Neubildung von Synapsen: Einblick in die Dynamik des Gehirns

Das Gehirn ist ein unglaublich dynamisches Organ, das ständig Informationen verarbeitet und seine Struktur anpasst, um neue Aufgaben zu bewältigen. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Synapsen, die Kontaktstellen zwischen Nervenzellen. Lange Zeit ging man davon aus, dass Synapsen relativ statisch sind und nur selten neu entstehen. Doch inzwischen wissen wir, dass Synapsen äußerst dynamisch sind und sich je nach Bedarf ständig neu bilden oder verschwinden. Dieser Artikel beleuchtet die Mechanismen der Synapsenbildung, die beteiligten Moleküle und die Bedeutung dieser Prozesse für Lernen, Gedächtnis und neurologische Erkrankungen.

Synaptische Plastizität: Die Anpassungsfähigkeit des Nervensystems

Synaptische Plastizität beschreibt die Fähigkeit des Nervensystems, sich an unterschiedlich intensive Nutzung anzupassen. Dabei können neue Synapsen entstehen, nicht benötigte Synapsen abgebaut oder Verbindungen neu geordnet werden. Ein wichtiger Mechanismus der synaptischen Plastizität ist die Langzeitpotenzierung (LTP), die eine Möglichkeit darstellt, wie neuronale Plastizität stattfinden kann. LTP-Prozesse können überall im Nervensystem ablaufen, sind aber besonders wichtig im Hippocampus, der eine zentrale Rolle beim Lernvorgang spielt.

Langzeitpotenzierung: Stärkung synaptischer Verbindungen

Um die Langzeitpotenzierung zu verstehen, ist es wichtig, den Aufbau und die Funktionsweise von Synapsen zu kennen. Synapsen bestehen aus einer Präsynapse (Teil des vorgeschalteten Neurons) und einer Postsynapse (Teil des nachgeschalteten Neurons), die durch den synaptischen Spalt getrennt sind. An chemischen Synapsen, die im Körper vorherrschen, erfolgt die Erregungsweiterleitung durch Neurotransmitter.

Ein Aktionspotenzial im präsynaptischen Neuron führt zur Ausschüttung von Neurotransmittern in den synaptischen Spalt. Diese Neurotransmitter binden an Rezeptoren in der postsynaptischen Membran und lösen dort eine spezifische Wirkung aus, beispielsweise die Entstehung eines exzitatorischen postsynaptischen Potenzials (EPSP). Die klassische Unterscheidung zwischen erregenden und hemmenden Neuronen beruht auf den vorliegenden Neurotransmittern und den Rezeptoren der Postsynapse.

Glutamat ist der wichtigste erregende Neurotransmitter im Nervensystem und spielt eine zentrale Rolle bei der Langzeitpotenzierung. Glutamat kann an verschiedenen Typen von Rezeptoren wirken, darunter die AMPA- und NMDA-Rezeptoren. Die Aktivierung von NMDA-Rezeptoren durch ausreichend hohe Aktivität ist ein zentraler Bestandteil der LTP.

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Die synaptische Übertragungsstärke beschreibt die unterschiedlich großen Auswirkungen eines Aktionspotenzials auf das postsynaptische Neuron. Die Langzeitpotenzierung erhöht die Effektivität der synaptischen Übertragung und somit die synaptische Übertragungsstärke.

Ablauf der Langzeitpotenzierung: Frühe und späte Phasen

Die Langzeitpotenzierung lässt sich in eine frühe und eine späte Phase unterteilen. In der frühen LTP werden durch erhöhte Aktivität Magnesium-Ionen aus den NMDA-Rezeptoren gelöst, wodurch Calcium in die Zelle einströmen kann. Dieses Calcium setzt intrazelluläre Prozesse in Gang, die die Empfindlichkeit der Postsynapse für Neurotransmitter erhöhen und die Ausschüttung von Neurotransmittern in der Präsynapse fördern.

