Der Impact Factor (IF) ist ein weit verbreitetes, aber auch kritisiertes Maß zur Bewertung des Einflusses wissenschaftlicher Fachzeitschriften. In der Neurochirurgie, wie in anderen medizinischen Fachgebieten, spielt der IF eine wichtige Rolle bei der Beurteilung der Bedeutung von Publikationen und der Verteilung von Forschungsgeldern. Dieser Artikel beleuchtet die Bedeutung von Impact-Faktoren für neurochirurgische Zeitschriften, berücksichtigt dabei die Stärken und Schwächen dieses Instruments und stellt einige Alternativen vor.
Die Bedeutung des Impact Factors
Der Impact Factor, der vom amerikanischen Bibliometriker Eugene Garfield entwickelt wurde, setzt die Anzahl der Zitate einer Zeitschrift ins Verhältnis zur Anzahl der in dieser Zeitschrift veröffentlichten Artikel. Er dient als Indikator dafür, wie oft die in einer Zeitschrift veröffentlichten Artikel von anderen Forschern zitiert werden. Ursprünglich war der IF als Hilfsmittel für Bibliotheken gedacht, um bei der Auswahl von Zeitschriften zu helfen. Heute hat er jedoch eine viel größere Bedeutung erlangt und wird oft zur Bewertung von Forschern, Institutionen und sogar ganzen Fachbereichen herangezogen.
Central European Neurosurgery: Ein Beispiel
Ein konkretes Beispiel für eine neurochirurgische Zeitschrift ist die "Central European Neurosurgery" (ehemals "Zentralblatt für Neurochirurgie"), die eine lange Tradition in der Dokumentation der Entwicklung der modernen Neurochirurgie hat. Als offizielles Organ der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie und des Berufsverbandes Deutscher Neurochirurgen wird die Zeitschrift an alle Mitglieder verteilt. "Central European Neurosurgery" veröffentlicht sechs Ausgaben pro Jahr und ist sowohl in gedruckter Form als auch online verfügbar. Sie ist Teil des "Journal of Neurological Surgery", das ebenfalls sechs Ausgaben pro Jahr in Teil B ("Skull Base") veröffentlicht.
Kritik am Impact Factor
Obwohl der Impact Factor weit verbreitet ist, ist er auch Gegenstand erheblicher Kritik. Einige der Hauptkritikpunkte sind:
- Einfluss vs. Qualität: Der IF misst in erster Linie den Einfluss einer Zeitschrift und nicht unbedingt die Qualität der darin veröffentlichten Artikel. Es ist zwar anzunehmen, dass ein Zusammenhang zwischen Einfluss und Qualität besteht, aber es ist schwierig, wissenschaftliche Qualität objektiv zu definieren.
- Verteilung der Zitate: Die meisten Zitate in einer Zeitschrift beziehen sich oft nur auf einen kleinen Teil der veröffentlichten Artikel. Dies bedeutet, dass der IF nicht unbedingt die Qualität aller Artikel in einer Zeitschrift widerspiegelt.
- Fachspezifische Unterschiede: Die Impact-Faktoren variieren stark zwischen den verschiedenen Fachgebieten. Dies macht es schwierig, Zeitschriften aus unterschiedlichen Disziplinen direkt miteinander zu vergleichen. So kann der IF des am besten platzierten Journals der Onkologie deutlich höher sein als der einer rechtsmedizinischen Zeitschrift.
- Potenzial für Manipulation: Der Impact Factor kann durch gezielte Publikationsstrategien und Zitationsverhalten manipuliert werden.
- Ignorieren anderer Publikationsformen: Der IF berücksichtigt keine anderen wichtigen Publikationsformen wie Bücher oder Buchbeiträge, die in einigen Disziplinen eine wesentliche Rolle spielen.
Das Matthäus-Prinzip
Es zeigt sich, dass das Matthäus-Prinzip („Wer hat, dem wird gegeben“) auch bei Impact-Faktoren eine Rolle spielt. Hochrangige Journale profitieren überproportional vom Wachstum der medizinischen Wissenschaft. Die Größe eines Fachgebiets scheint ebenfalls einen Einfluss auf die Höhe des Impact Factors zu haben.
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Alternativen zum Impact Factor
Angesichts der Einschränkungen des Impact Factors wurden verschiedene Alternativen vorgeschlagen, um die Forschungsleistung zu bewerten. Einige davon sind:
- Hirsch-Faktor (h-Index): Dieser Index berücksichtigt sowohl die Anzahl der Publikationen eines Autors als auch die Anzahl der Zitate, die diese Publikationen erhalten haben. Er entspricht der Zahl x der Artikel eines Autors, die mindestens x-mal zitiert wurden.
- Eigenfaktor: Dieser Faktor berücksichtigt das Prestige der zitierenden Zeitschriften und gewichtet Zitate aus einflussreicheren Zeitschriften höher.
- Alternative Metriken (Altmetrics): Diese Metriken berücksichtigen die Erwähnungen von Artikeln in sozialen Medien, Blogs und anderen Online-Plattformen.
- Qualitative Bewertung: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) setzt zunehmend auf qualitative Kriterien bei der Bewertung von Forschungsanträgen, um eine umfassendere Würdigung der wissenschaftlichen Leistung zu ermöglichen.
Die Rolle der AWMF
Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) hat ein Modell zur Evaluation publizierter Forschungsbeiträge in der Medizin erarbeitet, das einige der Probleme des Impact Factors aufgreift und abmildern soll. Dieses Modell beinhaltet eine gebietsspezifische Wichtung der Impact-Faktoren und eine separate Bewertung von Publikationen in deutschsprachigen Zeitschriften. Die AWMF betont jedoch, dass ihre Empfehlungen als vorläufige Übergangslösung zu verstehen sind und nicht als Anerkennung des Impact Factors als alleiniges Bewertungsinstrument.
Empfehlungen für die Bewertung von Forschungsleistungen
Angesichts der Komplexität der Thematik und der vielfältigen Kritikpunkte am Impact Factor ist es wichtig, bei der Bewertung von Forschungsleistungen einen differenzierten Ansatz zu wählen. Es wird empfohlen:
- Den Impact Factor nicht als alleiniges Kriterium zu verwenden, sondern ihn in Kombination mit anderen Metriken und qualitativen Bewertungen zu betrachten.
- Die fachspezifischen Unterschiede bei den Impact-Faktoren zu berücksichtigen.
- Die Zitationshäufigkeit einzelner Artikel zu berücksichtigen und nicht nur den Impact Factor der Zeitschrift.
- Die Bedeutung von Buchpublikationen und anderen Publikationsformen in bestimmten Disziplinen anzuerkennen.
- Transparente und faire Evaluationsverfahren zu entwickeln, die den unterschiedlichen Beiträgen der Forscher Rechnung tragen.
Aktuelle Entwicklungen und Ressourcen
Die Deutsche Zentralbibliothek für Medizin (ZB MED) erweitert kontinuierlich ihr Serviceangebot, um Forschern den Zugang zu relevanten Informationen zu erleichtern. Dazu gehört der kostenlose Zugang zu Fachdatenbanken wie Embase und CINAHL (Cumulative Index to Nursing and Allied Health Literature). Darüber hinaus bietet die ZB MED Unterstützung bei der Literaturverwaltung mit Tools wie Zotero. Die Medizin-Bibliothek hat zusammen mit dem UKM die Datenbank Neurosurgical Atlas neu lizenziert, eine umfassende Ressource für Medizinstudierende und Neurochirurgen.
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