Die optische Neuropathie ist ein Sammelbegriff für Erkrankungen, die den Sehnerv betreffen und zu Sehstörungen führen können. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Ursachen und Symptome der optischen Neuropathie, wobei ein besonderer Fokus auf der Optikusneuritis und der Leberschen hereditären Optikusneuropathie (LHON) liegt. Ziel ist es, ein umfassendes Verständnis dieser komplexen Erkrankungen zu vermitteln.
Optikusneuritis
Definition und Epidemiologie
Die typische Optikusneuritis ist eine akute, schwere Sehstörung, die meist junge, gesunde Menschen betrifft. Sie manifestiert sich als Autoimmunreaktion gegen den Sehnerv und kann ein erster Schub einer Multiplen Sklerose (MS) sein. In Mitteleuropa liegt die Inzidenz bei etwa 5 pro 100.000 Einwohnern pro Jahr. Das Durchschnittsalter der Betroffenen liegt bei 36 Jahren, wobei Frauen häufiger betroffen sind als Männer (über 70 % der Fälle). In etwa 43 % der Fälle kann die Optikusneuritis als Vorstufe einer Multiplen Sklerose angesehen werden.
Symptome
Typischerweise beginnt die Optikusneuritis mit Augenbewegungsschmerz, gefolgt von einer Sehverschlechterung. Nur in seltenen Fällen (0,4 %) sind beide Augen gleichzeitig betroffen. Patienten können den Beginn der Symptomatik oft genau datieren, was die Optikusneuritis von Sehnerventumoren unterscheidet. Der Seheindruck wird dunkler, unscharf und kontrastarm, Farben erscheinen blass. Die Sehschärfe verschlechtert sich subakut über einige Tage und erreicht ihren Tiefpunkt innerhalb von ein bis zwei Wochen, bevor sie sich wieder bessert. Einige Patienten nehmen Lichtphänomene wahr.
Zwei klassische Phänomene sind mit der Optikusneuritis verbunden:
- Pulfrich-Phänomen: Die Wahrnehmung einer Kreisbewegung beim Hin- und Herpendeln eines Gegenstandes parallel zur Gesichtsebene. Dieses Phänomen ist jedoch unspezifisch, da es auch bei gesunden Personen auftreten kann, wenn ein Auge mit einem Graufilter bedeckt wird.
- Uhthoff-Phänomen: Eine Verschlechterung des Sehens bei Erhöhung der Körpertemperatur durch körperliche Anstrengung, heißes Duschen, Baden oder Sport. Dieses Phänomen tritt vor allem in der Abklingphase der Optikusneuritis oder bei chronischem Verlauf auf und ist spezifischer, aber nur bei etwa der Hälfte der Patienten vorhanden.
Ophthalmologische Untersuchung
Die Diagnose der Optikusneuritis wird durch eine ophthalmologische Untersuchung objektiviert. Bei einseitiger Optikusneuritis zeigt sich ein relativer afferenter Pupillendefekt (RAPD), d.h. die Pupillenlichtreaktion des betroffenen Auges ist im Vergleich zum Partnerauge schwächer. Der Augenbewegungsschmerz sollte durch entsprechende Bewegungen provoziert werden, da jede Missempfindung relevant ist. Die Sehschärfe kann stark variieren, von „kein Lichtschein“ bis 1,5, wobei sie bei etwa zwei Dritteln der Patienten unter 0,5 liegt. Im Gesichtsfeld finden sich meistens Zentral- und Zentrozökalskotome. Die Papille erscheint meist normal, bei etwa einem Drittel der Patienten findet sich ein leichtes Ödem. Der Farbsinn ist gestört, Farben wirken dunkler und entsättigt.
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Die Kombination aus Augenbewegungsschmerz, relativem afferenten Pupillendefekt und normaler oder leicht ödematöser Papille gilt als pathognomonisch für die Optikusneuritis. Der Makulabefund ist wichtig, um eine Neuroretinitis auszuschließen.
Verlauf und Differenzialdiagnosen
In der Regel bessert sich das Sehvermögen nach einer Optikusneuritis wieder. Etwa 60 % der Patienten erreichen nach zwei Monaten normale Sehschärfe. Visus, Gesichtsfeld und Farbsinn normalisieren sich meist, das Kontrastsehen kann jedoch dauerhaft reduziert bleiben.
