Atopische Dermatitis, besser bekannt als Neurodermitis, ist eine chronisch-entzündliche Hauterkrankung, die Millionen Menschen weltweit betrifft. Charakteristisch sind trockene Haut, intensiver Juckreiz und wiederkehrende Ekzeme. Die Erkrankung verläuft meist in Schüben und kann die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen.
Was ist Neurodermitis?
Neurodermitis ist eine nicht-infektiöse, chronische oder chronisch-rezidivierende, entzündliche Hauterkrankung, die häufig mit Juckreiz einhergeht. Sie bildet gemeinsam mit der allergischen Rhinitis sowie dem Asthma bronchiale die Trias der atopischen Erkrankungen. Oft ist Neurodermitis der erste Schritt auf dem "atopischen Marsch", wobei Patienten im Laufe ihres Lebens auch eine allergische Rhinitis und/oder ein Asthma bronchiale entwickeln können.
Die Erkrankung ist eine der häufigsten nicht-infektiösen Hauterkrankungen und betrifft bis zu 20 % der Kinder und 2-8 % der Erwachsenen weltweit.
Ursachen und Auslöser
Die Ursachen für das Auftreten einer Neurodermitis sind noch nicht vollständig geklärt. Man geht von einer multifaktoriellen Ätiologie aus, welche vor allem genetische und immunologische Faktoren beinhaltet.
Genetische Prädisposition
Eine genetische Prädisposition spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Neurodermitis. Wenn beide Elternteile an einer Erkrankung aus dem atopischen Formenkreis leiden, liegt das Risiko für das Kind, an Neurodermitis zu erkranken, bei 60-80%. Es wird vermutet, dass verschiedene Gene auf mehreren Chromosomen für die Entstehung verantwortlich sind.
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Besonders hervorzuheben ist die Mutation des Filaggrin-Gens. Filaggrin ist ein Schlüsselelement der epidermalen Hautbarriere und fördert die Verhornung der Hautoberfläche. Durch den Filaggrin-Gendefekt kommt es zu einer reduzierten Barrierefunktion der Haut, wodurch das Eindringen von Allergenen durch die Haut erleichtert wird.
Immunologische Prozesse
Bei der Neurodermitis-Pathogenese werden zudem immunologische Prozesse diskutiert. Im Fokus steht eine lokale Entzündungsreaktion mit konsekutiver Ausschüttung von Zytokinen, die Entzündungszellen wie die T-Zellen rekrutieren. T-Helferzellen vom Typ 2 (Th2) spielen hierbei eine herausragende Rolle. Ferner führen die über die gestörte Hautbarriere eindringenden Allergene zur Produktion von IgE-Antikörpern, welche auf dendritischen Zellen präsentiert werden und wiederum T-Zellen aktivieren. Die aktivierten T-Zellen produzieren ihrerseits wieder Zytokine und Chemokine wie z. B. IL-4, IL-5 und IL-13, wodurch weitere Entzündungszellen rekrutiert werden.
Provokationsfaktoren
Die Haut von Neurodermitis-Patienten zeigt eine erhöhte Irritabilität gegenüber extrinsischen und intrinsischen Faktoren. Diese Provokationsfaktoren sind individuell unterschiedlich. Um sie vermeiden oder mindern zu können, müssen sie im Einzelfall identifiziert werden. Mögliche Provokationsfaktoren sind:
- Textilien (z. B. Wolle)
- Schweiß
- Falsche Hautreinigung
- Nahrungsmittel (bei Kindern v. a. Milch, Ei, Soja, Weizen, Haselnuss, Erdnuss und Fisch; bei Erwachsenen v. a. Obst, Gemüse, Nüsse)
- Mikrobielle Faktoren (Staphylococcus aureus, Malassezia-Spezies)
- Klimatische Faktoren wie Kälte, hohe Luftfeuchtigkeit, Trockenheit
- Psychischer Stress/Emotionale Faktoren
- Hormonelle Faktoren (Schwangerschaft, Menstruation)
Die Rolle von Stress und Psyche
Die enge Verbindung zwischen Haut und Psyche spielt eine zentrale Rolle bei Neurodermitis. Psychischer Stress kann eine Vielzahl von körperlichen Reaktionen auslösen. Bei Menschen mit Neurodermitis führt Stress oft zu einer Verschlechterung der Symptome. Stresshormone wie Cortisol können Entzündungsprozesse im Körper verstärken, was wiederum die Hautbarriere schwächt und Juckreiz sowie Entzündungen fördert.
