Rauchen und seine Auswirkungen auf das Gehirn: Eine umfassende Analyse

Das Rauchen ist eine weit verbreitete Gewohnheit mit erheblichen Auswirkungen auf die Gesundheit. Neben den bekannten Folgen für Lunge und Herz-Kreislauf-System beeinflusst Tabakkonsum auch das Gehirn. Eine aktuelle Studie liefert hierzu zusätzliche Motivation: Langjährige Raucher haben demnach ein kleineres Gehirn. Vor allem die graue Substanz ist es, die sich unter dem Einfluss des giftigen Rauches zurückbildet.

Wie das Rauchen das Gehirnvolumen beeinflusst

Um die Auswirkungen des Rauchens auf das Gehirnvolumen zu untersuchen, haben Forscher der Washington University School of Medicine Daten der UK Biobank neu ausgewertet. Für die UK Biobank hatten Wissenschaftler zwischen 2006 und 2010 einer halben Million Briten Blut für genetische Analysen abgenommen. Dazu kamen körperliche Untersuchungen und Fragen zum individuellen Lebensstil - darunter auch zum Zigarettenkonsum im Laufe des Lebens. In den Jahren 2012 bis 2013 wurden zudem bei mehr als 32.000 Teilnehmern und Teilnehmerinnen eine Kernspintomografie (Magnetresonanztomografie) des Kopfes vorgenommen. Dabei ermittelte man unter anderem das Volumen des Gehirns.

Das Ergebnis: Je mehr und je länger eine Person rauchte, desto geringer war tendenziell ihr Hirnvolumen. Personen, die täglich rauchten, hatten im Schnitt ein um 3.360,95 mm³ kleineres Gehirn. Verglichen mit der durchschnittlichen Gesamtgröße des Gehirns, die bei rund 1.230.000 mm³ liegt, scheint das zwar ein geringer Verlust. Dennoch gehen im Laufe einer Rauchkarriere offenbar etliche Nervenzellen zugrunde - was für eine beschleunigte Hirnalterung sprechen könnte. Denn tatsächlich nimmt auch das Hirnvolumen von Nichtrauchern mit zunehmendem Alter ab.

Rauchen und beschleunigte Hirnalterung

Ein Zusammenhang zwischen Rauchen und geringerem Gehirnvolumen ist seit langem bekannt. Unklar war bisher aber, was Ursache und was Wirkung ist. Ob beispielsweise genetische Faktoren beide Umstände beeinflussen. Denn auch das Risiko, zum Raucher zu werden, ist zur Hälfte erblich bedingt.

Die Studienleiterin Laura J. Bierut betonte, dass Wissenschaftler die Auswirkungen des Rauchens auf das Gehirn lange Zeit übersehen haben, da sie sich auf die Folgen für Lunge und Herz konzentrierten. Erst genauere Untersuchungen des Gehirns zeigten, dass Rauchen auch hier schädlich ist.

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Irreversible Hirnschrumpfung und Demenzrisiko

Leider scheint die Schrumpfung irreversibel zu sein: Bei Menschen, die vor Jahren mit dem Rauchen aufgehört hatten, blieb das Gehirn dauerhaft kleiner als das von Menschen, die noch nie geraucht hatten. „Man kann den bereits angerichteten Schaden nicht wiedergutmachen, aber man kann verhindern, dass noch mehr Schaden entsteht“, sagt Yoonhoo Chang, die Hauptautorin der Studie.

Das vorzeitige Schrumpfen des Gehirns könnte zudem Demenzerkrankungen beschleunigen, so die Forschenden. Tatsächlich erhöht Rauchen im mittleren Alter die Wahrscheinlichkeit, in den nachfolgenden 20 Jahren an Demenz zu erkranken. Daher empfiehlt Chang, mit dem Rauchen aufzuhören, um die Alterung des Gehirns und ein steigendes Demenzrisiko zu stoppen.

Die Rolle von Nikotin und anderen Schadstoffen

Rauchen beeinflusst das Gehirn nicht nur durch das Nikotin, sondern auch durch eine Vielzahl schädlicher Begleitstoffe im Zigarettenrauch. Schadstoffe wie Kohlenmonoxid führen dazu, dass sich Blutgefäße im Gehirn verengen, wodurch Sauerstoff und Nährstoffe nicht mehr in ausreichender Menge zu den Nervenzellen gelangen. Rauchen fördert systemische Entzündungen im gesamten Körper, auch im Gehirn. Zigarettenrauch enthält viele aggressive Substanzen, die die Bildung sogenannter freier Radikale fördern. Diese Moleküle greifen Zellbestandteile an und setzen die Nervenzellen unter oxidativen Stress. Langjähriges Rauchen kann das Volumen bestimmter Hirnregionen verringern, besonders in Bereichen, die für Gedächtnis, Lernen und Konzentration wichtig sind.

Nikotin: Wirkung, Suchtpotential und Folgen

Nikotin ist eine natürliche stickstoffhaltige Verbindung, die vor allem in Pflanzen, aber auch in Tieren und Bakterien vorkommt. Besonders Pflanzen aus der Familie der Nachtschattengewächse können natürliches Nikotin enthalten. In hohen Konzentrationen produzieren den Stoff hauptsächlich Tabakpflanzen (Nicotiana tabacum). Beim Rauchen gelangt Nikotin über die Atemwege in die Blutbahn und aktiviert im Gehirn vor allem die Andockstellen (Rezeptoren) des Botenstoffs Acetylcholin.

