Die Parkinson-Krankheit ist eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, von der immer mehr Menschen betroffen sind. Schätzungen zufolge wird sich die Zahl der Neuerkrankungen zwischen 2005 und 2030 verdoppeln. Die zugrundeliegenden Faktoren, die bestimmen, wer erkrankt und wer nicht, sind jedoch weiterhin unklar. Osteopathie, eine Form der manuellen Medizin, die sich auf das Muskel-Skelett-System konzentriert, bietet einen potenziellen Therapieansatz zur Linderung der Symptome und Verbesserung der Lebensqualität von Parkinson-Patienten.
Die Rolle des Vagusnervs bei Parkinson
Eine interessante Hypothese zur Entstehung von Parkinson ist die sogenannte "Dual-Hit-Hypothese". Diese besagt, dass ein bisher unbekannter neurotroper Erreger über zwei mögliche Wege in den Körper gelangt: über die Riechnerven in der Nase oder über Nerven im Magen-Darm-Trakt. Der Erreger könnte die Epithelschicht durchdringen und in die Axone des Meissner-Plexus, einem Teil des enterischen Nervensystems, gelangen. Von dort aus könnte er über den Vagusnerv bis ins Gehirn vordringen.
Eine dänische Studie untersuchte, ob Patienten, denen der Vagusnerv entfernt wurde, vor einer Parkinson-Erkrankung geschützt sind. Die Forscher analysierten die Daten von etwa 15.000 Personen, bei denen zwischen 1970 und 1995 eine vollständige oder teilweise Vagotomie zur Behandlung von Magengeschwüren durchgeführt wurde. Die Ergebnisse zeigten, dass Patienten mit einer kompletten Vagotomie nach 20 Jahren nur noch ein halb so großes Risiko hatten, an Parkinson zu erkranken. Eine nur teilweise Entfernung des Vagusnervs hatte keinen protektiven Effekt. Es ist wichtig anzumerken, dass die Zahl der an Parkinson erkrankten Patienten in der Studie zu gering war, um statistisch signifikante Ergebnisse zu erzielen. Interessanterweise litten viele Parkinson-Patienten vor ihrer Diagnose an Symptomen des Verdauungsapparates, wie z.B. Verstopfung, was auf einen Zusammenhang zwischen neurologischen und gastroenterologischen Erkrankungen mit der Funktion des Vagusnervs hindeuten könnte.
Osteopathie: Ein ganzheitlicher Ansatz
Die Osteopathie ist eine manuelle Therapieform, die den Körper als Einheit betrachtet. Sie basiert auf der Annahme, dass alle Strukturen im Körper miteinander verbunden sind und sich gegenseitig beeinflussen. Ziel der osteopathischen Behandlung ist es, Bewegungseinschränkungen und Spannungen im Gewebe zu lösen und die Selbstheilungskräfte des Körpers zu aktivieren.
Im Gegensatz zu anderen Therapieformen betrachtet die Osteopathie nicht nur die Symptome, sondern sucht nach den Ursachen der Beschwerden. Dies ist besonders wichtig bei einer komplexen Erkrankung wie Parkinson, bei der verschiedene Faktoren eine Rolle spielen können.
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Osteopathische Behandlung bei Parkinson
Die osteopathische Behandlung von Parkinson-Patienten zielt darauf ab, die Beweglichkeit wiederherzustellen, Blockaden und Gewebespannungen zu lösen und die Körperhaltung zu verbessern. Der Osteopath ertastet Verspannungen und Bewegungseinschränkungen und mobilisiert Muskeln und Gelenke mithilfe verschiedener Techniken.
Eine Prä-Post-Studie von Christina Schröter (Berlin) und Melanie Schellhase (Eschwege) untersuchte die Wirkung osteopathischer Behandlungen bei 25 Parkinson-Patienten. Die Ergebnisse zeigten, dass vier osteopathische Behandlungen über einen Zeitraum von acht Wochen zu "positiven Veränderungen der alltagsrelevanten, gesundheitsspezifischen Lebensqualität" führten. Insbesondere verbesserten sich das körperliche Unbehagen, die Mobilität und die Alltagsaktivitäten der Patienten.
Eine weitere Studie untersuchte den Einfluss osteopathischer Behandlungen auf die Gehfähigkeit von Parkinson-Patienten. Die Ergebnisse zeigten, dass sich nach nur einer Behandlung die Schrittlänge, der Rhythmus und die Beweglichkeit der Arme und Beine messbar verbesserten, während in Kontrollgruppen keine signifikanten Veränderungen festgestellt wurden.
Weitere Therapieansätze bei Parkinson
Neben der Osteopathie gibt es eine Reihe weiterer Therapieansätze, die bei Parkinson-Patienten eingesetzt werden können. Dazu gehören unter anderem:
- Krankengymnastik und Ergotherapie: Diese Therapieformen zielen darauf ab, die Beweglichkeit, Koordination und Selbstständigkeit der Patienten zu verbessern.
- Logopädie: Die logopädische Therapie kann helfen, Beeinträchtigungen der Stimme, der Atmung und des Schluckens zu behandeln. Eine spezielle Methode für Parkinson-Patienten ist das Lee Silverman Voice Treatment (LSVT), das die Sprechlautstärke und Verständlichkeit verbessert.
- Lee Silverman Voice Treatment (LSVT LOUD & LSVT BIG): Ein vierwöchiges Intensivtraining, dessen Wirksamkeit durch wissenschaftliche Studien belegt ist.
- Medikamentöse Therapie: Medikamente können helfen, die Symptome von Parkinson zu lindern, das Fortschreiten der Erkrankung jedoch nicht aufhalten.
- Tiefe Hirnstimulation (DBS): Bei der Tiefen Hirnstimulation wird ein Hirnschrittmacher implantiert, der die motorische Symptomatik verbessern kann.
Wissenschaftliche Evidenz und Kostenübernahme
Obwohl die Osteopathie in vielen medizinischen Bereichen Anwendung findet und Einzelfallstudien und -berichte einen großen Nutzen für einige Parkinsonerkrankte erkennen lassen, steht der Nachweis einer positiven Wirkung durch streng wissenschaftliche Studien noch aus. Dennoch übernehmen die meisten Krankenkassen in Deutschland (zumindest teilweise) die Kosten für osteopathische Behandlungen, sofern eine ärztliche Verordnung vorliegt und der Behandler eine anerkannte berufliche Qualifikation besitzt. Ebenso übernehmen die meisten privaten Versicherer die Kosten osteopathischer Leistungen.
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