Neurodermitis wird oft als psychosomatische Erkrankung eingestuft. Psychischer Stress - sei es kurzfristig oder langanhaltend - ist ein bedeutender Faktor, der die Symptome verschlimmern kann. Bereits kleinere Belastungen wie Konflikte im Alltag können sich negativ auf das Hautbild auswirken. Langfristige Stressoren wie berufliche Veränderungen oder familiäre Herausforderungen verstärken die Erkrankung ebenfalls. Sogar positive Ereignisse wie ein Karrieresprung können inneren Stress verursachen und den Hautzustand verschlechtern.
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Symptome und Beschwerden
Die Betroffenen leiden unter einer empfindlichen, trockenen Haut mit Ekzemen, die einen sehr starken Juckreiz hervorrufen können. Der Juckreiz verschlimmert sich meist abends und nachts, kann zu Schlafstörungen führen und die Leistungsfähigkeit und Lebensqualität der Betroffenen massiv beeinträchtigen.
Bei einigen Patienten kommt es zu einer Verdickung und Vergröberung der Haut (Lichenifikation) und dem Auftreten von Knötchen oder Pusteln (Prurigo-Form). Die Hautveränderungen werden von den Patienten mitunter als stigmatisierend empfunden. Zur Belastung durch die Erkrankung und die körperlichen Beschwerden kommen psychosoziale Belastungen und Beeinträchtigungen: Auch hierunter leiden Lebensqualität, Schul- und Arbeitsleistung der Patienten.
Prädilektionsstellen
Bei Säuglingen sind vor allem das Gesicht, die Kopfhaut („Milchschorf“) sowie die Streckseiten der Gliedmaßen betroffen. Mit zunehmendem Alter der Kinder wandern die Hautveränderungen zu den Beugeseiten der Arme und Beine sowie den Hand- und Fußgelenken. Bei Erwachsenen manifestiert sich die Erkrankung hauptsächlich im Gesicht und an den Händen. Prinzipiell können jedoch alle Körperregionen betroffen sein.
Der Juckreiz-Kratz-Kreislauf
Das Schlimmste an der Neurodermitis? Für viele ist es der Juckreiz. Typische Reaktion auf den Juckreiz ist Kratzen. Doch das hilft nur kurzzeitig und macht langfristig alles nur noch schlimmer: Daher ist es wichtig, diesen Kreislauf zu unterbrechen.
Durch die gestörte Hautbarriere bei Neurodermitis gelangen Reizstoffe leichter in die Haut und lösen eine Entzündung aus. Eine Folge davon ist der Juckreiz. Kratzen führt zu einer weiteren Schädigung und Reizung der Haut. Die Entzündung wird verstärkt und führt zu noch mehr Juckreiz.
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Diagnose
Zur Diagnostik der Neurodermitis gehören auch die Einordnung in einen Schweregrad sowie die Identifikation von Allergenen und Provokationsfaktoren.
Anamnese und klinische Untersuchung
Im Rahmen der allgemeinen Diagnostik sollte zunächst eine ausführliche Anamnese inklusive Familienanamnese erfolgen. Anschließend sollte sich eine gründliche Untersuchung der gesamten Haut der Betroffenen anschließen.
Umgebungsfaktoren und Histopathologie
Notwendig ist zudem die Erfassung möglicher psychosomatischer, ernährungsbedingter oder durch andere Umgebungsfaktoren bedingte Auslöser. Eine Probebiopsie zur dermatohistopathologischen Untersuchung kann für differenzialdiagnostische Zwecke indiziert sein.
Allergiediagnostik
Eine individuelle Allergiediagnostik ist bei Neurodermitis-Patienten bei entsprechendem Befund und Anamnese empfohlen. Die Patienten zeigen häufig erhöhte Gesamt-IgE-Werte. Sensibilisierungen gegen Inhalationsallergene (z. B. Pollen, Pilze, Hausstaubmilben) und Nahrungsmittelallergene können mit Hilfe von spezifischen IgE-Tests nachgewiesen werden. Zudem kann ein Prick-Test durchgeführt werden.
