Nervenmessung der Beine: Verfahren, Diagnostik und Therapie

Die Neurologie befasst sich mit der Diagnose und Behandlung von Erkrankungen des Nervensystems. Ein wichtiger Bestandteil der neurologischen Diagnostik ist die Nervenmessung, insbesondere an den Beinen. Diese dient dazu, Funktionsstörungen der Nerven, Muskeln und Nervenwurzeln festzustellen.

Grundlagen der Nervenfunktion

Ein Nerv besteht aus der Nervenfaser (Axon) und einer Hüllschicht (Markscheide). Diese Isolierschicht ist entscheidend für die Geschwindigkeit, mit der elektrische Signale entlang des Nervs weitergeleitet werden. Eine Schädigung der Nervenzelle selbst oder der Markscheide kann die Reizweiterleitung stören.

Ursachen von Nervenschädigungen

Nervenschädigungen an den Beinen können vielfältige Ursachen haben:

  • Mechanische Ursachen: Unfälle, anatomische Engpässe, Bandscheibenvorfälle im Rücken und Nacken können Nerven schädigen.
  • Stoffwechselstörungen: Mangeldurchblutung, Vitaminmangel, toxische Einflüsse oder Entzündungen können zu generalisierten Erkrankungen des peripheren Nervensystems führen (Polyneuropathien).
  • Erbliche Faktoren: Auch erbliche Formen der Polyneuropathien sind möglich.
  • Weitere Ursachen: Medikamente, Alkoholmissbrauch und Diabetes mellitus können ebenfalls Nervenschäden verursachen.

Der diagnostische Prozess

Die Diagnose von Nervenerkrankungen an den Beinen umfasst mehrere Schritte:

  1. Anamnese: Zunächst erfolgt eine ausführliche Befragung des Patienten zu seiner Krankengeschichte und aktuellen Beschwerden.
  2. Neurologische Untersuchung: Die Prüfung der Reflexe, der Sensibilität (Berührung, Vibration, Temperatur) und der Muskelkraft liefert wichtige Informationen. An den Beinen werden Nervendehnungszeichen (z. B. Lasègue-Zeichen) geprüft. Auch der Zustand der Füße wird beurteilt.
  3. Neurophysiologische Untersuchungen: Diese umfassen die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) und die Elektromyographie (EMG). Diese Untersuchungen geben Aufschluss über das Ausmaß der Störung und können zur Verlaufskontrolle eingesetzt werden.
  4. Bildgebung: Röntgen, Ultraschall, CT oder MRT können zur weiteren Abklärung eingesetzt werden. Die Ultraschalldiagnostik von Nerven kann Nervenverletzungen, Nerventumoren oder Einklemmungen von Nerven sichtbar machen.
  5. Liquoruntersuchung: Die Entnahme von Nervenwasser (Lumbalpunktion) kann bei Verdacht auf Entzündungen im Nervensystem oder andere neurologische Erkrankungen durchgeführt werden.
  6. Psychometrische Testverfahren: Hilfreich bei der Diagnosestellung und zur Überprüfung des Verlaufs einer Demenz sind neben der Krankengeschichte zunächst einfache psychometrische Testverfahren wie der MMSE (Mini-Mental State Examination), der Uhrentest oder der DemTect.

Neurophysiologische Messverfahren im Detail

Nervenleitgeschwindigkeit (NLG)

Die NLG-Untersuchung dient der Funktionstestung der Nerven in Arm und Bein (sog. periphere Nerven). Kurz gesagt, wird überprüft, ob die Nervenleitung blockiert oder verlangsamt ist und ob die Nervenkabel normal leiten oder geschädigt sind. Liegt ein Nervenschaden vor, können durch die NLG-Untersuchung Aussagen über den Ort, die Art und das Ausmaß einer Nervenschädigung getroffen werden.

