Morbus Parkinson, benannt nach dem britischen Arzt James Parkinson, der die "Schüttellähmung" erstmals beschrieb, ist nach Alzheimer die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. In Deutschland leiden rund 400.000 Menschen an Parkinson. Die Erkrankung ist durch den Verlust von Nervenzellen im Hirnstamm und einen daraus resultierenden Mangel am Botenstoff Dopamin gekennzeichnet, was zu unwillkürlichen, zitternden Bewegungen und verminderter Muskelkraft führt. Bislang ist eine ursächliche Behandlung nicht möglich, sondern lediglich die Symptome können behandelt werden. Die Forschung konzentriert sich nun auf neuartige Wirkstoffe, die fehlerhafte Nervenzellen regenerieren und so dem Verlust von Nervenzellen entgegenwirken könnten.
Die Rolle von Mitochondrien und Mitophagie
Was genau das Absterben der Nervenzellen verursacht, ist noch nicht vollständig geklärt. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass Defekte in ihren Mitochondrien verantwortlich sein könnten. Speziell Nervenzellen sind besonders von diesen Organellen abhängig, da sie viel Energie benötigen. In gesunden Zellen werden die Mitochondrien einer ständigen Qualitätskontrolle unterzogen. Fallen sie dabei durch, werden sie mit dem Protein Ubiquitin für den zellulären Abbau durch die Mitophagie markiert. Erst kürzlich hat man gezeigt, dass eine fehlerhafte Markierung beschädigter Mitochondrien ihren Abbau jedoch verhindert. Verantwortlich dafür sind bestimmte Schlüsselenzyme der Mitophagie, die in der erblichen Variante von Parkinson krankhaft verändert vorliegen.
Das Schlüsselenzym USP30
Ein wichtiges Schlüsselenzym der Mitophagie ist die Deubiquitinase (DUB) USP30. Sie entfernt Ubiquitin-Markierungen von defekten, für den Abbau bestimmten Mitochondrien. Derzeit wird ein Hemmstoff des Enzyms, der die Mitophagie fördern und somit die Nervenfunktion verbessern könnte, in klinischen Studien untersucht: Er gilt als vielversprechender Wirkstoffkandidat zur Behandlung von Parkinson sowie von chronischer Niereninsuffizienz.
Protein-Ingenieurskunst zur Aufklärung des Wirkmechanismus
Um zu verstehen, wie Hemmstoffe auf USP30 wirken, haben Forschende des Max-Planck-Instituts für molekulare Physiologie innovative Protein-Ingenieurskunst eingesetzt. Ein Problem mit dem menschlichen Protein USP30 ist, dass es sich nicht gut „fotografieren“ lässt - seine molekulare Struktur ist schwierig aufzuklären. Will man aber sehen, wie der Hemmstoff an das Protein bindet, muss man mit Röntgenstrahlen ein sogenanntes „Beugungsbild“ der beiden Partner in Kristallform erzeugen. Dadurch, dass USP30 aber sehr flexibel ist - man könnte auch sagen, es zappelt vor der Kamera herum - kann man es nur schwerlich in eine kristalline Form bringen, und seine sehr bewegliche Struktur lässt einfach kein scharfes Bild zu.
Die Forschenden haben eine Art Protein-Mischwesen geschaffen, indem sie verwandte Elemente aus anderen menschlichen Deubiquitinase-Proteinen in USP30 eingebaut und so eine „fotogene“ USP30-Variante erzeugt haben. Die damit aufgenommenen Beugungsbilder zeigen, dass der Hemmstoff auf zweierlei Weise mit USP30 interagiert: Er bindet zum einen an einen bisher unbekannten Bereich, der sich überhaupt erst durch die Interaktion des Hemmstoffes mit dem Protein öffnet, und zugleich an einen Hotspot, der auch für andere Hemmstoffe zugänglich ist.
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Die Aufklärung des Wirkmechanismus dieses potenziellen Parkinson-Wirkstoffs wird nicht nur helfen diesen weiterzuentwickeln, sondern auch die Grundlage dafür schaffen, neue Wirkstoffmoleküle gegen USP30 zu designen. Mitophagie und Enzyme aus der Familie der DUBs spielen eine wichtige Rolle auch in weiteren Erkrankungen, stehen etwa in Verbindung mit einer abgeschwächten Immunabwehr und mit Tumorwachstum. Die neue Strategie der chimären Proteine könnte ein echter „Game-Changer“ für die Entwicklung neuer Hemmstoffe gegen DUBs werden.
