Die neurochirurgische Versorgung in Singen und der umliegenden Region hat in den letzten Jahren eine Reihe von Veränderungen und Herausforderungen erlebt. Von der plötzlichen Schließung einer etablierten Praxis bis hin zu juristischen Auseinandersetzungen und der Neuausrichtung der Strukturen - die Situation ist komplex und vielschichtig. Dieser Artikel beleuchtet die Hintergründe, Entwicklungen und Zukunftsperspektiven der Neurochirurgie in Singen.
Neuanfang mit Prof. Dr. Sven Gläsker
Trotz der vorangegangenen Schwierigkeiten gibt es auch positive Nachrichten. Ab dem 1. Mai 2023 übernahm Prof. Dr. med. Sven Gläsker die Leitung der neu gegründeten Sektion Neurochirurgie am Hegau-Bodensee-Klinikum Singen. Diese Sektion ist Teil der Klinik für Unfall- und Handchirurgie und soll die neurochirurgische Versorgung im Landkreis Konstanz neu aufstellen.
Prof. Dr. Gläsker ist ein anerkannter Experte auf seinem Gebiet mit umfassender nationaler und internationaler Erfahrung. Er studierte und promovierte in Freiburg und absolvierte einen zweijährigen Forschungsaufenthalt an den National Institutes of Health in den USA. Vor seiner Tätigkeit in Singen war er als Leitender Oberarzt an der Neurochirurgischen Universitätsklink der VUB Brüssel tätig.
Die neue Sektion konzentriert die neurochirurgischen Leistungen in Singen und behandelt Patienten mit unterschiedlichsten neurochirurgischen Krankheitsbildern. Neben der Fortführung der Behandlung von Wirbelsäulenerkrankungen und der Notfallversorgung von Hirnerkrankungen ist eine Ausweitung des Behandlungsspektrums geplant.
Die Schließung der Praxis Hashemi
Ein einschneidendes Ereignis war die Schließung der Neurochirurgie-Praxis von Bahram Hashemi Mitte Juli 2021. Diese Praxis hatte überregional einen guten Ruf und war ein wichtiger Bestandteil der Gesundheitsversorgung in der Region. Die Schließung erfolgte überraschend, nachdem der Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz (GLKN) die Kooperation mit Hashemi gekündigt hatte.
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Als Grund für die Kündigung nannte der GLKN schwerwiegende Vorwürfe, die Hashemi gegen andere Ärzte im Krankenhaus und außerhalb erhoben haben soll. Diese Vorwürfe hätten das Vertrauensverhältnis zwischen dem Krankenhaus und dem Arzt nachhaltig gestört.
Die Schließung der Praxis Hashemi zog rechtliche Auseinandersetzungen nach sich. Hashemi wehrte sich gegen die Kündigung und es kam zu einem Gerichtsverfahren. Das Landgericht Konstanz entschied in erster Instanz zugunsten des Krankenhauses und erklärte die Kündigung für rechtmäßig. Hashemi legte Berufung beim Oberlandesgericht Karlsruhe ein, zog diese aber später zurück. Damit ist die Kündigung rechtskräftig.
Im Zuge des Rechtsstreits wurden Details über die Vorwürfe gegen Hashemi öffentlich. Er soll eine junge Frau zu einer Falschaussage bei der Polizei angestiftet haben, um seinem Konkurrenten Aram Bani zu schaden. Zudem soll er unwahre Tatsachen über Bani verbreitet haben. Das Amtsgericht Singen verurteilte Hashemi zu einer Geldstrafe.
Das Ende der Zusammenarbeit mit Aram Bani
Nach dem Ende der Praxis Hashemi übernahm die Praxis von Aram Bani die neurochirurgische Versorgung in Singen. Doch auch diese Zusammenarbeit fand ein Ende. Zum 31. März wurde die Kooperation zwischen dem Hegau-Bodensee-Klinikum und der Praxis Bani beendet.
Als Gründe für das Ende der Zusammenarbeit wurden unterschiedliche Auffassungen über die Finanzierung der Rufbereitschaft und die Ausgestaltung der Zusammenarbeit genannt. Die Praxis Bani übernahm seit der Schließung der Praxis Hashemi die neurochirurgische Rufbereitschaft rund um die Uhr. Die Finanzierung dieser Rufbereitschaft durch das Krankenhaus sei jedoch nicht auskömmlich gewesen.
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Zudem gab es Unstimmigkeiten über die Ausgestaltung der Zusammenarbeit. Eine Honorarlösung mit einem niedergelassenen Arzt sei laut Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht mehr zulässig. Demnach müssen Ärzte, die in einem Krankenhaus operieren, dort zumindest in Teilzeit angestellt sein.
Das Ende der Zusammenarbeit mit Bani hatte Auswirkungen auf die neurochirurgische Versorgung in der Region. Die Praxis Bani betrieb elf Belegbetten im Singener Klinikum und stellte die neurochirurgische Rufbereitschaft sicher. Mit dem Wegfall dieser Leistungen musste das Krankenhaus eine Nachfolgeregelung finden.
Rechtsstreitigkeiten und finanzielle Aspekte
Die Auseinandersetzungen um die neurochirurgische Versorgung in Singen waren auch mit Rechtsstreitigkeiten und finanziellen Aspekten verbunden. Neben dem Rechtsstreit mit Bahram Hashemi gab es auch einen Rechtsstreit zwischen dem GLKN und der Praxis Bani.
Im Kern ging es um die Frage, ob der GLKN den Kooperationsvertrag mit der Praxis Bani zu Recht vor Ablauf der regulären Frist gekündigt hat. Dieser Rechtsstreit wurde durch einen Vergleich beendet. Der GLKN musste der Praxis Bani eine Summe von 1,4 Millionen Euro zahlen.
Auch die rechtlichen Auseinandersetzungen um Bahram Hashemi sind noch nicht vollständig abgeschlossen. Vor dem Oberlandesgericht (OLG) in Karlsruhe wurde Rechtsmittel hinsichtlich der Höhe der Geldstrafe eingelegt, zu der Hashemi vom Landgericht Konstanz verurteilt wurde.
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Zudem gibt es einen Rechtsstreit zwischen dem GLKN und dem Land Baden-Württemberg. Dabei geht es um die Frage, ob das Krankenhaus eine eigene Hauptabteilung für Neurochirurgie vorhalten darf. Das Sozialministerium des Landes hat dies bisher abgelehnt.
Die Entwicklung der Neurochirurgie am Klinikum Singen
Trotz der Turbulenzen in den letzten Jahren gibt es auch positive Entwicklungen in der Neurochirurgie am Klinikum Singen. Mit der Gründung der Sektion Neurochirurgie und der Berufung von Prof. Dr. Sven Gläsker wurde ein wichtiger Schritt zur Neuausrichtung der neurochirurgischen Versorgung getan.
Zudem wurde Turab Gasimov zum Leitenden Oberarzt der Neurochirurgie ernannt. Gasimov hat einen beeindruckenden beruflichen Werdegang und war unter anderem an der renommierten Neurochirurgischen Klinik der Universität Göttingen tätig.
Ein weiteres positives Zeichen ist die Eröffnung einer Praxis für Neurochirurgie am MVZ Hegau Engen. Diese Praxis wird von Turab Gasimov und seinem Kollegen Dr. Niels A. betrieben und soll die ambulante Versorgung von Patienten in der Region verbessern.
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