Eine neurologische Untersuchung ist ein wichtiger Schritt, um Erkrankungen des Nervensystems zu erkennen und zu behandeln. Sie umfasst eine Vielzahl von Tests und Verfahren, die darauf abzielen, die Funktion des Gehirns, des Rückenmarks, der Nerven und der Muskeln zu beurteilen. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die verschiedenen Aspekte der neurologischen Untersuchung und Behandlung.
Was ist Neurologie?
Die Neurologie ist ein medizinisches Fachgebiet, das sich mit der Diagnose, Behandlung und Rehabilitation von Erkrankungen des Nervensystems befasst. Das Nervensystem ist ein komplexes Netzwerk, das aus dem Gehirn, dem Rückenmark, den Nerven und den Muskeln besteht. Es steuert alle Körperfunktionen, von der Atmung über die Bewegung bis hin zum Denken und Fühlen.
Wann sollte man einen Neurologen aufsuchen?
Es gibt viele Gründe, einen Neurologen aufzusuchen. Einige der häufigsten Symptome, die auf eine neurologische Erkrankung hindeuten können, sind:
- Anhaltende Kopfschmerzen
- Schwindel
- Lähmungen
- Kribbeln
- Sehstörungen
- Plötzliche Anfälle
- Gedächtnisverlust
- Bewegungsstörungen
Auch bei Verdacht auf Erkrankungen wie Schlaganfall, Multiple Sklerose, Parkinson oder Demenz ist ein Besuch beim Neurologen ratsam.
Ablauf einer neurologischen Untersuchung
Eine neurologische Untersuchung folgt einem klaren Ablauf und beginnt in der Regel mit einem ausführlichen Gespräch, in dem der Arzt die Krankengeschichte und die aktuellen Beschwerden des Patienten erfragt (Anamnese). Danach wird geprüft, ob es äußere Anzeichen für eine Erkrankung gibt. Dies kann sich beispielsweise an der Art zu gehen, an der Körperhaltung, am Gleichgewicht oder an Bewegungseinschränkungen erkennen lassen. Eine kurze körperliche Untersuchung, bei der der Arzt Lunge und Herz abhört und den Puls misst, schließt sich an.
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Es folgen verschiedene Tests, deren Aufwand und Ablauf vom vermuteten Krankheitsbild abhängen. Grundsätzlich können vom Gehirn bis zum Beinmuskel alle Bereiche des Körpers neurologisch untersucht werden, die von Nervenkrankheiten betroffen sein können. Wenn ein Patient nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, Fragen zu beantworten und aktiv bei den Tests mitzumachen, können nahestehende Menschen helfen.
Untersuchung der Hirnnerven
Jeder Mensch hat zwölf Hirnnerven, die direkt dem Gehirn entspringen und verschiedene Funktionen steuern. Sie steuern zum Beispiel die Muskeln der Augen, des Kiefers oder der Zunge. Zudem gibt es je einen Riech-, Seh-, Hör- und Gleichgewichtsnerv. Beeinträchtigtes Sehen, Hören, Riechen, Schmecken oder Sprechen können auf eine Nervenerkrankung hindeuten.
Der Geruchssinn wird mit bestimmten Duftstoffen getestet. Dazu hält der Arzt neutral gestaltete Röhrchen mit Proben zum Beispiel von Kaffee, Vanille, Zimt oder Seife einzeln unter jedes Nasenloch. Der Duftstoff ist dann von einer Leerprobe zu unterscheiden. Auch Naserümpfen oder Zähneblecken gehört zur Untersuchung - so wird der Gesichtsnerv überprüft. Wie in der Augenarztpraxis kann das Sehvermögen durch Erkennen von Buchstaben oder Zeichen auf Lesetafeln untersucht werden. Zudem kann der Arzt mit einem Fingertest prüfen, ob das Gesichtsfeld eingeschränkt ist. Dabei wird ein Auge mit der Hand verdeckt, das andere blickt geradeaus.
Untersuchung der Beweglichkeit, Feinmotorik und Koordination
Die allgemeine Beweglichkeit, Feinmotorik und Koordination sind ein weiterer Untersuchungsabschnitt. Wie gut kann man Arme und Beine bewegen, Knopfverschlüsse öffnen oder schreiben? Wie viele Schritte sind nötig, um sich einmal um die eigene Achse zu drehen? Wie sicher führt man mit geschlossenen Augen und im weiten Bogen einen Finger zur Nase oder berührt im Liegen mit der Ferse das andere Knie?
