Parkinson beginnt im Darm: Ursachen und neue Forschungsansätze

Morbus Parkinson ist eine fortschreitende neurologische Erkrankung, die bisher als unheilbar gilt. Dabei gehen Nervenzellen im Gehirn zugrunde, was zu den bekannten motorischen Symptomen wie Zittern, Muskelsteifheit und verlangsamten Bewegungen führt. Rund 8,5 Millionen Menschen weltweit leiden an Parkinson. In Mitteleuropa sind fast eine halbe Million Menschen betroffen. Die Erkrankung tritt zumeist im höheren Erwachsenenalter auf, wobei die große Mehrzahl der Betroffenen mindestens 60 Jahre alt ist. Allerdings erkranken zehn Prozent aller Parkinson-Patienten schon vor dem 50. Lebensjahr, und in seltenen Fällen können auch junge Menschen im Alter von zwanzig Jahren betroffen sein (juveniler Parkinson). Männer sind häufiger betroffen als Frauen.

Die Parkinson-Krankheit beginnt oft still und langsam, manchmal schon viele Jahre, bevor die typischen Symptome sichtbar werden. Gerade in dieser frühen Phase spielt eine gesunde Ernährung eine entscheidende Rolle. Neue Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Parkinson bei einem Teil der Betroffenen mit Veränderungen im Darm beginnt.

Die Darm-Hirn-Achse und Parkinson

Die Verbindung zwischen Darm und Gehirn haben Parkinson-Forscher schon länger im Visier. Eine Erklärung für den Zusammenhang zwischen Darm und Gehirn könnte sein, dass Stoffe aus dem Darm ins Gehirn wandern und dort eine schädliche Wirkung entfalten können. Auch wenn noch vieles unklar ist, gilt der Austausch von Botenstoffen zwischen Darm und Gehirn als sicher. Diese können über das Blut oder Nervenbahnen aus dem Darm bis ins Gehirn wandern.

Veränderungen im Darm von Parkinsonpatienten

Bisher ist bekannt: Der Darm von Parkinsonpatienten ist verändert. Auch die Zusammensetzung des Mikrobioms, also der Gemeinschaft der Darmbakterien, ist bei Menschen mit Morbus Parkinson verändert, zeigen Studien. Normalerweise verwandeln die nützlichen Darmbewohner unser Essen in Nährstoffe, aber es gibt auch Darmbakterien, die krank machen können, wenn das Gleichgewicht gestört ist. Bei Menschen mit Parkinson überwiegen zum Beispiel oft Bakterien, die die Darmwand durchlässig machen.

Die Hypothese von Braak: Parkinson beginnt im Magen-Darm-Trakt

Die Parkinson-Krankheit beginnt im Magen-Darm-Trakt und wandert über den Vagusnerv ins Gehirn: Das vermutete schon 2003 der deutsche Neuroanatom Heiko Braak. Bevor eine Parkinson-Krankheit ausbricht, können 20, vielleicht sogar 30 Jahre ins Land gehen. Weil viele Menschen schon lange vor den typischen Symptomen über Magen-Darm-Probleme klagen, vermutete ein deutscher Forscher 2003, dass die Krankheit nicht im Gehirn, sondern im Verdauungstrakt entsteht.

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Experimentelle Belege: Der Vagusnerv als Transportweg

Ted Dawson von der Johns Hopkins School of Medicine in Baltimore und sein Team haben handfeste Indizien für diese Theorie vorgelegt. Sie spritzten Mäusen krankhaft veränderte Eiweiße (α-Synukleine) in Magen und Darm. Normalerweise zeigen die Mäuse einige Zeit später Parkinson-Symptome - nicht aber, wenn der Vagus-Nerv durchtrennt ist. Für Ted Dawson ein klarer Beleg, dass die schädlichen Proteine ihren Weg aus dem Darm ins Gehirn finden.

Die Rolle des Mikrobioms

Dass körpereigene Bakterien in Zusammenhang stehen mit der Parkinson-Krankheit, legen mehrere Studien nahe. Sie zeigen, dass die Bakteriengemeinschaft im Darm von Parkinson-Patienten verändert ist. Eine Publikation im Fachmagazin "Cell" konnte sogar nachweisen, dass diese Veränderungen im Mikrobiom die fatalen Veränderungen im α-Synuklein beschleunigen.

