Die Demenzforschung hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte erzielt. Alzheimer, die häufigste Form der Demenz, ist eine komplexe Krankheit, die viele Wissenschaftler und Forscher weltweit beschäftigt. Trotz der Herausforderungen gibt es Hoffnung, da erste Medikamente gezielt in den Krankheitsverlauf eingreifen und Therapien das Leben von Menschen mit Demenz bereits heute spürbar verbessern können.
Fortschritte in der Alzheimer-Forschung
Die Demenzforschung betrachtet heute viele verschiedene Mechanismen und verfolgt unterschiedliche Ansätze - von der Diagnostik bis zur Therapie. Ein wichtiger Schwerpunkt liegt auf der Früherkennung, da Medikamente im frühen Stadium am besten wirken. Neue Bluttests, bildgebende Verfahren und digitale Methoden sollen es ermöglichen, die Krankheiten deutlich früher und zuverlässiger zu erkennen.
Antikörper-Medikamente: Ein Hoffnungsschimmer
Mit den Antikörpern Leqembi und Donanemab gibt es erstmals Medikamente, die den Verlauf von Alzheimer verlangsamen können. Sie richten sich an Menschen in einem frühen Krankheitsstadium und greifen gezielt in die Prozesse im Gehirn ein. Noch ist offen, wie groß ihr Nutzen langfristig ist und wie Nebenwirkungen am besten kontrolliert werden können. Forschungsteams arbeiten außerdem daran, ob sich die Antikörper künftig mit anderen Wirkstoffen kombinieren lassen.
Im August 2025 sind Leqembi in Österreich und Deutschland erhältlich. Die Zulassung durch die Europäische Kommission erfolgte im April 2025. Leqembi reduziert schädliche Amyloid-beta-Ablagerungen im Gehirn. Lecanemab ist ein Antikörper-Wirkstoff zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit. In den USA wurde dem Wirkstoff am 6. Januar 2023 unter dem Handelsnamen Leqembi eine vorläufige Marktzulassung erteilt. Die vollständige Zulassung durch die US-Arzneimittelbehörde (FDA) folgte am 6. Juli 2023.
Lecanemab ist ein Antikörper-Wirkstoff, der gezielt eine Vorstufe der für Alzheimer typischen Amyloid-beta-Protein-Plaques im Gehirn erkennt und bindet. Dadurch wird das körpereigene Immunsystem aktiviert und baut die Plaques ab beziehungsweise verhindert die Bildung neuer Plaques.
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Verständnis der Krankheitsmechanismen
Forschende untersuchen zentrale Prozesse wie die Ablagerung der Proteine Amyloid-beta und Tau, entzündliche Vorgänge, die Bedeutung von Umwelteinflüssen und genetische Aspekte. Ziel ist es, die Entstehung der Erkrankungen besser zu verstehen und neue Ansatzpunkte für Therapien zu finden.
Vorbeugung von Demenzerkrankungen
Rund 45 Prozent aller Demenzerkrankungen ließen sich nach aktuellem Stand der Wissenschaft durch die Reduktion bestimmter Risikofaktoren verzögern oder sogar verhindern. Dazu gehören Bluthochdruck, Diabetes, Hörverlust, Depressionen oder soziale Isolation. Die Forschung versucht, diese Zusammenhänge besser zu verstehen und Menschen dabei zu unterstützen, ihr persönliches Risiko zu senken.
Pflege und Lebensqualität
Neben der medizinischen Forschung rückt auch der Alltag von Menschen mit Demenz in den Mittelpunkt. Studien befassen sich damit, wie die Versorgung individueller, die Belastung für Angehörige geringer und die Selbstständigkeit der Erkrankten länger erhalten werden kann.
Neue Medikamente und Therapieansätze
Leqembi: Ein neuer Antikörper gegen Alzheimer
Im August dieses Jahres wurde das Medikament Leqembi gegen Alzheimer in Europa zugelassen. In Fachkreisen ist das Medikament nicht unumstritten. Die Kritik: Es ist sehr teuer und seine Wirksamkeit gilt als begrenzt. Andererseits ist es das erste Medikament, das ursächlich gegen die Altersdemenz wirkt und nicht nur die Symptome der Krankheit beeinflusst.
Lisa B., eine Patientin aus Trier, gehört zu den ersten, die in Deutschland mit Leqembi behandelt werden. Das Medikament bekämpft die Alzheimer-Demenz dort, wo sie entsteht: im Gehirn. Dort beeinträchtigen Eiweißablagerungen die Funktion der Nervenzellen. Leqembi heftet sich an die schädlichen Eiweißmoleküle und lockt Fresszellen des Immunsystems herbei. Diese Fresszellen bauen die schädlichen Ablagerungen ab und verzögern so das Fortschreiten der Erkrankung.
