Die Diagnose Parkinson ist für viele Betroffene ein Schock. Obwohl diese chronische Nervenerkrankung nicht heilbar ist, gibt es vielfältige Möglichkeiten, die Lebensqualität langfristig zu erhalten und zu verbessern. Eine passgenaue Therapie, die auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten zugeschnitten ist, steht dabei im Mittelpunkt. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte der ganzheitlichen Parkinson-Behandlung, von medikamentösen Therapien über aktivierende Maßnahmen bis hin zu komplementären Ansätzen.
Die Parkinson-Krankheit: Ursachen, Symptome und Diagnose
Die Parkinson-Krankheit ist eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, die hauptsächlich das Bewegungssystem betrifft. Sie entsteht durch den fortschreitenden Verlust von Dopamin-produzierenden Nervenzellen in einem bestimmten Gehirnbereich, der Substantia nigra. Dieser Prozess führt zu einem Dopaminmangel, der die Steuerung von Bewegungen beeinträchtigt.
Die klinischen Leitsymptome umfassen ein unwillkürliches Zittern (Tremor), eine Bewegungsverlangsamung (Hypokinese) und eine Tonussteigerung der Muskulatur (Rigor). Darüber hinaus beklagen Betroffene häufig auch sogenannte nicht-motorische Beschwerden wie einen Verlust des Geruchssinns, eine niedergeschlagene Gemütslage, Schlafstörungen oder Schmerzen.
Gerade zu Beginn der Erkrankung ist eine spezialisierte differentialdiagnostische Betrachtung wichtig, um andere Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen auszuschließen. Dazu gehören atypische Parkinson-Syndrome (z.B. Multisystematrophie, MSA; Progressive Supranukleäre Paralyse, PSP; Corticobasales Syndrom, CBS), vaskuläres Parkinsonoid, Tremorsyndrome (z.B. Essentieller Tremor), Normaldruckhydrozephalus, genetische Erkrankungen (z.B. Morbus Huntington, HD; Spinocerebelläre Ataxie, SCA) und die Studie KoSSNo.
Die Diagnostik umfasst hochauflösende Kernspintomographie, nuklearmedizinische Untersuchungen (SPECT, PET-CT), Ultraschalluntersuchungen (Hirnparenchym-Sonographie), fiberendoskopische Schluckdiagnostik (FEES), differenzierte Liquor-Analyse (u.a. Bestimmung der Demenzmarker), humangenetische Beratung, Testungen der Konzentrations-/Gedächtnisleistungen und spezielle Medikamentenanwendungen (z.B. pulsatiler Levodopa-Test).
Lesen Sie auch: Parkinson-Medikamente: Was Sie beachten müssen
Konventionelle Behandlungsmethoden
Die Parkinsonbehandlung besteht für die meisten Betroffenen aus zwei Hauptsäulen:
Medikamentöse Therapie
Die wichtigsten Medikamente zur Behandlung eines Parkinsonsyndroms sind die Dopamin-Ersatzstoffe (DOPA-Präparate, COMT-Hemmer, MAO-B-Hemmer und Dopaminagonisten). Eine durch erfahrene und spezialisierte Neurologinnen und Neurologen austarierte Einstellung kann eine spürbare Reduzierung der Symptome erreichen.
Allerdings kann es im Verlauf einer langjährigen Dopamin-Einnahme zu Wirkungsschwankungen kommen, die sich zum Beispiel in überschießenden Bewegungen oder Bewegungsunfähigkeit zeigen. In solchen Fällen können geräteunterstützte Therapien wie Medikamentenpumpen für Dopaminersatzstoffe in Betracht gezogen werden.
