Viele Frauen in den Wechseljahren klagen über Veränderungen, die sowohl physischer Natur sein können, als auch das Gehirn betreffen. Kognitive Störungen wie Konzentrationsprobleme und Vergesslichkeit sind häufige Beschwerden. Dieser Artikel beleuchtet die Auswirkungen von Östrogen auf das Gehirn, insbesondere während der Wechseljahre, und geht auf Ursachen, Symptome und mögliche Schutzmaßnahmen ein.
Wechseljahre und Vergesslichkeit: Ein Zusammenhang?
Alzheimer, eine der bekanntesten Krankheiten im Zusammenhang mit dem Verlust kognitiver Fähigkeiten, betrifft Frauen überdurchschnittlich häufig. Lange Zeit wurde die höhere Lebenserwartung von Frauen als Ursache dafür angesehen, da Alzheimer vor allem ältere Menschen betrifft. Diese Annahme entbehrt jedoch einer soliden wissenschaftlichen Grundlage.
Forscher sehen den Grund für den häufigeren Ausbruch von Alzheimer bei Frauen heute immer häufiger im Zusammenhang mit der Veränderung von Stoffwechselprozessen während der Menopause. Etwa 60 % aller Frauen klagen in dieser Zeit über Konzentrations- und Erinnerungsschwierigkeiten. Es wird vermutet, dass sich dies langfristig auf die Entwicklung von Alzheimer auswirken könnte.
Wie äußert sich die Erinnerungsschwäche in den Wechseljahren?
Die Vergesslichkeit während der Wechseljahre betrifft in der Regel alltägliche Dinge. Das Langzeitgedächtnis bleibt meist unangetastet, sodass wichtige Informationen wie Name, Beruf und Familie nicht vergessen werden. Stattdessen konzentriert sich die Vergesslichkeit auf typische Alltagssituationen wie das Verlegen von Brille oder Autoschlüssel, das Vergessen von Terminen oder Einkäufen. Diese Form der Vergesslichkeit ist in der Regel nicht bedrohlich und sollte nicht mit einem "echten" Gedächtnisverlust verglichen werden.
Dennoch können diese Erinnerungslücken im Alltag stark einschränkend und lästig wirken. Viele Frauen entwickeln den Glauben, dass dieser Zustand dauerhaft ist, was zu psychischen Belastungen und einem erhöhten Stresspegel führen kann. Dies wiederum kann sich negativ auf viele Lebensbereiche auswirken und weitere typische Wechseljahresbeschwerden hervorrufen.
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Was passiert im Gehirn während der Wechseljahre?
Die abnehmende Östrogenproduktion während der Wechseljahre hat vielfältige Auswirkungen. Frauen klagen über Gewichtszunahme ohne veränderte Essgewohnheiten, Reizbarkeit, Hitzewallungen und verminderte Gedächtnisleistung. Es werden meist nur Kleinigkeiten vergessen, und ein allgemeiner Zustand der Verwirrtheit, wie er bei Alzheimer auftreten kann, tritt nicht auf. Trotzdem entwickeln einige Frauen die Angst vor dem Beginn von Alterskrankheiten wie Alzheimer oder Demenz. Die Vergesslichkeit während der Menopause hat jedoch nichts mit diesen schwerwiegenderen Krankheiten zu tun. Stattdessen kommt es zu Veränderungen in der Art und Weise, wie unser Gehirn Informationen überträgt und speichert.
Östrogene und ihre Wirkung im Gehirn
Während der Menopause wird die Östrogenproduktion langsam reduziert, was auch für das Gehirn eine Herausforderung darstellt, obwohl es sich um ein Sexualhormon handelt. Östrogen beeinflusst auch Areale des Gehirns wie den Hippocampus, der unter anderem Aspekte des Erinnerungsvermögens steuert. Darüber hinaus nimmt Östrogen Einfluss auf einige Aufgaben bei der Übermittlung von Informationen und verhindert die Bildung von Eiweißablagerungen, die direkt in den Neuronen stattfinden. Forscher vermuten, dass diese Ablagerungen zumindest teilweise einen Einfluss auf die Entwicklung von Alzheimer ausüben können. Sammelt sich dort mehr Eiweiß an, weil Östrogen dies nicht mehr verhindern kann, steigt somit das Risiko, an Alzheimer zu erkranken. Aktuelle Untersuchungen deuten zudem darauf hin, dass unsere Nervenzellen durch Östrogen zum Wachstum angeregt werden. Sinkt nun der Östrogenspiegel im Körper, wird das Wachstum neuer Nervenzellen gehemmt, was einen Abfall der geistigen Leistungsfähigkeit zur Folge hat.