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Doch nur für fünf bis zehn Prozent der Betroffenen ist das Medikament geeignet. Mit MRT-Aufnahmen des Gehirns, Untersuchungen des Nervenwassers und genetischen Tests müssen die passenden Patienten ermittelt werden. Das Medikament wirkt auch nur in einem sehr frühen Stadium der Erkrankung.
Kontrolluntersuchungen, Medikament, Patienten-Auswahl: Das alles treibt die Kosten für die Behandlung in die Höhe. Es ist davon auszugehen, dass jährlich ungefähr 24.000 € Medikamentenkosten auf der einen Seite entstehen. Nach den Ergebnissen der Zulassungsstudien verzögert Leqembi den Fortschritt der Demenz nur um wenige Monate.
Lecanemab und Donanemab: Hoffnungsträger mit Einschränkungen
Am 15. April 2025 wurde von der EU-Kommission ein Medikament mit dem Antikörper Lecanemab für eine genau umrissene Gruppe von Patientinnen und Patienten mit Alzheimer im Frühstadium zugelassen. Studien zufolge kann Lecanemab bei frühzeitiger Anwendung das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen. Seit dem 25. September 2025 ist auch ein zweites Antikörper-basiertes Alzheimermedikament in der EU zugelassen. Es enthält den Antikörper Donanemab. Auch dieses Medikament kann Studien zufolge bei einer Anwendung im Frühstadium der Erkrankung das Fortschreiten verlangsamen.
Auswahl der geeigneten Patienten für Leqembi
Wer mit Leqembi behandelt werden kann, muss in jedem Einzelfall genau geprüft werden. Der Wirkstoff kommt nur für Menschen infrage, die sich im frühen Stadium der Erkrankung befinden und bislang nur geringe Einbußen ihrer geistigen Leistungsfähigkeit haben. Dazu zählen vor allem Personen mit einer Alzheimer-Diagnose im Stadium eines Mild Cognitive Impairment (MCI, zu Deutsch „leichte kognitive Störung“) oder im frühen Stadium einer Alzheimer-Demenz.
Die krankhaften Amyloid-beta-Ablagerungen müssen im Gehirn nachgewiesen werden - entweder durch eine Lumbalpunktion oder mittels Amyloid-PET. Auch genetische Voraussetzungen spielen eine Rolle: Erkrankte dürfen höchstens eine Kopie des sogenannten ApoE4-Gens tragen. Personen mit zwei Kopien sind wegen der erhöhten Gefahr für Hirnblutungen von der Behandlung ausgeschlossen. Leqembi eignet sich außerdem nicht für Menschen, die Gerinnungshemmer einnehmen. In Kombination mit dem Medikament steigt das Risiko für eine Hirnblutung deutlich.
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Herausforderungen und Einschränkungen von Leqembi
Die Behandlung mit Leqembi stellt neue Anforderungen an die ärztliche Versorgung. Es braucht eine frühzeitige Diagnose sowie spezialisierte Einrichtungen mit ausreichender personeller und technischer Ausstattung. Leqembi wird als Infusion (Tropf) alle zwei Wochen direkt in die Vene verabreicht. Die Behandlung dauert jeweils etwa eine Stunde. Vor Beginn und während der Behandlung sind MRT-Untersuchungen notwendig, um mögliche Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen oder kleine Blutungen im Gehirn frühzeitig zu erkennen.
Nur Patientinnen und Patienten, die alle Voraussetzungen erfüllen, dürfen mit Leqembi behandelt werden. Vor Beginn der Therapie erhalten sie ebenso wie ihre behandelnden Ärztinnen und Ärzte ausführliche Informationen, um mögliche Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen und richtig einzuordnen. Zusätzlich ist die Teilnahme an einem EU-weiten Kontrollprogramm verpflichtend (Controlled Access Program, CAP) Patientinnen und Patienten sowie ihre behandelnden Ärztinnen und Ärzte müssen in ein zentrales Register eingeschrieben werden.
In Studien traten bei einem Teil der Teilnehmenden Nebenwirkungen auf - darunter Hirnschwellungen (ARIA-E) und Hirnblutungen (ARIA-H). Diese waren in den meisten Fällen symptomlos, wurden aber engmaschig kontrolliert. Das Risiko für solche Nebenwirkungen hängt stark vom ApoE4-Gen ab: Menschen mit zwei Kopien dieses Gens sind besonders gefährdet und daher von der Behandlung ausgeschlossen.
Studienergebnisse und Wirksamkeit von Lecanemab
Der Wirkstoff Lecanemab wurde in den vergangenen zehn Jahren mit mehreren hunderten Teilnehmerinnen und Teilnehmern in verschiedenen klinischen Studien untersucht. Ausschlaggebend für die Zulassung waren die Ergebnisse der Phase-3-Studie CLARITY AD, die im November 2022 auf der Alzheimer-Konferenz Clinical Trial on Alzheimer´s Disease (CTAD) vorgestellt wurden.