Medikamentenpumpen
Subkutane (d.h. über das Unterhautfettgewebe) oder intestinale (d.h. über den Dünndarm) Medikamentenpumpen kommen bei Menschen mit fortgeschrittener Parkinson-Erkrankung zum Einsatz, bei denen häufige Medikamenteneinnahmen notwendig sind und sich Wirkfluktuationen aus Phasen guter und schlechter Beweglichkeit (Wirkfluktuationen) sowie unwillkürlichen Überbewegungen (Dyskinesien) zeigen. Durch den Einsatz von Pumpentherapien kann eine kontinuierliche Medikamentengabe gewährleistet und eine Verbesserung der Wirkfluktuationen erzielt werden. Die Pumpen können entweder nur tagsüber (ca. 16 Stunden) oder auch nachts (24 Stunden) zum Einsatz kommen. Die Förderrate kann jeweils über die Pumpe gesteuert werden. Größe, Gewicht und Handhabung unterscheiden sich zwischen den einzelnen Pumpenformen. Es existieren mehrere Arten der Medikamentenpumpen auf dem Markt:
- Subkutane Apomorphin-Pumpe: Der Dopaminagonist Apomorphin wird kontinuierlich über das Unterhautfettgewebe verabreicht. Diese Pumpe eignet sich vor allem für jüngere, mobile Parkinson-Patienten mit Wirkfluktuationen, die gut auf Dopaminagonisten ansprechen. Potentielle Nebenwirkungen können lokale Reaktionen (z.B. Rötung, Hautknoten), Übelkeit/Erbrechen, Blutdruckabfälle oder neuropsychiatrische Auffälligkeiten (z.B. Halluzinationen) sein. Eine gute Hauthygiene und -pflege ist zu beachten.
- Subkutane Foslevodopa/Foscarbidopa-Pumpe (Produodopa®): Die Pumpe ermöglicht die kontinuierliche Gabe von Foslevodopa über die Haut. Diese Pumpe eignet sich für Patienten mit fortgeschrittenem Parkinson-Syndrom und Wirkfluktuationen, die gut auf Levodopa ansprechen. Als Nebenwirkungen sind lokale Reaktionen (z.B. Rötung, Hautknoten), gastrointestinale oder Kreislauf-Probleme sowie Halluzinationen möglich. Auch hier ist auf eine ausreichende Hauthygiene und regelmäßige Wechsel der Einstichstelle zu achten.
- Intestinale Levodopa-Carbidopa-(Entacapon)-Pumpe (Duodopa®, LCIG; Lecigon®, LECIG): Mit Hilfe einer JET-PEG Sonde (jejunal tube through percutaneous endoscopic gastrostomy), die im Rahmen eines kurzen endoskopischen Eingriffs unter Propofol-Kurznarkose über die Bauchdecke angelegt wird, kann der Wirkstoff Levodopa in Form eines Gels direkt in den Dünndarm abgegeben werden. Potentielle Nebenwirkungen sind ähnlich zur oralen oder subkutanen Anwendung von Levodopa (Übelkeit/Erbrechen, Blutdruckabfälle oder neuropsychiatrische Auffälligkeiten (z.B. Halluzinationen). Zudem können lokale Reaktionen (z.B. Rötung, Nässen der Einstichstelle) auftreten. Sehr selten kann es zu Dislokation der Sonde kommen, so dass eine endoskopische Korrektur oder Neuanlage erforderlich wird.
Die Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Pumpe wird individuell hinsichtlich des zu erwartenden Wirkungs-/Risiko-Profils gemeinsam mit dem Patienten und den Angehörigen getroffen. Die Dosierung und Einstellung der Pumpe erfolgt individuell und unter ärztlicher Aufsicht, um die bestmögliche Behandlung für den Patienten zu gewährleisten.
Lesen Sie auch: Die Stadien der Parkinson-Krankheit erklärt
Tiefe Hirnstimulation (THS)
Bei Patient*innen mit einem idiopathischen Parkinson-Syndrom ohne schwerwiegende Begleiterkrankungen und einem nicht zufriedenstellend behandelbaren Tremor bzw. Schwankungen der Beweglichkeit oder relevanten Nebenwirkungen der Medikation kann eine stationäre Operations-Abklärung für eine Tiefe Hirnstimulation (THS) in Betracht gezogen werden.
Mit diesem neurochirurgischen Eingriff können die wesentlichen Parkinsonsymptome behandelt werden. Mittels modernster Bildverfahren werden die Stimulationsorte im Gehirn millimetergenau festgelegt. Zunächst werden feine Elektroden implantiert, anschließend ein streichholzschachtelgroßes Steuergerät, der „Hirnschrittmacher“. Dieser wird unter die Bauch- oder Brusthaut implantiert und über dünnste, ebenfalls unter der Haut geführte Kabel mit den Elektroden verbunden. Diese wiederum sind jeweils in beide Gehirnhälften in die genau definierten Nervenzellkerngebiete eingebracht.
