Einführung
Das Nervensystem ist ein komplexes Netzwerk, das die Grundlage für nahezu jedes Verhalten und jede Körperfunktion des Menschen bildet. Es ermöglicht uns, mit der Umwelt zu interagieren, Informationen zu verarbeiten und lebenswichtige Prozesse wie Atmung, Herzschlag und Verdauung zu steuern. Das Gehirn, als zentraler Bestandteil dieses Systems, ist ein faszinierendes Organ, das aus Milliarden von Nervenzellen besteht und sich ständig selbst organisiert.
Aufbau und Organisation des Nervensystems
Das Nervensystem lässt sich grob in zwei Hauptbereiche unterteilen:
- Zentrales Nervensystem (ZNS): Es umfasst das Gehirn und das Rückenmark. Das Gehirn ist das Steuerzentrum des Körpers, während das Rückenmark als zentrale Leitungsbahn fungiert, die Informationen zwischen Gehirn und Körper vermittelt.
- Peripheres Nervensystem (PNS): Es besteht aus den Nerven, die außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks liegen. Diese Nerven verbinden das ZNS mit den Organen, Muskeln und der Haut und ermöglichen so die Kommunikation zwischen dem Gehirn und den verschiedenen Körperteilen.
Innerhalb des Nervensystems gibt es verschiedene funktionelle Unterscheidungen:
Somatisches Nervensystem: Steuert willkürliche Bewegungen, wie das Anheben eines Arms oder das Sprechen.
Autonomes Nervensystem: Reguliert unwillkürliche Körperfunktionen wie Herzschlag, Atmung, Verdauung und Stoffwechsel. Es wird weiter unterteilt in:
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- Sympathisches Nervensystem: Bereitet den Körper auf Aktivität und Stress vor ("Kampf-oder-Flucht"-Reaktion).
- Parasympathisches Nervensystem: Fördert Ruhe, Entspannung und Verdauung.
- Enterisches Nervensystem: Oft als "Bauchhirn" bezeichnet, steuert die Funktionen des Magen-Darm-Trakts.
Das Gehirn: Die Schaltzentrale
Das Gehirn ist das komplexeste Organ des menschlichen Körpers und besteht aus verschiedenen Teilen, die jeweils spezialisierte Funktionen erfüllen. Das Gehirn ist neben dem Rückenmark sein wesentlicher Bestandteil.
- Großhirn (Cerebrum): Macht etwa 80 % der Hirnmasse aus. Es ist in zwei Hälften, die sogenannten Hemisphären unterteilt. Die Verbindung der Hemisphären erfolgt durch den Balken. Beide Hemisphären arbeiten zusammen, um komplexe Aufgaben auszuführen. Die Großhirnrinde, die äußere Schicht des Großhirns, ist für höhere kognitive Funktionen wie Gedächtnis, Denken, Sprache und Bewusstsein verantwortlich. Sie ist nur zwei Millimeter dünn und bereits beim pränatalen Wachstum zu zahlreichen Wülsten und Furchen aufgefaltet. 40000 bis 60000 Nervenzellen befinden sich in jedem Quadratmillimeter ihrer Substanz. Und jede dieser Zellen ist mit zehn- bis zwanzigtausend anderen verbunden. Die Grosshirnrinde ist in verschiedene Lappen unterteilt, z. B. den Frontallappen, Temporallappen, Parietallappen und Okzipitallappen, die jeweils spezifische Aufgaben erfüllen.
- Zwischenhirn (Diencephalon): Befindet sich zwischen dem Großhirn und dem Mittelhirn und umfasst Strukturen wie den Thalamus (Relaisstation für sensorische Informationen), den Hypothalamus (Regulation von Körperfunktionen wie Hunger, Durst, Körpertemperatur und Sexualverhalten), die Amygdala (Emotionsverarbeitung) und den Hippocampus (Gedächtnisbildung).
- Hirnstamm: Der älteste Teil des Gehirns, auch Reptiliengehin genannt, ist der älteste Teil des Gehirns. Er befindet sich am unteren Ende im Übergang zum Rückenmark. Er besteht aus dem Mittelhirn, der Brücke (Pons) und dem verlängerten Rückenmark (Medulla oblongata). Der Hirnstamm steuert lebenswichtige Funktionen wie Atmung, Herzschlag und Blutdruck. Die Brücke (Pons) ist der erste Abschnitt des Hirnstamms und verbindet das Großhirn mit dem Kleinhirn sowie das Großhirn mit dem Rückenmark.
- Kleinhirn (Cerebellum): Von den Gehirnforschern auch das "Gehirn im Gehirn genannt - sorgt dafür, dass unser Körper stets im Gleichgewichtszustand gehalten wird. So hält er beispielsweise unsere Körpertemperatur konstant. Koordiniert Bewegungen, Gleichgewicht und Körperhaltung.