Eine Epikutantestung kann bei Neurodermitis-Patienten eine zusätzliche allergische Kontaktdermatitis aufdecken. Zu berücksichtigen bei den Hauttestungen ist die erhöhte Hautirritabilität der Patienten und eine daraus möglicherweise resultierende erhöhte Rate an falsch-positiven Testergebnissen.
Einteilung des Schweregrades
Die Schwere der Neurodermitis ist ein wesentliches Entscheidungskriterium für die Wahl der Therapiebausteine. Zur Schweregraderfassung stehen verschiedene Tools zur Verfügung. Der SCORAD (Scoring Atopic Dermatitis Index) sowie der EASI (Eczema Area and Severity Index) werden als validierte Haut-Scores empfohlen. Zusätzlich kann die Lebensqualität mit Hilfe verschiedener Fragebögen erfasst werden.
Therapieansätze
Die Therapie der Neurodermitis zielt darauf ab, die Symptome zu lindern, die Hautbarriere zu stärken und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Ein wichtiger Bestandteil der Behandlung ist die Vermeidung von Provokationsfaktoren.
Basistherapie
Mit einer regelmäßigen Basistherapie sollen Patienten vermeiden, dass die Haut zu sehr austrocknet. Die Basistherapie umfasst:
- Regelmäßige Anwendung von rückfettenden Cremes und Salben
- Milde Reinigung der Haut
- Vermeidung von austrocknenden Substanzen
Medikamentöse Therapie
Je nach Schweregrad der Erkrankung können verschiedene Medikamente eingesetzt werden:
- Topische Kortikosteroide: Wirken entzündungshemmend und juckreizstillend.
- Topische Calcineurin-Inhibitoren: Sind eine Alternative zu Kortikosteroiden und wirken ebenfalls entzündungshemmend.
- Systemische Therapie: Bei schweren Verläufen können innerliche (systemische) Medikamente eingesetzt werden, die den Entzündungsprozess im Immunsystem gezielt beeinflussen.
Psychologische Unterstützung
Da Stress und psychische Belastungen die Neurodermitis verschlimmern können, ist eine psychologische Unterstützung oft hilfreich. Entspannungstechniken, Stressmanagement und Psychotherapie können den Betroffenen helfen, besser mit der Erkrankung umzugehen und ihre Lebensqualität zu verbessern.
Weitere Therapieansätze
- Lichttherapie (Balneophototherapie): Kann bei manchen Patienten die Symptome lindern.
- Allergen-Immuntherapie (Hyposensibilisierung): Bei nachgewiesenen Allergien kann eine Hyposensibilisierung in Erwägung gezogen werden.
Leben mit Neurodermitis
Der Verlauf einer Neurodermitis ist durch Krankheitsschübe mit unterschiedlicher Dauer und Ausprägung charakterisiert. Spontanheilungen sind möglich. Die Neurodermitis zeigt die Tendenz, sich mit zunehmendem Alter zu bessern. Bis zum frühen Erwachsenenalter sind 60% der zuvor erkrankten Kinder wieder symptomfrei. Jedoch verbleibt häufig (bei mindestens 30% der Kinder) eine hohe Irritabilität der Haut.
Patienten, die eine atopische Hautdiathese aufweisen, sollten ein besonderes Augenmerk auf Präventionsstrategien richten. Hierzu zählt auch die Entscheidung der Berufswahl. Arbeiten im feuchten Milieu, Hautverschmutzungen, häufiges Händewaschen sowie die Exposition zu hautreizenden Stoffen können eine Verschlechterung eines vorbestehenden Hautekzems bedingen oder gar deren Neuentstehung verursachen. Individuelle Empfehlungen zum Hautschutz und zur Hautreinigung sind hier zu beachten.
Tipps für den Alltag
- Hautpflege: Regelmäßige und konsequente Hautpflege ist das A und O.
- Kleidung: Tragen Sie lockere, atmungsaktive Kleidung aus Baumwolle. Vermeiden Sie Wolle und synthetische Stoffe.
- Ernährung: Achten Sie auf eine ausgewogene Ernährung und vermeiden Sie Nahrungsmittel, auf die Sie allergisch reagieren.
- Stressmanagement: Finden Sie Wege, um Stress abzubauen und zu entspannen.
- Soziale Kontakte: Pflegen Sie soziale Kontakte und tauschen Sie sich mit anderen Betroffenen aus.
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