Parkinson und Eisenmangel: Ein komplexer Zusammenhang

Die Parkinson-Krankheit ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen, von der allein in Deutschland etwa 400.000 Menschen betroffen sind. Sie ist gekennzeichnet durch Bewegungsstörungen wie Zittern und Muskelsteifheit, die durch den Verlust von Dopamin-produzierenden Nervenzellen im Gehirn verursacht werden. Während die genauen Ursachen für das Absterben dieser Nervenzellen noch nicht vollständig geklärt sind, rückt die Rolle von Eisen im Gehirn immer mehr in den Fokus der Forschung.

Eisen und Dopamin: Eine komplizierte Beziehung

Dopamin ist ein Neurotransmitter, der nicht nur als "Glückshormon" bekannt ist, sondern auch eine entscheidende Rolle bei der Steuerung von Muskelbewegungen spielt. Für die Dopaminproduktion in den Nervenzellen wird Eisen benötigt. Allerdings kann ein Zuviel an Eisen in den Zellen auch giftig wirken und zum Absterben der Dopamin-produzierenden Nervenzellen in der Substantia Nigra führen, einem Bereich im Hirnstamm. "Durch Eisen verursachter oxidativer Stress gilt als mögliche Ursache für das Absterben der Dopamin-produzierenden Nervenzellen", so DESY-Forscher Gerald Falkenberg.

Neue Ansätze zur Frühdiagnose: Magnetresonanztomographie (MRT)

Ein Forscherteam aus Deutschland und Großbritannien hat nun ein Verfahren entwickelt, mit dem sich die Eisenkonzentration in den betroffenen Hirnregionen ermitteln lässt. Unter Beteiligung der DESY-Forscher Gerald Falkenberg und Dennis Brückner konnte das Team um Evgeniya Kirilina vom Max-Planck-Institute für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig mithilfe von DESYs brillanter Röntgenlichtquelle PETRA III aus MRI (Magnetresonanz-Imaging)-Messungen von Zellen mögliche toxische Eisenkonzentrationen ermitteln. Die Arbeit könnte zur Entwicklung von Frühdiagnosen für die Parkinson-Krankheit beitragen.

Die Forscher verglichen spezielle MRT-Messungen mit Röntgenfluoreszenz-Messungen an DESYs hochbrillanter Röntgenlichtquelle PETRA III. So gelang es erstmals, die Eisenkonzentration in einzelnen Zellen aus postmortalem Hirngewebe mit hoher Präzision und Spezifizität zu bestimmen. Die Strahlführung P06 bietet dafür ideale Bedingungen: „Der mikroskopisch kleine Strahl - kombiniert mit einer sehr hohen Photonenzahl - ermöglicht eine hohe Messgenauigkeit“, sagen Falkenberg und Brückner. „So konnten wir in kurzer Zeit viele Messungen an mehrere Millimeter großen Proben durchführen.“ Das Ergebnis: Die Eisenkonzentration in den Zellproben stieg von 70 ppm kurz nach der Geburt auf 400 ppm im höheren Alter. Das meiste Eisen lag dabei in Form von neurotoxischen Einzelionen vor.

Dem Forscherteam gelang es damit erstmals, MRI-Daten zu möglichen toxischen Eisenkonzentrationen im menschlichen Dopaminsystem zuzuordnen. So könnten Mediziner zukünftig durch konventionelle MRI-Untersuchungen im Krankenhaus die Eisenverteilung in den Hirnneuronen lebender Patienten ermitteln und die mögliche schädigende Eisenanreicherung verfolgen. Das Ziel: Im sich entwickelnden Gehirn von Jugendlichen oder Erwachsenen frühzeitig Abweichungen von normalen Werten erkennen.

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Ungewöhnliche Eisenverteilung im Gehirn von Parkinson-Patienten

Eine Studie des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) hat gezeigt, dass Eisen bei Menschen mit Parkinson auf ungewöhnliche Weise im Gehirn verteilt ist. Forscher um Professor Peter Nestor wendeten eine spezielle Form der Magnetresonanztomographie (MRT) an, die es ihnen ermöglichte, die Eisenverteilung im gesamten Gehirn darzustellen. Zum Einsatz kam dabei ein spezielles MRT-Verfahren: die QSM (Quantitative Suszeptibilitätskartierung).

Die QSM nutzt Rohdaten, die bei der konventionellen MRT üblicherweise verworfen werden. „Die QSM zeigt, wie die magnetische Suszeptibilität innerhalb des Gehirns variiert. In unserer Studie werden diese Veränderungen hauptsächlich von lokalen Unterschieden im Eisengehalt hervorgerufen. Letztendlich bilden wir also die räumliche Verteilung von Eisen im Gehirn ab“, erklärte Julio Acosta-Cabronero.

