Die Frage nach Nervenentzündungen im Zusammenhang mit Impfungen, insbesondere nach COVID-19-Impfungen, ist ein viel diskutiertes Thema. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Risiken und aktuelle Erkenntnisse zu diesem Thema, wobei das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) als eine wichtige Form der Nervenentzündung im Fokus steht.
Das Guillain-Barré-Syndrom (GBS): Eine seltene, aber schwerwiegende Nervenerkrankung
Das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) ist eine idiopathische Polyneuritis der spinalen Nervenwurzeln und peripheren Nerven. Es handelt sich um eine seltene Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem fälschlicherweise die Myelinschicht der peripheren Nerven angreift. Dies führt zu einer Entzündung und Schädigung der Nerven, was wiederum Muskelschwäche, Taubheitsgefühle und Lähmungen verursachen kann. In schweren Fällen kann die Atemmuskulatur betroffen sein, was lebensbedrohlich sein kann.
Die Inzidenz des GBS liegt bei etwa 1-2 pro 100.000 Einwohnern. Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Die genaue Ätiologie des GBS ist noch unklar, aber es wird angenommen, dass Infektionen mit bestimmten Erregern und Impfungen als auslösende Faktoren wirken können.
Mögliche Ursachen und Risikofaktoren für GBS nach Impfung
Die Pathogenese des GBS ist bis heute nicht vollständig geklärt. Es wird vermutet, dass molekulare Mimikry eine Rolle bei der Ätiologie spielen könnte. Dabei ähneln Strukturen von Erregern oder Impfstoffen Strukturen des körpereigenen Nervensystems, wodurch das Immunsystem fälschlicherweise die Nerven angreift.
Einige Studien haben einen Zusammenhang zwischen bestimmten Impfstoffen und einem erhöhten GBS-Risiko festgestellt. Insbesondere der COVID-19-Impfstoff Jcovden (COVID-19-Impfstoff Ad26.COV2-S [rekombinant]) von Johnson & Johnson wurde mit einem erhöhten Risiko für GBS in Verbindung gebracht. Eine im „JAMA Network Open“ publizierte Auswertung der Fälle, die an die US-Nebenwirkungsdatenbank VAERS gemeldet wurden, ergab, dass die GBS-Melderaten innerhalb von 21 und 42 Tagen nach der Janssen-Impfung neun- bis zwölfmal höher waren als nach einer mRNA-Impfung mit den Covid-19-Vakzinen von BioNTech/Pfizer (Comirnaty) und Moderna (Spikevax). Für die beiden mRNA-Impfstoffe konnte kein entsprechender Zusammenhang ermittelt werden.
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Ebenso gab es Berichte über ein erhöhtes GBS-Risiko nach der Impfung mit der ChAdOx1 nCov-19 Vakzine (Vaxzevria von AstraZeneca). Dieser Impfstoff verwendet einen replikationsinkompetenten Schimpansen-Adenovirus-Vektor und wurde in Europa in großem Umfang verabreicht. In einer Studie war die Zahl der GBS-Fälle innerhalb von 14 Tagen nach einer Impfung mit der AstraZeneca-Vakzine 1,4- bis 10-mal höher als erwartet.
Ein erhöhtes GBS-Risiko nach diesen Impfstoffen könnte auf einen Zusammenhang mit Adenovirus-Vektor-Impfstoffklassen hindeuten, zumindest in Bezug auf Covid-19-Impfstoffe.
Bewertung der Kausalität und des absoluten Risikos
Es ist wichtig zu betonen, dass die Feststellung eines erhöhten GBS-Risikos nach einer Impfung nicht automatisch einen kausalen Zusammenhang beweist. Es ist möglich, dass andere Faktoren eine Rolle spielen oder dass die GBS-Fälle zufällig im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung aufgetreten sind.
Das absolute GBS-Risiko nach der Janssen-Covid-19-Impfung liegt laut Schätzungen der Forschenden aber nur in einer Größenordnung von einigen Fällen pro Million Impfdosen.
