Die Parkinson-Krankheit, eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, die durch den Verlust dopaminerger Neuronen im Gehirn gekennzeichnet ist, betrifft weltweit Millionen von Menschen. Die Suche nach einer ursächlichen Therapie, die über die bloße Linderung der Symptome hinausgeht, hat die Forschung auf dem Gebiet der Stammzelltherapie vorangetrieben. Ziel ist es, die zugrunde gegangenen dopaminergen Nervenzellen durch neue zu ersetzen und so die Dopaminproduktion im Gehirn wiederherzustellen.
Stammzelltransplantation als möglicher Therapieansatz
Der Ansatz der Stammzelltransplantation konzentriert sich auf den Ersatz der bei Parkinson-Patienten abgestorbenen Neuronen, die von der Substantia nigra ins Corpus striatum reichen und dort Dopamin freisetzen. Erste klinische Studien haben gezeigt, dass dies sicher möglich ist. Bei einer solchen Stammzelltherapie werden aus menschlichen Stammzellen Neuronen, also Nervenzellen, gezüchtet und dann in das Gehirn von Parkinson-Patienten transplantiert. Die transplantierten Nervenzellen sollen abgestorbene Zellen ersetzen und sind für die Produktion des Glückshormon Dopamin verantwortlich.
Es hatte zuvor bereits Versuche gegeben, bei Parkinson-Patienten die zugrunde gegangenen Zellen mit Stammzellen zu ersetzen, genauer gesagt mit fetalen Stammzellen. Diese Versuche waren jedoch gescheitert, weil die behandelten Patienten Dyskinesien entwickelt hatten.
Aktuelle Studie mit induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen)
In einer aktuellen Studie wurden dopaminerge Vorläuferzellen eingesetzt, die aus einer klinisch validierten iPS-Zelllinie (induzierte pluripotente Stammzellen) gewonnen worden waren. Die Transplantate wurden bilateral ins Gehirn appliziert, wobei drei Patienten eine niedrige Dosis von 2,1 bis 2,6 Millionen Zellen/Hemisphäre und vier Patienten eine höhere Dosis von 5,3 bis 5,5 Millionen Zellen/Hemisphäre erhielten.
Das primäre Ziel war es, die Sicherheit einer solchen Behandlung zu ermitteln. Während der Nachbeobachtungszeit von 24 Monaten zeigte keiner der sieben Patienten schwerwiegende Nebenwirkungen. Insgesamt wurden 73 unerwünschte Ereignisse registriert, die meist leicht bis moderat waren. Bildgebend (MRT, PET) traten weder Tumorwachstum noch Entzündungszeichen auf. Einzelfälle von Dyskinesien waren reversibel und traten ausschließlich während der sogenannten On-Zeiten auf. Das deutet darauf hin, dass die Dyskinesien nicht auf die Transplantation, sondern auf die Parkinson-Medikation der Patienten zurückzuführen waren, die diese während der Studie weiter einnahmen.
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Erste Wirksamkeitsbewertung
Bei sechs der sieben Patienten wurde im Phase-II-Teil der Studie eine erste Wirksamkeitsbewertung vorgenommen. Die durchschnittlichen Veränderungen aller sechs Patienten betrugen 9,5 beziehungsweise 4,3 Punkte, was 20,4 beziehungsweise 35,7 Prozent für die Off- beziehungsweise On-Scores bedeutete. Bemerkenswert war, dass jüngere Patienten (< 60 Jahre) besser auf die Therapie ansprachen als ältere. Die jüngeren Patienten in dieser Studie hatten allerdings auch geringere Ausgangsscores, während die älteren Patienten mit fortgeschrittener Symptomatik nur geringfügig profitierten.
Eine Auswertung der sekundären Endpunkte der Studie belegte die Durchführbarkeit der Zelltransplantation sowie das Überleben und Heranwachsen der Zellen im Gehirn über den Zeitraum von 12 Monaten.