Nervenzellen: Die Bausteine des Nervensystems
Die Funktionsfähigkeit des Gehirns wird über die Nervenzellen sichergestellt. Sie bilden die grundlegenden Bausteine des Gehirns. Sie kommunizieren miteinander, indem sie elektrische Impulse und chemische Signale aussenden. Es gibt verschiedene Arten von Neuronen, die für die unterschiedlichsten Funktionen im Gehirn verantwortlich sind. Die sensorischen Neuronen sind für die Übertragung von Informationen von den Sinnesorganen zum Gehirn zuständig, während motorische Neuronen für die Übertragung von Signalen vom Gehirn zu den Muskeln verantwortlich sind. Die Gliazellen sollen unterstützen, indem sie Nährstoffe und Sauerstoff bereitstellen, um die Neuronen vor Schäden zu schützen und Abfallprodukte zu entfernen.
Die Nervenzellen des Kleinhirns sind regelmäßig angeordnet.
Blutversorgung des Gehirns
Die Blutversorgung der Gehirnzellen erfolgt über vier rechts und links im Hals symmetrisch nach oben laufende Arterien. Die Hauptmenge arteriellen Bluts fließt über die rechte und linke innere Halsschlagader (Arteria carotis interna dextra bzw. die sinistra). Sie kommen aus der jeweiligen Halsschlagader (Arteria carotis communis dextra bzw. sinistra). Die Halsschlagadern entspringen im Aortenbogen. Zusätzlich fließt Blut beidseite über die rechte und linke Wirbelarterie (Arteria vertebralis dextra bzw. sinistra) aus den Schlüsselbein-Schlagadern (Arteria subclavia). Ein Netz von über 100 Milliarden Kapillargefäßen, deren Länge insgesamt mehrere hundert Kilometer beträgt, versorgt das Gehirn. Die Blut-Hirn-Schranke schützt das Gehirngewebe vor in diesem Blut zirkulierenden Krankheitserregern, Toxinen und Transmittern (Botenstoffen), indem sie wie ein physikalischer Filter nur die von den Neuronen benötigten Nährstoffe in das Gehirn durchlässt. Diese Kapillarwände sind fast überall so aufgebaut, dass die "Gifte" nicht durch diese Zellen ins Gehirngewebe eindringen können. Der Abfluss des verbrauchten Blutes erfolgt zunächst über kleine Venolen und Venen wie in andere Organen hin zur Peripherie der Hirnrinde. Diese Venen verlaufen jedoch unabhängig von dem Verlauf der Arterien: tiefe (Venae profundae cerebri) und eine oberflächliche Venen (Venae superficiales cerebri). Die größte Hirnvene ist nur etwa 1 cm lang (Vena magna cerebri - Galeni) und liegt unter dem Splenium des Balkens. Das nun sauerstoffarme Blut wird in anatomisch besonders gebauten Hirnblutleitern, den Sinus durae matris gesammelt: Die Sinus bilden ein miteinander verbundenes System und münden schließlich in die inneren Drosselvenen (Vena jugularis interna bzw.
Funktionelle Bereiche des Gehirns und ihre Bedeutung
Die funktionalen Bereiche des Gehirns können den drei Intelligenzzentren des Menschen zugeordnet werden:
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- Rationale Intelligenz: Verantwortlich für logisches Denken, Problemlösung und Entscheidungsfindung.
- Emotionale Intelligenz: Steuert Emotionen, Empathie und soziale Kompetenzen.
- Instinkt: Reguliert grundlegende Überlebensinstinkte und Reflexe.
Die Rolle des Gehirns bei der Informationsverarbeitung
Das Gehirn verarbeitet Informationen in einem komplexen Zusammenspiel von neuronalen Netzwerken. Sinnesdaten werden verarbeitet, verglichen, gerastert, gruppiert und Kategorien unterworfen. Geistige beziehungsweise mentale Prozesse sind stets an neuronale Aktivität in bestimmten Hirngebieten gebunden, auch wenn diese Aktivitäten oft über weite Teile des Gehirns verteilt sind und "parallel" arbeiten. Je müheloser und automatisierter wir Dinge gedanklich erledigen, desto weniger neuronale Erregung und desto weniger Sauerstoff- und Zuckerverbrauch lassen sich nachweisen. Um einen Gedanken entstehen zu lassen, ist der Austausch zwischen den Neuronen entscheidend. Die Verbindung wird durch die Synapsen hergestellt. Wenn wir über etwas nachdenken oder eine Entscheidung treffen, werden bestimmte Gehirnregionen aktiviert. Neurotransmitter, wie Dopamin, Serotonin und Noradrenalin helfen bei der Verarbeitung von Informationen. Sie beeinflussen unsere Stimmung, Aufmerksamkeit und Motivation und können dazu beitragen, dass wir uns auf eine bestimmte Aufgabe konzentrieren und uns erinnern können.