Stammzellenforschung als Therapieansatz
Anfang des Jahres wurde eine wissenschaftliche Sensation vermeldet: Stammzellen im menschlichen Gehirn entdeckt! Forscher wollen die Entdeckung nun nutzen, um neue Therapien gegen neurologische Erkrankungen zu entwickeln. Dazu gehört auch die Parkinson-Erkrankung. Durch den Dopamin-Mangel in ihrem Gehirn können sich Parkinson-Patienten nur noch langsam bewegen, werden von ständigem Zittern geplagt und leiden unter versteiften Muskeln. Denn Dopamin spielt eine wichtige Rolle bei der Kontrolle von Bewegungsabläufen.
Der Weg zur Heilung klingt einfach: Man müssteStammzellen des Gehirns, die noch keine spezifische Aufgabe übernommen haben, dazu bringen, sich in Dopamin-produzierende Zellen zu verwandeln. Dadurch könnte man die abgestorbenen Zellen im Gehirn von Parkinson-Patienten ersetzen und sicherstellen, dass wieder ausreichend Dopamin produziert wird. Doch ganz soeinfach geht es nicht. Die Wissenschaftler müssen erst die komplizierten Mechanismendurchschauen, die die Entwicklung dieser Zellen steuern. Aus Experimenten mit isoliertem Hirngewebe waren bereits einige Gene bekannt, die an diesem Prozess beteiligt sind. Nun wollten die Forscher überprüfen, welche Rolle diese Gene invivo, also im lebenden Organismus, spielen. In einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt untersuchten sie die Funktion der Gene deshalb in Mäusen. Mit Erfolg: "Unsere wichtigsten Ergebnisse bestehen darin, dass wir bei Mäusen die Bildung von zusätzlichen Dopamin-produzierendenNervenzellen durch das Einbringen zweier Gene erreichen konnten", fasst Projektleiter Professor Wolfgang Wurst zusammen. Die Gene tragen die Bauanleitung für zwei Eiweißmoleküle. Beide Moleküle aktivieren wichtige Schritte in dem Entwicklungsprozess, der aus einer Stammzelle eine Dopamin-produzierende Nervenzelle werden lässt. Als nächstes will Wurst untersuchen, ob die genetisch veränderten Mäuse vor der Parkinson-Krankheit geschützt sind. Hierzu will er ihnen Substanzen verabreichen, die bei normalen, genetisch unveränderten Mäusen denUntergang der Dopamin-produzierenden Zellen hervorrufen. Außerdem möchten er und sein Team herausfinden, durch welche Signale diese Gene aktiviert werden. "Am interessantesten sind dabei Signalstoffe, die aus dem Blut ins Gehirn übertreten können", erklärt Wurst. "Denn solche Substanzen könnten Parkinson-Patienten einfachals Medikament einnehmen. In ihrem Gehirn würde solch ein Wirkstoff dann die Bildung von Dopamin-produzierenden Nervenzellen anregen." Alternativ könnte man mithilfe der identifizierten Eiweißmoleküle Dopamin-produzierenden Nervenzellen aus isolierten Stammzellen im Labor züchten. Bis zur Umsetzung der bisherigen Erkenntnisse in Therapien ist es jedoch ein weiter Weg.
Neue Medikamente und Therapieansätze
An neuen Medikamenten gegen Parkinson wird intensiv geforscht. Gerade ist eine französische Studie zu einem Wirkstoff zur Diabetes-Behandlung erschienen, der möglicherweise auch bei Parkinson hilft. An der Studie nahmen 156 Probandinnen und Probanden mit leichtem bis mittelschwerem Parkinson teil. Die Hälfte bekam das Diabetesmittel, die anderen nur ein Placebo. Alle schluckten außerdem weiter ihre Standardmedikamente. Nach einem Jahr hatte sich die Parkinson-Erkrankung in der Placebogruppe verschlechtert.
Parkinson entsteht durch einen Mangel an Dopamin im Gehirn - immer mehr Nervenzellen, die den wichtigen Botenstoff produzieren, sterben ab. Das führt zu Muskelzittern und hemmt die Beweglichkeit. Was Parkinson verursacht, ist noch nicht vollständig verstanden. Es wird vermutet, dass es eine Kombination aus genetischen, Umwelt- und Lebensstilfaktoren ist, die zu Parkinson führt. Noch ist offen, wie sich der positive Effekt bei Parkinson erklären lässt. Möglicherweise liegt es daran, dass der Wirkstoff Entzündungen bekämpft. Ob Menschen mit Parkinson dieses oder ein anderes Diabetesmittel einmal verordnet bekommen, ist im Moment noch fraglich. Denn der Unterschied zur unbehandelten Gruppe war eher klein, und es gab unerfreuliche Nebenwirkungen, vor allem Übelkeit.
