei wird mit einer dünnen Nadel zwischen den Wirbelkörpern bis in den Wirbelsäulenkanal gestochen, der auf Höhe der Lendenwirbelsäule kein Rückenmark, sondern nur noch Nervenwurzeln enthält. Das entnommene Nervenwasser kann nun auf seine Bestandteile, insbesondere Zellen und Eiweiße untersucht werden. Diese Untersuchung ist geeignet, entzündliche Erkrankungen des Nervensystems, wie z.B. Hirnhautentzündung (Meningitis), Hirnentzündung (Enzephalitis), Hirnblutungen, Demenzerkrankungen, Rückenmarkentzündung (Myelitis), Blutkrebs (Leukämie) oder Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose, nachzuweisen.

Die Punktion des Wirbelkanals kann auch zur Behandlung genutzt werden: Durch die gesetzte Nadel können etwa Mittel zur örtlichen Betäubung, Antibiotika oder Krebsmedikamente gespritzt werden. Die Wirkstoffe gelangen dann ohne Umweg über die Blutbahn direkt ins Nervensystem.

Ultraschalluntersuchungen der Blutgefäße

Schlaganfälle werden häufig durch Verengungen oder Verschlüsse der Blutgefäße verursacht, die das Gehirn mit Blut versorgen. Diese Verengungen lassen sich mit Hilfe von Ultraschalluntersuchungen besonders gut und risikolos darstellen. Die wichtigsten Stellen, an denen die meisten Gefäßverengungen auftreten, liegen im Bereich der gut darstellbaren Teilung der Haupthalsschlagader (Arteria carotis communis) in die Schlagader, die das Hirn (A. carotis interna) und die, die den Gesichtsbereich (A. carotis externa) versorgt.

Bei der Doppler-Sonographie wird eine Sonde auf die Haut aufgesetzt, die die Blutkörperchen beschallt. Die Bewegung der Blutkörperchen wird von dem Untersuchungsgerät in Zischlaute umgesetzt, die man als Patient bei der Untersuchung mithören kann. Bestimmte Eigenschaften der Zischlaute gestatten dem Untersucher, das Ausmaß von Verengungen über die auftretenden Blutflußgeschwindigkeitesänderungen zu messen.

Bei der Duplex-Sonographie lässt sich ein Blutgefäß mit seinem Hohlraum direkt darstellen. Verengungen und Ablagerungen (Plaque) werden direkt bildhaft sichtbar. Der Blutfluß innerhalb des Gefäßes lässt sich farbig darstellen („farbkodiert“).

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