Bemdaneprocel (BRT-DA01) als vielversprechender Kandidat
Bemdaneprocel (BRT-DA01) ist eine Therapie in der Erprobungsphase bestehend aus Dopamin-produzierenden Neuronen, die aus pluripotenten Stammzellen gewonnen werden. Sie werden chirurgisch in das Gehirn eines Parkinson-Patienten implantiert.
Die Ergebnisse einer Phase-I-Studie (NCT04802733) mit einer Nachbeobachtungszeit von mittlerweile 18 Monaten sind ermutigend. In Bezug auf die Sicherheit wurde Bemdaneprocel bei allen 12 Proband:innen mit Parkinson in niedriger und hoher Dosis gut vertragen. Zudem konnte die OFF-Zeit reduziert und die ON-Zeit gesteigert werden, ohne dass Dyskinesien auftraten.
„In der Hochdosis-Kohorte wurden die größten Effekte zur Reduktion der OFF-Zeit erzielt“, ergänzte Storch. Eine Phase-II-Studie zur weiteren klinischen Untersuchung von Bemdaneprocel wird noch in diesem Jahr mit der Rekrutierung von Studienteilnehmer:innen beginnen.
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Forschung in Kopenhagen und die Hoffnung auf eine Therapie
Am Institut von Agnete Kirkeby an der Universität Kopenhagen wird intensiv an einer Stammzell-Therapie gegen Parkinson geforscht. Kirkeby und ihr Team verwenden überzählige Embryonen aus künstlichen Befruchtungen, um daraus Stammzellen zu gewinnen, die sie im Labor dazu bringen, sich in sogenannte dopaminerge Neurone zu verwandeln. Das sind die Vorläufer der Zellen, die bei Parkinson-Patienten absterben.
Kirkeby: "Natürlich gibt es jede Menge Geschichten in den Medien, wenn eine neue Technologie erforscht wird. Und die Menschen erwarten dann, dass der Durchbruch viel früher kommt. Die Forschung braucht einfach Zeit."
Die Forscherin öffnet die Tür zum Labor. Ein enger Raum mit Wärmeschränken auf der linken und Labortischen auf der rechten Seite. "In diesen Inkubatoren züchten wir die Zellen bei 37 Grad, damit sie sich so wohl fühlen, als wären sie im menschlichen Körper. Und in der pinkfarbenen Flüssigkeit befinden sich Nährstoffe und alle Wachstumsfaktoren, die die Zellen brauchen. Wir können uns die Zellen ja mal unter dem Mikroskop anschauen."
Mit bloßem Auge sind sie nicht zu erkennen, erst unter dem Mikroskop. "Wenn ich mir diese Zellen anschaue, sehe ich, dass es pluripotente embryonale Stammzellen sind. Wir nennen diesen Zustand undifferenziert. Das bedeutet, dass sie in der Lage sind, jeden Zelltyp im menschlichen Körper zu bilden." Aus diesen Zellen können die Forscher also theoretisch Herzzellen, Nierenzellen oder Nervenzellen entstehen lassen. "In diesem Zustand können wir die Zellen für immer und ewig halten. Wir können sie vermehren, auf neue Plastikschalen verteilen, sie einfrieren, an unsere Kollegen verschicken. Das ist ein großer Vorteil von Stammzellen: Wir können genügend Zellen für die ganze Welt herstellen, wenn wir wollen.
Agnete Kirkeby holt eine zweite Schale aus dem Wärmeschrank und legt sie unter das Mikroskop. Darin befinden sich Stammzellen, die sich schon in Nervenzellen differenziert, also verwandelt haben. "Hier können Sie sehen, dass die Zellen sehr dünne lange Arme bilden. Das sind die Neurite, die im Gehirn der Patienten Kontakt zu anderen Nervenzellen aufnehmen. Und diese Kommunikation ist absolut notwendig, damit die Transplantation funktioniert." Die Zellen sehen mit ihren Fortsätzen wie kleine in die Länge gezogene Sterne aus. Genauso wie die Nervenzellen aus den Biologie-Büchern.
