Risiken bei Operationen am offenen Gehirn: Ein umfassender Überblick

Operationen am offenen Gehirn, auch Kraniotomien genannt, sind komplexe Eingriffe, die mit spezifischen Risiken verbunden sind. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte dieser Risiken, die modernen Techniken zur Minimierung dieser Risiken und die Bedeutung einer sorgfältigen prä- und postoperativen Betreuung.

Einleitung

Die Entscheidung für eine Operation am offenen Gehirn ist oft mit großen Ängsten verbunden. Moderne neurochirurgische Verfahren zielen darauf ab, die Risiken zu minimieren und gleichzeitig die bestmöglichen Behandlungsergebnisse zu erzielen. Die Fortschritte in der Bildgebung, der Neuronavigation und der intraoperativen Überwachung haben die Sicherheit und Effektivität dieser Eingriffe erheblich verbessert.

Indikation und Ziele der Operation

Die Indikation für eine Operation am offenen Gehirn muss streng geprüft werden und hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter der Allgemeinzustand des Patienten (Karnofsky-Index), das Alter, Begleiterkrankungen und vor allem die Lokalisation des Tumors.

Das Hauptziel jeder Tumoroperation ist die möglichst vollständige Entfernung des erkrankten Gewebes unter Schonung des umliegenden gesunden Gewebes, um zusätzliche neurologische Ausfälle zu vermeiden.

Stereotaktische Techniken und Neuronavigation

Wenn keine offene Operation geplant ist, kann eine Probeentnahme zur feingeweblichen Untersuchung computergesteuert mit einer stereotaktischen Technik erfolgen. Stereotaxie definiert einen Punkt im dreidimensionalen Raum mittels mathematischer Prinzipien.

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Die stereotaktische Probeentnahme wird meist mit Rahmen durchgeführt, die vorübergehend am Kopf befestigt werden. Rahmenlos erfolgt die Probeentnahme mit einer Neuronavigation. Diese arbeitet mit einem stereotaktischen Arm oder Magnetfeldern oder Ultraschallimpulsen oder Infrarotstrahlen mit passiver oder aktiver Markertechnologie.

Der Unterschied zwischen Neuronavigation und konventioneller stereotaktischer Technik besteht darin, dass der Operateur während des Eingriffs die Lokalisation seiner Instrumente überprüfen kann, indem die entsprechende CT- oder MRT-Schicht auf dem Bildschirm des Computers dargestellt wird. Mit der Neuronavigation können verschiedene Zielpunkte sowie Volumina des zu entfernenden Tumors berechnet werden.

Ablauf einer offenen Operation

In Vollnarkose (gelegentlich auch in örtlicher Betäubung, wenn es sich um eine Operation in der Nähe des Sprachzentrums handelt) wird der Kopf entsprechend der Lage des Tumors gelagert und in einer Drei-Punkt-Kopfklemme fixiert. Nach einem geraden oder bogenförmigen Hautschnitt wird der Knochendeckel meistens mit einem Hochdruckbohrsystem ausgesägt. Mit der Navigationsführung wird der Tumor grob angepeilt und unter mikrochirurgischen Bedingungen entfernt.

Bei größeren Tumoren wird oft der Ultraschallsauger verwendet. Bei der fluoreszenzgestützten Resektion erhält der Patient Stunden vor der Operation ein Medikament, welches während der Operation manche Tumore anhand seiner Fluoreszenz unter Blaulicht besser sichtbar werden lässt.

Das Ausmaß der Tumorentfernung hängt von den benachbarten funktionellen Arealen ab, die nicht beschädigt werden sollen. Bei Operationen in der Nähe der wichtigen funktionellen Zentren wird ein intraoperatives neurophysiologisches Monitoring durchgeführt, bei dem die Funktion der sensiblen und motorischen Bahnen sowie der Hörbahn und anderer Hirnnerven überwacht werden.

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Nach kompletter Blutstillung und ggf. intraoperativer Bildgebungskontrolle (CT oder MR) werden die harte Hirnhaut sowie die Wunde verschlossen. Der Patient wird in die neurochirurgische Überwachungsstation verlegt, wo er aufwacht. Normalerweise erfolgt eine MR- oder CT-Kontrolle am nächsten Tag oder spätestens 48 Stunden nach der Operation, um das Ergebnis der Operation festzustellen.

Der Patient geht am 1. Tag nach der Operation bei komplikationslosem Verlauf auf die Allgemeinstation zurück und kann mit Unterstützung der Physiotherapie schrittweise mobilisiert werden, sodass der Patient nach etwa 7 bis 10 Tagen die Klinik wieder verlassen kann. Eine Cortisongabe für 3 bis 7 Tage nach der Operation wird allgemein durchgeführt, die Reduktion erfolgt schrittweise in Abhängigkeit von dem klinischen und radiologischen Befund. In Abhängigkeit von dem feingeweblichen Untersuchungsergebnis wird eine zusätzliche Therapie, z.B. Strahlen- und Chemotherapie, angeschlossen. Die klinische und MRT-Kontrolle erfolgt ca. 4 Wochen nach Abschluss der Strahlentherapie, danach je nach Tumor alle 2-3 Monate.