Die Wissenschaftler verglichen Hirnscans von Menschen mit Parkinson und gesunden Studienteilnehmern und konnten krankhafte Veränderungen identifizieren. „Bei Parkinsonpatienten stellten wir, wie aufgrund vorheriger Studien erwartet, einen erhöhten Eisengehalt in der Substantia nigra fest, aber auch in weiten Bereichen des Neocortex“, erklärte der Leiter der Arbeitsgruppe, Peter Nestor. Darüber hinaus zeigte die QSM Anomalien auch in Hirnbereichen, die in Zusammenhang mit Parkinson bisher wenig beachtet wurden. „Der Nucleus dentatus - eine Region des Kleinhirns - weist normalerweise einen hohen Eisengehalt auf. Unser das gesamte Gehirn umfassende Ansatz zeigte jedoch bei Parkinsonpatienten einen verringerten Eisengehalt in diesem Areal. Bei einigen Betroffenen war der Rückgang extrem. Dies unterstreicht, wie diese Methode neue Möglichkeiten zur Erforschung der Parkinson-Krankheit eröffnen kann“, so Nestor.

Eisenchelatoren: Ein vielversprechender, aber komplexer Therapieansatz

Da ein übermäßiger Eisengehalt im Gehirn den Verlust von Dopamin-produzierenden Nervenzellen begünstigt, untersuchen Forscher die Möglichkeit, den Eisengehalt im Gehirn mit sogenannten Eisenchelatoren zu reduzieren. In präklinischen Studien haben experimentelle Modelle der Parkinson-Krankheit gezeigt, dass der Abbau von überschüssigem Eisen mit Eisenchelatoren die toxische Wirkung von Eisen verhindern und das Absterben von Neuronen begrenzen kann.

Eine Herausforderung dieses Ansatzes ist jedoch, dass Eisen an vielen biologischen Prozessen beteiligt ist. Hierzu zählt u.a. die Produktion von Dopamin selbst, sodass Eisen sowohl positive als auch negative Auswirkungen bei Parkinson aufweist. Inwiefern die Reduktion des Eisengehalts im Gehirn mit Deferipron zu einer Verzögerung der Krankheitsprogression bei IPS-Patienten beitragen kann, hat ein europäisch-israelisches Konsortium mit Beteiligung auch deutscher Zentren untersucht.

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In dieser Phase-2-Studie wurden insgesamt 372 Teilnehmer mit neu diagnostizierter Parkinson-Erkrankung eingeschlossen, die noch nie Levodopa erhalten hatten. Die Patienten erhielten über 36 Wochen hinweg entweder Deferipron-Tabletten (15 mg pro Kilogramm Körpergewicht, zweimal täglich) oder Placebo. „Diese Studie bei Parkinson-Patienten ohne eine begleitende Therapie mit Dopaminergika hat leider gezeigt, dass durch die 9-monatige alleinige Behandlung mit Deferipron eine Verschlechterung der Parkinson-Symptome bewirkt wird“, schildert Walter. Mit bildgebenden Verfahren konnte zumindest nachgewiesen werden, dass der Eisengehalt im Gehirn tatsächlich reduziert wurde, ergänzt der Experte. Als mögliche Erklärung für den ungünstigen klinischen Effekt führt Walter an, dass Eisen in frühen Stadien der Parkinson-Krankheit besonders nötig für die Aufrechterhaltung der residualen Dopaminsynthese ist. Eisen ist ein wichtiger Kofaktor für das Schlüsselenzym Tyrosinhydroxylase, das den ersten Schritt der Dopaminsynthese katalysiert, erläutert Walter. Es könnte auch sein, dass die schädlichen Auswirkungen des Eisenüberschusses erst in späteren Stadien der Parkinson-Krankheit deutlich werden.

„Eine wichtige Erkenntnis der Studie ist, dass künftige Therapiestrategien mit Deferipron die simultane Gabe von Dopaminergika und evtl. auch eine längere Beobachtungszeit beinhalten sollten“, so das Fazit von Walter.

Entacapon und das Darmmikrobiom: Ein unerwarteter Zusammenhang

In einer bahnbrechenden neuen Studie haben Wissenschaftler der Universität Wien in Zusammenarbeit mit anderen internationalen Forschungseinrichtungen aufgedeckt, dass das häufig verschriebene Parkinson-Medikament Entacapon das menschliche Darmmikrobiom erheblich negativ verändert, indem es Eisenmangel hervorruft. Die Forscher vermuteten aufgrund der chemischen Struktur des Arzneistoffs, dass Entacapon die Eisenverfügbarkeit im Darm beeinträchtigen könnte, ein wesentlicher Nährstoff für viele Mikroben. Ihre Experimente bestätigten, dass tatsächlich die Zugabe von Eisen zu den mit Entacapon behandelten Stuhlproben die Veränderungen des Mikrobioms weitgehend aufhob. Weitere Untersuchungen ergaben, dass E. coli, das sich unter diesen Bedingungen stark vermehrte, über ein hoch effizientes Eisenaufnahmesystem verfügte. „Damit haben wir einen neuen Mechanismus im Darm entdeckt, bei dem das Parkinson-Medikament Entacapon ungewollt das Wachstum von E. coli fördert, indem es Eisen bindet“, erklärt Wagner.

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