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Kirkeby:"Theoretisch sollten diese beiden Typen von Stammzellen identisch sein. Oft sind sie es auch. Aber bei iPS-Zellen besteht die Gefahr, dass wir Mutationen auslösen. Es ist ein ziemlich turbulenter Prozess für eine ausdifferenzierte Körperzelle, wenn wir aus ihr wieder eine Stammzelle machen. Es kann sein, dass sie ein epigenetisches Gedächtnis behält, dass sie sich also noch daran erinnert, zum Beispiel mal eine Blutzelle gewesen zu sein. Es gibt auch Forscher, die jetzt schon auf iPS-Zellen setzen. Der japanische Forscher Jun Takahashi hat 2018 einen ersten Parkinson-Patienten mit diesen induzierten Zellen behandelt, sechs weitere sollen folgen. Auch in den USA laufen Studien an. Der Vorteil: Die Testpersonen werden zumindest in den ersten Monaten nach der Transplantation keine Medikamente einnehmen müssen, die das Immunsystem unterdrücken. Denn weil iPS-Zellen aus den Körperzellen der Patienten entstehen, werden sie nicht abgestoßen.
Kirkeby:"Die Herausforderung ist in beiden Fällen, dass die Stammzellen jeden Zelltyp des menschlichen Körpers bilden können, und wir müssen ihre Verwandlung genau kontrollieren. Und das ist der schwierigste Teil der Forschung, wenn man als Stammzell-Biologin arbeitet. Andere haben sich diese Zeit nicht genommen, und behandelten viel zu früh Patienten. Der italienische Chirurg Paolo Macchiarini behauptete 2013, Luftröhren durch Gerüste ersetzen zu können, die er mit Stammzellen behandelt hatte. In wissenschaftlichen Artikeln beschrieb er seine Patienten als genesen. Doch dann starben sie qualvoll. Kirkeby: "Es gibt seitdem viele zusätzliche Auflagen in Schweden, um die klinischen Versuche sicher zu machen. Einen weiteren Skandal will niemand."
Agnete Kirkeby hat ihre Stammzellen immer wieder an Versuchstieren getestet, auch um Tumore auszuschließen. Jetzt scheint sie sich ihrer Sache sicher zu sein: "Wir haben die Stammzellen in den vergangenen 10 Jahren mehr als 1200 Ratten transplantiert. Deshalb sind wir sehr zuversichtlich, dass sie funktionieren und sicher sind. Wir erwarten, dass wir die ersten Patienten 2021 behandeln können. Weil dieses Verfahren aber sehr neu und experimentell ist, haben wir von den Behörden die Auflage bekommen, nur eine sehr kleine Gruppe von Patienten zu behandeln. Nur acht Personen werden eine Zelltransplantation bekommen.
Ethische Aspekte und regulatorische Hürden
Die Verwendung von Stammzellen, insbesondere embryonalen Stammzellen, ist ethisch umstritten. In Deutschland ist die Verwendung von embryonalen Stammzellen aus dem Ausland unter bestimmten Umständen legal, sofern sie vor 2007 hergestellt wurden.
Weitere vielversprechende Therapieansätze
Neben der Stammzelltherapie gibt es weitere vielversprechende Therapieansätze für Parkinson, darunter:
- Gentherapie: Die Gentherapie zielt darauf ab, die Dopaminproduktion im Gehirn durch das Einbringen von Genen zu stimulieren. AB-1005 ist eine Gentherapie, bei der ein Adeno-assoziiertes Virus (AAV2) verwendet wird, um ein Gen in bestimmte Zellen des Gehirns zu bringen, wo es die Produktion und Freisetzung eines kleinen Proteins namens glial cell line-derived neurotrophic factor (GDNF) anregt. Die Ergebnisse einer Phase-1-Studie zeigen, dass die Verabreichung von AB-1005 von allen Patienten gut vertragen wurde. Schwerwiegenden Nebenwirkungen wurden nicht gemeldet.
- Neuroprothesen: Neuroprothesen könnten bald die Parkinson-typischen Gangstörungen verbessern.
- App-gestützte Sensoren: App-gestützte Sensoren und benutzerfreundliche Wearables könnten eine lückenlose Dokumentation und objektive Einordnung von Parkinson-Symptomen ermöglichen.
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