Vagotomie und Parkinsonrisiko

Daten aus dem Nationalregister Schwedens wurden dazu verwendet, um 9.430 Personen miteinander zu vergleichen, die zwischen 1970 und 2010 eine Vagotomie hatten (aus einer Gesamtpopulation von 377.200 registrierten Patienten). Folgeuntersuchungen wurden bis zu 40 Jahre nach dem Eingriff durchgeführt und enthielten unter anderem auch Angaben über das Auftreten von Parkinson. Von den Patienten mit Stamm-Vagotomie entwickelten nur 0.78% Parkinson im Laufe der darauffolgenden 5 Jahre, verglichen mit 1.08% der Patienten mit selektiver Vagotomie. Dieses Ergebnis kann als vorläufige Evidenz dafür genommen werden, dass der Ursprung von Parkinson im Verdauungstrakt liegen könnte.

Mukosale Schädigungen im Gastrointestinaltrakt

Das Team um Jocelyn J. Chang, Tufts University School of Medicine, Boston, stellte die Hypothese auf, dass pathologische Defekte der gastrointestinalen Mukosa mit der späteren Entwicklung der Parkinson-Krankheit assoziiert sein könnten. Sie analysierten retrospektiv eine Kohorte von 9.350 Patientinnen und Patienten, die sich einer oberen Endoskopie unterzogen hatten. Von den 2.338 Personen mit MD erhielten 52 (2,2 Prozent) später auch eine Parkinson-Diagnose. In der Gruppe der 8.955 Teilnehmenden ohne MD war dies bei 48 (0,5 Prozent) der Fall. Nach Korrektur für Variablen wie Alter zum Zeitpunkt der Endoskopie, Geschlecht, Dysphagie, H. pylori-Infektion usw. blieb das mit der MD assoziierte Risiko bestehen (Hazard Ratio [HR] 1,76; p = 0,01). Die Ergebnisse bestätigen laut den Autorinnen und Autoren die Hypothese, dass mukosale Schädigungen des oberen Gastrointestinaltrakts mit der klinischen Entwicklung der Parkinson-Krankheit assoziiert sind.

Symptome und Diagnose

Die häufigsten und bekanntesten Symptome der Parkinson-Krankheit sind Zittern (Tremor), verlangsamte und verminderte Bewegungen. Als frühe Krankheitsanzeichen können Depressionen, Schlafstörungen, Verstopfung, Störungen des Geruchssinns, eine leisere, monotone Stimme oder das fehlende Mitschwingen eines Armes beim Gehen auftreten. Erst mit der Zeit werden die klassischen Hauptsymptome deutlicher:

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  • Bradykinese (Verlangsamung): Bei Betroffenen nimmt die Bewegungsfähigkeit ab. So gehen Parkinson-Patienten auffallend langsam und mit kleinen Schritten, sich drehen fällt ihnen schwer. Die Mimik wird maskenhaft, die Handschrift wird kleiner.
  • Ruhetremor (Ruhezittern): Dabei handelt es sich um ein unwillkürliches Zittern der Hände. Im späteren Verlauf der Krankheit kann der Ruhetremor auch die Füße betreffen. Das Zittern tritt bei Parkinson nur auf, während Hände und Füße ruhen und verstärkt sich bei emotionaler Belastung. Der Ruhetremor kann auch auf eine Körperhälfte beschränkt sein. Er verschwindet, wenn Patienten die betroffene Extremität bewegen oder während Patienten schlafen.
  • Rigor (Steifheit): Typisch für Parkinson-Patienten ist eine Steifheit der Muskeln, von der häufig Nacken, Arme und Beine betroffen sind. Die Körperhaltung ist vornübergebeugt. Es fühlt sich für Betroffene an, als ob Bewegungen gegen einen Widerstand ausgeführt werden müssen. Manchmal sind Bewegungen regelrecht blockiert.
  • Posturale Instabilität (Mangelnde Stabilität der Körperhaltung): Hinter diesem Begriff verbergen sich Gleichgewichtsstörungen. Die Betroffenen gehen und stehen unsicher und können das Gleichgewicht nicht mehr halten, weshalb es zur Gefahr von Stürzen kommt.

Nicht-motorische Symptome

Neben den motorischen Symptomen treten bei Parkinson auch nicht-motorische Symptome auf, wie Probleme beim Schlucken, Sprechen sowie Blasen- und Darmentleerung. Zwei Blasenzustände werden häufig bei Menschen mit Parkinson berichtet: Dranginkontinenz und Nykturie. Verstopfung ist das häufigste Darmproblem für Menschen mit Parkinson.

Therapieansätze und Ernährung

Morbus Parkinson ist bislang nicht heilbar. Mit geeigneten Therapien lässt sich die Krankheit jedoch oft über Jahre hinweg gut kontrollieren. Eine wichtige Rolle spielt die medikamentöse Behandlung. So kann die Gabe von Dopaminvorstufen (z. B. in Form des Antiparkinson-Wirkstoffs L-Dopa) den Dopaminmangel ausgleichen. Ist die medikamentöse Behandlung nicht mehr ausreichend, kommt ein so genannter Hirnschrittmacher in Frage.