Spezifische Risiken und Komplikationen

Wie bei jedem chirurgischen Eingriff gibt es auch bei Operationen am offenen Gehirn potenzielle Risiken und Komplikationen. Dazu gehören:

  • Blutungen und Hämatome: Blutungen können während oder nach der Operation auftreten und zu Hämatomen führen, die zusätzlichen Druck auf das Gehirn ausüben können.
  • Infektionen: Infektionen können sowohl an der Operationsstelle als auch im Gehirn auftreten und erfordern möglicherweise eine antibiotische Behandlung oder sogar einen erneuten chirurgischen Eingriff.
  • Thrombosen und Lungenembolien: Aufgrund der langen Operationsdauer und der Immobilisierung des Patienten besteht ein erhöhtes Risiko für die Bildung von Blutgerinnseln in den Beinvenen, die zu einer Lungenembolie führen können.
  • Wundheilungsstörungen: Wundheilungsstörungen können auftreten und die Genesung verzögern.
  • Neurologische Ausfälle: Die Operation kann zu neurologischen Ausfällen führen, wie z. B. Lähmungen, Sprachstörungen, Gedächtnisstörungen oder Koordinationsprobleme.
  • Epileptische Anfälle: Epileptische Anfälle können als Folge der Operation auftreten, entweder unmittelbar danach oder erst später durch Vernarbungen im Gehirn.
  • Liquoraustritt: Es kann zu einem Austritt von Hirnflüssigkeit (Liquor) kommen, der eine zusätzliche Behandlung erfordern kann.
  • Hirnschwellung: Nach der Operation kann es zu einer Hirnschwellung kommen, die den Hirndruck erhöht und weitere Komplikationen verursachen kann.
  • Kognitive Beeinträchtigungen: Beeinträchtigungen der Konzentration, des Gedächtnisses oder anderer kognitiver Funktionen können nach der Operation auftreten.
  • Ansammlung von Luft in der Schädelhöhle (Pneumocephalus)
  • Koma

Moderne Techniken zur Risikominimierung

Dank moderner Techniken und Verfahren können viele dieser Risiken minimiert werden:

  • Neuronavigation: Moderne bildgebende Verfahren und Computertechnik erlauben es mit Hilfe der Neuronavigation, den Weg von außen bis zu einem in der Tiefe des Gehirns liegenden Tumor exakt zu planen und somit das Risiko für Substanzdefekte, Blutungen und spätere neurologische Ausfallserscheinungen so gering wie möglich zu halten.
  • Intraoperatives Neuromonitoring: Bei Operationen in der Nähe wichtiger funktioneller Zentren wird ein intraoperatives neurophysiologisches Monitoring durchgeführt, in dem die Funktion der sensiblen und motorischen Bahnen sowie auch der Hörbahn und anderer Hirnnerven während der Operation überwacht werden.
  • Fluoreszenzgestützte Resektion: Da Hirntumore häufig sehr infiltrierend in das gesunde Hirngewebe einwachsen und deshalb bei der Operation oft schwierig vom gesunden Gewebe zu unterscheiden sind, wird intraoperativ eine Substanz (5-ALA, 5-Aminolävulinsäure) eingesetzt, die sich spezifisch in Tumorzellen ansammelt und unter Fluoreszenzlicht sichtbar gemacht werden kann. Damit lassen sich die Tumorränder besser darstellen und sich der Tumor sicherer entfernen.
  • Wach-OP: In bestimmten Situationen wird eine Tumoroperation unter Wachbedingungen angeboten. Dies kann erforderlich sein, wenn der Tumor in bestimmte Areale (z.B. Sprachareal oder Bewegungsareal) einwächst. Diese Technik erlaubt es auch in diesen kritischen Regionen, eine Tumorreduktion vorzunehmen, und dabei das Risiko für anhaltende neurologische Defizite zu minimieren.
  • Intermittierende Pneumatische Kompression (IPK): Bei neurochirurgischen Eingriffen zur Behandlung von Hirntumoren sind bis zur Hälfte aller Behandelten von Thrombosen in den Beinvenen betroffen. Die intermittierende pneumatische Kompression (IPK) der Beinvenen, bei der Manschetten mit Luftkammern um die Unterschenkel geschnallt werden, die nacheinander von einem Luftpuls-Generator gefüllt werden, kann das Risiko einer Thrombose reduzieren.