Aktivierende Therapien
Neben der medikamentösen Behandlung spielen aktivierende Therapien eine wichtige Rolle. Dazu zählen beispielsweise:
- Physiotherapie: Sie hilft bei der Verbesserung von Gleichgewicht, Körpergefühl, Beweglichkeit und Gangbild und dient der Sturzprophylaxe. Auch Wärmetherapie und Massagen kommen zum Einsatz.
- Ergotherapie: Sie dient unter anderem als Training der Feinmotorik und zur Verbesserung von Gedächtnisstörungen.
- Logopädie: Bei entsprechenden Beschwerden stehen auch logopädisches Sprachtraining und Schlucktherapie und -diagnostik auf dem Plan.
Weitere unterstützende Maßnahmen
- Neuropsychologie: Sie wird hinzugezogen, um mögliche kognitive Störungen zu beurteilen.
- Ernährungsberatung: Wichtig sind Informationen zu Ernährung und deren Einfluss auf Darm und Nervensystem.
- Gesprächsangebote: Sie dienen dem Umgang mit der Erkrankung für Betroffene und Angehörige.
Komplementäre und alternative Behandlungsmethoden
Neben den konventionellen Behandlungsmethoden gewinnt die parkinson naturheilkunde zunehmend an Bedeutung als ergänzende Therapieform. Die naturheilkundliche Begleitung der Parkinson-Erkrankung zielt darauf ab, die Lebensqualität zu verbessern, Symptome zu lindern und möglicherweise das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen.
Orthomolekulare Medizin
Die orthomolekulare Medizin spielt eine wichtige Rolle in der ganzheitlichen parkinson therapie.
Lesen Sie auch: Überblick zur Dopamin-Erhöhung bei Parkinson
- Coenzym Q10: Gilt als einer der am besten erforschten Nährstoffe bei Parkinson. Als wichtiger Bestandteil der mitochondrialen Energieproduktion kann es die Zellenergie verbessern und oxidativen Stress reduzieren.
- Alpha-Liponsäure: Wirkt als potentes Antioxidans und kann die Blut-Hirn-Schranke überwinden.
- B-Vitamine: Insbesondere B1, B6 und B12, sind essentiell für die Nervenfunktion.
- Vitamin C: Hochdosierte Vitamin-C-Infusionen können bei der Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen unterstützend wirken. Vitamin C ist ein starkes Antioxidans, das oxidativen Stress reduziert und die Immunfunktion stärkt.
- Glutathion: Glutathion-Infusionen gewinnen in der naturheilkundlichen parkinson therapie zunehmend an Aufmerksamkeit. Glutathion ist das wichtigste intrazelluläre Antioxidans und bei Parkinson-Patienten oft vermindert.
Heilpflanzen
Verschiedene Heilpflanzen können die konventionelle Parkinson-Behandlung sinnvoll ergänzen.
- Mucuna pruriens: Auch bekannt als Juckbohne, enthält natürliches L-DOPA und wird traditionell bei Bewegungsstörungen eingesetzt.
- Ginkgo biloba: Kann die Durchblutung verbessern und neuroprotektive Eigenschaften aufweisen.
Mitochondriale Unterstützung
Die Mitochondrien, oft als Kraftwerke der Zellen bezeichnet, spielen eine zentrale Rolle bei der Parkinson-Erkrankung. Eine Störung der mitochondrialen Funktion trägt zur neurodegeneration bei. Neben Coenzym Q10 können weitere Substanzen wie PQQ (Pyrrolochinolinchinon), NADH und Ribose die mitochondriale Funktion unterstützen.
Entzündungshemmende Maßnahmen
Chronische Entzündungsprozesse im Gehirn spielen bei der Parkinson-Erkrankung eine wichtige Rolle. Omega-3-Fettsäuren, insbesondere DHA und EPA, können Entzündungen reduzieren und die Nervenfunktion unterstützen.
