Neuromuskuläre Erkrankungen stellen eine vielfältige Gruppe von Krankheitsbildern dar, die das Zusammenspiel zwischen Nerven und Muskeln beeinträchtigen. Oftmals werden sie vereinfachend als "Muskelkrankheiten" oder "Muskelschwund" bezeichnet. Es ist jedoch wichtig zu verstehen, dass nicht nur die Muskeln selbst, sondern auch die Nervenfasern, die die Muskeln steuern, betroffen sein können.
Was sind neuromuskuläre Erkrankungen?
Neuromuskuläre Erkrankungen beeinträchtigen das Zusammenspiel zwischen dem Nervensystem und den Muskeln. Dabei können verschiedene Bereiche des neuromuskulären Systems betroffen sein, einschließlich der Nerven, die Muskeln steuern, Muskelfasern selbst oder neuromuskuläre Verbindungen zwischen Nerven und Muskeln. Neuromuskuläre Erkrankungen können zu Schwäche, Bewegungsproblemen und anderen Symptomen führen.
Muskelschwund oder Muskelatrophie bedeutet die Abnahme der Muskelmasse. Der Begriff stellt aber keine Diagnose dar, sondern nur ein Symptom. Es gibt eine Vielzahl von Ursachen, die zu einer lokalen oder einer generalisierten, also den ganzen Körper betreffenden Abnahme der Muskelmasse führen kann.
Ursachen von neuromuskulären Erkrankungen
Die Ursachen für neuromuskuläre Erkrankungen sind vielfältig. Sie lassen sich grob in folgende Kategorien einteilen:
- Genetisch bedingte Ursachen: Häufig spielen genetische Veränderungen oder Mutationen eine Rolle, die die Funktion von Nerven und Muskeln dauerhaft beeinträchtigen. Genetisch bedingte Formen können von den Eltern an die Kinder weitergegeben werden und zeigen sich oft schon früh. Manche erblichen neuromuskulären Erkrankungen können sich zudem in unterschiedlichen Lebensphasen manifestieren.
- Autoimmunerkrankungen: Das Immunsystem richtet sich fälschlicherweise gegen körpereigene Strukturen, was zu Entzündungen und Schädigungen von Nerven und Muskeln führen kann.
- Infektionen und Entzündungen: Infektionen oder entzündliche Prozesse können Auslöser einer neuromuskulären Erkrankung sein.
- Metabolische/endokrine/nutritive/toxische Ursachen: Toxisch (z. B. durch Alkohol oder Medikamente), endokrin (z. B.
- Umwelteinflüsse und Schädigungen des Nervensystems: Auch Umwelteinflüsse oder Schädigungen des Nervensystems können infrage kommen.
Formen von neuromuskulären Erkrankungen
Die Vielfalt der neuromuskulären Erkrankungen ist groß. Zu den wichtigsten Gruppen gehören:
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- Myopathien: Dies sind Erkrankungen des Muskels selbst. Es gibt viele verschiedene Formen mit ganz unterschiedlichen Krankheitsbildern. Typische Kennzeichen sind Muskelschwäche und Muskelschwund. Sie bedürfen einer eingehenden Abklärung.
- Myasthene Syndrome: Hier wird durch verschiedene Krankheitsprozesse die Übertragung der elektrischen Signale vom Nerven auf den Muskel eingeschränkt. Die bekannteste Form ist wiederum eine Autoimmunerkrankung, nämlich die Myasthenia gravis.
- Neuropathien: Erkrankungen der peripheren Nerven - also der außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks liegenden Nerven - nennt man Neuropathien. Sie können entweder einzelne Nerven betreffen oder an mehreren Nerven gleichzeitig auftreten (Polyneuropathien). Diese Erkrankungen äußern sich durch Schmerzen oder völligen Reizausfall im betroffenen Gebiet. Sie beginnen meistens an den Füßen.
- Motoneuron-Erkrankungen: An dieser Stelle aber geht es vor allem um die degenerativen Erkrankungen der motorischen Nervenfasern, die vom Rückenmark ausgehen, sogenannte Motoneuronerkrankungen. Diese sind leider nicht heilbar. Bei dieser häufigsten Systemerkrankung sind sowohl das 1. und 2. Motoneuron durch die Degeneration betroffen. Die Symptomatik kann mit Lähmungserscheinungen, Muskelschwund, verwaschener Sprache und Schluckstörungen einhergehen. Eine wirksame Therapie ist nicht bekannt.