Diese Auswirkungen erklären, warum Frauen während der Wechseljahre vergleichsweise häufig unter einer Vergesslichkeit leiden, die vorher nie aufgetreten war. Gleichzeitig ist es sehr wahrscheinlich, dass diese Symptome nur vorübergehend sind.
Vergesslichkeit: Dauerhaft oder vorübergehend?
Viele Symptome der Menopause, wie Hitzewallungen oder Gewichtszunahme, lassen allmählich wieder nach. Glücklicherweise gilt dies auch für die Vergesslichkeit. Der Körper benötigt jedoch einige Jahre, bis er sich daran gewöhnt hat, dass die Östrogenproduktion nachlässt. Er entwickelt andere Strategien, um die geistige Leistung dennoch auf einem hohen Niveau zu halten. Aus diesem Grund berichten Frauen wahrscheinlich auch, dass die Probleme im ersten Jahr nach Einsetzen der Menopause am stärksten ausgeprägt sind. Die geistige Leistungsfähigkeit kehrt jedoch wieder vollständig zurück, sofern in diesem Zeitraum keine anderen Erkrankungen auftreten.
Es sollte jedoch nicht der Fehler gemacht werden, eine Erinnerungsschwäche während der Menopause automatisch auf diese zurückzuführen. Ein schwaches Gedächtnis kann auch andere Ursachen haben. In diesen Fällen ist es Aufgabe von Ärzten, herauszufinden, ob die Menopause der Auslöser ist oder nicht.
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Natürlicher Schutz vor Vergesslichkeit
Die Vergesslichkeit, die bei einigen Frauen zu Beginn der Menopause einsetzt, ist hormoneller Natur und kann daher nur teilweise von äußeren Faktoren beeinflusst werden. Dennoch gibt es einige Ansätze, die einer Verminderung der geistigen Leistungsfähigkeit vorbeugen bzw. sie bekämpfen können.
Dazu gehören physische Faktoren wie eine gesunde Ernährung und regelmäßige Bewegung, insbesondere bei einem Alltag, der eher von sitzenden Tätigkeiten dominiert ist. Weiterhin sollte die geistige Aktivität gewahrt bleiben. Unser Gehirn verlangt ständig nach neuen Informationen. Wer lernt und Neuem gegenüber offen bleibt, trainiert die Neuronen im Gehirn regelmäßig und beugt somit Vergesslichkeit vor.
Behandlung der Vergesslichkeit
Der wirksamste Schutz vor Vergesslichkeit ist die Behandlung des unausgeglichenen Hormonhaushalts mit der bioidentischen Hormontherapie.
Östrogen: Auswirkungen auf das weibliche Gehirn - vor allem während der (Peri)menopause
Jahrzehntelang wurde Östrogen vor allem als "Sexualhormon" diskutiert, da es eine entscheidende Rolle für die reproduktive Gesundheit spielt. Seit den 1980er-Jahren deuten jedoch neue wissenschaftliche Erkenntnisse darauf hin, dass Östrogen positive Auswirkungen auf die mit dem Gedächtnis verbundenen Gehirnbereiche hat.
Dr. Jill Daniel, Professorin für Hirnforschung und Psychologie an der Tulane University in New Orleans, betont, dass der Verlust von Östrogenen im mittleren Alter unsere Anfälligkeit für Erkrankungen des Gehirns erhöht, da wir die neuroprotektive Wirkung von Östrogen verlieren. Es gibt zahlreiche Forschungsergebnisse, die darauf hindeuten, dass sich Östrogen auf alles auswirkt, von der Kognition über die Stimmung bis hin zum Risiko, neurodegenerative Krankheiten wie Alzheimer zu entwickeln.
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Östrogen wirkt sich auf Lernen, Gedächtnis und Stimmung aus
Östrogen hat einen direkten Einfluss auf die Kognition, also auf alle Wahrnehmungs- und Denkprozesse sowie deren Ergebnisse. Studien haben gezeigt, dass hohe Östrogenspiegel mit einer erhöhten Konnektivität im gesamten Gehirn verbunden sind. Der Verlust von Östrogen kann zu Veränderungen wie dem sogenannten "Brain Fog" führen.
Der Aspekt der Kognition, der am stärksten von Östrogen betroffen zu sein scheint, ist das verbale Lernen im Gedächtnis. Studien zeigen, dass diese Fähigkeiten bei Frauen in den Wechseljahren nachlassen. Aber nicht nur in Zeiten eines niedrigen Östrogenspiegels kann es zu Veränderungen kommen, sondern auch in Zeiten schwankender Östrogenspiegel, wie in der Lutealphase des Menstruationszyklus, in der Schwangerschaft, nach der Geburt oder in der Perimenopause.