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Ablauf:

  1. Vorbereitung: Am Tag der Untersuchung sollte die Haut nicht eingecremt sein. Schmuck und Armbänder müssen abgelegt werden. Kalte Hände oder Füße können die Messwerte verfälschen, daher sollten diese warm sein.
  2. Elektrodenplatzierung: Klebelektroden werden auf der Haut über dem Verlauf des zu untersuchenden Nervs angebracht.
  3. Stimulation: Der Nerv wird mit kurzen, ungefährlichen Stromimpulsen stimuliert. Die Intensität wird meist als unangenehm empfunden, ist aber erträglich.
  4. Messung: Über die Elektroden wird das Nervensignal gemessen und die Nervenleitgeschwindigkeit berechnet. Ein normaler Nerv leitet den elektrischen Impuls mit einer Geschwindigkeit von ca. 45 m/s. Eine Verlangsamung der Nervenleitung deutet auf eine Schädigung der Nervenhülle hin.

Anwendungsbereiche:

  • Verdacht auf eine allgemeine Erkrankung der Nerven (Polyneuropathie).
  • Schädigung einzelner Nerven (z.B. durch Verletzung, Einklemmung, Nervenkompressionssyndrom oder auch Nervenwurzeleinklemmung infolge eines Bandscheibenvorfalls).
  • Abgrenzung von Engpass-Syndromen (z.B. Karpaltunnelsyndrom) von Polyneuropathien.

Elektromyographie (EMG)

Die EMG-Untersuchung misst die elektrische Muskelaktivität. Sie dient dazu, Probleme der Nervenansteuerung der Muskeln festzustellen, und zwar lange bevor der Nervenschaden so groß ist, dass es zu einem Kraftverlust kommt.

Ablauf:

  1. Vorbereitung: Eine spezielle Vorbereitung ist nicht erforderlich.
  2. Nadelelektrode: Eine sehr dünne Nadelelektrode wird in den zu untersuchenden Muskel eingeführt.
  3. Messung: Die elektrische Aktivität des Muskels wird in Ruhe, bei leichter und bei starker Anspannung gemessen. Die im Muskel selbst erzeugten elektrischen Signale werden durch die Nadelelektrode abgeleitet, über einen angeschlossenen Computer verstärkt und dann sichtbar und hörbar (und natürlich messbar) gemacht.
  4. Beurteilung: Anhand der gemessenen elektrischen Potentiale kann beurteilt werden, ob die Ansteuerung des Muskels durch die Nervenfasern intakt ist oder ob eine Schädigung vorliegt.

Anwendungsbereiche:

  • Muskelschwäche: Abgrenzung zwischen einer gestörten Ansteuerung des Muskels (Neuropathie) und einer Erkrankung des Muskels selbst (Myopathie).
  • Nervenverletzungen: Beurteilung, ob sich die Nervenfasern wieder regenerieren.
  • Diagnose von Muskelerkrankungen.

Risiken:

Theoretisch besteht (wie übrigens bei jeder Nadelanwendung: Injektion, “Spritze“, Akkupunktur o.a.) das Risiko einer Verletzung von Blutgefäßen z.B. durch die Nadel (Blutungsrisiko) oder einer Keimeinschleppung (Infektionsgefahr). Selbstverständlich werden zur Minimierung der Infektionsgefahr sterile Nadeln verwendet. Diese werden nach Gebrauch entsorgt und nicht wiederverwendet. Wie bei anderen Spritzen und Injektionen auch (im Rahmen einer Schutzimpfung zum Beispiel) kann über einige Tage ein „blauer Fleck“ verbunden mit einem Druckgefühl an dieser Stelle bleiben.

Weitere diagnostische Verfahren

  • Elektroenzephalographie (EEG): Messung der Hirnströme zur Untersuchung von Funktionsstörungen des Gehirns, z. B. bei Verdacht auf Epilepsie.
  • Evozierte Potentiale: Messung der Hirnstromaktivität, die durch einen Sinnesreiz ausgelöst wird. Dient der objektiven Darstellung von Störungen im sensiblen System (z. B. bei Gefühlsstörungen in den Beinen).
  • Doppler-Sonographie und Duplex-Sonographie: Ultraschalluntersuchungen zur Darstellung von Blutgefäßen und zur Messung der Blutflussgeschwindigkeit. Dienen der Erkennung von Verengungen oder Verschlüssen der Blutgefäße, die das Gehirn versorgen.
  • Magnetstimulation: Stimulation von Nervenzellen im Gehirn oder Rückenmark mit Magnetimpulsen. Dient der Untersuchung der Nervenleitbahnen.