Ausgewählte Krankheitsbilder:
- Myasthenia Gravis: Bei der Myasthenia Gravis handelt es sich um eine schwere Muskelschwäche, die sich unter Belastung deutlich verschlechtert und in Ruhe wieder verbessert. Die Myasthenia Gravis zählt zu den Autoimmunerkrankungen. Die Impulsübertragung zwischen Nerv und Muskel ist gestört.
- Chronisch Inflammatorische Demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP):
- Guillain-Barré-Syndrom (GBS):
- Autoimmun-bedingte Myositis (Poly-/Dermatomyositis, nekrotisierende Myositis):
Symptome von neuromuskulären Erkrankungen
Je nach Erkrankungsform treten verschiedene Symptome auf, die von Muskelschwäche, Muskelschwund und Schmerzen bis hin zu Beeinträchtigungen von Herz und Atmung reichen können.
- Muskelschwäche: Abnahme von Kraft, Ausdauer und Muskelmasse sowie Veränderungen der Muskulatur können zu Einschränkungen der Gehfähigkeit und anderer wichtiger Funktionen führen.
- Herz- und Atemprobleme: Je nach Art der neuromuskulären Erkrankung muss auch auf eine mögliche Beteiligung der Herz- und/oder Atemmuskulatur geachtet werden.
- Schmerzen und Krämpfe: Durch die neuromuskuläre Erkrankung selbst oder durch ihre Folgen, wie Skoliosen oder Gelenkdeformitäten, kann es zu Schmerzen und Krämpfen kommen.
Diagnostik von neuromuskulären Erkrankungen
Zur grundlegenden Diagnostik gehört eine dezidierte Anamnese inkl. Familienanamnese sowie eine klinisch-neurologische Untersuchung mit Erhebung der einzelnen Kraftgrade und mit Verwendung krankheitsspezifischer Skalen und Fragebögen. Daneben gibt es verschiedene spezielle diagnostische Methoden, die in der Diagnosestellung zu einer näheren Eingrenzung des Krankheitsbildes sowie zur Indikationsstellung für weitere spezifische Maßnahmen wie der Muskelbiopsie und der Molekulargenetik beitragen können.
Die laborchemische Diagnostik sollte neben den Routineparametern wie das kleine Blutbildbild, die Leber-, Nieren-, Schilddrüsenwerte und Elektrolyte insbesondere die Bestimmung der Kreatinkinase (CK) beinhalten. Im Einzelfall können metabolische Funktionstests für Myopathien oder eine erweiterte Labordiagnostik für metabolische, rheumatologische, infektiöse und tumoröse sowie hämatologische Erkrankung bei Polyneuropathien notwendig sein.
Für autoimmun bedingte neuromuskuläre Erkrankungen stehen spezielle Autoantikörpertests zur Verfügung. Morphologisch können die Muskeln und Nerven über bildgebende Verfahren wie das MRT oder den Ultraschall abgebildet werden. Zusätzlich kann die elektrophysiologische Diagnostik helfen, zwischen einer Nerven-, Muskelbeteiligung oder einer neuromuskulären Übertragungsstörung zu unterscheiden.
Spezielle Diagnose- und Therapiemethoden:
- Elektromyographie / -neurographie
- Muskel- / Nerven-Sonographie
- Muskel- / Nerven-MRT
- Biopsien von N. suralis und Skelettmuskulatur (in Zusammenarbeit mit der Klinik für Neurochirurgie)
- Antikörperdiagnostik
- Durchflusszytometrie, unter anderem des Liquor cerebrospinalis
Therapie von neuromuskulären Erkrankungen
Der Grundpfeiler in der Behandlung der neuromuskulären Behandlung ist eine möglichst schnelle und präzise Diagnostik.