Eine Optikusneuritis ist nahezu ausgeschlossen, wenn kein Augenbewegungsschmerz vorhanden ist und die Besserung ausbleibt. Wenn umgekehrt alle drei Merkmale - Bewegungsschmerz, akuter Beginn und Besserung - zutreffen, ist die Diagnose Optikusneuritis sehr wahrscheinlich. Differenzialdiagnosen sind unter anderem Tumore und anteriore ischämische Optikusneuropathie (AION). Schwieriger ist die Abgrenzung zur Leberschen hereditären Optikusneuropathie, die ebenfalls akut beginnt, aber ohne Augenbewegungsschmerz verläuft und meist beide Augen innerhalb weniger Wochen betrifft.
Sonderformen der Optikusneuritis
Neben der typischen Optikusneuritis gibt es verschiedene Sonderformen, die sich in ihren Symptomen und Ursachen unterscheiden. Zu den wichtigsten Sonderformen gehören:
- Neuroretinitis: Hier greift die Entzündung vom Sehnerv auf die Netzhaut über. Die Papillenschwellung ist ausgeprägt, in der Makula findet man eine Sternfigur aus harten Exsudaten. Als Ursache wird eine bakteriell getriggerte Immunreaktion diskutiert, wobei vor allem Bartonellen im Verdacht stehen.
- Neuromyelitis optica (NMO): Diese Erkrankung tritt in 1-3 % der Optikusneuritiden auf. Neben der Optikusneuritis haben die Patienten Querschnittsmyelitiden und keine oder nur geringe Läsionen im Gehirn. Pathognomonisch sind Antikörper gegen das Wasserkanalprotein Aquaporin-4. Die Optikusneuritis bei NMO ist häufiger beidseitig und hinterlässt größere Schäden als bei MS.
- Chronisch rezidivierende Immun-Optikusneuropathie: Diese Erkrankung beginnt wie eine typische Optikusneuritis, bessert sich aber rasch unter Steroiden und rezidiviert nach Dosisreduktion. Unbehandelt kann sie zu deutlichen Schäden führen.
- Optikusneuritiden im Rahmen anderer Autoimmunerkrankungen: Seltenere Sonderformen treten im Rahmen von Autoimmunerkrankungen wie Sarkoidose, Lupus erythematodes und Wegenerscher Granulomatose auf.
Zusatzdiagnostik
Zur Abklärung einer Optikusneuritis können verschiedene Zusatzuntersuchungen durchgeführt werden:
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- Blutuntersuchungen: Neurologische Leitlinien empfehlen bei Verdacht auf Multiple Sklerose eine ausführliche Labordiagnostik. Ophthalmologische Leitlinien beschränken ausgiebige Tests auf atypische Fälle.
- Kernspintomographie (MRT): Die MRT ist die wichtigste Zusatzuntersuchung, da sie die Entzündung im Sehnerv direkt zeigen kann. Typisch ist die Kontrastmittelaufnahme in den T1-Sequenzen. Wichtig ist auch der Nachweis von Entmarkungsherden im Gehirn, die auf eine Multiple Sklerose hindeuten können.
Lebersche Hereditäre Optikusneuropathie (LHON)
Definition und Epidemiologie
Die Lebersche hereditäre Optikusneuropathie (LHON) ist eine seltene, erblich bedingte Augenerkrankung, die zu einem plötzlichen Verlust der Sehschärfe führt. Sie betrifft vor allem junge Männer im Alter zwischen 15 und 35 Jahren. Die Prävalenz liegt bei etwa 1:30.000 bis 1:50.000. Ursache ist eine Punktmutation in der mitochondrialen DNA (mtDNA), die zu einer Störung des mitochondrialen Stoffwechsels und einem Verlust retinaler Ganglienzellen führt.
Ursachen und Vererbung
Die Ursache für LHON ist ein Gendefekt, eine Mutation in der mitochondrialen DNA (mtDNA). Die Mitochondrien sind die "Kraftwerke" der Zellen und produzieren Energie. Bei LHON ist die Funktion der Mitochondrien gestört, was vor allem die Nervenzellen in der Netzhaut des Auges (retinale Ganglienzellen) betrifft. Die mtDNA wird ausschließlich von der Mutter vererbt. Daher können auch Mutationen in der mtDNA nur durch die Mutter weitergegeben werden. Männer können Mutationen in der mtDNA nicht an ihre Kinder weitergeben.
