Neue Medikamente und Therapieansätze bei Polyneuropathie: Ein umfassender Überblick

Polyneuropathie, eine Erkrankung des peripheren Nervensystems, betrifft viele Menschen und kann mit vielfältigen Symptomen wie Schmerzen, Taubheitsgefühlen und Muskelschwäche einhergehen. Oftmals sind Menschen mit Diabetes betroffen, was dann als diabetische Neuropathie bezeichnet wird. Die gute Nachricht ist, dass es eine Reihe von neuen Medikamenten und Therapieansätzen gibt, die Hoffnung auf Linderung und Verbesserung der Lebensqualität bieten.

Polyneuropathie: Eine Einführung

Bei einer Polyneuropathie liegt eine Schädigung der peripheren Nerven vor. Diese Nerven befinden sich außerhalb des zentralen Nervensystems und sind für die Weiterleitung von Informationen zwischen dem Gehirn und dem Rest des Körpers zuständig. Die Symptome einer Polyneuropathie können vielfältig sein und hängen davon ab, welche Nerven betroffen sind. Häufig sind die Nerven in den Armen und Beinen betroffen, was zu Kribbeln, Taubheitsgefühlen, Schmerzen oder Muskelschwäche führen kann. In manchen Fällen kann auch das vegetative Nervensystem betroffen sein, das für die Steuerung von unbewussten Körperfunktionen wie Herzschlag, Atmung und Verdauung zuständig ist.

Eine Polyneuropathie kann verschiedene Ursachen haben. Diabetes ist eine der häufigsten Ursachen, aber auch andere Erkrankungen wie Infektionen, Mangelernährung, Alkoholismus, Autoimmunerkrankungen oder genetische Veränderungen können eine Polyneuropathie verursachen. Es ist wichtig, die Ursache der Polyneuropathie zu ermitteln, um die bestmögliche Behandlung zu gewährleisten.

Konventionelle Behandlungsansätze

Medikamentöse Therapie

Zur Behandlung von Polyneuropathie werden verschiedene Medikamente eingesetzt, um die Symptome zu lindern. Dazu gehören:

  • Schmerzmittel: Gegen neuropathische Schmerzen werden häufig Antidepressiva (z. B. Amitriptylin, Duloxetin), Antikonvulsiva (z. B. Pregabalin, Gabapentin) oder Opioide eingesetzt.
  • Capsaicin-Pflaster: Hoch dosierte Capsaicin-Pflaster können auf die schmerzenden Hautareale aufgetragen werden, um die Schmerzrezeptoren zu desensibilisieren.
  • Alpha-Liponsäure: Dieses Antioxidans kann bei diabetischer Neuropathie neuropathische Schmerzen lindern.

Trotz dieser medikamentösen Optionen erreichen viele Patienten keine ausreichende Schmerzlinderung.

Lesen Sie auch: Parkinson: Neue Wege zur Linderung

Minimierung von Risikofaktoren und Lebensstiländerungen

Ein wichtiger Bestandteil der Behandlung von Polyneuropathie ist die Minimierung von Risikofaktoren und die Anpassung des Lebensstils. Dazu gehören:

  • Blutzuckerkontrolle: Bei Diabetes ist eine gute Blutzuckerkontrolle entscheidend, um das Fortschreiten der Neuropathie zu verlangsamen oder sogar zu verhindern.
  • Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit ausreichend Vitaminen und Nährstoffen ist wichtig für die Nervenfunktion.
  • Regelmäßige Bewegung: Sport kann die Nervenfunktion verbessern und Schmerzen lindern.
  • Vermeidung von Alkohol und Rauchen: Alkohol und Rauchen können die Nerven schädigen und die Symptome der Polyneuropathie verschlimmern.

Innovative Therapieansätze und Medikamente

Efgartigimod alfa (Vyvgart®)

Efgartigimod alfa (Vyvgart®) von argenx ist ein Medikament zur Behandlung der chronisch inflammatorischen demyelinisierenden Polyneuropathie (CIDP). Es reduziert das Risiko einer klinischen Verschlechterung und kann dazu beitragen, die Lebensqualität und die täglichen Aktivitäten der Betroffenen zu verbessern.

Rückenmarkstimulation

Die Rückenmarkstimulation, insbesondere die Hochfrequenzstimulation mit 10 kHz, ist eine vielversprechende Option für Patienten, bei denen herkömmliche medikamentöse Therapien nicht ausreichend wirken. Bei diesem Verfahren werden schmerzhemmende Neurone im Rückenmark angesprochen. Studien haben gezeigt, dass die Rückenmarkstimulation die Schmerzen bei vielen Patienten deutlich reduzieren kann.

Gentherapie mit Engensis (VM202)

Die Gentherapie mit Engensis (VM202) befindet sich in der Entwicklung und soll sich positiv auf die Nervenregeneration und die Durchblutung auswirken. Der analgetische Effekt soll bis zu acht Monate nach der Injektion anhalten.

Mirogabalin

Dem Gabapentinoid Mirogabalin wird eine bessere Reduktion des Schmerzniveaus und eine höhere Potenz als Pregabalin zugeschrieben, bei gleichem Nebenwirkungsprofil.

Lesen Sie auch: MS-Therapie: Was ist neu?

Weitere Therapieansätze

Andere Behandlungsstrategien setzen auf das Modulieren nozizeptiver Signalwege (z. B. durch LX9211 oder das Small Molecule NRD.E1) oder topische Anticholinergika (z. B. Pirenzepin, Oxybutinin), die im Tiermodell Schmerzen lindern und möglicherweise die Nervenfaserdichte erhöhen.

Patisiran (Onpattro®)

Die US-amerikanische Arzneimittelzulassungsbehörde FDA hat den RNA-Interferenz (RNAi)-Wirkstoff Patisiran zur Behandlung einer Polyneuropathie bei hereditärer Transthyretin-vermittelter Amyloidose (hATTR) bei Erwachsenen zugelassen. Das Medikament Onpattro des Herstellers Alnylam ist die erste und einzige von der FDA zugelassene Behandlung für diese seltene Erkrankung. Patisiran wirkt, indem es die Produktion von krankhaft veränderten Amyloidproteinen verhindert, die sich in Organen und Geweben ansammeln und diese schädigen.

Forschung und Ausblick

Die Forschung im Bereich der Polyneuropathie ist sehr aktiv und es werden ständig neue Therapieansätze entwickelt. Ein Konsortium von Forschern aus Münster, Essen, Heidelberg und Leipzig untersucht beispielsweise die Krankheitsmechanismen, die Polyneuropathien zugrunde liegen, genauer. Sie konzentrieren sich dabei auf die Myelinscheide, die Schutzhülle um die Nervenfasern, und vermuten, dass Störungen des Fettstoffwechsels in den Nerven eine Rolle spielen.

Verschiedene neue Therapieansätze durchlaufen zur Zeit Phase-2- und Phase-3-Studien und geben Hoffnung auf neue Behandlungsoptionen innerhalb der kommenden fünf bis zehn Jahre.

Rezeptfreie Medikamente und Selbsthilfe

Bei Polyneuropathie durch Diabetes gibt es verschiedene rezeptfreie Mittel, die Beschwerden lindern können. Dazu gehören beispielsweise Medikamente mit Alpha-Liponsäure. Es ist jedoch wichtig, vor der Einnahme von rezeptfreien Medikamenten mit einem Arzt zu sprechen, um sicherzustellen, dass sie für Sie geeignet sind und keine Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten verursachen.

Lesen Sie auch: Donanemab (Kisunla): Ein Überblick

tags: #neues #medikament #polyneuropathie