Die späte Langzeitpotenzierung setzt erst nach Stunden erhöhter Aktivität ein und führt zu einer langfristigen Veränderung der synaptischen Übertragungsstärke. Hierbei spielt die Proteinbiosynthese eine wichtige Rolle. Calcium aktiviert den Transkriptionsfaktor CREB, der die Genexpression von weiteren Synapsen und Kanälen fördert.

Langzeitdepression: Schwächung synaptischer Verbindungen

Neben der Langzeitpotenzierung gibt es auch die Langzeitdepression, bei der die Übertragungsstärke durch verringerte Nutzung der Neurone heruntergefahren wird. Eine geringe Calciumkonzentration führt zur Dephosphorylierung von AMPA-Rezeptoren, wodurch ihre Affinität zu Glutamat sinkt. In einigen Fällen kann es sogar zum Abbau der Synapse kommen.

Die Rolle von SynCAM1 bei der Synapsenbildung

In den letzten Jahren wurden verschiedene Proteine identifiziert, die an der Synapsenbildung beteiligt sind, darunter die sogenannten Adhäsionsmoleküle. Eines dieser Proteine, SynCAM1, spielt eine wichtige Rolle bei der Synapsenbildung und dem Erhalt von Synapsen.

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Studien an Mäusen haben gezeigt, dass eine erhöhte Menge von SynCAM1 zu einer vermehrten Bildung von Synapsen führt, während ein Mangel an SynCAM1 die Synapsenbildung nicht verhindert, aber die Stabilität der Synapsen beeinträchtigt. Interessanterweise lernen Mäuse ohne SynCAM1 schneller, was darauf hindeutet, dass SynCAM1 zwar die Synapsenbildung fördert, aber auch den Abbau ungenutzter Synapsen erschwert.

Neue Erkenntnisse zur Neurogenese im Erwachsenenalter

Lange Zeit ging man davon aus, dass im erwachsenen Gehirn keine neuen Nervenzellen gebildet werden. Doch inzwischen ist wissenschaftlich belegt, dass auch noch nach der frühen Kindheit aus Gliazellen neue Neurone entstehen können. Diese adulten Stammzellen befinden sich in bestimmten Bereichen des Gehirns, den sogenannten Stammzellnischen.

Forscher haben herausgefunden, dass diese Stammzellnischen besonders starr und wenig flexibel sind, was unter anderem an der starken Vernetzung der extrazellulären Matrix liegt. Diese Erkenntnisse könnten dazu beitragen, die Neurogenese in verletzten Hirnregionen zu fördern und so die Reparatur des Gehirns zu unterstützen.

Bedeutung für neurologische und psychiatrische Erkrankungen

Die Erforschung der Synapsenbildung und der synaptischen Plastizität ist von großer Bedeutung für das Verständnis und die Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen. Viele dieser Krankheiten, wie beispielsweise Demenz, zeigen eine veränderte Synapsenbildung.

Serotoninrezeptoren und Synapsenbildung

Wissenschaftler haben herausgefunden, dass vor der Neuverknüpfung von Gehirnzellen die sogenannten Serotoninrezeptoren 5-HT7 aktiviert werden müssen. Diese Entdeckung könnte bei der Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Krankheiten, etwa Demenz, helfen. Die Forscher sind optimistisch, dass Substanzen, die den Serotoninrezeptor 5-HT7 spezifisch aktivieren, in Zukunft zur Therapie eingesetzt werden könnten.

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Axonregeneration: Ein komplexes Unterfangen

Schädigungen an Axonen, beispielsweise durch einen Schlaganfall oder einen Unfall, sind oft irreparabel. Die Entwicklung von Therapien zur Axonregeneration ist sehr komplex und erfordert das Zusammenspiel verschiedener Faktoren, darunter die Erhaltung des Zellkörpers, die Produktion von Proteinen für das Axonwachstum, die Beseitigung von Wachstumshemmern, die Zielfindung der Axone, die Ausbildung stabiler Synapsen und die Myelinisierung der Axone.

Obwohl es vielversprechende Ansätze gibt, beispielsweise die Unterdrückung eines Proteins, das in anderen Zellen die Entstehung von Krebs verhindert, ist es unwahrscheinlich, dass Patienten in absehbarerer Zeit genau so laufen oder sehen können wie vorher.

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