Die Mehrzahl (ungefähr 90 %) der LHON-Patient*innen weist eine von drei mitochondrialen DNA-Mutationen auf:
- m.11778G>A (ca. 60-75 % der Fälle)
- m.14484T>C (ca. 10-20 %)
- m.3460G>A (ca.
Laut wissenschaftlichen Erkenntnissen aus dem Jahr 2021 können auch Mutationen in der nukleären DNA für das Auftreten von LHON verantwortlich sein.
Nicht alle Mutationsträger*innen entwickeln zwingend eine LHON-Erkrankung. Ob LHON auftritt muss nicht allein von der genetischen Veranlagung abhängig sein. Auch Triggerfaktoren wie Nikotin- und Alkoholkonsum sowie Verletzungen im Kopfbereich und Stress können für den Ausbruch eine Rolle spielen.
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Symptome
Ein typisches Symptom von LHON ist eine relativ rasche, schmerzlose, unerwartete und fortschreitende Sehverschlechterung, die sich oft zunächst auf ein Auge beschränkt. Das zweite Auge ist meist innerhalb weniger Wochen bis Monate ebenfalls betroffen. LHON-Patientinnen bemerken häufig schon früh eine leichte Rot-Grün-Sehschwäche. Diese kann jedoch auch parallel zur Sehverschlechterung auftreten, ebenso wie zu einer erhöhten Lichtempfindlichkeit. Innerhalb von sechs Monaten nach dem Auftreten erster Symptome ist meist das Maximum der Sehverschlechterung erreicht, danach stabilisiert sich die Sehschärfe. Innerhalb eines Jahres nach Krankheitsbeginn ist eine Vielzahl der Patientinnen hochgradig sehbehindert oder nach gesetzlicher Definition blind.
Diagnostik
Die Diagnose von LHON umfasst verschiedene Untersuchungen:
- Augenärztliche Untersuchung: Untersuchung der Sehschärfe, der Brechkraft, der vorderen Augenabschnitte (Cornea, Linse) und des Augenhintergrunds (Netzhaut). Messung des Augeninnendrucks, da LHON oft mit einem Glaukom vergesellschaftet ist.
- Funduskopie: Untersuchung des Augenhintergrunds, einschließlich Netzhaut, Austrittsstelle des Sehnervs und Blutgefäße.
- Optische Kohärenztomographie (OCT): Nicht invasives Verfahren zur Erstellung von Bildern der Netzhaut. Hilft, verschiedene Augenerkrankungen zu erkennen.
- Visuell evozierte Potentiale (VEP): Messung der Leitfähigkeit von Nervenbahnen im Auge. Bei LHON-Patient*innen zeigen sich im Vergleich zu gesunden Personen starke Unterschiede in den gemessenen Signalen, was auf eine Störung der Sehbahn hindeutet.
- Genetische Diagnostik: Bestätigt die klinische (Verdachts-)diagnose LHON genetisch durch den Nachweis von Mutationen in der mitochondrialen oder nukleären DNA.
LHON Plus
Unter LHON Plus werden Symptome zusammengefasst, die im Zusammenhang mit LHON auftreten können, aber nicht die Augen betreffen. Aufgrund möglicher Überschneidungen zwischen LHON und anderen Erkrankungen, bei denen die Mitochondrien nicht korrekt funktionieren, können LHON-Patientinnen auch neurologische Symptome zeigen. Dazu zählen z. B. Bei manchen LHON-Patientinnen können auch Herzerkrankungen wie z. B. Herzrhythmusstörungen auftreten. Unter der Harding-Erkrankung versteht man eine Kombination aus LHON und Multipler Sklerose (MS).
Therapie
- Schulmedizinische Behandlung: Die schulmedizinische Behandlung von LHON umfasst den Wirkstoff Idebenon (erhältlich als Raxone®). Zwar zeigen Studien, dass eine frühzeitige Behandlung zu guten Ergebnissen führen kann, doch die Behandlung schlägt nicht immer an.