Therapie von Nervenerkrankungen

Die Therapie von Nervenerkrankungen an den Beinen richtet sich nach der Ursache der Schädigung.

  • Behandlung der Ursache: Sofern eine Ursache gefunden wird (z. B. Diabetes, Vitaminmangel, Entzündung), steht die Behandlung dieser im Vordergrund.
  • Symptomatische Therapie: Unabhängig von der Ursache werden die Symptome behandelt, insbesondere Schmerzen. Gegen ein Taubheitsgefühl in den Füßen kann man weniger gut mit Medikamenten vorgehen. Hier bieten sich physikalische Methoden wie Bürstenmassagen, Bewegungsübungen und durchblutungsfördernde Maßnahmen an.
  • Medikamentöse Therapie: Bei chronischen Erkrankungen müssen die Medikamente regelmäßig überprüft und ggf. angepaßt werden. Bei bestimmten Verkrampfungen der Muskulatur im Gesichtsbereich (Blepharospasmus), Halsbereich (Torticollis, Dystonie) oder der Arme (Spastik nach Schlaganfall) kann durch die Behandlung mit Botulinumtoxin-Spitzen eine Linderung bis zu 3 Monaten erreicht werden. Die Behandlung eines akuten MS-Schubes mit Cortison-Infusionen erfolgt ambulant in der Praxis.
  • Ernährung und Bewegung: Eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige Bewegung sind für die Gesunderhaltung des gesamten Körpers wichtig - so auch für die Nerven. Durch eine vollwertige Kost werden die Nerven mit lebenswichtigen Nährstoffen und Energie versorgt; Bewegung fördert die Durchblutung und Sauerstoffversorgung. Zudem trägt eine gesunde Lebensweise entscheidend zur Prävention und Therapie von Stoffwechselstörungen wie dem Diabetes bei. Speziell bei Typ-2-Diabetes werden daher eine Ernährungsumstellung, der Abbau von Übergewicht und ein angepasstes Fitness-Programm empfohlen. So können Sie viel dazu beitragen, einem Fortschreiten der Neuropathie entgegenzuwirken.
  • Vermeidung von Risikofaktoren: Rauchen und ein hoher Alkoholkonsum erhöhen das Risiko für Nervenschäden und können bestehende Beschwerden verstärken.
  • milgamma® protekt: Bei Nervenschäden (Neuropathien) durch Vitamin-B1-Mangel steht mit milgamma® protekt ein rezeptfreies Medikament zur Verfügung. Denn milgamma® protekt behebt den Vitamin-B1-Mangel als eine Ursache von Nervenschäden und kann so Begleitsymptome einer Vitamin-B1-Mangel-Neuropathie wie Kribbeln, Brennen, Taubheitsgefühle und Schmerzen in den Füßen lindern.
  • Fußpflege: Nervenschäden in den Beinen führen dazu, dass die Füße besonders anfällig für Verletzungen sind. Gleichzeitig können Betroffene ihre Füße aber nicht mehr richtig wahrnehmen, sodass zum Beispiel kleine Risse, Druckstellen oder Blasen oft lange Zeit unbemerkt bleiben und sich zu tiefen Geschwüren entwickeln können. Deshalb ist es wichtig, dass Sie Ihre Füße täglich kontrollieren - denn so können Sie Veränderungen, die rasch behandelt werden müssen, frühzeitig erkennen. Achten Sie darauf, dass Ihre Schuhe wirklich gut passen und keine scheuernden Nähte oder andere Stellen mit Verletzungspotenzial aufweisen. Auch Socken und Strümpfe mit zu eng sitzenden Bündchen können Schaden anrichten.

Spezialisierung und Ausbildung

Die NLG- und EMG-Untersuchung wird in Deutschland am häufigsten von Neurologen durchgeführt. In einigen anderen Ländern existiert ein eigener Facharzt hierfür (clinical neurophysiology). An größeren Kliniken und Universitätskliniken gibt es auch in Deutschland zertifizierte Ausbildungsstätten, in denen NLG und EMG auf hohem spezialisierten Niveau praktiziert werden. Nur eine Ausbildung in zertifizierten Ausbildungsstätten (mit z.B.

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