An der CLARITY AD-Studie hatten insgesamt 1.795 Personen mit leichter kognitiver Beeinträchtigung oder leichter Alzheimer-Demenz teilgenommen. Während des 18-monatigen Untersuchungszeitraums wurde in regelmäßigen Abständen kognitive Fähigkeiten, wie das Gedächtnis, die Orientierung oder die Fähigkeit, Probleme zu lösen, von Fachleuten überprüft. Ergebnis der Studie war, dass die Krankheit bei denjenigen, die Lecanemab erhielten, um 27 Prozent langsamer voranschritt als bei der Kontrollgruppe.
Trotz der messbaren Wirksamkeit wird die Wirkung von Leqembi von vielen Expertinnen und Experten eher als moderat eingeschätzt. Es ist fraglich, inwieweit die Wirkung für an Alzheimer erkrankte Menschen spürbar ist und im Alltag einen Unterschied macht. Die Studie hat jedoch gezeigt, dass sich der verzögernde Effekt mit der Dauer der Einnahme zunimmt.
Alternative Therapieansätze und Präventionsmaßnahmen
Lebensstilfaktoren und Risikofaktoren
Neben der medikamentösen Behandlung spielen auch Lebensstilfaktoren eine wichtige Rolle bei der Prävention und Verlangsamung des Krankheitsverlaufs von Alzheimer. Körperliche Aktivität, geistige und soziale Aktivität, gesunde Ernährung und wenig Alkoholkonsum sind wichtige Faktoren für die Gehirngesundheit.
Eine Studie im Fachmagazin Nature Medicine hat bei mehr als 100.000 Menschen untersucht, wie sich Shingrix, der neue Impfstoff gegen Gürtelrose, auf den Ausbruch von Alzheimer auswirkt. Alzheimer wurde zwar auch bei einigen Geimpften diagnostiziert - aber im Schnitt rund ein halbes Jahr später als bei den Ungeimpften.
Im Juli hat eine Kommission des Fachmagazins Lancet Psychiatry 14 Risikofaktoren für Alzheimer zusammengetragen und die These aufgestellt, dass sich damit rund 45 Prozent aller Fälle vermeiden ließen. Neu hinzugekommen sind auf der Risikoliste: zu hohe Werte beim LDL-Cholesterin und Sehverlust. Schlechtes Sehen scheint genauso wie schlechtes Hören den Ausbruch von Alzheimer zu beschleunigen.
Forschungsprojekte der Alzheimer Forschung Initiative
Die Alzheimer Forschung Initiative (AFI) fördert vier Forschungsprojekte des DZNE mit insgesamt fast 600.000 Euro. Ein Forschungsteam um Prof. Stefan Lichtenthaler (München) befasst sich in diesem Projekt mit TREM2, einem Eiweiß-Molekül, das auf der Oberfläche der Immunzellen des Gehirns vorkommt. Ein Team um Prof. Martin Fuhrmann (Bonn) möchte mit Hilfe eines gentherapeutischen Verfahrens dieses Risiko-Gen verändern und damit das Risiko für Alzheimer senken. Ziel dieses Projekts um Prof. Anja Schneider (Bonn) ist es, mittels einer Technik der Erbgutanalyse namens GWAS genetische Risikofaktoren für die Frontotemporale Demenz (FTD) aufzuklären. Prof. Monique Breteler (Bonn) wird gemeinsam mit Fachleuten aus den Niederlanden anhand von Daten aus zwei großen bevölkerungsbasierten Studien - der Rheinland-Studie und der niederländischen ERGO-Studie - untersuchen, inwieweit Bluttests das Alzheimer-Risiko im frühen Stadium zuverlässig abschätzen können.
Herausforderungen und zukünftige Forschung
Alzheimer ist eine äußerst komplexe Krankheit. Viele der Prozesse, die im Gehirn ablaufen, sind noch immer nicht vollständig verstanden. Hinzu kommt: Alzheimer beginnt lange bevor die ersten Symptome sichtbar werden. Wenn das Gedächtnis nachlässt, sind die Schäden im Gehirn meist bereits weit fortgeschritten und der Krankheitsprozess nicht mehr umkehrbar.
Trotz der Herausforderungen gibt es Hoffnung. Erste Medikamente greifen gezielt in den Krankheitsverlauf ein, und Therapien können das Leben von Menschen mit Demenz bereits heute spürbar verbessern, indem sie den Alltag erleichtern, Fähigkeiten länger erhalten und die Lebensqualität steigern. Forschende weltweit arbeiten daran, Alzheimer eines Tages zu stoppen oder zu heilen und dadurch das Leben künftiger Generationen entscheidend zu verändern.