Das Abhängigkeitspotenzial bei Nikotin ist sehr hoch. Bindet das Nikotin sich an die Acetylcholin-Rezeptoren im Gehirn, schüttet der Körper in der Folge vor allem den Botenstoff Dopamin aus, aber auch Serotonin und Adrenalin. Es entsteht ein aktiviertes und zugleich entspanntes Gefühl - und das Belohnungszentrum im Gehirn wird eingeschaltet. Durch wiederholtes Rauchen gewöhnen sich die Acetylcholin-Rezeptoren allerdings an das Nikotin. Die Folge ist, dass der Körper eine wiederholte Nikotinzufuhr von außen braucht, um den ursprünglich normalen aktivierten Zustand herzustellen.

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Langfristig haben Tabak und das darin enthaltene Nikotin zahlreiche schädigende Auswirkungen auf den Körper. Speziell Nikotin greift nicht nur in neurochemische Funktionen ein, sondern wirkt sich auch auf die Funktion der Körperzellen und deren Fähigkeit, sich zu vermehren aus. Das Nervengift sorgt dafür, dass Gefäße schneller altern und sich mit Plaques zusetzen (Atherosklerose). Es fördert die Wahrscheinlichkeit für einen gestörten Zuckerstoffwechsel (Diabetes Typ 2) und stört bestimmte Prozesse im Immunsystem.

Auswirkungen auf jugendliche Raucher

Das heranwachsende Gehirn junger Raucher ist deutlich anfälliger für Veränderungen. Durch die rauchbedingte Schädigung der Nervenzellen im Gehirn kann somit auch die Hirnentwicklung beeinträchtigt werden. Rauchen in der Jugend führt nachgewiesenermaßen häufig zu schlechteren Denkleistungen und einer kürzeren Aufmerksamkeitsspanne im Erwachsenenalter. Hinzu kommt, dass Nikotin bei Jugendlichen nicht nur die Anzahl, sondern auch die Art der Rezeptoren im Gehirn verändert. Diejenigen Rezeptoren, die auf das Nervengift Nikotin ansprechen, treten vermehrt auf. Dies hat zur Folge, dass das Gehirn Jugendlicher stärker auf das im Rauch befindliche Nervengift Nikotin reagiert. Diese erhöhte Hirnreaktion auf Nikotin spiegelt sich in einer vermehrten Ausschüttung des Glücksbotenstoffs Dopamin bei Zigarettenkonsum unter Jugendlichen aus.

Regeneration des Gehirns nach Rauchstopp

Auch wenn Rauchen das Gehirn auf vielfältige Weise schädigt - durch Durchblutungsstörungen, chronische Entzündungen, oxidativen Stress und strukturelle Veränderungen - ist selbst nach Jahren des Konsums Regeneration möglich.

Nach dem letzten Zug sinkt der Nikotinspiegel rasch ab. Das Gehirn beginnt, überaktivierte Rezeptoren zurückzufahren. Mittelfristig stabilisieren sich die neuronalen Verbindungen, und Konzentration, Schlaf und Stimmung verbessern sich meist deutlich. Langfristig kann das Gehirn durch Neuroplastizität geschädigte Strukturen teilweise neu organisieren. Selbst Funktionen, die vorübergehend beeinträchtigt waren, lassen sich oft wiederherstellen.

Die Rolle von Glutamat

Eine Forschungsgruppe aus der Schweiz hat untersucht, ob sich auch bei Raucherinnen und Rauchern Veränderungen im Glutamat-System des Gehirns nachweisen lassen. Die Studie ergab, dass die Rezeptordichte für Glutamat bei Raucherinnen und Rauchern im gesamten Gehirn im Durchschnitt um 20 Prozent verringert war, mit Ausnahme des Hirnstamms. In einzelnen Hirnregionen wie dem unteren Frontallappen und den Basal-Ganglien war Glutamat um bis zu 30 Prozent reduziert. Auch die Ex-Raucherinnen und Ex-Raucher, die im Durchschnitt 25 Wochen abstinent waren, zeigten eine Reduktion dieses Proteins um 10 bis 20 Prozent.

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Diese Veränderung des Glutamat-Systems bei Rauchern ist im Ausmaß und in der Verteilung weit größer, als man bisher angenommen hat. Besonders unerwartet sei, dass die Erholung des Glutamat-Systems offenbar sehr lange dauere. Es ist wahrscheinlich, dass diese sehr langsame Normalisierung zu der sehr hohen Rückfallrate bei Ex-Rauchern beiträgt.

Veränderungen in der Hirnstruktur

Wissenschaftler des Nationalen Genomforschungsnetzes NGFN-Plus um Prof. Dr. Jürgen Gallinat von der Berliner Charité haben die Hirnstruktur von Rauchern und Niemals-Rauchern im Magnetresonanztomographen untersucht. Das Ergebnis: Bei Rauchern ist tatsächlich im Vergleich zu Personen, die niemals in ihrem Leben geraucht haben, eine Region des cerebralen Kortex, also der Großhirnrinde, verkleinert.

Beim Vergleich der zwei Untersuchungsgruppen haben wir festgestellt, dass der mediale orbitofrontale Kortex, eine bestimmte Region in der Großhirnrinde, bei Rauchern im Durchschnitt dünner ist als bei Niemals-Rauchern. Tatsächlich ist diese Hirnregion umso dünner, je höher der tägliche Zigarettenkonsum der Raucherinnen und Raucher ist. Je mehr Zigaretten man pro Tag raucht und je länger die ,Raucherkarriere‘ ist, desto dünner ist der mediale orbitofrontale Kortex.

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