Darmgesundheit
Neueste Forschungen zeigen einen deutlichen Zusammenhang zwischen Darmgesundheit und Parkinson-Erkrankung. Die Darm-Hirn-Achse spielt eine wichtige Rolle bei der neurodegeneration. Probiotische Therapien und präbiotische Substanzen können die Darmgesundheit fördern.
Ayurveda
Einige Kliniken bieten einen ganzheitlichen Ansatz, der die schulmedizinische, medikamentöse Therapie mit einem Ayurveda-Konzept begleitet. Die klassische, medikamentöse Parkinson-Therapie wird mit dem traditionsreichen Ayurveda-Konzept vereint. Die Parkinson-Patienten werden langfristig und ganzheitlich behandelt: Angefangen bei ayurvedischer Ernährung geht es über traditionelle Ayurveda-Therapien, wie dem Stirnölguss, bis hin zu schulmedizischen therapeutischen Maßnahmen.
Spezielle Therapieansätze
Parkinson-Komplex-Behandlung
Bei Patient*innen im fortgeschrittenen Parkinson-Stadium mit sogenannten motorischen Wirkfluktuation (Phasen der Über- bzw. Unterbeweglichkeit und ggf. psychiatrischen Komplikationen mit Halluzinationen) kann eine Parkinson-Komplex-Behandlung zur Neueinstellung und Therapieoptimierung durchgeführt werden.
Über einen Zeitraum von mindestens 14 Tagen durchlaufen Sie dabei eine ganzheitliche Behandlung und Therapie. Es wird fachübergreifend mit Physiotherapeutinnen, Ergotherapeutinnen, Neuropsychologinnen, Logopädinnen sowie speziell geschulten Pflegekräften zusammengearbeitet. Durch die kombinierten Maßnahmen werden die motorischen Fähigkeiten wie Gehen und Greifen ebenso wie Stimm- oder Schluckprobleme behandelt.
Digitales Spiel
Spielekonsolen und Computerspiele können auch als therapeutische Hilfe eingesetzt werden. Die virtuelle und vernetzte Welt kann Beeinträchtigungen, wie verminderte Schrittlänge, langsames Gehtempo, Sturzgefahr und Freezing, durch akustische und visuelle Signale regulieren. Aufmerksamkeit, Konzentration und Motivation werden durch das digitale Spiel besonders angesprochen. Nintendo Wii zum Beispiel ist bei leicht betroffenen Patientinnen und Patienten gut einsetzbar, da es nicht primär mit der Krankheit assoziiert wird. Der Lerneffekt wird durch den Spaß am Spiel noch unterstützt.
Anti-Freezing-Strategien
Das sogenannte Freezing ist eine Gangstörung, mit der es früher oder später alle Parkinsonpatientinnen und -patienten zu tun bekommen. Der flüssige Gang stockt mit einem Mal. Mit reinem Willen ist der Gang kurzfristig nicht mehr steuerbar. Zunächst wird durch einen Test herausgefunden, wann es bei Ihnen zum Freezing kommt. Diese Situationen werden im Folgenden gezielt trainiert, zuerst in den Klinikräumen, dann auf der Straße. Dabei kommen unter anderem Laserpointer oder Metronome zum Einsatz. Mit dem Laserpointer können Sie einen Punkt vor sich werfen, auf den Sie Ihre Schritte setzen. Ein weiteres Hilfsmittel bei Gangblockaden ist übrigens der „Anti-Freezing-Stock“, ein Gehstock mit einer kleinen Lasche am Griff. Tritt das Freezing auf, setzen Sie den Stock vor sich und betätigen durch eine leichte Beugung der Finger die Lasche.
Die Bedeutung der Nachsorge und Unterstützung
Nach der Entlassung aus einer Klinik ist eine persönliche, langfristige und unmittelbare Nachsorge wichtig. Gemeinsam mit der Deutschen Parkinson-Vereinigung (DPV) und der Deutschen Parkinson Hilfe (DPH) werden regelmäßig Parkinson-Cafés angeboten. In angenehmer und entspannter Atmosphäre haben Sie die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen zum Umgang mit der Erkrankung auszutauschen.
tags: #Parkinson #ganzheitliche #Behandlung