Untersuchung der Sensibilität
Ob das Schmerz- und Berührungsempfinden gestört ist, stellt der Arzt meist mit einem weichen Stoff und einer Nadel fest. In diesen Bereich gehören Sprach- und Rechentests sowie Fragen und Tests zur Merkfähigkeit und zur Orientierung, etwa nach der Jahreszeit, nach dem Datum, dem Beruf oder dem aktuellen Ort.
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Prüfung von Wachheit, Sensibilität und Motorik
Zu Beginn beurteilt der Arzt die Wachheit (Vigilanz) des Patienten, und zwar mit verschiedenen Fragen - etwa nach dem Geburtsdatum, dem Vornamen oder dem Aufenthaltsort. Kann der Patient alle Fragen korrekt beantworten, wird sein Zustand als „wach und orientiert“ eingestuft.
Darüber hinaus überprüft der Arzt die Sensibilität des gesamten Körpers. Getestet werden das Berührungs-, Schmerz-, Temperatur-, Vibrationsempfinden sowie Lageveränderungen.
Außerdem untersucht der Arzt die Motorik und teilt die Muskelkraft des Patienten in verschiedene Kraftgrade ein. So lassen sich eventuell bestehende Lähmungen oder Verkrampfungen (Spastiken) erkennen.
Prüfung von Koordination, Stand und Gleichgewicht
Die neurologische Untersuchung der Koordination kann durch den sogenannten Finger-Nase-Versuch erfolgen. Dabei muss der Patient mit geschlossenen Augen und zunächst ausgestreckten Armen zuerst den rechten und dann den linken Zeigefinger zur Nase führen.
Stand und Gleichgewicht lassen sich etwa mit dem Romberg-Stehversuch testen. Dabei muss der Patient ein bis zwei Minuten lang mit geschlossenen Augen stehen - mit ausgestreckten Armen und eng nebeneinander stehenden Füßen.
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Mit dem Unterberger-Tretversuch testet man Stand, Gang und Gleichgewicht: Hier muss der Patient mit geschlossenen Augen und vorgestreckten Armen 50 bis 60 Schritte auf der Stelle machen. Die Knie sollen dabei immer auf Hüfthöhe angehoben werden.
Überprüfung der Hirnnerven im Detail
Die Hirnnerven, welche direkt dem Gehirn entspringen, werden voneinander getrennt in der neurologischen Untersuchung überprüft:
- I. Nervus olfactorius - Riechen: Überprüfung durch Riechtests
- II. Nervus opticus - Sehen: Gegenstände oder Buchstaben müssen aus einer bestimmten Entfernung erkannt werden. Die Pupillenreaktion wird überprüft, indem der Arzt mit einer Lampe in die Augen leuchtet und die Pupillenreaktion beurteilt.
- III. Nervus oculomotorius - Augenbewegung: Hier sollte der Patient dem Finger des Arztes mit den Augen folgen können
- IV. Nervus trochlearis - Augenbewegung: Für die Überprüfung sieht der Patient nach innen und unten. Der Arzt testet beide Augen getrennt voneinander.
- V. Nervus trigeminus - Kauen und Sensibilität: Der Arzt streicht dem Patienten über das Gesicht und fragt ob er die Berührung spürt. Dann drückt er oberhalb der Augenbrauen, unterhalb der Augen und am Kinn auf die Austrittspunkte der Nerven. Dies sollte keine Schmerzen verursachen.
- VI. Nervus abducens - Augenbewegung: Der Patient sieht zur Überprüfung nach außen. Auch hier wird im Seitenvergleich getestet.
- VII. Nervus facialis - Mimik und Geschmack: Hier bläst der Patient die Backen auf, runzelt die Stirn und macht einen Kussmund. Außerdem wird das Geschmacksempfinden des Patienten erfragt.
- VIII. Nervus vestibulocochlearis - Hören und Gleichgewicht: Der Arzt reibt die Finger in der Nähe der Ohren, um das Gehör zu überprüfen. Mit einem Gleichgewichtstest wird die Nervenfunktion überprüft.
- IX. Nervus glossopharyngeus - Schlucken: Der Arzt inspiziert den Rachen und das Schluckvermögen
- X. Nervus vagus - Steuerung von inneren Organen: Der Arzt fragt nach Auffälligkeiten beim Herzschlag, beim Atmen oder der Verdauung
- XI. Nervus accessorius - Teil der Kopfmuskulatur: Der Arzt drückt die Schultern nach unten, während der Patient diese hochzieht. Außerdem sollte der Kopf gegen Widerstand gedreht werden können.