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Für David Standaert, einem Neurologen an der University of Alabama in Birmingham, ist es vor allem wichtig, ob der Effekt länger als ein Jahr anhält und ob er mit den Behandlungsjahren zunimmt oder klein bleibt. Das sind alles sogenannte GLP-1-Rezeptor-Agonisten. Jetzt kommt es auf Langzeitstudien an. Wenn sich Parkinson mit dieser Klasse von Diabetesmitteln über mehrere Jahre stoppen ließe, wäre das ein Riesenfortschritt. GLP-1 steht für "Glucagon-like peptide 1". Das ist ein Hormon, das natürlich im Körper vorkommt. Es stimuliert die Insulinproduktion und senkt den Blutzuckerspiegel nach den Mahlzeiten.
Es gibt auch neue Forschung zu anderen Behandlungsformen. Ende vergangenen Jahres gab es aufsehenerregende Ergebnisse: Ein französischer Parkinson-Patient kann jetzt dank einer neuartigen Neuroprothese zum ersten Mal seit Jahren wieder weitgehend normal laufen. Eine Chirurgin in Lausanne hat dem Mann mehrere kleine Pulsgeber direkt am Rückenmark implantiert. Und zwar genau an den Stellen, an denen die Nervensignale für die Beinbewegungen abgehen. Das Problem sind die Informationen, die aus dem Gehirn Richtung Beine losgesendet werden. Genau hier hat das Forschungsteam angesetzt und diese Information durch elektrische Signale korrigiert. Dieses Jahr sollen sechs weitere Menschen mit Parkinson in Lausanne behandelt werden. Danach wissen wir mehr darüber, wie aussichtsreich der Ansatz auch für andere Patienten ist.
Bedeutung der interdisziplinären Zusammenarbeit
Parkinson ist eine progressive neurologische Erkrankung mit vielfältigen motorischen und nicht-motorischen Symptomen. Die individuelle und ganzheitliche Behandlung erfordert eine enge Kooperation von Fachdisziplinen wie Neurologie, Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Psychologie und Pflege. „Die koordinierte Zusammenarbeit der beteiligten Berufsgruppen kann die Lebensqualität der Betroffenen nachhaltig verbessern“, betont Prof. Kathrin Brockmann, erste Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG) e. V. Die medizinische Fachgesellschaft unterstützt gezielt Initiativen, welche die multidisziplinäre Versorgung stärken. Hierzu gehören der Parkinson Netzwerke Deutschland (PND) e. V. mit dem Parkinson-Netzwerkkongress 2025 in Osnabrück, die aktualisierte Weiterbildung zur Parkinson Nurse sowie das multidisziplinäre Forum auf dem Deutschen Kongress für Parkinson und Bewegungsstörungen 2026 in Leipzig.
Monoklonale Antikörper und GLP-1-Rezeptoragonisten
Neue Therapieansätze und Diagnostiktests bei Parkinson geben aus Sicht von Fachleuten Grund für Optimismus. So stünden derzeit insbesondere der monoklonale Antikörper Prasinezumab und GLP-1-Rezeptoragonisten im Fokus der Forschung, sagte Kathrin Brockmann, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG) vor dem Welt-Parkinson-Tag, der am Freitag stattfindet.„Beides sind äußerst spannende Ansätze, die Hoffnung wecken, dass es in naher Zukunft erstmals möglich wird, das Fortschreiten neurodegenerativer Prozesse zu verlangsamen.“
Bei Parkinson-Betroffenen sterben im Hirnstamm bestimmte Nervenzellen ab. Das führt zu einer Unterversorgung des Botenstoffs Dopamin, der unter anderem für die Feinabstimmung der Muskelbewegung wichtig ist. In den betroffenen Nervenzellen findet man Aggregate des Eiweißstoffs Alpha-Synuclein. Bislang lässt sich Parkinson nur symptomatisch behandeln.
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Der Antikörper Prasinezumab richtet sich gegen Alpha-Synuclein. Die Hoffnung ist, dass das das Fortschreiten der Erkrankung bremst. Bislang seien die Studienergebnisse zu Prasinezumab vielversprechend, so Brockmann. Derzeit werde überlegt, ob eine Phase-3-Zulassungstudie geplant werde.