Die Bedeutung der präoperativen Vorbereitung

In der Neuroonkologie ist die präoperative Behandlung vor dem eigentlichen diagnostischen oder therapeutischen Eingriff von besonderer Bedeutung. Eine sorgfältige präoperative Planung und Vorbereitung sind entscheidend, um die Risiken zu minimieren und den Erfolg der Operation zu maximieren. Dazu gehören:

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  • Detaillierte Bildgebung: Hochauflösende MRT- und CT-Aufnahmen sind unerlässlich, um die genaue Lage, Größe und Beschaffenheit des Tumors zu bestimmen.
  • Neuropsychologische Tests: Diese Tests helfen, die kognitiven Funktionen des Patienten zu beurteilen und potenzielle Risiken für bestimmte Hirnregionen zu identifizieren.
  • Interdisziplinäre Beratung: Ein Team aus Neurochirurgen, Neurologen, Radiologen und anderen Spezialisten arbeitet zusammen, um den besten Behandlungsplan für den Patienten zu entwickeln.
  • Patientenaufklärung: Eine umfassende Aufklärung des Patienten über die Risiken und Vorteile der Operation ist wichtig, um realistische Erwartungen zu wecken und Ängste abzubauen.

Postoperative Betreuung und Rehabilitation

Die postoperative Betreuung ist ein entscheidender Faktor für eine erfolgreiche Genesung. Dazu gehören:

  • Engmaschige Überwachung: Der Patient wird auf der Intensivstation überwacht, um frühzeitig auf Komplikationen reagieren zu können.
  • Schmerzmanagement: Eine effektive Schmerzkontrolle ist wichtig, um das Wohlbefinden des Patienten zu gewährleisten.
  • Physiotherapie und Rehabilitation: Physiotherapie und Rehabilitation helfen, neurologische Ausfälle zu minimieren und dieFunktion wiederherzustellen.
  • Regelmäßige Nachuntersuchungen: Regelmäßige MRT-Kontrollen sind wichtig, um das Ergebnis der Operation zu überwachen und ein erneutes Tumorwachstum frühzeitig zu erkennen.

Wach-OP: Eine besondere Form der Operation

In bestimmten Fällen kann eine Operation am offenen Gehirn im wachen Zustand des Patienten durchgeführt werden (Wach-OP). Dies ist besonders dann sinnvoll, wenn der Tumor in der Nähe von wichtigen Sprach- oder Bewegungszentren liegt.

Bei einer Wach-OP wird der Patient während der Operation aus der Narkose aufgeweckt und gebeten, bestimmte Aufgaben zu erfüllen, wie z. B. sprechen, lesen oder einfache Bewegungen ausführen. So können die Neurochirurgen in Echtzeit überprüfen, ob die Operation Auswirkungen auf diese wichtigen Funktionen hat und gegebenenfalls die Operationsstrategie anpassen.

Die Vorstellung, bei vollem Bewusstsein am offenen Schädel operiert zu werden, ist für viele Patienten beängstigend. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass das Gehirn selbst nicht schmerzempfindlich ist und die Eröffnung des Schädels in lokaler Betäubung erfolgt.

Aneurysma-Behandlung

Nicht alle Menschen mit einem Hirnaneurysma brauchen eine Behandlung. Ob und welche Behandlung bei einem Hirnaneurysma sinnvoll ist, lässt sich nicht pauschal sagen. Wer keine Beschwerden und nur ein geringes Risiko für Komplikationen hat, braucht nicht unbedingt eine Behandlung.

Besteht ein erhöhtes Risiko, dass ein Aneurysma reißt, wird meist eine Behandlung empfohlen. Möglich sind verschiedene OP- oder Katheter-Verfahren, die bewirken sollen, dass das Aneurysma verschlossen wird. Bei einer Operation öffnen die Neurochirurgen den Schädel und legen das Blutgefäß frei, an dem sich das Aneurysma befindet. Dann klemmen sie das Aneurysma mit einem kleinen Metall-Clip vom Blutgefäß ab (Clipping).

Allerdings kann auch der Eingriff selbst Gehirngewebe schädigen. Dann kann es zu meist vorübergehenden, seltener zu dauerhaften Beschwerden kommen - etwa Lähmungen. Außerdem bringt jede Operation Risiken mit sich - zum Beispiel für Blutungen, Wundinfektionen oder Kreislaufprobleme.

Für die Behandlung mit einem Katheter ist keine Operation notwendig. Der Katheter wird bei diesem Verfahren in Narkose in die Leistenarterie eingeführt und bis ins betroffene Blutgefäß im Gehirn vorgeschoben. Über den Katheter kann die Ärztin oder der Arzt dann kleine Platin-Spiralen (Coils) im Aneurysma platzieren (Coiling). Die Spiralen sorgen dafür, dass das Blut im Aneurysma gerinnt. Danach kann kein Blut mehr einströmen. Manchmal werden zusätzlich oder stattdessen sogenannte Stents eingesetzt.

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