- XII. Nervus hypoglossus - Zunge: Der Patient streckt die Zunge heraus und bewegt sie zu allen Seiten
Um eine Hirnhautentzündung und andere Erkrankungen auszuschließen legt der Patient das Kinn auf die Brust. Kommt es hierbei zu Schmerzen, spricht man von einem Meningismus (Nackensteifigkeit), der genauer untersucht werden muss.
Prüfung der Reflexe
Die neurologische Untersuchung beinhaltet auch die Prüfung der Reflexe. Mit Hilfe eines Reflexhammers testet der Arzt die sogenannten Muskeleigenreflexe wie zum Beispiel den Bizepssehnenreflex. Der Arzt legt einen Daumen auf die Bizepssehne und schlägt mit dem Hammer darauf. Beugt sich der Unterarm, sind Verletzungen der beteiligten Nerven nahezu ausgeschlossen.
Bei den sogenannten Fremdreflexen erfolgt die Reflexantwort nicht im reizwahrnehmenden Organ. Bestreicht der Arzt also zum Beispiel den Oberschenkel, sollte es beim Mann zu einer Hebung des Hodens kommen.
Außerdem werden die Primitivreflexe getestet, welche beim Gesunden nicht mehr auslösbar sein sollten und nur bei Neugeborenen und Kleinkindern vorhanden sind. So wird beim Babinski-Reflex der Fußaußenrand kräftig bestrichen.
Apparative Zusatzuntersuchungen
Je nach Verdacht können verschiedene apparative Zusatzuntersuchungen durchgeführt werden, um die Diagnose zu sichern. Dazu gehören:
- Elektromyographie (EMG): Bei dieser Untersuchung wird die elektrische Aktivität von Muskeln gemessen, indem eine dünne Nadel-Elektrode in einen Muskel injiziert wird. Die Untersuchung der Muskeln dient also dazu Schädigungen am zuführenden Nerven feststellen zu können. Deshalb kann man z.B. aus der Untersuchung eines Muskels am Arm oder am Bein Rückschlüsse auf eine Schädigung des Nerven an der Wirbelsäule, z.B. durch einen Bandscheibenvorfall ziehen. Auch Erkrankungen des Muskels selbst, die seltener sind als Schädigungen des zuführenden Nerven, kann man mit dem EMG untersuchen.
- Elektroneurographie (ENG): Bei dieser Untersuchung wird die Geschwindigkeit der Nervenleitung bestimmt. Durch elektrische Reizung von Nerven in den Armen oder Beinen mit sehr niedrigen Stromstärken, wird im Nerven ein elektrisches Potential erzeugt, dessen Ausbreitung in der Zeit gemessen werden kann. Eine Verlangsamung der Nervenleitung bedeutet meist eine Schädigung der Hülle des Nerven (Myelinscheide) und weniger der Nervenfasern selbst. Sie ist sozusagen ein Hinweis auf eine Schädigung der Isolierung des Nervenkabels.
- Ultraschalldiagnostik von Nerven (Nervensonographie): Die Nervensonographie kann Nervenverletzungen, Nerventumoren oder Einklemmungen von Nerven sichtbar machen.
- Repetitive Nervenstimulation: Ob die Übertragung zwischen Nerv und Muskel gestört ist, kann mit einer speziellen elektrischen Testung untersucht werden. Dabei wird der Nerv wiederholt elektrisch stimuliert und dabei die Aktivität vom Muskel mit Oberflächenelektroden gemessen. Besonders die Myasthenia gravis, eine Autoimmun-Erkrankung, die die Übertragung von Nerv auf den Muskel betrifft, kann damit diagnostiziert werden.
- Elektroenzephalographie (EEG): Ein EEG wird zur Untersuchung von Funktionsstörungen des Gehirns eingesetzt. Die Untersuchung ist schmerzfrei. Bei Verdacht auf Epilepsie kann ein Schlaf-EEG nach Schlafentzug sinnvoll sein.