Interessant für die Parkinson-Forschung sind zudem GLP-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA), die neuroprotektive Wirkungen haben sollen. Der GLP-1-RA Exenatid habe in einer Phase-3-Studie allerdings keine signifikanten Vorteile hinsichtlich einer Krankheitsmodifikation bei Morbus Parkinson gezeigt, so Brockmann.
Multizentrische klinische Studie hätten ergeben, dass der GLP-1-RA Lixisenatid das Fortschreiten der Parkinson-Symptome in einem geringen, aber statistisch signifikanten Umfang verlangsame.
Biomarker für die Früherkennung
Die Göttinger Neurologin Brit Mollenhauer, dritte Vorsitzende der DGP, sagte, die aktuellen Fortschritte machten die Entwicklung von Therapien, die die Krankheit verlangsamen oder sogar aufhalten, in den nächsten ein bis zwei Jahrzehnten realistisch.
So gebe es auch deutliche Fortschritte bei der Entwicklung von Biomarkern, die den so wichtigen frühzeitigen Nachweis einer Erkrankung ermöglichten. Ein Durchbruch könnte die verlässliche Identifikation krankheitsauslösender Proteine im Nervenwasser, im Blut oder in der Haut sein. Alpha-Synuclein in der Rückenmarksflüssigkeit ist ein zuverlässiger früher Biomarker für Parkinson (PD), der über das Fortschreiten der Erkrankung und die Wirkung einer Therapie Aufschluss geben kann - das konnte ein Forscherteam zeigen, an dem Prof. Lars Tönges (Bochum) und Prof. Brit Mollenhauer (Kassel/Göttingen) aus dem DPG-Vorstand beteiligt waren.
Genetische Faktoren und Biomarker
Die Parkinson-Erkrankung ist durch das Absterben dopaminerger Nervenzellen gekennzeichnet. Als Ursache steht neben Umwelt- und Altersfaktoren die Genetik im Fokus der Forschung, insbesondere Mutationen in den Genen SNCA, LRRK2, Parkin, PINK1 und GBA1. Die Identifikation genetischer Risikofaktoren ermöglicht die Entwicklung von Biomarkern zur Früherkennung und ebnet den Weg für innovative gentherapeutische Ansätze.
Bewegung und Schlaf als Therapiebausteine
Viel Bewegung und guter Schlaf: Was wie ein allgemeiner Gesundheitstipp klingt, ist für Menschen mit Parkinson ein zentraler Bestandteil der Therapie. Darauf weisen anlässlich des Welt-Parkinson-Tags die Deutsche Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG) e. V. sowie die Parkinson Stiftung hin. Auch wenn Detailfragen in der Forschung zu diesem Thema offen sind, gilt bereits als gesichert: Regelmäßige körperliche Aktivität und ein gesunder Schlaf tragen wesentlich zur Lebensqualität von Betroffenen bei. „Bewegung und Sport sind bisher die einzigen Strategien, um das Fortschreiten der neurodegenerativen Erkrankung abzumildern“, betont Parkinson-Expertin Professorin Dr. Claudia Trenkwalder, Leiterin des Kompetenznetzwerks Parkinson und Bewegungsstörungen und ehemalige Chefärztin der Paracelsus-Elena-Klinik in Kassel.
Schlafstörungen gehören zu den häufigsten und oft frühesten Begleiterscheinungen von Parkinson. Neben klassischen Beschwerden wie Insomnie oder nächtlichem Harndrang rücken zunehmend auch biologische Hintergründe wie zirkadiane Rhythmusstörungen oder eine gestörte Funktion des glymphatischen Systems in den Fokus. Dieses spielt vermutlich eine Schlüsselrolle bei der nächtlichen „Reinigung“ des Gehirns von neurotoxischen Proteinen. Bewegungstherapie gilt derzeit als der am besten belegte nichtmedikamentöse Ansatz zur Krankheitsmodulation. Eine Meta-Analyse aus dem Jahr 2023 mit über 7.900 Teilnehmenden zeigte, dass verschiedenste Trainingsformen - von Tai Chi bis BIG-Therapie - sowohl motorische Funktionen als auch das allgemeine Wohlbefinden verbessern können.