- SAVIR-Therapie: Eine alternative Therapie, bei der kleine Mikrostrom-Impulse die inaktiven Nervenzellen in Netzhaut, Sehnerv und Gehirn aktivieren sollen.
Verlauf und Prognose
In der ersten Phase von LHON ist die Sehstärke noch nicht beeinträchtigt. Im zentralen Sichtbereich könnten bei detaillierten Untersuchungen minimale Veränderungen zu bemerken sein, beispielsweise im Rot-Grün-Sehen oder der Wahrnehmung von Kontrasten. In dieser Phase setzen die visuellen Symptome ein, es kommt zu einer relativ raschen (subakuten), schmerzlosen Verminderung des Sehvermögens. Die Sehstärke sowie die Fähigkeit zum Farbensehen nehmen ab. In der Mitte des Sichtbereichs kommt es zu Sehstörungen (in der Fachsprache „Gesichtsfeldausfall“, „Zentralskotom“ oder „zentrales Skotom“ genannt). Kurz nach dem ersten Auge kann auch das zweite Auge betroffen sein. Die Sehstärke stabilisiert sich, es kann jedoch zu einer weiteren Ausweitung des Gesichtsfelddefekte kommen. In der chronischen Phase gibt es meist keine weiteren Veränderungen des Sehvermögens. In diesem Stadium sind zahlreiche Patient*innen hochgradig sehbehindert oder gemäß der gesetzlichen Definition blind.
Es gibt Patient*innen, bei denen eine spontane Verbesserung des Sehvermögens auftritt. Welche Faktoren eine spontane Verbesserung auslösen können, ist bislang jedoch unbekannt.
Augenschmerzen als Symptom
Augenschmerzen können ein Symptom vieler verschiedener Erkrankungen sein, einschließlich der optischen Neuropathie. Es ist wichtig, die Art und den Ort der Schmerzen sowie begleitende Symptome zu berücksichtigen, um die Ursache zu ermitteln.
Ursachen von Augenschmerzen
Augenschmerzen können verschiedene Ursachen haben, die von harmlosen Problemen wie Fehlsichtigkeit oder Bindehautentzündung bis hin zu schwerwiegenderen Erkrankungen wie Entzündungen des Sehnervs oder des Augeninneren reichen. Die Schmerzen können am Augapfel selbst, in der Augenhöhle oder um das Auge herum auftreten.
Häufige Ursachen sind:
- Am Augapfel: Verletzungen durch Fremdkörper, Hornhauterkrankungen, trockene Augen, Fehlsichtigkeit, Glaukom, Tränendrüsen- und Liderkrankungen, Entzündungen der Lederhaut, Gefäßhaut oder des Augeninneren.
- In der Augenhöhle: Entzündungen des Sehnervs oder der Augenmuskeln, Augenhöhlenvereiterung, Tumore.
- Um das Auge herum: Kopfschmerzen, Zahnentzündungen, Nasennebenhöhlenerkrankungen, Schlaganfall.
Wann zum Arzt?
Nicht immer sind Augenschmerzen ein Notfall. Wenn du eine Migräne hast oder ein Sandkorn in deinem Auge gelandet ist, besteht kein sofortiger Handlungsbedarf. Hält der Schmerz jedoch auch nach der Migräne oder dem Entfernen des Fremdkörpers an, solltest du einen Augenarzt aufsuchen. Auch wenn du dir nicht sicher bist, woher deine Augenschmerzen kommen, ist ein Arztbesuch Pflicht.
Besonders schnelles Handeln ist in folgenden Fällen nötig:
- Die Augenschmerzen traten unmittelbar nach dem Schleifen von Metall, dem Sägen von Holz oder anderen Aktivitäten auf, die zu einer Verletzung durch Fremdkörper führen können (insbesondere, wenn keine Schutzbrille getragen wurde).
- Die Schmerzen sind auf eine sichtbare Augenverletzung zurückzuführen.
- Die Schmerzen sind stark und werden von verschwommenem Sehen und/oder Lichtempfindlichkeit begleitet.
- Du hattest kürzlich eine Augenoperation.
- Die Augenschmerzen werden von Rötungen und Ausfluss aus dem Auge begleitet.
- Du hast sehr starke und plötzlich auftretende Augenschmerzen (möglicherweise ein akuter Glaukomanfall).
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