- Evozierte Potentiale: Als evoziertes (=hervorgerufenes) Potential wird eine Hirnstromaktivität bezeichnet, die durch einen Sinnesreiz ausgelöst wird. Die Messung evozierter Potentiale erlaubt eine objektivierbare und quantifizierbare Darstellung von Störungen und eignet sich auch für Verlaufsuntersuchungen. Es gibt verschiedene Arten von evozierten Potentialen, darunter:
- Sensibel evozierte Potentiale (SEP): Diese untersuchen die Leitung im sensiblen System. Der Sensibilitäts-Reiz wird als elektrischer Impuls („Klopfen“) über einem Nerven am Bein, am Arm oder im Gesicht gegeben.
- Visuell evozierte Potentiale (VEP): Beim Anblick eines Bildes werden zunächst die Sehzellen auf der Netzhaut aktiviert.
- Akustisch evozierte Potentiale (AEP): Bei der Messung der akustisch evozierten Potentialen wird die Nervenbahn vom Innenohr über den Hörnerven bis zu den für das Hören zuständigen Gehirnzentren untersucht.
- Motorisch evozierte Potentiale (MEP): Bei der Magnetstimulation wird über den Kopf des Patienten eine Magnetspule gehalten. Diese Spule gibt einen magnetischen Impuls ab, der die darunter liegenden motorischen Nervenzellen kurzzeitig stimuliert.
- Doppler-Sonographie und Duplex-Sonographie: Schlaganfälle werden häufig durch Verengungen oder Verschlüsse der Blutgefäße verursacht, die das Gehirn mit Blut versorgen. Diese Verengungen lassen sich mit Hilfe von Ultraschalluntersuchungen besonders gut und risikolos darstellen.
- Lumbalpunktion: Eine Lumbalpunktion ist die Entnahme von Nervenwasser aus dem Wirbelsäulenkanal in Höhe der Lendenwirbelsäule. Das entnommene Nervenwasser kann nun auf seine Bestandteile, insbesondere Zellen und Eiweiße untersucht werden. Diese Untersuchung ist geeignet, entzündliche Erkrankungen des Nervensystems, wie z.B.
Behandlung neurologischer Erkrankungen
Die Behandlung neurologischer Erkrankungen ist vielfältig und hängt von der jeweiligen Erkrankung ab. Einige der häufigsten Behandlungen sind:
- Medikamentöse Therapie: Viele neurologische Erkrankungen, wie Migräne, Myopathien oder Epilepsie, lassen sich heute durch moderne medikamentöse Therapien gut behandeln.
- Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie: Diese Therapien können helfen, verlorengegangene Funktionen wiederherzustellen und die Lebensqualität zu verbessern.
- Chirurgische Eingriffe: In einigen Fällen, wie bei Hirnblutungen oder Nervenkompressionen, kann ein chirurgischer Eingriff erforderlich sein.
- Rehabilitation: Nach einem Schlaganfall, einer Hirnblutung oder anderen neurologischen Erkrankungen kann eine Rehabilitation helfen, die Selbstständigkeit wiederzuerlangen.
Häufige neurologische Erkrankungen
Das Spektrum neurologischer Erkrankungen ist breit. Zu den häufigsten gehören:
- Schlaganfall: Eine Gefäßerkrankung des Gehirns, bei der die Verengung eines Gefäßes durch ein Gerinnsel zu einer Minderdurchblutung führt. Teilweise kommt es auch durch den Einriss des Gefäßes zu einer Hirnblutung.
- Multiple Sklerose: Eine chronische Autoimmunerkrankung, die durch Entzündungen in Gehirn oder Rückenmark ausgelöst wird.
- Epilepsie: Eine Erkrankung, bei der die elektrische Übertragung der Nervenzellen gestört ist, was zu anfallsartigen Störungen wie Zuckungen, Bewusstseinsstörungen oder Ohnmacht führt.
- Demenz: Die häufigste Erkrankung im Alter, wobei man zwischen verschiedenen Demenzformen unterscheidet.
- Morbus Parkinson: Eine Erkrankung, bei der veränderte Neurotransmittersysteme zu fortschreitenden Bewegungsstörungen, Muskelsteifigkeit, Zittern oder auch Standunsicherheit führen.
- Migräne: Ein neurologisches Krankheitsbild, das typischerweise mit anfallsartigen Kopfschmerzen einhergeht.
- Hirnblutung: Eine Blutung im Gehirn, die verschiedene Ursachen haben und zu massiven Beeinträchtigung und Schädigungen führen kann.
- Myopathien: Muskelerkrankungen, die mit einer allgemeinen Schwäche der Muskulatur, Muskelschwund sowie Muskelschmerzen einhergehen.
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