Ein möglicher Behandlungsansatz ist, den Darm mit einer bestimmten Ernährung so früh wie möglich wieder ins Lot zu bringen und so das Darmmikrobiom gewissermaßen umzuprogrammieren. Aber nicht nur das, was man isst, ist wichtig. Auch der Zeitpunkt ist von Bedeutung, denn einige Parkinson-Medikamente dürfen nicht mit bestimmten Lebensmitteln zusammen eingenommen werden. Wer das Standardmedikament gegen Morbus Parkinson, L-Dopa, einnimmt, darf das nicht zusammen mit eiweißhaltigen Speisen tun, denn dann wirkt das Medikament schlechter.

Ernährungsempfehlungen

Neben der klassischen Behandlung mit Medikamenten empfehlen Ärzte und Ärztinnen Parkinson Patienten und Patientinnen eine spezielle Ernährung, um den Darm ins Gleichgewicht zu bringen und damit das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen. "Hier ist die mediterrane Ernährung für den Verlauf günstiger." Das heißt konkret: Reichlich Gemüse, Fisch, Öle mit ungesättigten Fettsäuren, Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte. "Bei dieser Form der Ernährung werden Polyphenole aufgenommen, die eine krankheitslindernde Wirkung haben können." Polyphenole sind sekundäre Pflanzenstoffe, die auch eine blutdrucksenkende Wirkung haben können. Sie sind beispielsweise in Randschichten von Obst und Gemüse enthalten.

Intervallfasten

Eine Studie prüft derzeit, ob sich das Darmmikrobiom durch sogenanntes Intervallfasten normalisieren lässt. Eine Woche essen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nur Gemüsebrühe, danach machen sie ein Jahr lang große Pausen zwischen den Mahlzeiten. Viele Teilnehmer berichten über vorübergehend nachlassende Symptome und eine bessere Lebensqualität.

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Wichtige Aspekte bei der Ernährung

  • Eiweiß: Zu jeder Hauptmahlzeit sollte auch eine kleine Portion Proteine, also Eiweiß, möglichst in Form von Fisch oder Milchprodukten gereicht werden. Wichtig bei der Einnahme von Nahrungseiweiß ist, dass Patienten und Patientinnen die Wechselwirkung von Proteinen und Parkinsonmedikamenten wie L-Dopa beachten.
  • Milchprodukte: Patienten und Patientinnen mit Parkinson sollten bei Milchprodukten genau auswählen.
  • Vermeidung von Verstopfung: Parkinson kann auch die Fähigkeit beeinträchtigen, Nahrung gut zu kauen und zu schlucken, und es kann schwierig sein, sich Ballaststoffreich zu ernähren, um den Stuhl weich zu halten. Das Schlucken von Flüssigkeiten kann ebenfalls erschwert sein, was sich wiederum auf die Stuhlkonsistenz auswirkt. Medikamente, sowohl Medikamente gegen Parkinson als auch Antidepressiva, können die Verstopfung verschlimmern.

Forschungsperspektiven

Die finnischen Wissenschaftler rund um Scheperjans sind sich in jedem Fall sicher, dass die Darmflora in den nächsten Jahrzehnten eine wichtige Rolle in der Entwicklung neuer Parkinson-Therapien spielen wird.

Ted Dawson: "Für mich würde das nächste Experiment so aussehen: Wir verändern bei Mäusen die Darmflora und schauen, ob sich die α-Synukleine dadurch krankhaft verändern. Dann könnten wir unsere ganzen Ergebnisse zusammenführen und wüssten, was genau die Parkinson Krankheit auslöst. Im besten Fall könnten aus den jetzigen Ergebnissen neue Therapien entstehen. Beispielsweise über nützliche Bakterien als Probiotika oder auch als Stuhltransplantation. In jedem Fall aber könnten die Ergebnisse dabei helfen, eine Parkinson-Krankheit schon viel früher zu diagnostizieren. Sammeln sich vermehrt krankhaft veränderte Eiweiße im Verdauungstrakt an, kann das ein Warnzeichen sein, von dem Patienten profitieren würden. Denn eine frühe Gabe von Dopamin, also dem Botenstoff, der Bewegungen ermöglicht, verlangsamt den Krankheitsverlauf. "Ich denke, dass unsere Ergebnisse auch andere Neurowissenschaftler motivieren werden. Viele neurodegenerativen Krankheiten hängen mit krankhaft veränderten Proteinen zusammen. Man wird sich das genauer ansehen.

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