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Je nach der Ursache der neuromuskulären Erkrankung stehen spezifische Therapien zur Verfügung. Bei erworbenen Erkrankungen sollte die verursachende Erkrankung spezifisch therapiert werden wie z.B. der Diabetes mellitus bei einer diabetisch-bedingten Polyneuropathie. Bei den autoimmun entzündlichen Erkrankungen kommen sogenannte Immunsuppressiva zum Einsatz.
Behandlungsansätze:
- Symptomatische Behandlungen zur Linderung der Symptome
- Medikamente (meist bei entzündlichen neuromuskulären Erkrankungen)
- Physiotherapeutische Maßnahmen zur Erhaltung von Beweglichkeit und Kraft
- Hilfsmittel wie Rollstühle oder Krücken zur Unterstützung der Mobilität
- Chirurgische Eingriffe (falls notwendig)
Rehabilitative Maßnahmen:
Die Maßnahmen zielen darauf ab, dass Betroffene mit einer neuromuskulären Erkrankung ihren Alltag besser bewältigen können und in Familie, Freundeskreis und Beruf möglichst gut integriert bleiben.
- Ergotherapie: Funktionen und Fähigkeiten, insbesondere der oberen Extremitäten, können mithilfe von Ergotherapie verbessert oder erhalten werden.
- Logopädie: Die Logopädie ist in das Behandlungskonzept integriert, um die Sprache, das Sprechen und die Stimme zu verbessern. Das Gleiche gilt für Atmung und Abhusten. Eine weitere Domäne der Logopädie ist das Schlucken.
- Psychotherapie: In einigen Fällen ist auch eine psychologische Behandlung erforderlich. Diese kann in Einzel- oder Gruppentherapien zu einem konstruktiveren Umgang mit der Erkrankung beitragen.
- Sporttherapie:Leichtes bis moderates Kraft- und Ausdauertraining wirkt sich bei neuromuskulären Erkrankungen in der Regel positiv aus und wird meist gut vertragen.
Spezialisierte Zentren und Ambulanzen
Aufgrund der Seltenheit vieler neuromuskulärer Erkrankungen ist eine Behandlung in spezialisierten Zentren empfehlenswert. Diese Zentren verfügen über die notwendige Expertise und Erfahrung, um eine umfassende Diagnostik und Therapie anbieten zu können.
Ein besonderer Schwerpunkt stellt die Betreuung von Patienten mit entzündlichen Myo- und Neuropathien sowie myasthener Syndrome dar. Hierbei sind wir als ein führendes Zentrum in verschiedenen Expertengremien und Gesellschaften tätig, u.a. im Myositis Netz sowie in der Deutschen Myasthenie Gesellschaft.
Neuromuskuläre Ambulanz: In dieser Spezialambulanz betreuen wir die Patient:innen in enger Abstimmung mit den zuweisenden niedergelassenen Neurologen. Das gilt für diagnostische Fragestellungen, aber auch um spezielle Therapien zu übernehmen, die in der Praxis nicht durchgeführt werden können. Sehr effektiv ist die Verknüpfung dieser Spezialambulanz mit unseren Laboren für elektrophysiologische Diagnostik. Bei entsprechenden Fragestellungen organisieren wir auch die Durchführung von Muskelbiopsien.
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Nervenkompressionssyndrome
Bei einigen Nerven kommt es an bestimmten Prädilektionsstellen zu Enpasssyndromen mit Ausfällen, der von diesem Nerven versorgten Hautareale bzw. Muskulatur. Kompression des N. Kompression des N. Hierbei kommt es mit unterschiedlichen Verteilungsmuster zu motorischen und sensiblen Ausfällen der betroffenen Extremität. Am häufigsten ist die Plexusneuritis, die mit starken, nächtlich betonten Schmerzen verbunden ist. Typischerweise treten erst die Schmerzen auf. Erst im Verlauf zeigen sich dann auch Lähmungs-erscheinungen. Andere Ursachen für eine Plexusläsion sind Tumore, ein Trauma oder eine Bestrahlung (z. B.
Polyneuropathien
Hierbei handelt es sich um eine Erkrankung der Nerven, die zu Sensibilitätstörungen und motorischen Ausfällen führen kann. Je nach Ursache gibt es akute und chronische Verläufe. Die Ätiologie ist vielfältig.
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