Ein schwankender Östrogenspiegel kann Depressionen verursachen. Studien zeigen, dass erhöhte depressive Symptome in der Perimenopause zuverlässig zunehmen, unabhängig davon, ob eine Frau eine Vorgeschichte von Depressionen hat.
Manchmal sind die Symptome nur von kurzer Dauer. In den Wechseljahren stellt sich das Gehirn neu ein, und die kognitiven Fähigkeiten der Frauen klingen in der Regel ab. Bei manchen Frauen bleiben die Symptome jedoch bestehen.
Natürlich sind die Hormone nicht allein für die psychischen Symptome verantwortlich. Schlafstörungen und Stress können ebenfalls eine Rolle spielen.
Wie man sich während einer hormonellen Umstellung besser fühlen kann
Es gibt Möglichkeiten, sich während des Zyklus, der Perimenopause und der Menopause um unser Gehirn und unsere geistige Gesundheit zu kümmern:
- Sich bewusst machen, dass die Symptome echt sind: Die Forschung über messbare hormonelle Veränderungen deckt sich regelmäßig mit den Erzählungen der Frauen.
- Eine:n Ärzt:in suchen, der:die sich mit den Wechseljahren auskennt: Es ist wichtig, schon vor der Menopause mit geschulten Ärzt:innen zusammenzuarbeiten.
- Auf das bisherige Leben zurückblicken, um eine Vorstellung davon zu bekommen, was einen erwarten könnte: Gab es in der Vergangenheit bereits Probleme mit Hormonschwankungen?
- Eine Hormontherapie in Betracht ziehen: Heute ist die Hormontherapie die Standardbehandlung für Hitzewallungen und gilt als sicher, wenn sie vor dem Alter von 60 Jahren oder innerhalb von zehn Jahren nach Beginn der Menopause begonnen wird.
- Auch andere Medikamente können helfen: Orale Empfängnisverhütungsmittel und Antidepressiva können helfen.
- Dem Körper und Geist etwas Selbstfürsorge gönnen: Sport, achtsamkeitsbasierte Stressreduzierung, Yoga und soziale Aktivitäten können helfen.
- Hilfe bei Expert:innen für psychische Gesundheit holen: Psychotherapie kann die Aktivierung des Stressreaktionssystems einschränken.
Hormone und Bedürfnisse sind von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Es gibt kein Patentrezept - jede:r muss in Zeiten großer hormoneller Veränderungen selbst herausfinden, wie man sich besser fühlt.
Weitere Forschungsergebnisse zum Thema Östrogen und Gehirn
Östradiol und kognitive Leistungsfähigkeit
Forschende untersuchen den Einfluss von Östradiol auf die kognitive Leistungsfähigkeit genauer. Östradiol ist eines der wichtigsten Hormone im weiblichen Körper und das stärkste der drei natürlich produzierten Östrogene. Es ist entscheidend für die Entwicklung der weiblichen Geschlechtsmerkmale, für den Menstruationszyklus und die Fruchtbarkeit. Vor den Wechseljahren erhält Östradiol den Menstruationszyklus und schwankt innerhalb diesem. Nach der Menopause sinkt der Hormonspiegel und bleibt niedrig. Die Forschung nimmt an, dass die Abnahme von Östrogen die kognitive Leistungsfähigkeit schwächen kann und somit auch einen Risikofaktor für Alzheimer-Erkrankungen darstellen könnte. Östrogen einzunehmen, wie bei einer Hormonersatztherapie, scheint das Gehirn hingegen zu schützen.
Studie zeigt Veränderungen im Gehirn während der Menopause
Eine Studie hat sichtbar gemacht, wie die Menopause das Gehirn verändert. Hirnscans zeigen, dass die Anzahl der Östrogenrezeptoren in zahlreichen Hirnregionen zunimmt und auch nach den Wechseljahren hoch bleibt. Eine hohe Dichte an Rezeptoren ist dabei mit typischen Beschwerden der Wechseljahre assoziiert.
Mechanismus der Östrogenrezeptoren im Gehirn
Ein Team um Lisa Mosconi von der Weill Cornell Medicine in New York hat eine Technik entwickelt, mit der sich die Östrogenrezeptoren im Gehirn untersuchen lassen. Mit dieser Methode konnten die Forschenden zum ersten Mal die Aktivität der Östrogenrezeptoren im Gehirn messen und potenzielle Prädiktoren für einige häufige Symptome der Wechseljahre identifizieren.
Östrogenmangel im Gehirn beeinträchtigt Gedächtnis
Forscher haben herausgefunden, dass Östrogen, das im Gehirn produziert wird, ein wichtiger Neuromodulator ist. Sie konnten zeigen, dass ein Östrogenmangel im Gehirn die synaptische Plastizität schwächt und Lern- und Erinnerungsprozesse beeinträchtigt.