Zunehmende Fallzahlen
Eine Studie im Fachblatt BMJ hatte vor wenigen Tagen prognostiziert, dass sich die Zahl der Parkinson-Erkrankten weltweit von 11,9 Millionen im Jahr 2021 bis 2050 mehr als verdoppeln könnte. Diskussionen gibt es um die Entwicklung der Prävalenz in Deutschland. Erst vor wenigen Tagen berichtete ein Team des Robert-Koch-Instituts (RKI) auf Basis von AOK-Krankenkassendaten, dass die altersstandardisierte Parkinsonprävalenz in Deutschland zwischen 2017 und 2022 abgenommen habe.
Für den Rückgang der Erkrankungshäufigkeit liegt noch keine abschließende Erklärung vor. Möglich ist laut den RKI-Forschenden, dass der Rückgang bestimmter Risikofaktoren, beispielsweise von Umwelteinflüssen wie der Pestizidbelastung, oder die Veränderung von Ernährungsgewohnheiten einen Teil der Entwicklung erklären.
Es sei aber auch denkbar, dass ein verändertes Diagnose- und Kodierverhalten der behandelnden Ärztinnen und Ärzte eine Ursache sei. Prinzipiell könnte auch die COVID-19-Pandemie durch seltenere Kontakte mit dem Gesundheitswesen die diagnostizierte Prävalenz beeinflussen, so die RKI-Forschenden.
Immuntherapien und Auflösung von Proteinverklumpungen
Am weitesten sei man bei den Immuntherapien, speziell bei Antikörpertherapien, erklärt Levin. Hier gebe es "erste Ergebnisse, die auf eine Verlangsamung des Krankheitsverlaufs hindeuten". Besonders viel verspricht sich der Neurologe auch von Substanzen, die die für die Parkinson-Erkrankung typischen Verklumpungen von Proteinen im Gehirn auflösen können. Dazu gebe es derzeit erste klinische Studien. "Man hofft, dass auch im Menschen Effekte, wie sie im Tier schon beobachtet wurden, darstellbar sind", so der Mediziner.
Frühe Diagnose und personalisierte Medizin
Man sei inzwischen in der Lage, aus dem Nervenwasser von Parkinson-Patienten mit einer recht hohen Genauigkeit sagen zu können, ob der Patient die Erkrankung habe oder nicht - oder ob sie womöglich im Entstehen sei, erklärt die Medizinerin. Deshalb sei die frühe Diagnose wichtig. Je früher man in den Krankheitsverlauf eingreifen kann, desto besser ist das für den Patienten oder die Patientin. Denn, dass "Funktionen, die mal verloren gegangen sind, wieder zurückkommen, ist schwierig, weil Nervenzellen sich nicht wieder neu bilden", erläutert Neurologe Levin.
Biomarker würden nicht nur eine frühere und präzisere Diagnosestellung ermöglichen, sondern - so Mollenhauer - seien sie der Schlüssel für eine präventiv-personalisierte Medizin.
Leuchtturm-Projektverbund Parkinson
Im Rahmen des „Leuchtturm-Projektverbunds Parkinson“ fließen in den nächsten drei Jahren 2,3 Millionen Euro aus privaten Mitteln in sechs ausgewählte Forschungsprojekte. Die Projekte umfassen:
- Optimierung der präzisen Klassifikation von Parkinson gemäß den SynNeurGe-Kriterien
- Genetische Charakterisierung der ROPAD-Kohorte mit Fokus auf GBA1-, LRRK2- und PRKN-Mutationen
- Validierung bildgebender Marker für Neurodegeneration zur differenzierten Diagnostik auch im präklinischen Stadium
- Entwicklung hochempfindlicher Seed Amplification Assays zum Nachweis pathologischen alpha-Synucleins in Frühstadien
- Etablierung prädiktiver Blut-Protein-Marker in einer bevölkerungsbasierten Risikokohorte (BRIDGE-PD)
- Untersuchungen zur Bedeutung von Schlafstörungen und zirkadianen Rhythmusstörungen
Fazit
Die Parkinson-Forschung hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. Neue Erkenntnisse über die Rolle von Mitochondrien, Stammzellen und Biomarkern eröffnen vielversprechende Therapieansätze. Auch die Entwicklung neuer Medikamente und die Bedeutung von Bewegung und Schlaf als Therapiebausteine tragen dazu bei, die Lebensqualität von Parkinson-Patienten zu verbessern. Trotz der Herausforderungen, die mit dieser komplexen Erkrankung verbunden sind, gibt es Grund zum Optimismus, dass in naher Zukunft krankheitsmodifizierende Therapien entwickelt werden können.