Die Denkleistung ist stets abhängig von der neuronalen Vernetzung. Es gibt kein übergeordnetes Kontrollsystem. Auch das Entstehen von Emotionen basiert auf einem komplexen Prozess im Gehirn. Hier spielen sowohl biologische, wie auch psychologischen Faktoren eine Rolle. Die Verarbeitung von Emotionen wird überwiegend dem limbischen System zugeschrieben.
Das enterische Nervensystem (ENS) - Das „Bauchhirn“
Als enterisches Nervensystem bezeichnet man das Nervensystem im Körper, welches den Magen-Darm-Trakt steuert. Es ist das komplexeste dieser Systeme und auch unter dem Begriff Plexus entericus bekannt. Das enterische Nervensystem (ENS) zieht sich als Geflecht durch den kompletten Verdauungstrakt und reguliert die zentralen Aufgaben und Funktionen des Magen-Darm-Trakts von der Speiseröhre bis zum Enddarm. Das enterische Nervensystem erstreckt sich von der Speiseröhre über Magen und Dünndarm bis hin zum Dickdarm. Die einzelnen Teilbereiche des enterischen Nervensystems sind eng miteinander verknüpft und erfassen Reize aus dem Lumen des entsprechenden Abschnitts, also der Seite, welche direkt mit der aufgenommenen Nahrung, Flüssigkeit etc. in Kontakt kommt.
Die Besonderheit dieses Nervensystems ist, dass es durch seine vielfältigen Verschaltungen in der Lage ist, die Muskelzellen im Verdauungstrakt zu aktivieren und somit die Beförderung des Speisebreis, die Peristaltik, anzuregen. Gleichzeitig adressiert er verschiedene Drüsenzellen, welche so die Verdauungsenzyme nach Bedarf gezielt ausschütten können. Außerdem werden über Verschaltungen im Rückenmark Reize wie eine Überfüllung der einzelnen Abschnitte oder eine Infektion an das Gehirn weitergeleitet, was im bewussten Empfinden von Magenschmerzen, Völlegefühl und Übelkeit resultiert. Aufgrund der Komplexität des Systems haben Störungen des ENS oft vielfältige Auswirkungen auf den gesamten Verdauungsprozess. Sind etwa die Nervenzellen im Plexus myentericus, also zwischen den Muskelschichten, nicht in ausreichender Zahl ausgebildet, so kann an dieser Stelle der Speisebrei nicht mehr weitertransportiert werden. Vor der betroffenen Stelle staut sich entsprechend der Inhalt des Darms, was eine extreme Aufdehnung des entsprechenden Abschnitts zur Folge hat.
Verschiedene Stressoren können zur Symptomatik eines Reizmagens, der „funktionellen Dyspepsie“, führen. Diese äußert sich durch Sodbrennen, Völlegefühl oder Oberbauchschmerzen. Hierbei ist es wichtig zu beachten, dass das Krankheitsbild eine Ausschlussdiagnose ist und körperliche Erkrankungen als Ursachen der Beschwerden ausgeschlossen werden sollten. Eine übermäßige Säurebildung kann „off-label“ durch Säurehemmung behandelt werden. Bei verlangsamter Entleerung des Magens kann ein Prokinetium Abhilfe schaffen. Sämtliche medikamentösen Therapien sollten möglichst nur vorübergehend eingesetzt werden, da beispielsweise eine längerfristige Säurehemmung das Risiko für Infektionen im Magen-Darm-Trakt erhöht und die Aufnahme von Vitamin B 12 stören kann.
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Aktuelle Forschung und Erkenntnisse
Die Neurowissenschaften entwickeln sich rasant weiter und liefern ständig neue Erkenntnisse über die Funktionsweise des Nervensystems. Aktuelle Forschungsschwerpunkte sind unter anderem:
- Neuroplastizität: Die Fähigkeit des Gehirns, sich im Laufe des Lebens zu verändern und anzupassen.
- Neurodegenerative Erkrankungen: Erforschung der Ursachen und Entwicklung von Therapien für Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson.
- Gehirn-Computer-Schnittstellen: Entwicklung von Technologien, die eine direkte Kommunikation zwischen Gehirn und Computer ermöglichen.
- Epigenetische Veränderungen: Die Beeinflussung der Genaktivität durch Umweltfaktoren und deren Auswirkungen auf die Gehirnfunktion.
Jüngste Studien haben gezeigt, dass Astrozyten, eine Art von Gliazellen, eine wichtige Rolle bei der Neubildung von Nervenzellen spielen könnten. Durch die Veränderung des Methylierungsmusters in Astrozyten könnten diese in Hirnstammzellen umgewandelt werden, die dann neue Neuronen produzieren können. Dieser Mechanismus könnte in Zukunft für die Behandlung von Nervenerkrankungen genutzt werden.
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