Einfluss von Östrogen auf den Hippocampus während des Menstruationszyklus
Eine Studie hat gezeigt, dass die FA parallel zu den Östrogenkonzentrationen im Blut ansteigt. Ihren Höhepunkt erreichte sie zum Zeitpunkt des Eisprungs. Dann ist das Volumen in bestimmten Regionen des Hippocampus am größten. Danach kommt es wieder zu einer Verkleinerung. Die Forscher führen die Volumenänderungen auf den Einfluss des Hormons Östrogen zurück. Im Hippocampus, so schreiben sie zur Begründung, sei die Zahl der Östrogenrezeptoren am größten. Wie sich die Schwankungen im Hippocampus auf das Verhalten und eventuell auch auf spezielle geistige Fähigkeiten im Verlauf des Zyklus auswirken, können die Wissenschaftler bisher nicht sagen. Sie vermuten jedoch, dass die Volumenänderungen einen Einfluss auf das Gefühlsleben und das Verhalten haben könnten.
Östradiol schützt das Gehirn vor den negativen Auswirkungen von Körperfett
Aktuelle Forschung deutet darauf hin, dass vermehrtes viszerales Fett das Risiko für kognitive Beeinträchtigungen im späteren Lebensalter birgt. Das wichtigste Sexualhormon im weiblichen Körper Östradiol wirkt dem entgegen und schützt offenbar das Gehirn insbesondere von Frauen in der Lebensmitte.
Hormone stärker berücksichtigen bei Risikoerkennung für Demenz oder Depression
Eine zweite gemeinsame Studie zeigte zudem eine entscheidende Interaktion zwischen ungünstigen Stoffwechselzuständen und einem anderen wichtigen Sexualhormon, dem Testosteron. Das Team fand heraus, dass erhöhte Testosteronwerte und Veränderungen im Körpergewicht die Anfälligkeit für Depressionen bei Frauen vor und nach dem Übergang in die Menopause unterschiedlich beeinflussen.
Zusammenfassung
Die Forschung zeigt deutlich, dass Östrogen eine wichtige Rolle für die Gesundheit und Funktion des Gehirns spielt, insbesondere bei Frauen. Hormonelle Veränderungen, wie sie während der Wechseljahre auftreten, können sich auf die kognitive Leistungsfähigkeit, die Stimmung und das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen auswirken. Es gibt jedoch Möglichkeiten, diese Auswirkungen zu mildern, darunter eine gesunde Lebensweise, eine Hormontherapie und andere Medikamente. Es ist wichtig, sich der Symptome bewusst zu sein und sich bei Bedarf professionelle Hilfe zu suchen.
Sexualhormone und psychisches Wohlbefinden
Das psychische Wohlbefinden ist eng mit dem hormonellen Profil verknüpft. Studien haben gezeigt, dass Sexualhormone eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Depressionen spielen.
Östrogenveränderungen und Gemütsschwankungen
Das weibliche Gehirn durchlebt in der fruchtbaren Lebensphase zahlreiche hormonelle Übergänge, die mit einer erhöhten Anfälligkeit für Gemütsschwankungen einhergehen. Diese hormonellen Übergangsphasen gehen mit deutlichen Östrogenveränderungen einher.
Serotonin und Depression
Der Neurotransmitter Serotonin ist ein essenzieller Botenstoff, der die Übertragung von Informationen zwischen Nervenzellen im Gehirn steuert. Bei der Depression geht man von einem Ungleichgewicht im Serotoninhaushalt aus.
Auswirkungen von Antidepressiva auf die Netzwerk-Kommunikation im Gehirn
Eine Studie konnte mittels funktioneller Ruhe-Magnet-Resonanz-Tomographie (Ruhe-fMRT) erstmals einen beträchtlicher Abfall der funktionellen Netzwerkkonnektivität in den meisten kortikalen und subkortikalen Hirnregionen bereits drei Stunden nach der Einnahme von Escitalopram beschrieben werden.
Geschlechtshormonabhängige Veränderungen in der Gehirnstruktur
In einer longitudinalen Versuchsreihe wurden insgesamt 32 MRT-Aufnahmen der strukturellen und funktionellen Netzwerke einer gesunden Studienteilnehmerin gemacht. Es entstand sozusagen ein zeitlich geordneter individueller Gehirnatlas über insgesamt vier Menstruationszyklen. Bei der Auswertung der erhobenen Daten zeigten sich sowohl geschlechtshormonabhängige Veränderungen in der funktionellen Konnektivität als auch in der grauen und weißen Hirnstruktur im Verlauf des Menstruationszyklus.
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