Fallberichte und klinische Erfahrungen
Fallberichte und klinische Erfahrungen können wertvolle Hinweise auf mögliche Zusammenhänge zwischen Impfungen und Nervenentzündungen liefern. Der AkdÄ wurde beispielsweise der Fall einer 66-jährigen Patientin berichtet, bei der neun Tage nach einer ersten Impfung mit Shingrix® zuerst Kribbelparästhesien in beiden Füßen und Unterschenkeln bis zu den Knien auftraten. Am nächsten Tag entwickelten sich auch Missempfindungen in den Fingerspitzen und zunehmende Schwäche der Beine, sodass sie sich notfallmäßig im Krankenhaus vorstellte. Zusammenfassend wurde die Diagnose eines Guillain-Barré-Syndroms (GBS) gestellt.
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In einem weiteren Fall kam es bei einem 15-jährigen Mädchen etwa einen Monat nach einer Injektion von Encepur® als Auffrischimpfung zu distalen Gefühlstörungen mit Parästhesien und langsam zunehmenden distal betonten Lähmungen. Bei Verdacht auf GBS erfolgte eine Lumbalpunktion, die eine zytoalbuminäre Dissoziation zeigte. Der elektrophysiologische Befund zeigte eine für GBS typische Veränderungen.
Diese Fallberichte unterstreichen die Notwendigkeit einer sorgfältigen Überwachung und Untersuchung von möglichen Nebenwirkungen nach Impfungen.
Post-Vac-Syndrom: Langandauernde Beschwerden nach Impfung
In sehr seltenen Fällen kann es nach einer Corona-Impfung zu andauernden Krankheitssymptomen kommen, die als Post-Vac-Syndrom bezeichnet werden. Die Post-Vac-Syndrom genannten Beschwerden können auch nach anderen Impfungen auftreten, zum Beispiel bei der Grippeschutzimpfung.
Die Symptome des Post-Vac-Syndroms sind vielfältig und können denen von Long COVID ähneln. Dazu gehören unter anderem:
- Extreme Müdigkeit
- Nervenschmerzen
- Neurologische Ausfälle
Die Ursachen des Post-Vac-Syndroms sind noch nicht vollständig geklärt. Es gibt mehrere Theorien dazu, was bei einem Post-Vac-Syndrom im Körper passiert:
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- Eine wichtige Rolle bei der Blutdruckregulierung spielt das Molekül ACE2. Besonders viel ACE2 haben jüngere, sportliche Frauen - also diejenigen, die am häufigsten ein Post-Vac-Syndrom bekommen.
- Das Immunsystem wird durch die Infektion, aber auch durch die Impfung, stark aktiviert. Dabei kann es zu überschießenden Reaktionen kommen. Es entstehen Autoantikörper, die körpereigenes Gewebe angreifen und so Autoimmunkrankheiten auslösen.
Diagnose und Therapie von Nervenentzündungen nach Impfung
Die Diagnose von Nervenentzündungen wie dem GBS basiert auf einer sorgfältigen klinischen Untersuchung, neurologischen Tests und gegebenenfalls einer Lumbalpunktion zur Analyse des Nervenwassers. Elektrophysiologische Untersuchungen können ebenfalls hilfreich sein, um die Nervenfunktion zu beurteilen.
Die Therapie des GBS umfasst in der Regel die Gabe von intravenösen Immunglobulinen oder eine Plasmapherese, eine spezielle Art der Blutwäsche, um die krankheitsauslösenden Autoantikörper aus dem Blut zu entfernen. In schweren Fällen kann eine intensivmedizinische Betreuung mit Beatmung erforderlich sein.
Die Behandlung des Post-Vac-Syndroms ist symptomatisch und zielt darauf ab, die Beschwerden der Betroffenen zu lindern. Es gibt ein Therapieverfahren, das krankmachende Bestandteile des Immunsystems aus dem Blut fischen kann: die Immunapherese, eine Art Blutwäsche. Diese Therapie wird mancherorts durchgeführt, obwohl es dafür bislang keinen wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweis gibt.
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